[Kehr um, verhaster Kiel, wir wollen Buße thun]

[165] Auf eine Magisterpromotion


In Form einer Satyre.


Kehr um, verhaster Kiel, wir wollen Buße thun,
Die Rache dörft uns sonst das lezte Bad bereiten,
Kehr um, ich rathe Guts, und las die Hechel ruhn
Und schmeichle nach der Kunst den höchstverderbten Zeiten!
Die Welt besinnt sich nur auf einen Aretin,
Von deßen Feder sich der Fürsten Gunst entrißen,
Da gegentheils der Zorn so manchen Boccalin
(Denn Esel wehren sich) mit Säcken todt geschmißen.
Wer ist, der höhnisch murrt und dort im Winckel lacht?
Thalia? Ja, du bists. Hervor und las dich hören,
Warum dir der Entschluß ein solch Gelächter macht!
Ich dächte, meine Reu gereichte dir zu Ehren.
Man heist dich spröd und grob, der Titul klingt verhast
Und wird so gut verflucht, als wenn wir Jungfern nennen.
Mein, sage, was dein Groll aus meinen Worten fast!
Du fängst an mir nicht an, die Zunge zu verbrennen.
Geh, Mammelucke, geh, so hör ich, stimmstu an,
Du solst den ersten Schmiz von meiner Peitsche kriegen,
Da so ein Wanckelmuth dein Herz verführen kan
Und nunmehr auch der Schein dir in den Kopf gestiegen.
Das wär ein ärgrer Streich, du lose Spötterin,
Als daß die Jungemagd ein Fleischkloz weggetragen.
Verdenckstu mir mein Heil? Verdenck es immerhin.
Ein Narr mag elend seyn und stets die Warheit sagen.
Wie, warestu denn taub, als Brenno neulich sang,
Ein Weiser müste sich nach Ort und Weise richten
Und um ein fettes Maul und um den Kirchweihtranck
Auch da, wo Tugend fehlt, die Tugend zierlich dichten?
Vorwahr, nun dörft ich fast den sonst berühmten Mor,
So klug er immer heist, mit seinem Nahmen schelten,
Der blos aus Eigensinn den schönen Bart verlor.
Ja, warum lies er nicht des Königs Hize gelten?
Dies war kein Hofmannsstreich. Thalia, lache mit!
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Gott ehre mir den Thrax! jezt sind die Leute klüger.
Daß Thrax in Gold und Sammt auf Marmorschwellen tritt,
Das macht, er seegnet gar die Heirat mit der Schwieger.
Ich war bisher ein Kind und folgte dem Lucil,
Allein ich kam auch an wie Hagel in die Töpfe,
Die Narren danckten mir durch ihren Pritschenstiel,
Und Mägdgen henckten mich an alle Wichtelzöpfe,
In Wüntschen mein ich nur. Die hies mich kurz und lang,
Und jene steckten mir die Nadeln vor die Nase:
Die Nelcke schmeckt zu scharf, dort liegt ein Satyr kranck
Und speit seit gestern früh, das hat der Hund vom Graße.
Seitdem Copernicus den Erdkreiß umgedreht
Und Magelan den Weg zur güldnen Zeit gefunden,
Sind Boßheit und Betrug mit Haufen ausgesät
Und alle Tugenden des Alterthums verschwunden.
Hierunter zehlt sich auch die Ofenherzigkeit,
Die nirgends sicher ist, als wo man sie verstecket.
Euch Mägdgen nehm ich aus, indem ihr noch zur Zeit,
Versteht mich aber recht, ihr Brustbild oft entdecket.
Entschlafne Weisen, liegt, ich sag es euch verblümt,
O liegt, sonst wird euch jezt das tümmste Rind verlachen.
Was der von Magdeburg an seiner Pumpe rühmt,
Das weis jezt jede Magd recht künstlich nachzumachen.
Man bläset kalt und warm, und dieses ist schon recht,
Sonst hat uns die Natur den Mund umsonst gegeben.
O schweigt doch, die ihr oft von Nothund Theurung sprecht!
Wenn war wohl beßre Zeit? Man kan vom Lande leben.
Bey Wölfen heult man mit. Bethörte Poesie,
Die mit dem Juvenal sich aus dem Lande singet!
Man lebe doch galant! Es kostet wenig Müh,
Und gleichwohl sieht man jezt, wie viel es Wucher bringet.
Ein Dichter hat den Saz natürlich ausgeführt.
Gebt Acht, wie viel sich noch Exempel bringen laßen:
