Als der Verfasser sein Funfzigstes Jahr zurücklegte

Den 2 Febr. des 1750 Jahres.


Erhabner Schöpfer aller Welt!
Die so viel Wunder in sich hält,
Als auf dem Erdball Thiere leben;
Als Sterne glänzen in der Höh;
Als Körner hegt der Strand der See;
Als Stäubchen in den Lüften schweben.
Wie ungemein hat deine Macht
Dieß Meisterstück hervor gebracht!
Wo wären Erde, Luft und Meer,
Wo aller Himmelslichter Heer,
Dafern sie nicht von Dir entsprungen?
[224]
Wer rief sie aus dem alten Nichts?
Wer schuff den Glanz des ersten Lichts,
Das durch die längste Nacht gedrungen?
Hast Du, o Gott! durch Deine Macht
Dieß alles nicht hervor gebracht?
Du warst ja schon von Ewigkeit,
Viel älter, als Natur und Zeit,
Ein unumschränkt beglücktes Wesen.
Du warst ja selig, auch allein!
Was brauchtest Du der Dinge Seyn,
Die Deine Weisheit sich erlesen?
Gebrach Dir was, als Dein Verstand
Den Weltbau schaffenswürdig fand?
O nein! o nein! aus Güte bloß,
Hast Du die Welt, so schön, so groß,
So unermeßlich dargestellet;
Wer zählt der hellen Kugeln Zahl,
Daraus des regen Lichtes Stral,
Bey Nacht das Firmament erhellet?
Sie glänzen stets: wie wohl den Tag
Ihr Glanz nicht überwinden mag.
Wer hing der Wandelsterne Lauf
In ungleich großen Höhen auf,
Und hieß sie um die Sonne fließen?
Wer wies doch jedem seinen Kreis,
So kräftig, daß sie Bahn und Gleis
Im Schwunge nicht verlassen müssen?
Da sonst, was sich mit Schleudern regt,
Den Mittelpunct zu fliehen pflegt.
[225]
Wer wies doch allen Achsen an,
Um die ihr Körper wirbeln kann,
Wie sich der Erdball selbst beweget?
Wer zeichnete den Angelstern
Dem einen nah, dem andern fern,
Von dem, der unsern Erdpol träget?
Der uns die Zeit von Tag und Nacht,
Zwar ungleich, doch beständig macht.
O Schöpfer! Deine Weisheit bloß
Gab dort und hier den ersten Stoß,
Davon die Kugeln seitwärts rollten;
Das machts, wenn sich der Erdball dreht,
Daß Lenz und Sommer erst entsteht,
Dann Herbst und Winter folgen sollten;
Indem die Nord- und Süderwelt,
Sich wechselnd nach der Sonne stellt.
Der heiße Weltstrich nicht allein,
Sollt reich an Thier und Pflanzen seyn,
Und stets von heißen Stralen schmelzen.
Nein! auch das Nord- und Süderland
War eignen Bürgern zuerkannt;
Drum muß die Erde so sich wälzen;
Daß jeder Theil zu seiner Zeit,
Durch größrer Wärme Kraft gedeiht.
Nicht kleiner ist der Kugeln Werth,
Die unsre Sonne noch verklärt,
So nah und weit sie immer schweben!
Sie wärmen sich an ihrem Licht,
Dem auch der Wechsel nicht gebricht;
Wie sollte kein Geschöpf da leben?
[226]
Wie sollte nur die Erd allein,
An Thier und Menschen fruchtbar seyn?
Nein nein! umsonst ließ Gott gewiß
Fünf Kugeln, Licht und Finsterniß,
In festgesetzter Zeit nicht fühlen:
Umsonst schuff Er nicht Wärm und Frost,
Für Länder wo Er keine Kost,
Für Thier und Menschen, wollt erzielen!
Wo Winter, Lenz, und Sommer ist,
Wird was beseeltes nicht vermißt.
O! Jupitern muß offenbar,
Der schönsten Monden doppelt Paar,
Nicht ganz umsonst die Nacht erfreuen!
Wo zündet wohl ein kluger Mann
In wüsten Feldern Fackeln an,
Die Finsternisse zu zerstreuen?
O Schöpfer! Deiner Weisheit Pflicht,
Thut wahrlich was vergeblichs nicht.
Der Erdkreis ist so reich bewohnt,
Doch glänzt ihm nur ein kleiner Mond:
Dort hast Du viere dran gewendet.
Saturn hat kaum an fünfen gnug,
Davon der ungleich schnelle Flug
Sich in sehr kurzer Zeit vollendet;
Wer glaubt nun, daß ihr Silberlicht
Umsonst der Nächte Schatten bricht?
