[195] [197]Ein Ebenbild der Warheit und Gerechtigkeit, vorgestellet in einem kurzen Entwurf des Lebens ihro hochgräflichen Excell., des hoch- und wohlgebohrnen Herrn, Herrn Franz Antonii, des Heil. Römischen Reiches Grafen von Sporck, Herrn der Herrschaften Lyssa, Gradliz, Herschmaniz und Konnoged, der Röm. Kays. und Cathol. Königl. Majestät würcklich Geheimen Raths, Cämmerers und königlichen Statthalters im Königreich Böheim.
[193] [195]Breslau November 1719 – Brieg Oktober(?) 1720
Ein innerlicher Kampf, hochwohlgebohrnes Haupt,
Hat meiner Muse noch das Glücke nicht erlaubt,
Dein Lob, wobey der Neid und Geifer selbst muß schweigen,
Der Welt und Nachwelt so wie billig anzuzeigen.
Ich schäze bey mir selbst den sonderbaren Werth,
Wodurch dein eigner Glanz der Ahnen Schild verklärt,
Die Liebe gegen Gott, die Treu vor deinen Kayser
Und stete Sorg und Müh vor Kirch und Armenhäuser;
Das würckt und weckt in mir den Zunder reiner Glut.
Ich stimme freudig an, es wallet Herz und Blut,
Erfindung, Einfall, Geist lauft willig in die Reime,
Und Phoebus macht mir selbst die allersüsten Träume.
So bald es aber auch am besten fließen soll,
Stockt Feder, Hand und Sinn, die Zeile wird nicht voll.
Da streitet dein Verdienst mit deinen Demuthsgaben;
Denn diese wollen Nacht und jene Mittag haben.
Allein so sehr sich nun dein höchstbescheidner Geist
(So machts die Redligkeit) dem, was ihn rühmt, entreißt
Und wie ein schlaues Wild sich aus den Schlingen windet,
Woran der Schmeichler oft die Eigenliebe bindet,
[197]So strafbar würd es seyn, ohn Ehrfurcht und Bemühn
Dein seltnes Ebenbild der Nachwelt zu entziehn,
Die, wenn sie dermahleins von unsrem Sporck nichts wüste,
Den grösten Tugendtrieb zur Folge darben müste.
Der Raum begreift dich nicht. Auf Charten wird die Welt
Samt ihrem Himmelsheer in Kleinem dargestellt.
Verjüngt auch hier mein Riß das Maas der großen Thaten,
So wird man dich doch gleich mehr kennen als errathen.
Es spricht dir Haß und Neid viel Rang und Vorzug ab;
Gedult, die Warheit lacht und kan wie Mosis Stab
Das Blendwerck und den Spott der Misgunst leicht verschlingen,
So künstlich sie versucht, dich in Verdacht zu bringen.
Dein durch des Vaters Schwerd erhobnes Grafenhaus
Warf schon bey der Geburth viel Hofnungszeichen aus
Und sah die Munterkeit bey allen Kinderspielen
In Zukunft auf den Geist des reifen Alters zielen.
So wird des Adlers Art bey der Geburth erkand,
So zeitig weisen sich Geschlecht und hoher Stand,
Wenn nehmlich tapfres Blut der Kinder Stirne siegelt
Und Willen und Verstand bey Zeiten aufwärts flügelt,
Des Fleisches Lüste dämpft, das Herz zur Tugend neigt,
Den Lastern aber stets nichts als den Rücken zeigt,
Ja, wenn noch überdies Gestalt samt Mund und Mienen
So früh begierig thun, dem Nechsten gern zu dienen.
Dies ist der rechte Zweck, der große Seelen hebt,
Und dem du noch sehr jung höchst rühmlich nachgestrebt,
Daß jeder, deßen Zucht dein Leben führen sollte,
Dich mehr bewunderte als wohl erinnern wollte.
