[138] Drittes Buch.
Usong liebte den Frieden, weil er sein Volk liebte; aber die Ehre Persiens war ihm noch theurer als der Frieden, weil ohne dieselbe kein Friede bestehen konnte. Er sah sich gezwungen, zu den Waffen zu greifen. Zeno wurde zu Halep von einem gierigen Statthalter des neuen egyptischen Soldans angehalten, mishandelt, und eines Theils der Geschenke beraubt, die er nach Venedig bringen sollte. Ungeachtet Usong dem Zeno einen Abgeordneten mitgegeben hatte, der mit ihm nach Venedig reisen mußte, und allen Vorstellungen zuwider, die der Perser bey den zirkaßischen Räubern that, war weiter nichts zu erhalten gewesen, als daß Zeno, halb geplündert entlassen wurde.
Usong konnte die Beleidigungen nicht ungeahndet lassen, die dem Botschafter einer freundschaftlichen Macht widerfuhren, der unter seinem Schutze gereiset war. Er konnte auch die Gemeinschaft mit [139] Venedig nicht entbehren, die zu seinen grossen Absichten unentbehrlich war. Er schickte einen der Hauptleuten seiner Leibwache, den Merwan, einen gesetzten und standhaften Perser nach Alkahirah. Er stellte dem ohnlängst erwählten Soldan Ol Malek ot Thaher vor, Persien und Aegypten seyen durch die Natur selbst verbündet, da sie beyde einen gemeinschaftlichen Feind an den Osmannen hätten. Das gute Verständniß, das zwischen Persien und Venedig herrsche, hätte eben die Absicht, ein Gegengewicht wider die zunehmende Macht dieses unternehmenden Reiches auszumachen. Usong verlangte blos, daß der Soldan seines Statthalters Frevel für ein Unrecht erklärte, woran er selbst keinen Antheil hätte.
Der Statthalter von Halep war einer der vier und zwanzig Fürsten, die aus Sclaven zu Herren von Egypten worden waren. Er stund unter seinen Brüdern in grossem Ansehen, und er hatte zu der Erhebung des Soldans nicht wenig beygetragen. Dieser gekrönte Sclave hatte weder den Willen, noch den Muth, die Uebelthat seines Freundes zu bestrafen. Er ließ den Abgeordneten des Kaisers lang ohne Antwort, und gab endlich eine Entschuldigung für die Beraubung des Zeno, die fast so beleidigend, als die That selber war. Am ägyptischen Hofe hatten keine gesetzten Berathschlagungen [140] Platz. Der Soldan müßigte sich vom Genusse seiner Wollust selten ab, und dann nahm er eine schleunige Entschliessung, wie sie ihm von den Verschnittenen, oder von einem gefürchteten Bey angerathen wurde.
Merwan eilte nach Schiras, und Usong machte, so ungern er das Blut der seinigen verspritzte, Anstalt zum Kriege. Die unter den Zelten dienenden Kurden wurden aufgeboten. Zu Tabris stieß eine auserlesene Reuterey aus Georgien zum Lager, und die Hälfte der persischen stehenden Völker führte der Kaiser an, der die wenigen Büchsenschützen mitnahm, die er selbst unterrichtet hatte. Das auserlesene Heer vereinigte sich in den fetten Wiesen von Aderbeitschan. Usong führte es durch Erbil und Merdin gegen Halep und drohete der Stadt Orsa, die unter dem Soldan stund. Dschuneid eilte mit den freywilligen Arabern zu seinem Freunde.
Die alten Zirkassen waren zwar durch die Wollüste von Aegypten erweicht, da aber alle Jahre neue Schwärme von Nogaiern, und Crimeern, von Kabardinern und Zirkassen die mamelukischen Völker ergänzten, so unterhielten diese rohen Leute den Muth der Nation durch die Herzhaftigkeit, die unverdorbener Völker Vorzug ist. Der Soldan kam mit einem mächtigen Heere, worinn viel [141] Geschütz, und ganze Schaaren mit Feuerröhren bewafnet waren.
Usong kannte seine Perser. Dieses sinnreiche und nicht unedle Volk ist dem Triebe der Ehre gehorsam, und fällt den Feind tapfer an, aber sein Muth sinkt beym Unglück allzuleicht. Er nahm eine vortheilhafte Stellung, und ließ durch seine Reuterey täglich kleine Treffen wagen, worin der persische Säbel, und die bessere Ordnung der Glieder, fast allemal den Sieg erhielt. Er brachte hierdurch seinem Heere ein Zutrauen zu sich selber bey, und machte es dem Feinde fürchterlich. Täglich ließ er seine Völker vor dem Lager ausrücken, und sich in Schlachtordnung stellen. Die Aegyptier thaten ein gleiches; ehe es aber zum schlagen kam, zog Usong seine Völker ins Lager zurück, das durch verschanzte Anhöhen bedeckt, durch das grobe Geschütz beschirmt war, und keinen Angriff zu befürchten hatte. Zehn Tage nach einander rückte er vor, und zog wiederum zurück, bis endlich die Zirkassen dieser unbedeutenden Bewegungen gewohnt wurden, und es als ein Spiel ansahen, wann schon die Perser in ihrer Schlachtordnung ausruckten. Aber den eilften Tag, da die Mammeluken nunmehr sicher geworden waren, rückte Usong zwey Stunden vor dem Aufgange der Sonne aus, und da dieselbe eben ihre ersten Strahlen [142] zeigte, gab er das Zeichen zum Angriffe. Persiens Sinnbild war die aufsteigende Sonne. Usong rief den Häuptern seines Heeres zu: denkt daß Persien auf euch sieht, eure Thaten zählt, und mit ewiger Hochachtung belohnen wird. Das Wort war Persiens Ehre. Die Perser brachen, wie neu beseelt in die unbereiteten Feinde, viele tausende fielen, und die übrigen verliessen ganz Obersyrien und Halep 1 dem Ueberwinder.