Und welch ein seltnes Wunderding
Ist dieses Irrsterns heller Ring,
Der rings umher in Lüften schwebet?
Bald selber glänzt, bald dunkel macht;
[227]
Wenn er der hellen Monden Pracht
In seiner Schatten Flor begräbet.
Wer hieng ihn zum Saturnus auf?
Wie folgt er des Planeten Lauf?
O Wunderthäter! Herr und Gott!
Wie unbesonnen ist der Spott,
Der Thoren, die Dein Thun nicht merken?
Des Schwarms, der Deine Hand nicht sieht,
Und sich voll Aberwitz bemüht,
Des blinden Zufalls Macht zu stärken!
Der doch mit aller seiner Kraft,
Nur Abscheu und Verwirrung schafft.
Sagt! war der Zufall denn so klug,
Als er die Bahn des Mondes schlug,
Ihm so die feste Spur zu zeigen;
Daß er, wenn uns der Winter drückt,
Mit vollem Antlitz zu uns rückt,
Den Norderhimmel zu besteigen;
Bey unsrer längsten Tage Pracht,
Am Südpol helle Nächte macht?
Geh! schäme dich, verirrte Zunft!
Die du mit blinder Unvernunft
Im Finstern tappst, wo Sonnen glänzen:
Siehst du denn nicht der Allmacht Kraft,
Die stets des Erdballs bestes schafft,
Wenn Sommer, Winter, Herbst und Lenzen,
Das ganze Volk bewohnter Welt,
Im Wechsel überall erhält?
Und wär auch unser Silbermond
Nicht von Geschöpfen reich bewohnt,
[228]
So müßt er uns beständig leuchten.
Warum zeigt uns sein Angesicht,
Nicht allemal ein volles Licht,
Wenn Thau und Nebel ihn nicht feuchten?
Ist auch ein leerer Klump wohl werth,
Daß ihn die Sonn ringsum verklärt?
Gieb Acht auf ihn! wie kehrt er sich
In Monatsfrist so ordentlich,
Nach dem beliebten Sonnenlichte!
Man sieht, daß er nach Wärme strebt,
Und so wird er ringsum belebt;
Und nichts geht ihm vor Frost zunichte.
Daß auch sein Bürger leben soll;
Drum scheint er uns nicht täglich voll.
Ein mindrer Grad Geschwindigkeit,
Könnt ihn mit uns in gleicher Zeit,
Um unsers Kreises Brennpunct führen.
So blieb er wohl ein Wandelstern;
Und dörfte doch, wie Mars, von fern,
Sein rundes Antlitz nie verlieren;
Auf unsrer Hälfte voller Schein,
Auf jener ewig finster seyn.
Genug! die Weisheit schuff die Welt,
Die doch viel mehr noch in sich hält,
Als lauter Sonnen und Planeten.
Wo bleibt die ungemeine Zahl
Der durch den blassen Dunst und Stral,
Geschwänzt und bärtigen Kometen?
Darauf, o Gott! Dein Allmachtruff,
Nicht minder Creaturen schuff.
[229]
Ihr seltner Lauf entrückt sie nur,
Auf einer langgestreckten Spur,
Viel Jahre durch, dem Blick der Erden.
Doch können sie, bald kalt, bald warm,
Durch Deiner Güte Vaterarm,
Wohl an Geschöpfen fruchtbar werden:
Wenn selbst der Dampf, der uns erschreckt,
Sie vor der Sonnenhitze deckt.
Schon mehr als dreyßig sind gezählt,
Wo unsrer Sonne Licht nicht fehlt.
Wer weis? ob wir die Hälfte kennen?
Wir wissen ja das Zehntheil kaum,
Von dem, was in des Himmels Raum,
Für flammenreiche Kugeln brennen:
Die doch der Ausspruch kluger Welt
Schon längst für lauter Sonnen hält.
Und wenn nun dieser Sonnen Heer,
Nicht mindern Welten dienstbar wär,
Als unser Sonnenball belebet?
Wie groß wird da die Anzahl seyn,
Der Kugeln, die ihr blasser Schein,
In tiefer Himmel Nacht begräbet?
Ach! in wie vieler Welten Schooß,
Bist Du, o Gott! an Wundern groß!
Dich lobt der Körper große Zahl,
Die Du, mit tadelfreyer Wahl,
Aus ihrem alten Nichts gezogen.
Dich lobt der Geister freyer Mund;
Wird ihm Gesetz und Ordnung kund,
Darnach Du alles abgewogen.