Der Grund des Christenthums, des Glaubens Licht und Kraft,
Die Übung der Vernunft, Asträens Wißenschaft,
Der Sitten holder Ernst, die Billigkeit im Richten,
Der Sprachen Wißenschaft, das Urtheil von Geschichten,
Der Künste Fertigkeit, womit der Adel prangt,
Und was ein Mensch begehrt, der Glück und Ruhm verlangt,
Das gab mit achtzehn Jahr, weil sich dein Geist bemühte,
So wie Citronenholz auf einmahl Frucht und Blüthe,
Als eben (hartes Wort, du hemmst mir Hand und Kiel,
[198]O, daß ich schreiben soll!) der große Vater fiel,
An Gliedern, nicht an Muth, in silbergleichen Haaren,
Die Feinden ein Comet und uns ein Schuzstern waren.
Du weintest als ein Sohn und als ein weiser Mann,
Der, weil doch unser Gram nichts hintertreiben kan,
Die Vorsicht walten lies, sich in die Führung schickte
Und nach gethaner Pflicht vor Gottes Allmacht bückte.
Der lorbeerreiche Greiß gab freudig gute Nacht,
Nachdem er dir vorher des Stammes Last vermacht,
Dich, als der Älteste, nach dem bezwungnen Grämen
Des gräflichen Geschlechts mit Sorgfalt anzunehmen.
Dies fromme Testament erfüllte deine Treu,
Du stundst den Deinigen mit Rath und Hülfe bey,
Daß, wenn kein Unterscheid von deinem Alter kommen,
Sie warlich kaum den Schmerz des Wechsels wahrgenommen.
Nicht selten hat ein Baum, sofern er gut versezt,
Durch Änderung der Luft den Gärtner mehr ergözt.
Weil Plato das verstund, so sammlet er auf Reisen
Bey schwer erworbner Kost die Früchte vieler Weisen.
Du trugst sie um die Thems, Po, Seine, Donau, Rhein,
Hochwohlgebohrnes Haupt, nach Art der Bienen ein,
Die, wenn der Frühling scherzt, wenn Feld und Wetter lachen,
Um Hyblens fetten Berg ein schwermend Lager machen,
Den Blumen ihren Saft mit kluger Wahl entziehn,
Nach Klee und Rosen gehn, die Coloquinten fliehn
Und also, diesen Schaz im Winter zu verzehren,
Zu andrer Nuzbarkeit beladen heimwärts kehren.
Euterpe, nimm nun du dein angenehmes Rohr
Und spiel anjezt vor mich das frohe Jauchzen vor,
Das bey der Wiederkunft des Grafen ist erklungen,
Das durch Gewölck und Luft, durch Berg und Thal gedrungen.
Auch Echo selbst vergaß damahlen den Narciß
Und machte jedermann der frohen Post gewis.
Das lange Königreich, der schwarze Wald nach Norden
Ist durch das Lustgeschrey aus Gradliz rege worden.
Der Elbgott lies sein Haupt von Schilf und Moos befreyn
Und nahm den Wiederschall von beiden Ufern ein.
[199]Die Tage lachten mit nebst so viel hundert Seelen,
Und Lyssa schämte sich, den Glückwuntsch zu verheelen,
Auch billig, weil nun der mit Frieden wiederkam,
Der seines Stammes Schuz ehmahlen mit sich nahm,
Jezt aber deßen Kreiß, wie Los und Theilung wollte,
Zu einem Canaan an Seegen machen sollte.
Der böhmsche Musensiz, das dreyfach große Prag,
Genoß durch dich, o Graf, so manchen Freudentag.
Da zeigte deine Lust in jedem Elemente,
Mit was Vergnügen wohl die Jugend scherzen könte.
Die Nacht bewunderte der Feuerwercke Knall,
Die Fluth der Gondeln Pracht, die Erde Ritt und Ball,
Die Luft der Falcken Stoß und anderes Gefechte,
Von dem ein Parther noch viel Kriegslist faßen möchte.
Gedenck ich an die Jagd, den edlen Zeitvertreib,
Der starck und rüstig macht, der Augen, Arm und Leib
So wohl ergözt als übt, so fehlt mir deines gleichen;
Auch Nimrod würde dir in dieser Arbeit weichen.
