Die Kranenburg

Herr Koppenoll im Rathhaus schrieb sich die Finger matt,
Dann rief er seinen Buben: »Komm', Bursche, nimm dieß Blatt,
Zu Herren Maxen trag' es, dazu noch meinen Gruß.«
Der Knabe neigt sich in Ehrfurcht und eilt auf schnellem Fuß.
»Dieweil zwei Sonnen am Himmel zugleich nicht können stehn,
Muß, weil jetzt steigt die eine, die andre untergehn;
Und ist der Aar in Freiheit, raubt er nach Adlerbrauch,
Drum sorgten wir Volk von Brügge für einen Käfig auch.«
So stand es in dem Blatte, das Max nun lächelnd las,
Drauf, wie ein rother Meerkrebs, der Zünfte Siegel saß,
Darunter Kopp'nolls Name in krummen Schnörkeln stand,
Umkränzt von schwarzen Wolken, den Spuren der Schusterhand.
»Es ist just Carnevalszeit, drum freut eu'r Schwänkchen mich.«
So sprach der Fürst zum Boten, doch still spricht er für sich:
»Stellt nur an euren Himmel kein thranig Lampenlicht!
Gebt Acht, daß nicht der Adler des Käfigs Stäbe bricht!«
Drauf zog er in seinen Kerker, die Kranenburg heißt das Haus,
Des Ostens Gewürze feilschte sonst hier ein Krämer aus.
Von Balsam, Myrrh' und Ambra qualmt Kammer noch und Luft;
Hier lernte der junge König zu würd'gen den Weihrauchduft.
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Jetzt herrscht das Volk zu Brügge. Still stehen die Gewerbe,
Der Gerber muß regieren. Wann bleibt ihm Zeit, daß er gerbe?
Wie soll der Krämer vereinen den Zepter und Ellenstab?
Der Todtengräber nur wetzet, wie sonst, den Spaten am Grab.

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Zitationsvorschlag für dieses Objekt
TextGrid Repository (2012). Grün, Anastasius. Gedichte. Der letzte Ritter. Thron und Dreifuß. Die Kranenburg. Die Kranenburg. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0003-0DBA-C