[230]
Dich lobt, o Gott! Dein weites Reich:
Ja, Schöpfer, Dir ist niemand gleich!
Bey so viel tausend Wundern nun,
Was ist der Mensch, und all sein Thun,
Daß Du, o Höchster! sein gedenkest?
Verdient ers, daß ihm Deine Hand
So manche Wohlthat zugewandt,
Womit Du stündlich ihn beschenkest?
War ers in seinem Nichts wohl werth,
Daß Du auch ihn zum Seyn begehrt?
Der trefflichsten Geschöpfe Zier,
Viel tausend Geister dienen Dir,
Die dort in höhern Sphären wohnen.
Erhabne Seelen beßrer Kraft,
Von ungleich größrer Eigenschaft,
Verehren Dich zu Millionen.
Wie können wir uns unterstehn,
Unendlicher! Dich zu erhöhn?
Ist unsers Lebens längste Zeit
Vor Dir wohl einer Spanne breit?
Währt unser Hauch wohl wenig Stunden?
Fährt unser Seyn nicht wie der Wind?
Denn eh ein dünner Rauch verschwindt,
Ist unser Odem schon verschwunden;
Vor Dir, o Gott, dem tausend Jahr
Ein Tag ja noch viel minder war.
Sind tausend Jahre Dir ein Tag?
Wie kömmts, daß man sich schmäucheln mag,
Auf dieser Flucht noch alt zu werden?
Kaum einer lebt den zehnten Theil!
[231]
Die größte Meng entflieht in Eil
Der Eitelkeit bewohnter Erden.
Kaum hat sie funfzig Jahr erstrebt,
So hat sie völlig ausgelebt.
Dieß Ziel, o Gott, Dem niemand gleicht!
Hat meiner Tage Lauf erreicht,
Hat itzt Dein Knecht beglückt errungen!
Dein Wink hat meine Kraft gestärkt,
Daß Seel und Körper unvermerkt
Ein halb Jahrhundert durchgedrungen;
Bevor, was Geist und Glieder rührt,
Der mindsten Schwächung Grad gespürt.
Wie manchen Freund hab ich gekannt,
Der sich bey gleichen Kräften fand;
Und gleichwohl längst vor mir erblichen?
In frischer Jugend, voller Saft,
Verlohr so mancher Geist und Kraft,
Ist mancher schnell der Welt entwichen.
Auch manch Geschwister wird vermißt,
Das mir sehr jung entrissen ist.
Herr! war ichs vor so vielen werth,
Daß meine Kraft sich nicht verzehrt,
Wie Lampen deren Tocht verglimmet.
Hat Deine Vorsicht mich ersehn,
Zu Diensten, die noch nicht geschehn,
Und die Dein Rathschluß schon bestimmet?
Bin ich geschickt dazu erkannt?
Sieh, Herr! ich bin in Deiner Hand.
Du bist der Töpfer, ich der Thon;
Du Herr! der Vater; ich der Sohn;
[232]
Ich bin das Werkzeug, Du der Meister!
Mach alles, was Du willst, mit mir!
Nur wirf mich nicht erzürnt von Dir,
Du höchstes Gut erschaffner Geister!
Laß meinen Dienst nur nicht gemein,
Nicht schändlich, nicht verwerflich seyn.
Mein Zweck war schon von Kindheit an,
So viel ich mich besinnen kann,
Mit Ernst der Welt und Dir zu dienen.
Du weist, daß meiner jungen Brust,
Die Reizung lasterhafter Lust
Schon als ein süßes Gift geschienen:
Was mancher höchst bemüht gesucht,
Davor nahm ich sehr oft die Flucht.
Dein Geist hat mich getreu regiert,
Und mancher Tugend zugeführt,
Die sonst der Jugend Trieb verfehlet.
Dem dank ichs, nicht der eignen Kraft,
Daß ich den Weg der Wissenschaft
Auf meines Vaters Wink erwählet.
Die erste Wohlthat Deiner Hand
Hat mir den Führer zugewandt.
Der lenkte mich von Jugend auf
Von jener Bahn, wo sonst der Lauf
Durch viele Lasterpfützen leitet:
Wenn junger Herzen Lüsternheit
In großer Städte Wildigkeit
Mehr Böses lernt, als Kunst erbeutet.
Gott! vor Gefahren solcher Art,
Hat mich des Vaters Fleiß bewahrt.
[233]
Sein treugemeynter Unterricht,
Wies mir der freyen Künste Licht,
Und was die alten Sprachen nützen.
Er selber legte so den Grund,
Er selber that mir spielend kund,
Wobey sonst Knaben mühsam schwitzen;
Bis ich im dreymal fünften Jahr,
Zu höhern Schulen tüchtig war.