Usong führte sein siegendes Heer durch die schönsten Provinzen Asiens, gegen Syrien hin: seine Absicht war aber nicht, Aegypten allzusehr zu schwächen, ein Reich, das er als eine Vormauer von Persien ansah. Er erfuhr mit Vergnügen, daß Abgeordnete von Alkahirah kamen, und Friedensvorschläge thaten: Usong foderte nach dem Siege nicht mehr, als er zuerst gefodert hatte: der Statthalter von Alep wurde seiner Würde entsetzt, er verlohr seine Stelle unter den vier und zwanzig Fürsten: man suchte die Kostbarkeiten zusammen, die man dem Zeno entwendet hatte, und gab sie zurück. Nur machte Usong es zum Bedinge des Friedens, daß seine Unterhandlungen mit Venedig künftig ohne Hindernis durch die Länder und Häfen des Soldans fortgesetzt, und [143] Leute und Waaren frey durchgelassen werden sollten. Der eroberte Theil von Algezira blieb den Persern.
Usong hatte seinen Zweck erreicht, des Reiches Ruhm war behauptet, und die edle Absicht war fast ohne Blut erhalten worden. Er verlangte keine mehrere Länder, da Persien auch für einen grössern Ehrgeitz weit genug war; er entließ die Gefangenen, und vertheilte sein Heer in den Flächen um Tabris. Aber ehe es sich trennte, theilte er angemessene Geschenke und Ehrenbezeugungen unter die Fürsten, unter die Befehlshaber, und unter die Gemeinen aus: er hatte sich genau nach jeder lobwürdigen That erkundigt, und ließ keine unbelohnt. Er sprach zu den Verdientesten selbst, er dankte ihnen im Namen Persiens, und die Feldherren mußten dem ganzen Heere des Kaisers Vergnügen und Hochachtung bezeugen.
Der Kaiser eilte in die Arme seiner Liosua, und fand die chinesische Colonie mit vielen neuen Künstlern vermehrt. Der Abgeschickte war zurückgekommen, und Briefe vom weisen Liewang warteten auf den Kaiser. Der ehrwürdige Zongtu hatte alle seine Aemter niedergelegt, und sich nach Kiosö, in die Geburtsstadt seines grossen Ahnherrn des Kong-fu-tse begeben, wo er, wie er sagte, [144] über den Uebungen der Weisheit den Tod erwartete. Er ließ merken, daß das Verderben am Hofe zunahm. YngZong war ein Kind, die Tataren verwüsteten das Reich, der Kaiser selbst wurde eine kurze Zeit hernach von den Mongalen in einer Hauptschlacht gefangen, und in die Tatarey weggeführt. Liewang sah den Untergang des Reiches, der zwar lange hernach erst vollendet wurde, dessen Ursachen aber schon itzt wirksam und unheilbar waren.
Von Timurtasch kamen auch Nachrichten, der an den Siegen einen grossen Antheil hatte, die über China errungen wurden. Aber Usongs Wohlstand vergnügt mich mehr als alle Siege, sagte der liebende Vater.
Zu eben der Zeit kam ein angesehener Araber mit einem Schreiben vom ehrwürdigen Hassan: er hatte Befehl es in die eigenen Hände des Kaisers abzugeben. Der alte Alide wünschte dem Sohne seiner Liebe zu allem dem Guten Glück, das die Welt an ihm rühmte. Eines fehlete an der Vollkommenheit seiner Einrichtungen; Hasan fände nicht, daß etwas für die Religion wäre gethan worden. Die Meschiden waren öde, man hörete kein Wort der Vermahnung. Das Volk verwilderte, [145] es vergässe nicht nur den Propheten, sondern Gott selber.
Usong hatte für das höchste Wesen die aufrichtigste Ehrerbietung: von des Propheten Wundern war er nicht überzeugt, ob er wohl glaubte, die Welt sey dem Mahomet verpflichtet, weil er dem Götzendienste Einhalt gethan, und seine Araber den einigen Gott anrufen gelehrt hätte. Er hatte auch den Gottesdienst nicht vergessen; zu wohl wußte der weise Herrscher, daß die Religion das wahre Band der menschlichen Gesellschaft ist, daß sie die sterblichen zu Brüdern macht, und daß sie die Völker am kräftigsten gewinnt, dem Fürsten als dem Statthalter Gottes zu gehorchen. Zu sehr hatte er sich in China überzeugt, daß ohne die Furcht des obersten Wesens die Menschen zwar eine äusserliche Ehrbarkeit beobachten, aber ihren Begierden kein genugsam kräftiges Gleichgewicht entgegen setzen können.
Hassans Klagen waren gegründet. Aber Usong hatte die Unmöglichkeit erfahren, würdige Diener der Gottheit zu finden. Er traf in Persien keine Schulen an, wo man ein Lehrer der Religion bilden konnte, und keinen Imam, dessen Wissenschaft und Sitten die Würde gehabt hätten, die [146] zu einem Vorsteher des Gottesdienstes erfodert wird.
Usong bat den ehrwürdigen Aliden, daß er selbst die Anstalten möglich machen wollte, die er so eifrig anrieth. Er möchte unter den frömmsten in Arabien Männer aussuchen, die man bey den Meschiden 2 der Hauptstädte dem Gottesdienste vorsetzen könnte. Er möchte auch um Gelehrte sich bemühen, die der Jugend die Gesetze des Glaubens und andere Wissenschaften beyzubringen fähig wären. Usong erkannte die äusserste Nothwendigkeit, das Herz und den Verstand des Volkes zu bilden, und zu verbessern. Er verbarg aber dem eifrigen Hassan nicht, daß sein Absehen auf den Dienst eines einigen Gottes, und nicht auf die Zänkereyen zwischen den Secten der Gläubigen gienge: und bat seinen alten Freund, auf Männer zu sehen, zu deren Auswahl, des wahren Gottes Kenntniß, und ein gottesfürchtiges Leben die einzige Absicht wären. Er verachtete die unschuldigen Gebräuche, und das gottesdienstliche Waschen nicht, nur daß er für kindisch hielt, Gott mit etwas gefallen zu wollen, das auch von einem bösen Herzen verrichtet werden könnte.
[147] Er ließ indessen die Meschiden in den Städten wieder in den Stand setzen, daß die Gläubigen sich in denselben versammeln konnten. Er suchte durch seine Abgesandten ehrbare Männer auf, die an den Feyertagen diejenigen Abschnitte des Korans dem Volke vorlasen, die Mollah Abdul von Tabris 3, und Mollah Mahomed Raze Emuni, der Schüler desselben, ausgezeichnet hatten: und worinn die grossen Eigenschaften Gottes, die Pflicht sich nach der Vorschrift des obersten Wesens zu bilden, und die Mittel angezeigt wurden, zu diesem heilsamsten der Zwecke zu gelangen. Er erlaubte diesen Vorlesern, aus den allgemeinen Gesetzen der Natur, und aus der Sittenlehre, die Beweggründe beyzufügen, die im Koran mangeln möchten. Die fünf täglichen Gebete wurden allen Gläubigen anbefohlen.
