[186] Oesterreich und Burgund

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Karl der Kühne

1473.


Zu Trier war's, 1 da saßen zwei Fürsten beim goldnen Wein,
Kein Schranze lauschte spähend, und nur der Ampel Schein
Verrieth hier eine Krone auf einem narb'gen Haupt
Und dort ein lächelnd Antlitz, von Rosen leicht umlaubt.
Der Ein' ist reich an Thaten, ein düstrer Held zu sehn,
Der Andre frisch wie Cedern, die jung im Wuchse stehn,
Der Eine schien ein Herbsttag, der heim die Garben trägt,
Der Andr' ein Frühlingsmorgen, der Saaten der Hoffnung hegt.
Der glich dem moos'gen Eichbaum, an dem die Axt schon liegt,
Der Andre dem schlanken Sprößling, den Gärtnerhand noch biegt,
Der schien die Sonn' im Westen, die blutig untergeht,
Und jener der Stern der Liebe, der lächelnd im Osten steht.
Es dünkt dem ernsten Helden sein Lenz aufs Neu' erblüht,
Wenn ihm das Flammenauge des Jünglings entgegenglüht;
Der aber fühlt sich mächtig vom Fittig der Zeit umrauscht,
Wenn er des düstern Genossen tiefernster Rede lauscht.
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Der Ein' ist reich an Siegen, und rasten möcht' er nun,
Den Andern drängt's nach Thaten, um glorreich dann zu ruhn;
Der Eine heißt der Kühne im ganzen schönen Burgund,
Und Oestreichs Max den Andern nennt jeder deutsche Mund.
Sie sahn sich stumm ins Auge und drückten Hand in Hand,
Und füllten die Pokale bis an den goldnen Rand;
Der Freundschaft Rosenfinger mit Zügen licht und mild
Malt tief ins Herz indessen dem Freund des Freundes Bild.
Wie'n Gnadenbild Madonnens, dem Eichbaum angeschmiegt,
So glänzt das Frauenbildniß, das Karl'n am Busen liegt,
Ganz gleicht's ihm selbst, wie der Sonne in Seen ihr Widerschein,
Nur sanfter als das Urbild und milder blickt es drein.
Die Sonne blendet das Auge, doch nicht ihr Widerschein,
Drum blickte Max ins Bildniß so lang und gern hinein;
Und wenn mit Karls Pokale der seine zusammenhallt,
Weiß selbst er's nicht zu sagen, wem wohl sein Becher galt?
Frühmorgens als beim Abschied man sah die Fürsten stehn,
Warm Herz an Herz gepresset, da war es schön zu sehn:
Wie ihre Krieger auch standen, und Hand in Hand sich bot,
Und über allen Landen aufglomm das Morgenroth.

Fußnoten

1 Karl der Kühne hegte den Gedanken, ein neues Königreich Burgund zu stiften; die dießfalls mit Kaiser Friedrich eingeleiteten Unterhandlungen veranlaßten die Zusammenkunft der beiden Fürsten zu Trier, wohin Friedrich seinen Sohn Maximilian mitnahm. Schon damals ward die Verbindung Maximilians mit Karls einziger Tochter Maria verabredet.

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Zitationsvorschlag für dieses Objekt
TextGrid Repository (2012). Grün, Anastasius. Gedichte. Der letzte Ritter. Oesterreich und Burgund. Karl der Kühne. Karl der Kühne. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0003-0C80-1