47.
Auff den Sontag deß mitleidenden Eyvers/ oder X. Sontag nach dem Fest der H. Dreyeinigkeit. Luc. 19.

Ach mein Licht! wo rührt es her? daß du' dich so hoch betrübest?
Meine Lust! was kräncket dich? was beschwehr't dein sanfftes Hertz?
Bin ich schuld an dieser Angst/ daß ich vnbedacht verschertz
Diese Gnadenzeit/ in der du mir raum zur Busse giebest?
Ich erkenn' ich bin nicht werth/ daß du heimsuchst; daß du liebest
Meine blind vnd taube Seel! ach all-sichtb're Lebenskertz!
Ach entdecke mir die Noht/ der gehäufften Plagen-Schmertz/
Die mit grimmen Donner tob't/ wenn du Rach vnd Zorn verübest!
Schaue mich dein Zion an/ treib mit scharffen Geisseln auß'
Meiner Sünden Krämerey/ die mein Hertz/dein eigen Haus
Gleich den Mörder-Gruben macht/ wenn du diesen Tand geräumet/
Wenn du in mir lehren wirst; werd' ich aller Rach entgehn
Vnd was zu dem Friede dient: weil der Friede blüht verstehn
Auch einbringen was bißher/ meine Trägheit hat versäumet.

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TextGrid Repository (2012). Gryphius, Andreas. Gedichte. Sonette. Sonnette. Das dritte Buch. 47. Auff den Sontag deß mitleidenden Eyvers. 47. Auff den Sontag deß mitleidenden Eyvers. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0003-17AF-6