Die Reigerbaize
Als Lenz die Erde wieder im ersten Kuß umschloß,
Da ritt aus Brügge's Thoren ein bunter Jägertroß,
Viel schmucke Falkoniere sah man zu Rosse ziehn,
Und an des Gatten Seite die schöne Herzogin.
Am Arm saß ihr ein Falke. Ob seinem weißen Gewand
Ward er bei Hofe scherzweis der Dominikaner genannt,
Ein schwarzes Käppchen bedeckt' ihn, er trug ein silbern Collar,
Darauf das Wörtlein: Aufwärts! in Gold zu lesen war.
Weit dehnt sich ein Haide, da grünt kein schatt'ger Baum
Nur Dorngestrüppe wuchert zerstreut im öden Raum,
Zur Linken lag ein Weiher, des Reigervolkes Bad,
Da wäscht es sein Gefieder, sich selber zum Verrath.
Jetzt rauscht es in den Wellen, es kreischt aus dem Schilf hervor
Und rechts und linkshin fliegen verscheuchte Reiger empor,
Vom Arm der Jäger steigen die muth'gen Falken hinan,
Gleich Wünschen der Menschenseele, so schweben sie himmelan
[213]Und jedes Jägers Auge will mit den Falken ziehn,
Wie die in Lüften, stoßend, zur Rechten und Linken fliehn,
So sprengen flink da unten die Reiter kreuz und quer,
Es dröhnt die bebende Haide, Staub wirbelt drüber her.
Doch sieh, mit flatternder Mähne läuft dort ein lediges Roß, –
Wie's schnaubt, wie scheu es blicket! nun sprengt's durch den wirren Troß,
Halt an, erfaßt den Zügel! wo sank der Reiter hin?
O Gott, dort liegt im Blute die edle Herzogin.
Es lehnt ihr bleiches Antlitz sanft in des Gatten Schooß,
So blaß wie Abendwolken, wenn Spätroth längst zerfloß;
Ach wie in rother Strömung der Lebensquell versprüht,
Wie reich die blut'ge Rose ihr aus dem Herzen blüht!
Ein Kinderpaar an der Leiche,
1 das weinenden Engeln glich,
Beugt zärtlich über die bleiche, entseelte Mutter sich;
So neigen zwei Rosenknospen, an einem Stamm erglüht,
Sich über die Mutterrose, die sturmentblättert verblüht.
Mit traurig gesenktem Köpfchen, im blutgetünchten Gras,
Als Tröster ihr zur Seite der Dominikaner saß;
Wollt ihr sein Sprüchlein wissen? sie selbst hat ihn's gelehrt,
»Aufwärts!« so heißt's und glänzet in Goldschrift unversehrt.