Allen Dienern des Gottesdienstes wies Usong einen genugsamen Lebensunterhalt an: sie erhielten den zehnten Theil der Landsteuer: Usong wollte ihnen aber weder das Richteramt übergeben, wie es bey den Osmannen eingeführt war, noch sie dem gewohnten Richterstuhle entziehn. Er hatte in der Geschichte der Abendländer gesehen, was für entsetzliche Folgen der Fehler der nazarenischen [148] Fürsten gehabt hatte, durch deren Schwachheit die Geistlichen zu einem eigenen Orden, und endlich zu einem Reiche erwachsen waren, welches das Volk von Mitteln erschöpfte, alle Freyheit unterdrückte, und den Thron der Fürsten umzustürzen stark genug war, die dem Gehorsam gegen das Oberhaupt der Priester Schranken setzen wollten. Der oberste Mollah an der Meschid des Kaisers war in Persien nicht sowohl das Haupt der Geistlichkeit, als des Fürsten Oberaufseher über dieselbe.
Hassan erfuhr, wie schwer es war, Menschen zu finden, deren Herz von den Wahrheiten durchdrungen wäre, die ihr Mund lehrete. Er that aber, was ihm das allgemeine Verderben zuließ; er wählte selbst die ehrbarsten Geistlichen aus, er lockte aus den Einöden diejenigen Weisen, die sich ganz der Betrachtung übergeben hatten, und die kleine Zahl, die er hatte auswählen können, schickte er, nachdem sie durch ihn selbst geprüft worden waren, dem Kaiser zu, der ihnen die königlichen Meschiden in den vornehmsten Städten übergab. Die meisten waren Aliden aus dem Geschlechts Hassans, des Propheten, und ihre Nachkommen behielten auch noch lange hernach die oberste Stelle unter der Geistlichkeit.
[149] Mit grösserm Fortgange richtete Usong überall in den Städten Schulen auf. Der Perser ist scharfsinnig, und zu den Wissenschaften von Natur zubereitet, die zur Sittenlehre, zum Witze, und zur Rechenkunst gehören. Das Reich hatte erhabene Dichter, gründliche Sittenlehrer, und grosse Sternkündiger zu allen Zeiten erzeugt. Usong richtete auch obere Schulen auf, in welchen anshnlichere 4 Männer, auch wohl die Grossen von Persien, die höhere Aemter bedient hatten, der Jünglinge weitere Ausbildung übernahmen, und die Jugend war eben so bereit, die Lehren der Weisheit anzuhören. Des Kaisers gnädige Aufsicht, und seine Aufmerksamkeit, die geschicktesten Jünglinge zu befördern, gab allen Anstalten ein wirksames Leben. Er ließ sie in den Wissenschaften, denen sie oblagen, öffentliche und unvermuthete Proben über Fragen ablegen, die ihnen durchs Loos vorgelegt worden waren. Er selbst, und wo er nicht seyn konnte, sein Abgesandter, waren bey den Proben gegenwärtig: das Verhalten der jungen Leute wurde öffentlich in Gegenwart aller Anwesenden in Bücher eingetragen, und wer dreymal ein rühmliches Zeugniß verdient hatte, konnte seiner Beförderung gewiß seyn. Usong ließ aus solchen Jünglingen Richter nehmen, die [150] drey Jahre bey dem nächsten Gerichtshofe zuhören mußten, und nach einer neuen, aber auch öffentlichen Probe, wirklich auf die Bank zu sitzen kamen. Der Kaiser hatte die chinesische Einrichtung gesehen, aber er verhütete, daß Bestechung und Geschenke nicht der Ungeschicklichkeit den Ruhm zukünsteln konnten, der die Belohnung des wahren Verdienstes seyn soll.
Usong hoffte von dem Zulaufe der neugierigen Perser, und von ihrem scharfen Witze, welcher der bemerkten Fehler zu schonen nicht gewohnt war, diese öffentlichen Proben würden dem Einflusse der Gunst und der Geschenke vorbeugen. Jeder Richter, jeder Abgesandter des Kaisers mußte sich schämen, vor kundigen Zeugen ein Urtheil über die Fähigkeit eines Geprüften einschreiben zu lassen, das der Wahrheit entgegen wäre. Die allgemeinen Grundsätze des Kaisers waren, streng zu strafen, wer ihn zu betriegen sich unterstand, und hier konnte der Betrug sich nicht verbergen, eine ganze Stadt hatte über die Proben die Aufsicht. Das Loos hinderte gleichfalls alle strafbare Begünstigung: es wurde am Abend geworfen und versiegelt, und sobald die Sonne aufgieng, erfolgten die Proben.
[151] Aber Usong errichtete noch andere Schulen, davon Persien kein Exempel bey einem andern Volke gefunden hatte. Er ließ grosse 5 Gebäude aufführen, in welchen verschiedene Künstler mit kaiserlichen Besoldungen unterstützt für den Hof arbeiteten: er zog diejenigen Künste vor, wobey eine gewisse Erfindungskraft erfordert wurde, und worinn der Verstand, und nicht einzig die Uebung, der Kunst eine mehrere Vollkommenheit geben konnte. Er erhielt Mahler und Baumeister: man fand in eigenen Wohnungen andere Künstler, die aus Stahl und Erzt Gewehre für den Kaiser zubereiteten; andere stickten und ahmten mit Seide die Blumen der Natur nach; andere faßten mit Geschmack die Edelsteine des benachbarten Indostans, und die persischen Perlen in Gold und Silber ein; noch andere woben Sammte, deren Güte kein ander Volk erreichen konnte; wiederum andere gaben der Seide und der Wolle die Hellesten und dennoch beständigsten Farben, die den erfahrnen Europäern mangeln. Die geschicktesten wurden ansehnlich besoldet, und der Lohn von aller ihrer Arbeit wurde ihnen unvermindert überlassen, sie waren auch der kaiserlichen Güte für ihr ganzes Leben gewiß. Durch diese weise Anstalt erhielt Persien auf einmal nicht nur eine Menge wirklich [152] ausnehmender Künstler, sondern auch eine vortrefliche Schule für das ganze Reich. Es genoß mehrere Jahrhunderte nach dem Tode Usongs die Früchte seiner Weisheit. Da sonst die Perser keine Erfinder sind, und die Bequemlichkeit den Gebrauch ihrer Gaben dämpfet, so konnte man durch fremde und einberufene Erfinder, und durch anschlägige Europäer, den Persern Muster vorstellen, die ihre nachahmende Gemüthsart zu leiten dienten. Man konnte von jedem Reiche Vorgänger in denjenigen Künsten borgen, die in denselben einen bekannten Vorzug besassen.
