[433] [435]12.
Tritt zur Thür herein, erhelle
Uns're Nacht durch deinen Strahl,
Und mit Wohlgeruch erfülle
Dann die Luft im Geistersaal.
Seel' und Herz weiht' ich des Lieblings
Augenpaar und Augenbrau'n;
Komm, o komm die hohen Bogen
Und die Fenster anzuschau'n!
Trag' ein Stäubchen uns'res Saales,
Du des Himmelsgartens Luft,
Hin in's Paradies, durchräuchernd
Es mit süssem Aloëduft.
Schönheitsschimmer fällt als Schleier
Vor das Auge des Verstand's:
Komm und mach' das Zelt der Sonne
Lichter noch durch deinen Glanz!
Sterne in der Nacht der Trennung
Leuchten und erhellen nicht!
Steig' denn du auf's Dach des Schlosses
Statt des Mondes Fackellicht!
Deiner Reize Macht erkennen
Alle Schönen auf der Flur:
Blick auf Pinien und Jasmine
D'rum mit sprödem Trotze nur.
Aufgeblasenheit erzählet
Mährchen ohne Unterlass;
Thu' indess was deines Amtes,
Schenke! giessend Wein in's Glas.
Nimmer wag' ich's zu begehren
Deiner Liebe bares Geld:
Gib mir auf die Zuckerlippe
Einen Wechsel ausgestellt!
[435][437]
Küsse erst des Glases Lippe;
Gib's dem Trunk'nen in die Hand,
Und mit dieser Zartheit würze
Das Gehirn du dem Verstand!
Räth der Liebe Spiel zu meiden
Dir der rechtsgelehrte Mann,
Reiche ihm den Becher, sprechend:
»Feuchte das Gehirn dir an!«
Mögest du durch edle Gaben
Und durch Reize immerdar
Hoch empor als Kerze ragen
In der Trinkgenossen Schaar!
Dieser Kopfbund, diese Kutte,
Sie beengen mich gar sehr:
Durch den Blick, der Ssofis tödtet,
Mache mich zum Cālěndēr!
Wenn der Liebe Lust genossen
Du mit einem Mondgesicht,
Dann erlerne und behalte
Ein hafisisches Gedicht.