[229] An seine Leonore

Hier hastu nun den dritten Schwur,
Wodurch ich Himmel und Natur
Zu Zeugen unsres Bundes seze;
Bleib treu, getrost und achte nicht,
Wenn manche Lästerzunge sticht,
Der falschen Freunde Mordgeschweze.
Das Glücke hält uns freylich auf,
Doch las ihm nur den faulen Lauf,
Es sucht fein langsam auszurasen.
So starck der Nord sich hören läst,
So zärtlich wird auch bald der West
In unsre Liebesflaggen blasen.
Die Weltlust zeigt mir nichts mehr an,
Worein ich mich verlieben kan,
Als dein Gesicht und meine Baare;
Bekomm ich nun das erste nicht,
So las ich freudig Tag und Licht
Auch mitten um die besten Jahre.
Ich fühl am besten innerlich
So manchen tiefen Herzensstich
Und bin schon ziemlich umgetrieben;
Doch will mir Gott genädig seyn,
So läst er mich nach aller Pein
Dich einmahl noch und sicher lieben.
Vertrau der Vorsicht, liebster Schaz,
Sie wird uns einen Ruheplaz,
Es sey auch wo es will, bereiten;
Alsdenn belachen wir mit Lust
Aus froh- und eintrachtsvoller Brust
Die Thorheit unsrer bösen Zeiten.
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Besinne dich, was Schweidniz wies:
Von innen zwar ein Paradies,
Von außen Unruh, Zanck und Plagen;
Und kommt dir Roschkwiz in den Sinn,
So denck auch dort nach Borau hin,
Wo mich dein Abschied wund geschlagen.
Sobald des Bruders Hochzeitsfest
Dich bey der Tafel lachen läst,
So trinck mein Wohlseyn in Gedancken,
Und wenn dir der Verlobten Kuß
Zu stiller Reizung dienen muß,
So wiße: Günther kan nicht wancken.
Es hat mich innerlich ergözt,
Daß Lorchen meine Lieder schäzt
Und dann und wann noch Lieder fodert;
Dein Nahme soll auch ganz allein
Die Zierrath meiner Reime seyn,
In welchen unsre Liebe lodert.
Mein Engel, nimm es selbst aus dir,
Wie schwer, wie scharf und ängstlich mir
Dein drittes Abschiedsküßen falle;
Jedoch Gedult, Vernunft und Zeit
Crönt endlich die Beständigkeit
Und schenckt uns Zucker auf die Galle.
Nun gute Nacht, du treues Kind!
Es wird noch mancher saurer Wind
Mir künftig in das Antliz streichen;
Doch darum mache dir nicht Schmerz,
Dein Angedencken stärckt mein Herz
Und bleibt mein festes Hofnungszeichen.

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Zitationsvorschlag für dieses Objekt
TextGrid Repository (2012). Günther, Johann Christian. Gedichte. Gedichte. Liebesgedichte und Studentenlieder. Leonore [1]. An seine Leonore [2]. An seine Leonore [2]. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0003-22AE-4