Dort läst Marphorio, der Luft im Schedel führt,
Die Menge seines Staats von fremdem Schweiße praßen.
Nechst war Melan ein Knecht und muste, da der Schmaus
Den lezten Trauring fraß, mit nackten Fingern betteln;
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Jezt ist Melan ein Herr, jezt kauft er Hof und Haus
Und kan wohl ungestraft das Waysengeld verzetteln.
Weicht aus, die Sänfte schreyt, hier brüstet sich ein Mann,
Er hat, erschröckt nur nicht, sechs Güter in dem Leibe.
Man meint zwar, daß er mehr als Semmel eßen kan,
Allein das glaubt ein Kind, er schindt sie von dem Weibe.
Sevil reimt, wie er lebt, und muß doch mit Gewalt
Und wieder seine Schuld ein großer Dichter heißen.
Sein karger Gönner spricht, der Ofen sey nicht kalt;
Er steht dabey und friert und will den Pelz zerreißen.
Nervoso erbte nichts auf beider Eltern Tod
Als einen Brief voll Schuld und zwey Paar tapfre Hosen,
Jezt macht sein stolzes Kleid des Mogols Pagen roth;
Galante weis es wohl, er wust ihr liebzukosen
(Gleich lauft mir Fabula von ohngefehr in Reim)
Und trägt jezt wohl mehr Gold als vormahls Schmuz und Beulen.
O schöner Unbestand! So kan der Honigseim
Verbuhlter Fertigkeit die ärgsten Mängel heilen.
Geht hin und fragt einmahl, was Strephons Kupfer gilt.
Ich wett, es kömmt so hoch, man könt ihn selbst bezahlen,
Ihn, deßen Nahme längst die halbe Welt erfüllt.
Womit? Durch Wißenschaft? O nein, mit stillem Prahlen.
Hier liegt ein Doctorhut, den will die lincke Braut
Nach ihrer Zärtligkeit mit Lorbeerblättern schmücken;
Die Misgunst sieht es an und nennt es Knabenkraut.
Man muß es ihr verzeihn, sie sieht mit Dorchens Blicken.
O heilge Schmeicheley! O hochgelobte List,
Wodurch wir uns ans Bret und an das Glücke schmiegen!
O, daß doch unter uns vor dich kein Tempel ist,
Auch Mecca würde kaum mehr Schäz und Opfer kriegen.
Hier wollt ich augenblicks der nechste Priester seyn,
Nachdem ich endlich auch mein Wohl bedencken lerne
Und Laster ehren kan. Die Biebel flucht zwar drein;
Was schadets, wenn ich nur mein zeitlich Creuz entferne!
Nelisco und auch du, beleidigter Crispin,
Nebst allen, denen ich bisher zu nah geschrieben,
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Ich bitte, wollt ihr mehr, so will ich auch wohl knien,
Vergeßt die Niesewurz, womit ich euch gerieben.
Es war ja nur ein Spaß und nicht so arg gemeint,
Man sezt gar oft ein Wort der lieben Reime wegen.
Ich schwör euch bey der Fluth, die Glomphens Ehfrau weint,
Es ist mein ganzer Ernst, die Warheit hinzulegen.
Geh, Warheit, führ dich ab, geh, Warheit, schnell und fleuch
So starck und weit von mir als Steps von Ehr und Tugend!
Du bist ein nackter Balg, die Boßheit macht uns reich.
Das glaubt ich ehmahls nicht, allein das that die Jugend;
Denn hätt ich dies gewust, wie wollt ich mich nicht blehn,
Catheder und Altar mit langem Sammte kehren.
Ich könte wohl vielleicht aus andern Augen sehn
Und, wär das Glücke gut, ein Dorf voll Bauren scheeren.
Befehlt nur, wie ihr denckt; ich will die Kohlen weiß,
Die Stümper hochgelehrt, den schärfsten Frost ein Brennen,
Den Aberglauben fromm, die Neßeln Ehrenpreis
Und Dantens krummen Leib des Himmels Abriß nennen.
Serran lebt liederlich. O nein, er lebt nur frey,
Und wenn er ja noch säuft, so trinckt er nur mit Maaßen.
Camistro ist verhurt. Davor der Himmel sey,
Er geht der Tugend nach und liebt die Mittelstraßen.
Rinaldo schwazt gelehrt und schnizert im Latein.
Dies thut er nur mit Fleiß, er will kein Schulfuchs werden.
Gelanor nimmt bald dies und bald was anders ein.