Und wäre noch die Zeit, in der man Fabeln schrieb,
Aurora hätte dich vor tausend andern lieb
Und käme noch zu früh mit ihren Rosenwangen,
Dich neuen Cephalus mit Freuden zu umfangen.
Die Dichter würden dir des Phoebus Kraft verleihn
Und einer Daphne gleich den süßen Weihrauch streun.
Pan, glaub ich, hätte selbst sein liebstes Rohr verschmißen
Und mit der grösten Lust dein Waldhorn hören müßen.
Jedoch so scharf dein Roß durch Sträuch und Büsche brach,
So hizig jagtestu der wahren Tugend nach
Und hingst dein Herze nicht an solche Lustbarkeiten,
Die an sich selbst zwar nicht mit Gott und Weißheit streiten,
Doch, wo der Misbrauch erst die Oberhand gewinnt,
Ein theurer Zeitverlust und mehr als schädlich sind.
Bedächten dies doch nur viel Große dieser Erden!
Beym Jagen lernen sie nicht selten grausam werden,
Vergeßen Himmel, sich, Land, Leute, Hof und Fleiß,
Ernähren Roß und Hund mit armer Leute Schweiß
Und unterscheiden sich vom Pöbel, den sie quälen,
[200]Durch nichts als Kleiderpracht und lastervoll Befehlen.
Dein Geist, berühmter Graf, der Recht und Warheit liebt
Und, wie dein Wahlspruch lehrt, dadurch ein Zeugnüß giebt,
Woher dein theures Haus und deßen Ursprung rühre,
Versteht wohl, daß die Pflicht zu höhern Sorgen führe,
Und hat, so gern er sich erlaubter Weis ergözt,
Gewißen, Kirch und Volck dem allen vorgesezt,
Womit der Schein der Welt dem Himmel viel entwendet
Und oft wie Delila den stärcksten Simson blendet.
Du liebst Eusebien, die oft in Hof und Stadt
Bey manchen klopfen muß und schlecht Gehöre hat;
Ihr Schild macht wiederum dein Herz vor Pfeilen sicher.
Dein Wandel, dein Verlag viel auserlesner Bücher
Mehrt Glauben und Vernunft und crönt' ehmahls dein Kind,
Die Fräul Eleonor, der wenig gleiche sind.
Dies Pfand der höchsten Huld, dies Kleinod keuscher Liebe
Empfand von Jugend an die Flammen beßrer Triebe,
Sie lies der Welt die Welt und ward des Höchsten Braut,
Als welcher sich mit ihr in Ewigkeit vertraut.
Ihr muß das Engelchor nunmehr das Brautlied singen
Und tausendfachen Ruhm von ihrer Demuth bringen;
Sie hat anjezt die Zahl der Seeligen vermehrt,
Ihr eifriges Gebeth ist nun nach Wuntsch erhört.
Entbehrstu gleich dadurch die Freude auf der Erden,
Durch Pflanzen ihrer Schoos ein Großpapa zu werden,
So hastu doch Gewinn; der Spiegel reiner Zucht,
Womit ihr edler Stand der Welt zu leuchten sucht,
Kan leicht an Enckels statt bis auf die lezten Zeiten
Den Nahmen deines Ruhms in tausend Ohren breiten.
Dein Vater, theurer Graf, erhielt viel Sieg und Feld;
Sein Schatten wird verzeihn: Du bist ein größrer Held.
Er siegt in Blut und Staub, du siegst in Asch und Zähren;
Wenn Buß und Andacht sich zum Gnadenthrone kehren,
So ringstu selbst mit Gott, so ringstu wieder dich,
Schlägst Lüste, Zorn und Neid mit Großmuth hinter sich,
Bestürmst (wer kan sich wohl ein fester Denckmahl stiften?)
Den Himmel mit Gebeth, der Sünder Herz mit Schriften.
