[Begleitet, wen ihr sollt, ihr matten Pierinnen]

[93] Den glücklichen Abzug des wohlgebohrnen Ritter und Herrn, Herrn Daniel Gottlob von Nicksch und Roseneck, Erbherrn auf Ober- und Nieder-Adelsdorf etc., welcher den 2. April. des 1718. Jahres nach rühmlichst vollführtem academischen Fleisze aus dem edlen Leipzig in sein werthes Schlesien wieder zurückekehrte, begleitete mit betrübter Feder seines hochadelichen Mäcenaten ergebenster Diener.


Johann Christian Günther von Striegau aus Schlesien, kayserl. Gecrönter Poete


Begleitet, wen ihr sollt, ihr matten Pierinnen,
Und hinckt, so gut ihr könt, in Elegien mit;
Solch Laufen ofenbahrt den Zustand blöder Sinnen,
Und unsre Schickung macht den schiefen Wechseltritt.
Verargt man euch den Gang und straft man eure Füße,
Die Schmerz und Wanckelmuth bald aus-, bald einwärts sezt,
So sagt es, wie gedrückt der Dichter leben müße,
Und gebt der Zeit die Schuld, die euch durch ihn verlezt.
Gesteht es nur der Welt, kein Armer darf sich schämen,
Verfolgung und Verdruß verderb ihm Grif und Spiel,
Und sprecht, es grau ihm jezt, die Saythen vorzunehmen,
Womit er dann und wann den Ohren wohlgefiel.
Gilt fremdes Eigenlob, was wird wohl jezt nicht gelten,
Da jeder den Betrug gelehrter Prahler ehrt,
Die Beßre neben sich so frey und trozig schelten,
Als hätten sie den Rath der Weißheit angehört.
So hab ich, gilts auch mir, dem Himmel zwar zu dancken,
Daß deßen milde Glut mein kaltes Herz bewegt,
Kraft welcher sich mein Fuß, jedoch in Demuthsschrancken,
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Denn Ehrgeiz stürzt sich selbst, zum Musenhügel trägt.
Es heist mich die Natur, ich red in Thorheit, singen;
Es mahlt mir Lieb und Lust die Müh geringe vor
Und bläst mir öfters ein: Erschrick nicht vor den Schwingen,
Die Daedals sichres Kind auf heißer Bahn verlor.
Allein ich bitt euch drum, was thut wohl Lust und Liebe,
Wenn Ohnmacht und Gewalt das schnelle Blut verdämmt,
Was hilft die reiche Glut der eingepflanzten Triebe,
Wenn eußerlicher Frost der Geister Ausbruch hemmt?
Gebundne Tapferkeit erschlägt auch keine Mücke,
Wo Haar und Kraft entweicht, da heist es: Simson halt!
Ein allzulanger Bliz versehrt die schärfsten Blicke,
Und wen der Strom ergreift, dem wird die Regung kalt.
Der Vers erfodert Muth, der Muth entspringt vom Himmel,
Giebt dieser Sonnenschein, so läst sich jener aus;
Hingegen bringt der Sud ein finstres Luftgetümmel,
So kriecht die Munterkeit nach Art der Schneck ins Haus.
Geht, fragt bey David nach, die Angst macht kurze Psalmen,
Und Hiob, der nur krazt, flucht beßer als er reimt,
Ja, schweigt doch wohl Homer bey Agamemnons Palmen,
So bald ihm ohngefehr von bösen Stunden träumt.
Mein Naso weis es auch, wie schwer der Kummer dichte
Und daß nicht alle Noth den Worten Kraft verleih;
Die Hofnung führt ihn dort im Elend um die Fichte,
Damit vergaß er oft, wo jezt sein Pindus sey.
Entschuldigt doch dies Blat, ihr Meister guter Lieder!
Das überhäufte Leid verrückt mir Ziel und Haupt,
Drum schreib ich, wie es fliest, ohn allen Zierrath nieder;
Denn Sclaven harter Noth ist wenig Pracht erlaubt.
Ich würde meinen Schmerz der Länge nach beweinen
Und brächte, glaubt es doch, zehn Klagebücher voll;
Nur Striegau hält mich ab und weist in Brand und Steinen,
Worauf ich als sein Kind die Thränen sparen soll.
Die arme Vaterstadt verliert sich in der Asche,
Dies ist von meinem Weh der stärckste Wetterschlag,
Der Brandfleck geht nicht aus, wie scharf ich ihn auch wasche;
O, daß mein Seufzen nicht die Flamme dämpfen mag!
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Haß, Unruh, Ärgernüß, Gefahr, Verlust und Wachen,
Verstellter Freunde Spott und Anverwandten List
Vermochten sonst mein Haupt so mürbe nicht zu machen
Als jezo, da die Glut ihr lezter Beystand ist.