Hier wiesest du mir Gönner an,
Die meines armen Fleißes Bahn
Durch Huld und Wohlthun unterstützten.
Mein Mangel ward durch Zuschub leicht,
Die Lehrer wurden mir geneigt,
Indem sie meinen Eifer schützten;
Bis ihre Hand mir noch zuletzt
Den Hut der Lehrer aufgesetzt.
Bisher sah mich mein Preußenland;
Als deine weise Vaterhand
Mich auch durch Trübsal prüfen wollte.
Ein Unfall, welcher mich bedroht,
Ward mir ein Ruf, der schnell geboth,
Daß ich die Fremde suchen sollte.
Woselbst mir doch, kaum auf ein Jahr,
Der Unterhalt in Händen war.
Herr! der Du auch die Raben hörst,
Und oft der Armen Kad vermehrst,
Auch mir hat nichts gebrechen müssen!
Du reichtest mir so Kleid als Brodt,
In Meißen traf mich keine Noth;
Hier war ich aller Furcht entrissen!
[234]
Hier gab der Fleiß durch Mund und Hand
Mir fast ein neues Vaterland.
Was sag ich? Nein! Wer sonst, als Du,
Wandt mir der Großen Neigung zu,
Die für der Musen Wohlfahrt wachen?
Augustus winkt von Seinem Thron:
Bald weist Sein Kronen-werther Sohn
Sich auch geneigt, mein Glück zu machen;
Sie wiesen mir ein Lehramt an,
Das Müh und Fleiß ermuntern kann.
Herr! nahm ich meiner Pflichten wahr,
Wenn Mund und Kiel sich manches Jahr
Bestrebt, die Weisheit recht zu lehren;
So ward mein Eifer sehr gestärkt,
So oft ich dankbar angemerkt,
Daß sich Dein Segen schien zu mehren:
Wenn Adel, Graf und Prinz sogar
Um meinen Hörsaal eifrig war.
Der hohen Schulen Purpurtracht
Hast Du mir viermal zugedacht,
Das edle Pleiß-Athen zu lenken:
Wenn mir der größten Männer Wahl,
Der Musen Zepter anbefahl,
Die Pindus-Bürger einzuschränken;
Die mir doch oft, bey stiller Nacht,
Der Seytenspiele Dank gebracht.
Wie vieler Großen Huld und Gunst
Hat mir nicht Wissenschaft und Kunst,
Durch Deine Fügung, zugezogen!
Auch Fürsten wurden mir geneigt,
[235]
Und Habens in der That gezeigt,
Und sind mir itzo noch gewogen.
Des Reiches höchstes Oberhaupt
Hat mir den Zutritt jüngst erlaubt.
Was sag ich von der süßen Eh,
Darinn ich durch Dein Fügen steh,
O Vater! der Du Herzen bindest!
Du hast die Gattinn mir ersehn,
Die Du in Gram und Wohlergehn
Mir treugesinnt und redlich findest;
So daß ich ihren edlen Sinn
Dir zu verdanken schuldig bin.
Zwar hat es mir, nach Art der Welt,
Die nichts vollkommnes in sich hält,
Auch nicht an Haß und Neid gefehlet.
Doch hab ich gegen manchen Feind,
Die Brust, die sonst nicht fühllos scheint,
Mit Großmuth und Geduld umstählet;
Und was die Lästersucht erdacht,
Durch sanftes Schweigen stumpf gemacht.
Dieß sag ich nicht, als ob ich frey
Von Fehlern, Maal und Narben sey,
Die diesen mehr, als den, beflecken:
Nein Herr! Du kennest Herz und Sinn!
Und weist schon, wo ich schuldig bin:
Was darf ichs Dir noch erst entdecken?
Du weist, daß ichs geduldig trug,
So oft mich deine Ruthe schlug.
Ich küsse deine Vaterhand,
Die ich noch stets geschäfftig fand,
[236]
Mein unverrücktes Wohl zu bauen.
Der will ich ferner was ich bin,
Mein Glück und Leben, Leib und Sinn,
Kurz, was nur mein ist, anvertrauen.
Jedoch, o Gott! was ist wohl mein?
Ich, Welt und Himmel sind ja dein.
Kann ich hier noch was Gutes thun,
So laß mich, Höchster! niemals ruhn,
Was Dir gefällt, ins Werk zu setzen!
Doch läuft mein Stundenglas bald aus:
So führe mich in jenes Haus,
Wo Du die Deinen wirst ergetzen!
Da will ich mehr, als hier geschehn,
Die Wunder Deiner Weisheit sehn.

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