Persien brachte es in der That in vielen Künsten auf eine ansehnliche Höhe. Man verfertigt daselbst noch heut zu Tage die kostbarsten Goldstücke. Man webet zu Yezd Stoffe, deren Zoll auf vier und zwanzig 6 Unzen Silber zu stehen kömmt. Die persischen Tapeten sind ein Zierath für alle Reiche der Welt. Die halbdurchsichtigen feinen irdenen Geschirre wurden härter als die von Tschingtetsching, und die Farben höher. Die Gärberey, das Drechslen, die zinnernen und küpfernen Gefässe, die Waffen, der Bogen, die Stahlarbeit, haben in Persien einen Varzug vor dem ganzen Morgenlande. Die Seide machte in [153] den folgenden Zeiten die reichste Waare zur Ausfuhr von Persien aus: das Reich nahm für dieses kostbare Gespinnst jährlich über tausend Centner Silber ein. Alle diese Quellen ersetzten, was Persien aus andern Ländern zur Nothdurft, oder zur Pracht bedurfte, die so vieles überflüßiges zur Nothwendigkeit macht: es bereicherte sich, und zugleich seinen Beherrscher.
Auch nicht das blos Angenehme entgieng des Kaisers Aufmerksamkeit. Er ließ zu Schiras, und hernach zu Tabris und zu Ispahan, königliche Gärten anlegen. Hohe Reihen von schattigten Tschinaren, reine Wasserleitungen, sprudelnde Springbrunnen, reiche Fruchtbäume, wurden dem Volke zur Lust zubereitet; denn der Kaiser verbot, einen Perser zu hindern, das Vergnügen in seinen Gärten, oder das Obst zu geniessen, das für sein Volk gepflanzet war 7.
Persien fühlte nach und nach sein neues Wohlseyn, und aus allen Provinzen kamen vergnügende Nachrichten ein. Die unterirdischen Wassergräben waren erneuert, die Persiens Nil sind, und ohne die es eine dürre Wüste wäre. Sie werden mit einer diesem Volke eigenen, und durch die Nothwendigkeit [154] vollkommen gewordenen Kunst, zwölf Faden tief unter der Erde eine ganze Tagreise weit fortgeführt. Man hatte auch verschiedene neue Quellen in den bergigten Theilen Persiens entdeckt, und Strecken Landes fruchtbar gemacht, die verlassen gewesen waren. Um den Bendemir, um den Senderud, und um andere persische Flüsse war die Fläche zu einem unermeßlichen Garten geworden, da nunmehr das lechzende Erdreich die erquickende Kraft des Wassers empfand. Zu diesen Ländern fanden sich bald Einwohner, die das Glück suchten, unter einer gütigen Herrschaft zu wohnen. Die Bücher, worinn die zinsbaren Ländereyen den Zahlen und der Ordnung der Wassergräben nach eingetragen waren, schwollen täglich an. Persien erhielt neue Bürger, und die Einkünften der Krone vermehrten sich mit den Kräften des Reichs, und dem Glücke des Unterthanen.
Usong entschloß sich zu einer neuen Reise: sie war mühsam und gefährlich: aber eine jede Pflicht war für diesen Fürsten eine Nothwendigkeit, von welcher keine Schwierigkeit ihn lossprechen konnte. Er nahm seinen Weg gerade nach Kerman: diese Provinz war ohne Wasser, und fast ein blosses Sandmeer, wo die Winde die Strassen alle Augenblicke mit neuem Sande bedeckten. Usong mußte das nöthige Wasser auf Kameelen nachtragen [155] lassen; er wollte aber nicht, daß jemand nach ihm leiden sollte, was er selber gelitten hatte. Er ließ Brunnen aufgraben, die an entfernten Stellen aus einigen Felsen sparsam quollen; er befahl öffentliche Ruhstätte nach der Gewohnheit der Morgenländer bey den Wassern zu bauen, und die Strassen wurden mit hohen Säulen ausgezeichnet, die so nahe an einander gesetzt wurden, daß man allemal die nächstfolgende sehen konnte. Siebenzehn Tage hatte er ohne alle Bequemlichkeit unter dem schwülsten Himmel zugebracht, da er Kerman, ein zerstreutes Dorf erreichte.
Seine gütige Absicht war belohnt worden. Die fast ganz verödete Landschaft war nunmehr bebaut und bewohnt. Die Gebern hatten das Gebiet der Patanen 8 und Balluschen 9 häufig verlassen, und unter dem Schutze Usongs ein ruhiges Leben gesucht. Ihr Fleiß hatte die Erde verbessert, sie war wie ein Garten bebaut, und die Wüste selbst wimmelte von unzählbaren Schaafen, deren feine Wolle beym Gebrauche des frischen Grases von sich selber abfällt; ein neuer Reichthum für Persien, der fast dem Werthe der Seide gleich kömmt. Denn die leichten, aus dieser Wolle gewobenen, Zeuge [156] werden den seidenen gleich geschätzt. Usong fand auch feine irdene Waare, die man daselbst verfertigte.
Er hatte hier einen Streit zu schlichten, der zwischen seinem Abgesandten und den Benjanen entstanden war. Der Abgesandte foderte dieses älteste unter den Völkern auf, in seiner Reihe die Waffen zu tragen, und sich in denselben zu üben. Die Benjanen verabscheuten alles Blutvergiessen, und folglich die Werkzeuge des Krieges, die Waffen. Usong erinnerte sich, daß sie die nützlichsten Unterthanen von Persien waren; er wollte sie zu nichts zwingen, das ihr Gewissen beleidigte. Nimmermehr, sagte der Gütige, muß man die Menschen in die Versuchung setzen, zwischen dem zeitlichen und ewigen Wohl zu wählen. Er entließ die Friedliebenden vom Tragen der Waffen, gegen eine kleine Auflage, die man auf jeden Kopf legte, und die unter die Perser vertheilt wurde, die allein die Last der Waffen tragen sollten. Die Benjanen warfen sich zu des Usongs Füssen, und verehrten den Nachfolger des Cyrus und des Gustasps 10.