Ein wahrer Schmerz verstummt und sagt nicht, was man fühlet.
Ich schweig und dencke nur: Der Donner fahre zu!
Er trift ein weiches Herz, auf dem sein Grimm verspielet
Und stört mir nun nicht mehr die stille Seelenruh.
Dies Kleinod hof ich mir durch Weißheit anzuschafen.
Ein Spötter küzle sich, ich gönn ihm seinen Wurm
Und nehme die Gedult, den Harnisch aller Wafen;
Wer so am Ufer sizt, belacht den fernen Sturm.
Der grobe Vorwurf fehlt mitsamt den Weibersprüchen,
Der Wißenschaften Preis erhalte keinen Leib,
Der Mangel rieche schon aus viel gelehrten Küchen,
Und Reimen heiße nur der Faulen Zeitvertreib.
So altklug schwazt ein Maul, das alle sieben Künste
So wie ein dähnscher Hund ums liebe Brodt erschnappt.
Sein bäurischer Verstand ersäuft sich im Gewinste,
Was Wunder, wenn sein Schluß nach Dreschergrifeln klappt!
Gott Lob, daß hin und her noch manch Gemüthe kostet,
Wie herrlich der Geschmack gesunder Dichtkunst sey,
Die, ist gleich dem und der das Nasensieb verrostet,
Noch oft den Titul kriegt: Der Klugen Specerey.
Las, wohlgebohrner Herr, dein eignes Urtheil sprechen,
Doch mach ein Creuz darzu, sonst wird das Lob beschrien.
Was gilts, du leugnest nicht, daß Dichter Rosen brechen,
Die in der Einsamkeit von Selbstvergnügung blühn.
Du kennest, du begreifst das innerliche Wesen,
In dem die Eigenschaft der Poesie besteht;
Es hat mir ja dein Fleiß so manches vorgelesen,
Das an Vernunft und Kunst weit über andre geht.
Ich sucht in deiner Brust den Zunder aufzuwecken,
Und sieh, ich sucht es kaum, so brach sein Glanz hervor;
Da tausend unter uns nur Misgeburthen hecken,
So zeugtest du gar bald, was ihm sein Lob verlor.
Du gehst dem Opiz nach, du witterst Flemmings Spuren,
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Die beide mehr gethan als mancher Stumper glaubt;
Sie sind es, die Athen und Welschlands alte Fluren,
O Diebstahl sonder Schimpf! mit deutscher Faust beraubt.
Dein Caniz speiset dich mit ernstlichem Vergnügen,
Sein kleiner Überrest verräth den großen Geist,
Der Hof und Stadt verlies und durch sich selbst gestiegen,
Wohin noch wohl so bald kein andrer Rachel reist.
Was trägt der alte Gryph vor Nachdruck in Gedancken,
Wie künstlich greift er nicht des Lesers Regung an,
Und was vor Zärtligkeit eröfnet uns der Schrancken,
In dem es Hofmanns Schritt den Welschen nachgethan!
Du schäzest Neukirchs Werth und fühlst das edle Feuer,
Wodurch sein reiner Kiel die Helden ewig macht.
Du siehst auch, wie der Zahn von Pythons Ungeheuer
Vergebens und umsonst in Wenzels Wäldern kracht.
Wo aber las ich denn den groß- und theuren Nahmen,
Mit welchem ein Papin der Feder Hoheit theilt,
Und wer sie alle sind, die zum Parnaßus kamen,
So bald der Bober-Schwan den ersten Kranz ereilt?
Wohlan, vermehr auch du die Menge solcher Lichter!
Du hast Gelegenheit, Geld, Ehre, Stand und Ruh
Und, was das Hauptwerck ist, den Trieb der jungen Dichter;
Denn was ein andrer sucht, das fällt dir blindlings zu.
Es ahnt mir, Schlesien verliere seine Schwäne,
Ich seh sie, seh ich recht, vorlängst nach Norden fliehn
Und fürchte, wenn ich gleich von Brocksen nichts erwähne,
Es werd uns Amthors Klang mit Schamröth überziehn.
Erhalt, gelehrter Nicksch, dem werthen Vaterlande
Den von der Väter Kunst uns angeerbten Ruhm,
Tritt künftig vor den Riß, erlös uns von der Schande,
Als ehrten wir nicht mehr des Phoebus Heiligthum!
Du hast auch Zeug genug, du darfst nur täglich singen;
Die Thaten unsrer Zeit begehren einen Mann,
Der, was jezt Fried und Krieg vor Wunder mit sich bringen,
In Bildern netter Schrift der Nachwelt liefern kan.
