[8] Cantata

Dein Abschied, werther Freund, erfodert dieses Blat,

Das Phoebus Lorbeerbaum zwar nicht getragen hat;

Doch wirstu meiner Pflicht ein holdes Auge schencken,

So soll auch allezeit an seinen Jachmann dencken


Johann Christian Günther Stregensis, A.A.L.L. Cultor.


Recitat.

Ihr Musen, steigt von eurer Höh,
Ihr Pierinnen, steigt von dem Parnaß hernieder,
Bringt eure süßen Lieder,
Bringt sie unsern Gränzen wieder.
Es hindert euch kein Schnee,
Die Tyranney
Des Winters geht vorbey,
Sie ist entwichen,
Sie ist verstrichen,
Und wir sind frey
Von ihrer Sclaverey.
Wohlan!
Ihr Töchter Jovis seht, was eure Flöthe kan:
Die Nachtigall
Beuth euch aus Eifersucht
Durch ihrer Stimme Schall
Und Singen einen Wettstreit an.
Ich höre schon, wie sie dem Tereus flucht,
Ich höre sie der Schwester Herzeleid
In den verjüngten Haynen
Beklagen und beweinen.
Doch unter solcher Traurigkeit
Vergißt sie nicht der Zeit,
Vergißt sie nicht der schönen Zeit,
Wo Chloris Blumen streut.
Ihr wohlberedter Mund
[9]
Thut den Jägern in den Wäldern,
Thut der Ceres auf den Feldern,
Macht den Wald- und Waßernymphen,
Macht der Syrinx in den Sümpfen
Die gute Botschaft kund,
Der Frühling sey fast nah,
Der Frühling sey schon da!
Aria.

Erwüntschten Frühlingstage,
Ihr Bothen meiner Ruh!
Last mich im Grünen liegen
Und bringet mir Vergnügen
Und bringt mich selbst darzu,
Daß ich noch einmahl sage:
Erwüntschten Frühlingstage,
Ihr Bothen meiner Ruh!
Recitat.

Die warme Luft
Hat die Vögel aus der Kluft,
Hat die Tauben von den Dächern,
Hat die Tauben aus den Löchern
In das freye Feld geruft,
Da wo der Flora Kuß
Den verliebten Zephyrus,
Der gegen sie vor Liebe brennt,
Der sie vor seinen Schaz erkennt,
Der sie der Schönheit Ausbund nennt,
Mit Wollustthau benezen muß.
Er aber bindet ihre Schoos
Von der Gefangenschaft der Nordenwinde los.
Er läst sie auf den bunten Auen
Die Pfänder seiner Treu,
Die Zeugen seiner Leckerey,
[10]
Die Kinder seiner Liebe schauen.
Ach Flora, spricht er, deine Pracht,
Ach Schönste, rufet er, dein Gang
Hat viele Buhler kranck,
Hat viele Buhler frisch gemacht,
Hat vielen Buhlern schon das Leben
Genommen und gegeben.
Aria.

Ermuntert euch, ihr blöden Sinnen,
Und macht euch in das Blumenfeld!
Die Erde geht nicht mehr im Leide,
Drum schickt die Augen in die Weide,
Drum last die Seele Luft gewinnen,
Zerreißt, was sie gebunden hält.
Da Capo.
Recitat.

Ach aber, ach, vergällte Frühlingslust,
Die meiner Brust
Nichts als lauter Weh gebiehret,
Nichts als alles Wohl entführet.
Durch den Verlust
Wird erst der Sachen Werth gefunden,
Und wenn der Schaz verschwunden,
So zeiget erst die Zeit
Deßelben Kostbarkeit.
Ein Freund,
Der es nicht anders sagt als meint,
Ist so gemein als wie ein schwarzer Schwan
Und wie die Raben,
Die weiße Flügel haben.
Trift man bisweilen gleich dies rare Wildpret an,
So fängt man doch dergleichen Vögel selten,
Und wenn wir hundert Neze stellten,
[11]
So gehn sie doch niemahls zu Paaren ein.
Ich muß gewis ein Sohn der weißen Henne seyn,
Weil des Glückes Sparsamkeit
Seine Huld an mir verschwendet
Und mir, was Zehne oft zu suchen fleißig sind,
Daß es der Eilfte doch nicht findt,
Mein Jachmann jezt durch dich gewähret.
Ach aber, ach, zu früh gekräht,
Der Ausgang lehrt zu spät,
Daß, wenn des Glückes Sonne brennet,
Ein Ungewitter sich errege.
Ich fühle schon die harten Schläge,
Wodurch des Himmels Neid
Und der Schickung Grausamkeit
Mich von meinem Freunde trennet.
Aria.

Verdrießlicher Frühling, verhaster April!
Dein strenges Geschicke
Macht, daß mich das Glücke
Der edelsten Freundschaft entledigen will.
Verdrießlicher Frühling, verhaster April!
Recitat.

Geh, Bruder, geh,
Dein Gang thut mir
In meinem Herzen weh
Und in der Seele bange,
Jedoch es währt nicht lange,
So komm ich bald zu dir,
So kommstu bald zu mir.
Wer so wie du den Frühling seiner Jugend
Nicht müßig zugebracht,
Dem hat die Arbeit Ruh,
Die Last oft Lust gemacht.
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Die Ehre folgt der Tugend,
Sie giebt sich dir auch zum Gefehrten an,
Drum mache, daß ich bald an deinen Doctorhut
Ein Carmen heften kan.
Der Umgang und die Zeit
Hat schon in unser Blut
Die Freundschaft eingeschrieben,
Verweise nur nicht die Vertrauligkeit
Und höre niemahls auf, mich auch entfernt zu lieben!
Aria.

Der Abschied ist genommen,
Doch nicht in Ewigkeit,
Doch nur auf kurze Zeit,
Doch nur aufs Wiederkommen.
Da Capo.

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Zitationsvorschlag für dieses Objekt
TextGrid Repository (2012). Günther, Johann Christian. Gedichte. Gedichte. Freundschaftsgedichte und -briefe. Schweidnitz 1710-1715. Cantata. Cantata. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0003-24EB-4