Usong eilte von Kerman durch eben dergleichen öde Sandfelder nach Gomron. Er sah die Hengisehstaude, [157] und den geduldigen Geber täglich eine neue Scheibe von der entblösseten Wurzel abschneiden, deren Saft zu einer in Indien hochgeschätzten Waare wurde, und eine Quelle des Reichthums der Perser war. Aber die Kräfte des zu allem Ungemach abgehärteten Usongs reichten doch nicht zu, der schwülen Luft, dem schlechten Wasser, und den giftigen Dünsten der Erde zu widerstehen: er fiel zu Gomron an einem gefährlichen Fieber krank, da er eben die Perlenfischerey zu Bahrein selbst besehen wollte. Man trug den schmachtenden Kaiser unverweilt in die Palmenwälder, die am Fusse der Berge Genau und Gerun liegen, wo die Luft gesund ist, wo die reinsten Bäche die Erde erfrischen, und ein beständiger Frühling herrscht. Er kam kaum noch athmend in diese glückselige Gegend; aber die erfahrnen Aerzte von Lar 11 setzten dem tödtlichen Fieber die Zitronen dieser heissen Gegend, und der kühlenden Melonen labendes Wasser entgegen: und die Veränderung der Luft dämpfte langsam das Feuer, das Usongs Lebenskräfte verzehrte.
Im ganzen Reiche erscholl die Gefahr des Kaisers, und das eilfertige Gerücht kündigte bald [158] darauf seinen Tod an. Ganz Persien zitterte über den unersetzlichen Verlust: das Reich hatte vieler Menschen Leben durch unter bösen Fürsten gelitten, kein Greiß konnte sich an einen Herrscher erinnern, der nicht ein Tyrann gewesen wäre. Und nun sollte es den Herrn verlieren, dessen erste Jahre das Reich nur für die Morgenröthe hielt, die vor dem fruchtbarn Tage hergieng, in welchem eine segenreiche Sonne mit vollem Glanze über Persien ihre Strahlen ausschütten würde. Die Mütter riefen ihre Kinder zum Flehen auf; wir müssen vor euch sterben, aber nun stirbt auch der, der nach unserm Tode euer Vater gewesen wäre. Man schrie, der Gerechte, der Gütige, der Weise, der Sieghafte, das Ebenbild Gottes wird uns entzogen, wer wird ihn ersetzen! Hundert eilende Läufer rannten von allen Theilen des grossen Reiches, eine Nachricht vom Zustande des Kaisers einzuholen, nach welcher man mit Zittern verlangte. Die Stimme der Freude wurde nicht mehr gehört. Die Hände der Arbeit stunden still, der Liebe Spiele verstummten, ein banges Erwarten herrschte durch das erschrockene Persien, wie vor dem allgemeinen Gerichte.
Man konnte die entsetzliche Zeitung der Kaiserinn nicht verheelen. Ich will gehen, rief sie aus, und mit ihm sterben. Niemand kennte sie abhalten, [159] die gefährliche Reise zu unternehmen, die kein Dienst der Menschen erleichtern konnte. Sie ließ sich auf einen Palankin bringen, da weder Pferde noch Kameele die unwegsamen Gebürge ersteigen können. Sie eilte, ohne sich einige Ruhe zu gönnen, mit abgewechselten Trägern, über das Gebürge, an entsetzlichen Abstürzen, wo der schmale Steg über den Felsen, und über die in der Tiefe kaum sichtbarn Schlünde hängt: sie trank das bittere Wasser, das die Natur sparsam hergiebt: sie achtete die schwülen Winde um Lar nicht, die oft wie feurige Schlangen den Reisenden im Augenblicke tödten: sie hauchte die heissen und erstickenden 12 Dünste, die aus der Erde steigen, und athmete die gesalzene Luft, die einen unauslöschlichen Durst verursachet: sie setzte zu Kurestun über den gefährlichen Bendemir, der oft wie ein Meer sich plötzlich ergießt, und in wenigen Stunden das ganze Land einnimmt: sie langte in unglaublicher Eile in den Dattenwäldern an, und warf sich in die Arme ihres schwachen Gemahls. Nun, rief sie, will ich leben, da ich meinen Usong wieder sehe.
Des Kaisers fühlendes Herz vernahm nicht ohne Rührung die Liebe seines Volkes, und sah nicht ohne die innigste Empfindung die alle Gefahren [160] verachtende Treu seiner Gemahlin: ihre Umarmungen, ihre holde Pflege, ihre unermüdet sorgende Bemühung, ihm einige Erquickung zu schaffen, schienen ihm Kräfte zu geben; er genas, wiewohl langsam, und ließ sich noch schwach und verfallen nach Schiras tragen.
Hier versammelte sich ganz Persien. Alle Provinzen schickten ihre angesehensten Männer, dem wieder auflebenden Kaiser die Verlängerung der Tage anzuwünschen, die Persiens güldene Zeiten waren: sie brachten die wahren Opfer der getreuen Herzen der Unterthanen, und ihre Rührung strahlte aus den mit Thränen glänzenden Augen. Tausend Freudensbezeugungen waren das allgemeine Geschäfte aller Perser, und von den Tempeln so vieler verschiedenen Glaubensgenossen stieg ein allgemeiner Dank zu dem obersten Wesen auf.
Scherin, der Freund der Jugend Usongs, hatte mit dem Glücke der Perser Sitten angenommen. Er hielt sich ein zahlreiches Harem, das mit den theuersten Schönen aus Georgien bevölkert war, und fand in ihrem Genusse seine Glückseligkeit. Innigst liebte er den Kaiser; an einem der Abende, die Usong wechselsweise seinen Freunden gab, bat ihn Scherin, von einem aufrichtigen Diener eine Frage anzuhören.
[161] Was kan Usong vom Scherin nicht anhören? was kan er ihm versagen? bin ich so klein geworden, daß mich der Stolz undankbar mache? Scherin neigte sich: wir danken dem Tien, der uns den Trost Persiens wieder schenkt: der auch dem Usong Erben seines Thrones gegeben hat, von denen wir die Tugenden des Usongs und des Tschengis erwarten können. Aber die Ruhe der Welt beruht auf wenigen Augen. Wie bald können durch die abißinische Krankheit die jungen Blumen verwelken, ehe ihre Zeit kömmt, für Persien Früchte zu tragen. Warum entzieht sich der Kaiser in seiner muntersten Jugend das Recht, das alle Beherrscher der Morgenländer schon vor dem Cyrus genossen haben? warum schränkt er die Hofnung der Erde auf eine einzige Gemahlin ein? warum unterstützt er das Haus, nicht mehr des Tschengis, sondern des würdigern Usongs, nicht mit mehrern Söhnen, die ihn die Natur hoffen liesse?