Du siehst die Majestät des großen Kaysers blizen,
Du hörst den gütgen Carl in Ungern schröcklich seyn;
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Wen wollte nicht Eugen, Gradivens Sohn, erhizen,
Von deßen Tapferkeit sogar die Leichen schreyn?
Bysanz erschüttert sich und kriegt ein tödtlich Grauen;
Es spuckt sein Untergang in bösen Zeichen vor,
Es heult sein wilder Hund dem Adler in den Klauen
Und wirft dem Mahometh so Jäscht als Fluch empor.
Wer singt nicht Österreichs und Habspurgs Palmenreiser,
Das, weil die Vorsicht stets die hohe Demuth liebt,
Den Ländern Väter schenckt, dem Deutschen Reiche Kayser,
Dem Himmel Heiligen, der Erde Götter giebt?
Vielleicht ist auch anjezt ein neuer auf dem Wege,
Den Sehnsucht und Gebeth dem Höchsten abgeweint;
Die Allmacht mach es wahr und bähn ihm sichre Stege,
Bis Leopold dadurch noch gegenwärtig scheint.
Du siehst, geneigtes Haupt, die Arbeit deiner Flöthe,
Die Windel und Triumph in kurzem blasen soll,
Macht anders, trift es nur der niedrigste Poete,
Ein neugebohrner Prinz die nechsten Siege voll.
Heut aber zeuch getrost aus Leipzigs Lustgefilden,
Dir kan sein Paradies so sehr nicht bange thun,
Dein väterliches Gut wird deßen Abriß bilden
Und läst dich, wo du wilt, in gleicher Anmuth ruhn.
Der Rauch von Ithaca erquickt Ulyßens Augen,
Und unsrem Logau kan das kleine Roschkowiz
Mehr als Fontainebleau dem großen Ludwig taugen.
Warum? Er liebte dort der Musen Schattensiz.
Dein fettes Adelsdorf erwarthet dich mit Schmerzen;
Die Sehnsucht hält und hemmt der schnellen Deichse Lauf,
Sie läst des Zephyrs Braut am grünen Rande scherzen
Und hebt vor ihren Herrn viel naße Schönheit auf.
O welche Seeligkeit verspricht dir so ein Leben!
Du wirst ein Herr vor dich, bepflügst dein eignes Land
Und darfst den Höfen nicht viel gute Worte geben
Und kriegst des Himmels Gunst bald aus der ersten Hand.
Die Gegend deines Orts versteckt dich vor den Sorgen,
Dein Thun verbleibt geheim, dein Ansehn ungekränckt,
Du hast vom Glücke nichts als Mäßigung zu borgen,
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Die unser Wohlergehn zum höchsten Gute lenckt.
Die Felder bringen dir des Seegens Augenweide,
Es wiederholt der Wald dein selbstgemachtes Lied,
Das junge Wollenvieh gebiehrt dir Nuz und Freude,
So oft der falsche Merz sich überwunden sieht.
Du weist dein schönstes Pferd am besten abzurichten
Und brauchst nur deßen Kunst, die Gränzen zu besehn.
Es nüzt dir auch kein Buch von viel Naturgeschichten;
Denn was man hier erzehlt, das siehstu selbst geschehn.
Nun hastu wenig Grund, den Flaccus zu beneiden,
Dein Tibur bettet dir die Wollust auf den Klee;
Hier breite dich allein, bis, wenn die Störche scheiden,
Noch etwas, das du liebst, mit dir zu Bette geh.
Dein Blut ist viel zu werth, auf Rasen zu verderben,
Drum nimmt es Pallas selbst vor Krieg und Streit in Acht
Und läst damit den Kranz der deutschen Dichtkunst färben,
Weil so ein Carmesin den Lorbeer kostbar macht.
Du solt den Ahnen Glanz, den Vätern Ruhm gebähren
Und außer der Geburth kein Vortheil schuldig seyn,
Und gleichwohl brauchstu nicht den Degen zu beschweren,
Der Lohn der Wißenschaft bringt solches doppelt ein.
Man sieht dein Wappenbild an hundert Cedern gleißen,
Die unser Helicon den Dichtern vorbehält;
Hier soll es kein Orcan aus Eifersucht zerschmeißen,
Als bis es mit der Last des Weltgebäudes fällt.

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TextGrid Repository (2012). Günther, Johann Christian. Gedichte. Gedichte. Lob- und Strafschriften. (Frankfurt) Wittenberg November 1715 - Dresden Anfang September 1719. [Begleitet, wen ihr sollt, ihr matten Pierinnen]. [Begleitet, wen ihr sollt, ihr matten Pierinnen]. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0003-2619-E