[25] An seine Schöne, als sie ihr Nahmensfest begieng

Schweidniz 1714.


Wenn dieses welcke Blat, du englische Grisette,
Nicht seine Kostbarkeit von deinem Nahmen hätte,
So spräch ich allerdings, daß meine Dichterey
Des Feuers würdiger als deiner Augen sey.
Die Ehrfurcht, so mein Geist vor deiner Gottheit heget,
Die Liebe, so mein Herz zu deiner Schönheit träget,
Sind Feinde, derer Streit mich beiderseits verlezt,
Nachdem sie meine Brust zur Wahlstatt ausgesezt,
Auf welcher sie bisher mit gleichem Glücke kriegen;
Denn beide sind geschickt, einander obzusiegen.
Die Liebe, wie es scheint, bekommt nunmehr das Feld,
Weil dein geneigter Blick ihr Schuz und Rücken hält;
Sie selbst hat mir die Hand zu dieser Schrift geführet,
In welcher meine Pflicht das erste Kind gebiehret.
Die Morgenröthe taucht ihr Kleid in Scharlach ein
Und will, jedoch umsonst, den Rosen ähnlich seyn,
Die Venus und ihr Sohn auf deinem Munde brechen,
Weil deine Reizungen sie in die Augen stechen.
Der Widerwillen legt der Sonne Zügel an,
Die ihres gleichen nicht auf Erden leiden kan;
Ihr Säumnüß billiget die Faulheit ihrer Pferde,
Damit ihr Antliz nicht von dir beschämet werde.
Gewis, die Lippe führt ein reiches Kaufmannsgut,
Und das Gesichte zeigt ein Meer voll Milch und Blut,
Allwo die Gratien am Ufer deiner Wangen
So Perlen suchen gehn als Purpurschnecken fangen.
Die Lilgen wuchern starck auf der . . . . . Haut,
Der Brüste weicher Pfiehl ist vor den Schwan gebaut,
Und ihre Schönheit läst uns aus den Schalen schließen,
Was vor Entzückungen im Kerne wohnen müßen.
Ach, daß der Himmel doch mit uns so hart verfährt,
Da er das Sehn erlaubt und den Genuß verwehrt.
O karge Mildigkeit, was hilft es Brunnen wißen
Und dennoch keinen Trunck vor seinen Durst genießen!
[26]
Denn wäre dieses nicht, so würde meine Hand
Und wohl noch etwas mehr mit deiner Schoos bekand,
Ich aber dörfte nicht mit deinen Kleidern zancken,
Die mir den ebnen Weg ins Paradies verplancken.
Jedoch der Umschweif hat, kaum eh ich es gedacht,
Den ungewißen Fuß vom Wege weggebracht.
Verzeih, berühmtes Kind, die Freyheit meiner Lieder,
Und ist des Dichters Scherz der Tugend nicht zuwider,
So las mich diesesmahl, es kan gar leicht geschehn,
Die Sonne deiner Huld im ersten Zeichen sehn;
Dies ist ein guter Blick, der mit geneigtem Lichte
Den wohlgemeinten Wuntsch nach deiner Güte richte:
Der Tag, der heute sich vor Hochmuth selbst nicht kennt,
Weil der Calender ihn nach deinem Nahmen nennt,
Soll dir das holde Fest noch tausendmahl verjüngen
Und manches Jubeljahr zu deinem Glücke bringen;
So viel die Frühlingsluft den Bäumen Laub gebiehrt,
So viel der rauhe Nord den Ästen Haar entführt,
So viel Vergnügung soll die allgemeinen Plagen
Des Leidens in der Welt aus deiner Gränze jagen.

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Zitationsvorschlag für dieses Objekt
TextGrid Repository (2012). Günther, Johann Christian. Gedichte. Gedichte. Liebesgedichte und Studentenlieder. Leonore. An seine Schöne. An seine Schöne. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0003-2522-D