Mein Scherin, lächelte der Kaiser, giebt mir ein Zeichen seiner echten Freundschaft, er wünscht den Usong so glücklich zu sehen, als er selbst ist. Doch Usong ist es schon: er findet mehr Vergnügen im Umgange mit einer einzigen Geliebten, die Reitze genug für ihn hat, aber deren Sitten, deren Auferziehung, deren Witz, und deren Wissenschaft, [162] sie zum Umgange angenehmer machen, als erkaufte Sclavinnen, die nichts als die leichte Kunst zu buhlen gelernt haben.
Aber Scherin kennt die chinesische Geschichte, er weiß das Ende der Enkel des furchtbaren Timurs, er hat mit mir den Schutt des Palastes der Kalife zu Bagdad besehen; er ist auch in den Abendländern mit mir gewesen. Scherin wird sich erinnern, daß seit Jahrhunderten ein einziges königliches Haus unter den Nazarenern durch das Schwerdt ausgelöscht worden 13 ist, das war aber eine That des unversöhnlichen Hasses eines gekrönten Priesters. Sonst sterben die herrschenden Häuser auf dem Throne ihrer ersten Ahnen aus, oder stehen, wie die Capetiden, viele Jahrhunderte durch unerschüttert.
Oft habe ich überdacht, warum in China, in dem gesitteten, in dem gelehrten China, der ein und zwanzigste Kaiserstamm herrsche; warum so manches vergöttertes Haus mit allen seinen Zweigen, durch das Schwerdt ausgerottet worden sey; warum es einem verwegenen Bonzenknechte so leicht gewesen seyn möge, die Enkel des Tschengis [163] vom Throne zu verdrängen. Ich wiederhole eben die Frage bey den Kalifen, bey den Gasnewiden, bey allen königlichen Stämmen in Asien, davon noch keiner zweyhundert Jahre im Besitze des Thrones geblieben ist.
Die Enkel der Helden, die ihren Stamm durch ihre grossen Eigenschaften auf den Thron erhoben, sammlen sich ein Harem, sie finden in den Armen der Schönen eine Glückseligkeit, die leichter zu erwerben ist, als die schwere Kunst, seiner Unterthanen Wohlstand zu ersorgen. Ein Kaiser fängt an schläfrig zu werden, noch erwacht er zu Zeiten, und hat den Muth, seinen Schönen zu entgehen. Sein Sohn schläft tiefer, und der Enkel erwacht nicht mehr. Der Monarch bleibt auch im Alter ein Jüngling, was seine Veränderung seyn sollte, wird sein Geschäfte. Die Verschnittenen, die Wazire, die Häupter der Leibwache herrschen für ihn, tausenderley Unterdrückungen nehmen unter dem Schutze Gaben nehmender Grossen überhand. Der leidende Unterthan findet keine Hülfe, er hat sein ganzes Leben durch den Kaiser nicht gesehen, und seine helfende Hand nie gefühlt. Eifersucht und Furcht räth an, die Beschützer des Landes selber zu stürzen; die schwachen Regenten verlangen nicht mehr kriegerische Feldherren, die ihnen gefährlich seyn könnten. Alle Arme der Regierung [164] werden gelähmt: das Herz des Volkes ist verlohren. Hier wird ein Türke, eine Buide, der erbliche Oberherr der angebeteten Kaliffen: dort stürzt ein Tschu den unentschlossenen Tauwang Timur vom ersten Throne der Welt, und treibt ihn in die Wüsteneyen Scythiens. Unter den streitbaren Usbecken reiben die Enkel des mächtigen Timurs einander grimmig auf. Mußte nicht Ulugbeg, der weise, noch neulich von den Händen eines Vatermörders sterben? Wo ist nun der Vorzug der vielen Frauen, der zahlreichen Enkel?
Usong hoffet, der junge Dschuneid werde durch den Unterricht weiser Männer, und durch die Ermahnungen seiner vortreflichen Mutter, zu einem Fürsten erwachsen, bey dem die Völker den Usong vergessen. Er schmeichelt sich sein Stamm werde frey vom Brudermorde bleiben: und eine gute Auferziehung ist, nach seinen Gedanken, die wahre Stütze eines herrschenden Erbhauses.
Scherins Herz ergab sich nicht, das sanfte Gift der Wollust hatte ihn bezaubert, aber sein Verstand fand keine Antwort.
Doch wagte er noch einen Angriff auf seinen erhabenen Freund. Ist es möglich, sagte er, daß Usongs Kräfte der Arbeit widerstehen, deren er [165] sich unterzieht? wird er nicht an den Jahren eines abgekürzten Lebens mehr Stunden verlieren, als er itzt sich selber, seiner billigen Erquickung mißgönnt? Ist denn der Thron ein Ort der Strafe, wovon die Ruhe verbannt ist, wo kein Lust dem erschöpften Herrscher sich nähern darf?
Das sollten mein Freund und ich überlegt haben, als wir von Anah auszogen, unsere Hoffnungen bis zu Persiens Throne sich schwingen hiessen, und die Besorgung so vieler Millionen Menschen ehrsüchtig übernahmen. Itzt ists zu spät, sich der Mühe zu entziehn, die zur Pflicht geworden ist. Doch ich öfne dir mein Herz. Ich fühle keine Last, mir ist der Zepter nicht schwer. Ich sehe jede Stunde wie eine Gnade an, die das oberste Wesen auf mich fallen läßt, tropfenweise fallen läßt, auf daß ich nicht viele Stunden auf einmal verschwende. Aber eben diese Stunden sind gezählt, sie sind Schulden, die ich gegen den Ewigen eingegangen bin, wofür ich Rechnung abzulegen habe. Mich rührt kein Ehrgeitz, meinen Namen zu vergrössern, ich sehe das kindische des Nachruhms nach meinem Tode in seiner verächtlichen Kleinheit. Aber jeden Tag will ich anwenden, jede Stunde will ich etwas Gutes verrichten, jeder Gedanke soll das Wohlseyn Persiens zum Zwecke haben. So freue ich mich des Morgens, wie [166] die ihrer segnenden Macht bewußte Sonne, den Lauf eines Tages anzutreten, den ich mit einer guten That auszuzeichnen hoffe: so freue ich mich jeden Abend, den verstrichenen Tag mit nützlichen Handlungen bestreut zu finden: so werde ich im Alter, wenn die Welt mich verläßt, auf mein angewandtes Leben zurück schauen, und kummerlos sterben: ich werde nicht auf eine mit Müßiggang oder Lastern verdornete Wüste, sondern auf ein Feld zurück sehen, woran ich mühsam gearbeitet, und dessen Früchte ich erschwitzt habe, den Zins, den ich dem Herrn schuldig war, dessen Lehen mein Thron ist.
