Der Bann

Leb wohl, Geliebte, ich muß scheiden,
Es treibt mich fort in Angst und Qual,
Fort von der Wohnstatt meiner Freuden,
Fort von dem Weibe meiner Wahl.
Nicht dieser Blick und diese Zähren!
Verbirg dein holdes Angesicht!
Du kannst das Scheiden mir erschweren,
Doch mir ersparen kannst dus nicht.
Denn wisse, wenn du mich umschlungen,
Umschlangst du keinen freien Mann,
Der Abgott deiner Huldigungen,
Er ist belegt mit Acht und Bann.
Der Fürstin, der die Welt zu eigen,
Der alles huldigt, was da lebt,
Vor der sich alle Wesen beugen,
Hab ich im Wahnsinn widerstrebt;
[109]
Mit ihrer Schwester, sinnverwirret,
Die ohne Heimat, ohne Haus,
Durch Erd und Luft und Wellen irret,
Zog ich in wilder Jagd hinaus.
Im Mondenglanz, auf flüchtgem Fuße,
Schlang ich mit ihr den Geisterreihn,
Und alles Wirklichen Genusse
Entsagt ich um den holden Schein.
Da sprach die Fürstin zornentglommen,
»Verschmähst du so, was ich dir bot,
So seis auf immer dir genommen,
Du vogelfrei bis an den Tod.
Von Wunsch zu Wunsch in ewger Kette
Und rastlos wie du bist, so bleib,
Dir sei kein Haus und keine Stätte,
Kein Freund, kein Bruder und kein Weib;
Ein Büttel aber beigegeben,
Mit dir, in dir, laß er dich nie,
Der peitsche rastlos dich durchs Leben,
Der wilde Dämon Phantasie.
Er heiße dich nach allem fassen,
Was irdisch schön, mit raschem Geiz,
Doch hältst dus, müssest du es hassen
Und Mängel sieh in jedem Reiz;
Verdammet Schatten nachzujagen,
Buhl doch um Augenblickes Kuß,
Es fehle Kraft dir zum Entsagen
Und Selbstbegrenzung zum Genuß.
Die Sprache will ich dir verwandeln,
Dein Hörer sei der Mißverstand,
Mißlingen sei mit deinem Handeln,
Entzweit auf immer Kopf und Hand;
Die dich liebt, flieh! die du begehret,
Sie schaudere zurück vor dir!
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Und sagt sie: ja, hat sie gewähret,
So töt ihr Ja dir die Begier.
Und daß der letzte Trost versaget,
Verewigt Rache sei und Leid,
So zweifle der, dem dus geklaget,
An deines Leidens Wirklichkeit!
Zieh hin um all dein Glück betrogen,
Und buhl um meiner Schwester Gunst,
Sieh, was das Leben dir entzogen,
Ob dirs ersetzen kann die Kunst.«
Da fiels mich an mit Nachtgewalten,
Und Wahrheit war es, was sie sprach,
Das Herz im Busen mir gespalten
Und jener innre Dränger wach.
Seitdem irr ich verbannt, alleine,
Betrüge andre so wie mich:
Du aber, armes Weib, beweine,
Den du verloren ewiglich.

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Zitationsvorschlag für dieses Objekt
TextGrid Repository (2012). Grillparzer, Franz. Gedichte. Gedichte. Der Bann. Der Bann. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0002-FB06-4