[201]Ihr Sieger vieler Zeit, die Persien, Athen,
Rom, Deutschland und Epir, Sud, Nord und West erhöhn,
Kommt, macht von Blut und Ruhm ein köstliches Gepränge,
Weist Narben im Gesicht, erzehlt der Thaten Menge
Und holt, so weit ihr könt, aus Erde, Glut und Meer
Schild, Schwerdter, Lanzen, Bley, des Unglücks Werckzeug, her:
Die Demuth unsers Sporcks beschämt euch allzusammen,
Sein Fuß dringt freylich nicht durch Marmor, Erz und Flammen,
Ihn adelt keine List durch Trojens Untergang,
Den Tittel macht kein Schmuck bezwungner Völcker lang,
Er sieht ohn Eifersucht des Alexanders Haufen
Nach mehr als einer Welt bis an den Ganges laufen.
Er baut kein Babylon, er baut manch Hospital,
Dies ist sein Capitol, hier steht sein Ehrenmahl,
Vor deßen Stärck und Höh selbst Pyramiden weichen.
Die Armen, so er nährt, sind große Siegeszeichen,
Er zieht in deren Brust als Überwinder ein,
So oft sie ihm hernach mit Danck entgegen schreyn;
Denn diese Seufzer sind die besten Ehrenlieder,
Solch Darlehn kommet stets mit reichem Wucher wieder.
Wenn Theurung plagt das Land, das Feld trägt leeres Stroh
Und zeigt den magern Traum des feigen Pharao,
Sodann ersezt der Graf die Sparsamkeit der Erden
Und läst sein zärtlich Herz ein ofnes Kornhaus werden.
Wie mancher Lazarus beweint aus Lust das Brodt!
Auch Fremde küßen hier den Joseph ihrer Noth.
Die Lorbeern solches Ruhms kan keine Zeit verzehren,
Die Hungerthränen so mit Liebeswundern nähren.
Wo nehm ich, milder Graf, mehr Wort und Lobens her?
Du machst die Leute reich, das macht die Dichtkunst leer;
Du giebst und eilst, sie hinckt. Von allen Brunn- und Flüßen,
Wovor dir Volck und Vieh manch Danckfest halten müßen,
Ist keiner, wär er auch so rein und noch so reich,
Der Gnade deiner Brust an Füll und Dauer gleich.
Ihr unerschöpfter Quell führt allzeit, eh wir bitten,
Des Trostes Überfluß in Kercker und in Hütten.
[202]O großmuthvolles Haupt, o ungemeiner Graf,
Dich unterhält vielleicht dein oft nur halber Schlaf
Mit Bildern der des Tags begabten Ways- und Armen,
Dein Traum ist wohl von nichts als Rettung und Erbarmen;
Und wenn dich denn der Kuß der Morgenröthe weckt,
Liegt, glaub ich, noch die Hand von gestern ausgestreckt,
Um desto schleuniger nach Sehnsucht und Verlangen
Den frühen Tag aufs neu mit Wohlthun anzufangen.
Dein Geben spielt auch hier kein Pharisäerfest,
Wo Ehrsucht, wenn sie schenckt, vorher posaunen läst.
Die rechte Hand theilt aus, die lincke muß nichts wißen,
Sonst wird, was jene baut, von dieser eingerißen.
Ein Weiser hilft wie du, allein ein grober Thor,
Den Hochmuth freundlich macht, rückt jeden Heller vor,
Macht durch sein eigen Lob aus guten Wercken Sünden
Und wird das Wiedergelt an Haß und Fluche finden.
Vor alle solche Treu, vor Gutthat, Sorg und Last,
Womit du dir so oft das Land verpflichtet hast,
Ist außer Gottes Schuz und unsers Carlens Gnaden
Gleichwohl dein Lohn nichts mehr als tausendfacher Schaden.
Doch ist dein Geist zu hoch, als daß er zürnen kan,
Er lockt vielmehr den Neid mit Huld zur Beßrung an
Und will sich sonst mit nichts, wenn solche Nattern stechen,
O seeliger Triumph! als Lieb und Wohlthun rächen.
Gieb Achtung, großes Haupt, die Boßheit wird nicht alt.
Wie macht es Simei? Er kam, er warf, er schalt,
Die Rache lies ihn gehn; er gieng, allein wie lange?
Drey Jahr, o kurzer Weg, zum lezten Untergange.