Der Abgeordnete, den der Kaiser mit dem Zeno nach den Abendländern geschickt hatte, kam endlich zurück. Er brachte Briefe vom Rathe zu Venedig, und vom Zeno: sie enthielten die Vermehrung der Sorgen, die die Siege der Osmannen erweckten. Ein nazarenischer König hatte mit Vortheil den älternden Morad bekriegt, und ihn zum Frieden gezwungen, den der stille Morad um desto lieber eingegangen war, weil er beschlossen hatte, den Thron seinem Sohne einzuräumen. Der christliche König 14 brach den beschwornen Frieden, auf das Anhalten eines mächtigen Priesters,[167] er drang bis ans schwarze Meer. Die Jenjitscheri kannten den jungen Machmud noch nicht, sie glaubten, sein Arm wäre nicht stark genug, des Hunniaden Schwerdte zu widerstehen. Sie erbaten vom Morad, daß er sich an die Spitze der Osmannen stellte. Machmud wich bescheiden, stieg vom Throne, und focht unter seinem Vater. In einer grossen Schlacht wankten die Osmannen, und Morad sah sich dem Untergange ganz nahe. Er rief den Gott an, auf dessen angebetenen Namen die Christen den Frieden beschworen hatten. Er bat, der Himmel wolle doch ein Zeichen geben, daß die Untreu ihm mißfiele, und andere Fürsten abschrecken, die Versprechungen zu brechen, welche der Gottheit Namen geheiliget hätte. Der Muth kam bey den wankenden Jenjitscheri wieder, der König wurde erschlagen, und der gefürchtete Hunniade gerieth in der Türken Hände 15. Morad hatte nach dem Siege den Thron wiederum verlassen, und beyde Sultane hatten das in den Morgenländern seltene Beyspiel gegeben, daß die kindliche Ehrfurcht so stark als die väterliche Liebe, und beyde mächtiger als der Reiz des Zepters seyn können.
[168] Der junge Monarch der Türken war im Lager gebohren, und so feurig, als gesetzt Morad gewesen war. Er dürstete nach Ruhm und Siegen. Man zweifelte nicht, seine erste Unternehmung würde der Umsturz des Reiches zu Byzanz seyn. Venedig sah den Sturm im fernen donnern, und warnte nochmals den Kaiser.
Man schickte ihm Modelle von neuen Erfindungen die Geschütze furchtbarer zu machen, die kleinern Feuergewehre schneller abzuschiessen, und aus grossen erztenen Mörsern schwere Kugeln, mit innerm Feuer schwanger, über alle Mauren zu werfen. Einige Waffenschmiede von Brescia kamen mit dem Abgeordneten, die Usong in seine neue Schule nöthiger Künste aufnahm. Aber die Perser blieben bey ihrem Bogen, den sie am besten von allen Völkern zu verfertigen wissen, und der unterm Cyrus, wie sie meynten, Asien bezwungen, und unterm Nuschirwan Rom zum Zittern gebracht hatte. Das grobe Geschütz war noch weniger nach dem Schwunge des Gemüths dieses Volkes, und keine Aufmunterung war vermögend, sie in dem Gebrauche desselben geübt zu machen.
Eine noch traurigere Zeitung kam aus den Morgenländern. Der alte Hofmeister des ehrwürdigen Liewangs kam nach Schiras, und trat bey seinem[169] Freunde dem Scherin-Kan ab. Ich habe Schriften und Päcke bey mir, die dem Kaiser gehören, aber bereite sein Gemüth, und zumal das Herz der Kaiserin, zu einer traurigen Botschaft.
Usong erlag nicht unter einer Sorge: aber der Kaiserin mußte geschont werden, deren Gesundheit durch die mühsame Reise nach den Dattelbüschen noch schwächer geworden war. Man sagte ihr, Liewang sey krank. Tod ist er, rief die liebende Tochter, und sank auf ein Soffa halb ohnmächtig hin. Es war umsonst das Uebel verhehlen zu wollen. Liewang war in einem hohen Alter in der Vaterstadt des Weisen gestorben, die auch die seine war. Er hatte vor seinem Hinscheiden seine Ahnentafel an die Kaiserin geschickt; an ihr ists, hatte er gesagt, den Ahnen die schuldige Ehre zu beweisen, sie ist mir mehr als ein Sohn. Er schickte dem Kaiser einige die Kunst zu herrschen lehrende Schriften des Kongfutsee mit seinen eigenen Anmerkungen, und der Kaiserin einige Seltenheiten aus dem Reiche. Der Tien, schrieb er, hat den Usong zu grossen Dingen ausersehen, wozu hätte er sonst die ausserordentlichen Gaben, und die größte der Gaben empfangen, die Vorzüge seines Geistes zum Guten anzuwenden. Die Kaiserin versicherte er seiner unveränderlichen Liebe, [170] und ihr Namen war das letzte Wort gewesen, womit sich sein Mund beschäftiget hatte.
Liosua fand, wie zarte Herzen pflegen, ein Vergnügen, sich mit der Ursache ihrer Traurigkeit zu beschäftigen: sie verlangte die Umstände zu wissen, mit denen Liewang aus dem Leben geschieden wäre.