Warum? Die Wißenschaft ist Stückwerck auf der Erden.
Crispin, der brave Kopf, hält viel auf Müßiggang.
Das wird ja beßer seyn als etwas Böses üben.
Calandro beugt das Recht und hebt des Bruders Rang.
Er handelt als ein Christ, man muß den Nechsten lieben.
Ach, Brenno, sage nicht, als müße Polidor
Mit fremden Predigten vor Gottes Antliz steigen.
Es stellt ihn Madrigal in dieser Unschuld vor,
Dies, was er hoch gekauft, das sey ja wohl sein Eigen.
Daß Damon nicht die Schwulst des krancken Fingers dämpft,
Das bringt ihm keinen Schimpf, die Ursach ist ja wichtig:
Es hat sein vornehm Kind mit Fleisch und Blut gekämpft,
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Der Satan kam darzu, da ward die Wunde sichtig.
Seht, Laster, seht und hört und sagt, was gebt ihr mir?
Mein Anstrich übertrift den besten Advocaten.
Nur kurze Zeit Gedult! Ihr sollt wie sauer Bier
Durch Kreide, Kalck und Stein in beßren Flor gerathen.
Daß Chambor allbereits die schlimmsten Kezer schröckt
Und doch wohl noch nicht weis, wer Saul und Paulus waren,
Daß jener, der dort jähnt, der Frauen Speichel leckt,
Um etwan einen Sprung nach Darmstadt zu erfahren,
Das weis ich nun nicht mehr; gesezt, ich wüst es auch,
Ich wollte sie darum noch lange nicht verdencken.
Kommt, hört den Persium 1! So künstlich ist der Bauch,
Er kan uns Wiz, Verstand und manchen Einfall schencken.
Was regt sich in der Nacht? Welch Übel, welch Geschrey
Begleitet jenes Volck? Was soll das starcke Läuthen?
Sophia hält ihr Fest, mein B[audis] ist dabey,
Und ich bin noch so faul? O eilt, ihr müden Saythen!
Der Mantel ist behängt, der Hut ist reich und voll.
Gelehrt- und edler Freund, nun sage, wo mein Bogen
Bey denen diesesmahl ein Räumchen finden soll,
Die Tugend und Verdienst in deine Pflicht gezogen.
Er ist zwar selber schuld und stellt sich langsam ein,
Doch nährt sich langsam auch, so hat er nichts verloren.
Die Muse, so mich treibt, meint überführt zu seyn,
Die Hoheit ihrer Kunst bestünd in deinen Ohren.
Ich glaub und find es wahr und hofe mit der Zeit,
Nur gieb den Handgrif an, die Cither wohl zu spielen,
So höhnisch mancher auch mein stilles Lied bereut,
Als ob nur Stroph und Reim von Gottes Gnaden fielen.
Ich weis nicht, wie es kommt, ich trete gleich zu nah;
So bald mein Blat entfliegt, ist Feuer in dem Dache.
Doch gut, so kräftig hält kein Schluß in Barbara,
Als ich nunmehr den Bau am Pindus feste mache.
Hier kommt er mir nicht los, hier sey er stets verband,
Ich will ihn nun nicht mehr um Hülf und Rath beschweren,
Euch aber auch hiermit, Neid, Boßheit, Unverstand,
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Vor gütig, fromm und klug und, was ihr wollt, erklären.
Du hast, gelehrter Freund, des Zettels zwar nicht noth,
Jedoch beweist er dir die Ehrfurcht im Gemüthe,
Und wenn mir hin und her ein Knittelreimchen droht,
Begehrt mein Vers allein das Urtheil deiner Güte.
Der Ruhm, mit welchem du an diesem Tage prangst,
Ist so ein Ehrenkranz, den du längst sollen tragen.
Verzeih nur, wenn du hier kein würdig Lob erlangst,
Ich hab es schon verredt, die Warheit mehr zu sagen.

Fußnoten

1 Persius in Prologo.

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TextGrid Repository (2012). Günther, Johann Christian. Gedichte. Gedichte. Lob- und Strafschriften. (Frankfurt) Wittenberg November 1715 - Dresden Anfang September 1719. [Kehr um, verhaster Kiel, wir wollen Buße thun]. [Kehr um, verhaster Kiel, wir wollen Buße thun]. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0003-21C5-5