[Anjezo thu ich was, das mir kaum möglich ist]

[114] An Herrn M. Ehemann und Herrn M. Baumgarten bey Gelegenheit ihrer Promotion


Anjezo thu ich was, das mir kaum möglich ist,
Ich reime, da mir doch kein einzger Vers nicht fliest;
Der muntre Dichtergeist sizt mir nicht im Gehirne.
Bald wisch ich mir verwirrt den Angstschweiß von der Stirne,
Bald stampf ich meinen Kiel, bald such ichs hinterm Ohr,
Bald streich ich alles aus und bringe nichts hervor.
Der Pegasus hat fast Bucephals seine Tücke;
Er springt, er schlägt, er beißt und jaget mich zurücke,
So oft ich mich auf ihn poetisch sezen will.
Wenn ihn ein Neukirch braucht, so steht er fromm und still.
Und gleichwohl soll ich jezt zu einem Freundschaftszeichen
Ein neues Ehrenlied euch Freunden überreichen.
Und hab ich ohngefehr ein Verschen, das noch taugt,
Aus meinem Finger gleich mit Kümmernüß gesaugt,
So traut ihr mirs nicht zu und dencket: Ein Ducaten
Trift einen Dichter an und kan in Nöthen rathen.
Drum glaubt mir, was ihr wollt; bin ich kein Dichter nicht,
So zeuget doch dies Blat von meiner Treu und Pflicht.
Ich muß die Redligkeit, ich muß die Freundschaftsproben,
Die ich von euch gesehn, nach meinen Kräften loben.
Wie sollt ich euch nun nicht an eurem Ehrenfest,
Das euch Minervens Huld vergnüget feyren läst,
Mit einem treuen Wuntsch vergnügt entgegen gehen
Und euren klugen Fleiß besingen und erhöhen?
Ihr habts verdient, daß euch Apoll in Tempel führt
Und euch vor seltne Müh mit seinem Lorbeer ziert.
Wir können euch mit Recht, gelehrt- und muntre Preußen,
Der rühmlichen Sophie getreue Buhlen heißen.
Allein wer Rachelchen und Dorchen blos erwehlt,
Auch ihnen Zeit und Geld verschwendrisch zugezehlt,
Sophien aber nur wie par bricol bedienet,
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Vor solche hat der Zweig des Lorbeers nicht gegrünet.
Doch Hummeln schleichen sich oftmahls bey Bienen ein,
So kan auch der Parnaß nicht ohne Räuber seyn.
Ach, folgten jene doch dem rühmlichen Exempel,
Das man an euch gesehn, so wär der Ehrentempel
Von der verhasten Zunft der Ignoranten frey
Und sie entweihten nicht der Pallas Sacristey.
Ihr laßet euch dahin auf die erhöhten Stufen
Zum Preis und Ehrenkranz gerecht und würdig rufen.
Ihr tugendhaften Zwey, selbst euer Vaterland
Wies euch vorlängst den Ring mit ungezwungner Hand;
Nun wird es neidisch seyn, daß unsre Castalinnen
Euch mit dem Violet frohlockende bedienen.
Zwar Königsberg sey nun zu eures Fleißes Lohn
Ein neuer Ehrenberg und eures Glückes Thron;
Doch liebt ihr fremde Luft, so steht, wir wollens hofen,
Des Glückes Ehrenthor euch hier noch ferner ofen.
Und wenn ihr einst nach Wuntsch in schönen Ämtern sizt,
Euch auch ein lieber Schaz vonnöthen ist und nüzt,
So wüntsch ich einestheils ein Lieschen voller Tugend,
Dem andern Rachelchen voll Wiz und schöner Jugend.

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Zitationsvorschlag für dieses Objekt
TextGrid Repository (2012). Günther, Johann Christian. Gedichte. Gedichte. Gelegenheitsdichtungen der Leipziger Zeit. Breslau-Zedlitz Dezember 1719 - Jauer Februar 1720. [Anjezo thu ich was, das mir kaum möglich ist]. [Anjezo thu ich was, das mir kaum möglich ist]. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0003-22F9-9