So wie ein siecher Leib, den Gall und Gift verzehrt,
Gesunde Speisen nimmt und blos die Kranckheit nährt,
So wird ein jeder Scherf von deinem Gnadenseegen
Den Undanck, der dich plagt, mit Ebals Fluch belegen.
Dir geht gleichwohl nichts ab, dein unverdroßner Fleiß
Erhält noch allemahl ein Haupt voll Ehrenpreis.
So gern auch Lüg und Spott, die Feinde großer Sachen,
Der Warheit, die nicht weicht, die Palmen sauer machen,
So schaft sich nach und nach ein junger Dattelbaum
[203]Aus angeerbter Kraft mit Haupt und Ästen Raum.
Die Fichten, so an ihm den grünen Vorzug haßen,
Verbinden sich zwar wohl, ihn nirgends durchzulaßen,
Sie hindern Licht und Luft und stehn dem Wachsthum vor,
Allein er drängt sich durch und steiget doch empor,
Bis Gipfel, Zweig und Laub die schönste Crone schließen
Und, die ihn erst gedämpft, hernach im Schatten büßen.
Du leidest, lachst und stehst wie Eichen in der Höh,
Wie Helden in Gefahr, wie Felsen in der See
Und webst und häufst dir selbst viel Purpur und viel Fahnen.
Du kennst die wenigsten von deinen Unterthanen;
Denn jene, welche dir mit Lust zu Hofe gehn
Und unter deinem Schuz ihr Heil und Wohl verstehn,
Die sind es nicht allein; nein, alle, die nur hören,
Wie würdig wir bey uns dein Tugendbildnüß ehren,
Sind Diener solches Ruhms im Wüntschen und im Flehn
Und thun dir, soltestu der Herzen Abgrund sehn,
Den Schwur der Huldigung mit Seufzen und Gedancken,
Und wär es uns erlaubt, so bräch er aus dem Schrancken.
So großer Vortheil ist, die Staatskunst recht verstehn,
Sich selbst ein neues Reich durch Lieb und Gunst erhöhn,
Den unschäzbaren Thron mit Vaterhänden stüzen
Und doch nicht unter Pracht und schwerem Golde schwizen.
Die Herrschaft übertrift an Würde, Glück und Zeit
Die Macht des Tamerlans, des Croesus Herrligkeit
Und jener Fürsten Troz, die China frey regieren
Und ihrer Ahnen Zahl noch über Adam führen.
Wo aber las ich denn, gelehrt- und kluger Herr,
Den Phoebus, welchen du, o großer Gläubiger,
Durch Pflegung seiner Schaar und Vorschuß hoher Güte
Zum langen Schuldner machst? Wie manch geschickt Gemüthe
Versauret in der Noth und kan nicht recht empor;
Du ziehst es unverhoft mit Liebesseilen vor
Und crönest dich dadurch, wenn Kunst und Weißheit steigen,
Im Ansehn aller Welt mit ewig frischen Zweigen.
Wo bleibt die Sittsamkeit, der kräftige Verstand,
Der überall sein Pfund mit Wucher angewand,
[204]Die Klugheit, welche sich in jedem Umstand findet
Und auf die Redligkeit des alten Deutschlands gründet,
Die Großmuth, die Gedult, der Eifer vor dein Amt,
Die Käntnüß deiner selbst, die keinen leicht verdammt,
Die schnelle Langsamkeit im Rathen und Beschließen,
Die Feder und der Mund, so goldnen Nachdruck gießen,
Und denn auch die Person, die als ein Heldenbild
Die Meinung des Virgil in unsrer Zeit erfüllt,
Die Tugend werfe da die angenehmsten Strahlen,
Wo Seele, Geist und Leib mit gleicher Schönheit prahlen?
Die Gegend, so dein Siz des Sommers lustig macht,
Hat manchen alten Stamm und manche grüne Nacht
Und manchen duncklen Hayn der ehmahls heilgen Eichen,
Und diese pfleg ich oft Dodonens zu vergleichen,
Was red ich? vorzuziehn. Dort schickt der Götter Wort
Des Aberglaubens Ohr mit duncklen Sprüchen fort,
Da hier im Gegentheil die Warheit deutlich richtet,
So oft dein Mund den Zwist der Unterthanen schlichtet.
