[279] Am Feste des H. Augustini

Epistel II. Timoth. IV. v. 1. etc.

Text

Nunmehr bezeug ich auch vor Gott
Und seinem Sohn auf Erden,
Durch deßen Kraft und Zukunft wir
Dereinst gerichtet werden:
Halt an und predige das Wort
Auch wider andrer Willen;
Schilt, strafe, bitte mit Gedult,
Die Lehren zu erfüllen!
Es kommt schon eine böse Zeit,
Da viel verkehrte Sachen
Das heil- und gnadenreiche Wort
Schlecht und verächtlich machen:
Sie werden Lehrer wilder Art
Nach ihrem Dünckel suchen,
Den Fabeln Herz und Ohr verleihn
Und auf die Warheit fluchen.
Du aber treib mit Ernst das Werck
Und werde nirgends schüchtern,
Verrichte deinen Dienst getreu,
Sey eifrig, fromm und nüchtern.
Ich bin geopfert und geprüft,
Und nach so vielem Bösen
Verspür ich endlich auch mit Lust
Die Stunde zum Erlösen.
Mein Kampf ist scharf und gut gekämpft,
Mein Lauf bereits vollendet,
Es hat mir weder Furcht noch Qual
Des Glaubens Kraft entwendet;
Daher erwarth ich auch nunmehr
[280]
Die beygelegte Crone
Der ewigen Gerechtigkeit
Zum theuren Siegeslohne.
Mein Heiland hat sie mir vorlängst
Erstritten und erworben,
Ich aber bin auch als sein Knecht
Lebendig drum gestorben,
Und dadurch ist und bleibt sie mir
Auf jenen Tag verschrieben
Und allen denen, die mit mir
Auch seine Zukunft lieben.
Lehre

Jezt leider ist die böse Zeit
Auf unsre Tage kommen,
Da Menschensazung und Betrug
Die Herzen eingenommen.
Man läst die Lebensbrunnen stehn
Und gräbt nach neuen Quellen
Und läst die Bösen ungestraft
Der Warheit widerbellen.
Exempel ziehn die von Natur
Zur Welt geneigten Herzen;
Drum braucht es Fleiß und Wachsamkeit,
Sein Heil nicht zu verscherzen.
Des Geistes Nüchternheit besteht
In Bethen, Flehn und Wachen
Und in der Übung der Gedult,
Den Glauben starck zu machen.
Kein Streit ist schärfer als der Kampf
Mit unsern eignen Lüsten,
Kein Lauf beschwerter als der Zug
Durch dieses Lebens Wüsten;
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Hier müßen wir wie Israel
In seinen vierzig Jahren
Viel Hunger, Müh und Feinde sehn
Und manche Noth erfahren.
Indeßen wird ein jeder Christ
Mit Wort und Glauben fechten;
Er kennt, er weis und hoft gewis
Die Crone der Gerechten.
Da soll ein jeder Tropfen Schweiß,
Den wir um Gott vergießen,
Mit Wollust als ein Lebensstrom
Uns zur Erquickung fließen.

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Zitationsvorschlag für dieses Objekt
TextGrid Repository (2012). Günther, Johann Christian. Gedichte. Gedichte. Klagelieder und geistliche Gedichte. Geistliche Oden. Am Feste des H. Augustini. Am Feste des H. Augustini. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0003-2206-B