Du läst Geringe vor, hörst selbst die Unschuld an
Und wiederlegst den Spruch, den Naso falsch gethan:
Daß Lieb und Ansehn nie einander nah vertrügen.
Ein jeder dient dir ja mit Ehrfurcht und Vergnügen,
Aus Neigung, nicht aus Furcht; ja, wen auch seine Schuld
Durch dich bestrafen muß, der leidet mit Gedult,
Geht sonder Murren fort und schämt sich im Gewißen,
Dieweil er was versehn, das dich erzürnen müßen.
Du hältst dich nicht zu groß, so groß du immer bist,
Der Unterthanen Noth, so dir am Herzen ist,
Mitleidig anzusehn, sie weislich zu regieren
Und das, was heilsam ist, bey ihnen einzuführen.
Dein Fuß macht Triften fett, dein Auge dingt das Feld,
Füllt Haus und Boden voll, baut, beßert und erhält
Schloß, Scheuer, Gärthen, Wald und sieht in Luft und Teichen
Der Fisch und Vögel Heer in gröster Menge streichen.
Die Wüsten vieler Kunst und frommer Einsamkeit,
Zu der das Glücke selbst den ersten Grundstein weiht,
Scheint als des Landes Wacht durch ihren Eremiten
[205]Mit Wafen des Gebeths die Gränzen zu behüten
Und scheint und thut es auch. Dies schöne Belveder
Steigt allen Hügeln vor; doch, Graf, dein Geist steigt mehr
Und stellt sich jedermann zum christlichen Exempel
Und überstrahlt an Glanz die Ampeln in dem Tempel.
Da, wo die Leucoris das Wild um Gradliz kennt
Und diesen Rosenthal vom Kuckusbade trennt,
Erblickt, wem blinder Neid die Gegend nicht verstellen,
Den Nuzen und die Lust der welschen Bajer-Quellen.
Dort wäscht und spiegelt sich Hygeens Haupt und Gunst,
Dort küst sie dich, o Graf, als Schuzherrn ihrer Kunst.
Dort müßen Aussaz, Stein, Krampf, Podagra und Reißen,
Und wie sonst insgesamt die Todesbothen heißen,
Mit Schröcken und mit Schimpf aus Marck und Adern gehn;
Dort muß auch selbst der Tod beschämt zurücke stehn,
Zumahl, wenn alle die, so hier der Andacht pflegen,
An jenes Engels statt Bethesdens Teich bewegen.
Ich seh wohl, theurer Graf, dein wachsendes Verdienst,
In dem du prächtiger als hohe Cedern grünst,
Vergleicht sich immer mehr den seltnen Meisterstücken,
In welche Farb und Strich ein todtes Leben drücken.
Je länger sich dabey des Auges Vorwiz streckt,
Je mehr man Wunder, Geist und Zärtligkeit entdeckt.
Dein Lob, das weite Meer, verträgt nicht müde Nachen,
Mein Schifbruch soll der Welt kein Spottgelächter machen.
Drum, da kein Port erscheint, so länd ich meinen Kahn
Aus Furcht vor solcher Höh am nechsten Ufer an,
In Hofnung, daß nach mir ein anderer sich wage,
Der mit des Maro Kunst die Flaggen weiter jage.
Die Vorsicht räche nur den Undanck unsrer Welt
Durch deinen Abschied nicht, als bis dir selbst gefällt
Aus Lust zur Seeligkeit, den Ärgsten, die dich haßen,
Den Wuntsch der Beßerung zur Straf zu hinterlaßen.
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- TextGrid Repository (2012). Günther, Johann Christian. Gedichte. Gedichte. Lob- und Strafschriften. Breslau November 1719 - Brieg Oktober 1720. [Ein innerlicher Kampf, hochwohlgebohrnes Haupt]. [Ein innerlicher Kampf, hochwohlgebohrnes Haupt]. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0003-22FC-3