Gelassen und kaltsinnig, wie Kongfutsee, sagte der Hofmeister: er hatte an Kräften nun schon lang abgenommen, und sah deutlich, daß die übeln Umstände des Reichs, und eine geheime Sehnsucht, seine Kräfte noch mehr erschöpften, als die Jahre. Den letzten Morgen, nach einer schlaflosen Nacht, ließ er sich aus dem Saale der Voreltern seine Ahnentafel bringen: er durchgieng die grossen Namen, die in einem Zeitraume von dreissig Menschenleben auf dieser Tafel schimmerten: er hielt sich bey dem grossen Kongfutsee etwas auf und lächelte. Mein Stamm löscht aus, sagte er, vielleicht wären meine Enkel ihrer Ahnen nicht werth gewesen. Aber ich hinterlasse eine Tochter, die ist ihrer werth. Segne sie, Herr des Himmels, sie war eine gehorsame Tochter, sie erfüllte alle Pflichten, und lebte nach allen Regeln des Weisen.
[171] Diese Beschäftigung hatte den Ehrwürdigen ermüdet, er fühlte, daß seine Kräfte verschwanden. Meine Zeit ist zu Ende, sagte er leise, du weißt, o Tien, ob ich sie nach deinem Willen angewandt habe. Doch du kennest die Menschen, keiner ist zu allen Stunden weise, keiner ist dem Bilde ähnlich, das du in den alten Weisen ihnen zum Muster gegeben hast. Aber du liebest die willigen, breite auch über mich deine verschonende Gnade, aus: und hiermit verschied er, ohne Furcht, ohne Ungeduld, ohne Zucken, wie die reife Frucht Litschi, wann die Natur sie von ihrem Baume ruft, oder wie die Sonne in der Abendsee untergeht.
Liosua nahm, mit dem Beyfalle des Kaisers, die grosse Trauer an: sie ließ auch ein Zimmer mit der ernsthaftesten Würde für die Ahnentafel einrichten, dessen ganzes Geräthe aus China kam, und wohin sie ihre Büchersammlung versetzte. Hieher begab sie sich fast alle Tage, ihren Verlust zu beweinen, und sich das Gemüth mit dem erlauchten Beyspiele ihrer würdigen Ahnen anzufüllen.
Aber Usong sah, daß die Geschäfte des Reichs unumgänglich seine Thätigkeit erfoderten, und fuhr fort, alle seine Augenblicke dazu anzuwenden. Er umarmte die Kaiserin aufs zärtlichste: Freude [172] meines Lebens, sagte er, traure so, daß du dich erinnerst, deinem Usong könne ohne dich nichts die Last des Lebens erträglich machen.
Mit dem Hofmeister des würdigen Liewangs war ein Mandarin der Wissenschaften gekommen, der arm schien, und von des Kongfutsee Nachkommen war. Es ist so selten, einen Bürger von China an einem fremden Hofe zu sehen, daß Usong den Mandarin bemerkte, und etwas an ihm fand, das ihm unterhaltend vorkam. An einem der Abende, die Usong seinen Freunden gab, fragte er den Fremdling, was doch die Ursachen seyn möchten, warum er sein gesittetes Vaterland verlassen hätte, und bey einem Volke Ruhe suchte, das er von Jugend auf für barbarisch angesehen haben müßte?
Oel-fu antwortete, nirgends kan die Barbarey herrschen, wo Usong auf dem Throne sitzt. Ich bin zu Kio-sö, des Weisen Vaterstadt, in der Provinz Schang-tong gebohren: ich wurde zu den Wissenschaften erzogen, und durchgieng die gewöhnlichen Stufen. Ich muß flehen, sagte er ferner mit einer tiefen Verbeugung, wenn der Kaiser meine Geschichte verlangt, daß ich frey reden dörfe. Die Arbeit, die man mir vorlegte, schien mir allemal zu leicht, und die Proben nicht schwer [173] genug: ich hätte das Werk eines Jahres in einer Stunde verrichten mögen, um die Wissenschaft zu erlangen, nach welcher meine Seele hungerte. Ich trachtete die zwölf Pflichten zu erfüllen, und da ich viel schrieb, so empfahl ich über alles die Tugend, als den einzigen Weg zum Vergnügen. Ich wurde bald, und jung, in einige Betrachtung gezogen; aber die Beförderung wurde mir schwer gemacht. Wann eine Stelle aus den schönen Wissenschaften ledig war, so hieß es, ich sey ein Sternenkenner: waren es Aemter die zur Staatskunst gehörten, so war ich ein Dichter.
Endlich wurde in einer von meiner Vaterstadt entlegenen Provinz eine Mandarinstelle in den Wissenschaften ledig: ich kannte niemand daselbst, und wurde berufen. Nunmehr verdoppelte ich meine Bestrebung, der Hofnung des Zongtu zu entsprechen. Man gab mir das Amt eines Richters der Bücher: ich mußte sie lesen, in einen Auszug bringen, und mit einem Zeichen unterscheiden, ob ich die Schriften gut hieß. Ich zog einen blauen Kreiß um den Namen des Verfassers, wenn sein Werk mir mißfiel, und die Billigung drückte ich mit einem roten Kreise aus.
Ich that nach meiner besten Einsicht, ich sparte dennoch aus Menschenfreundschaft meinen [174] blauen Pinsel, und brauchte immer mehr Roth, als ich nach der Strenge hätte thun sollen. Dennoch wurde es bekannt, daß ich der Bücherrichter war, und alle Gelehrte verschwuren sich wider mich: ich wurde mit Vertheidigungen, mit Widerlegungen, und mit Spottschriften umringt, und fast unterdrückt. Ein Freund rieth mir: entweder lege den Pinsel nieder, oder entschlage dich der blauen Farbe. Ich zog das erstere vor: und glücklich war ich; denn der Zongtu, der dir mein Amt anvertraut hatte, war schon entschlossen, mir es wieder zu entziehen: er schmeichelt, sagte der ernsthafte Greis, und vergißt seine Pflicht gegen das allgemeine Beste.
Ich kam in eine andere Provinz, wo man mir eine angemessene Stelle versprach. Aber die Bonzen lehnten sich wider mich auf: der Zongtu war ihnen ergeben. Der Mann glaubt an keinen Gott, riefen sie, und mein Glück verschwand mir unter den Händen. Die Bonzen schütteten tausend Verleumdungen wider mich aus.
Ich tröstete mich, weil die Beschuldigung ungegründet war: und kam nach Fokien, wo die Bonzen verhaßt waren. Der Zongtu nahm mich unter seine Freunde auf, und ich war der Gefährte seiner Abendstunden. Er glaubte aber selbst an [175] den Tien nicht; und nach seiner Meinung war kein Richter der Menschen, und kein Unterscheid des Guten und des Bösen. Er hielt mich für einen Anhänger des Laokings 16. Da ich aber nicht verbergen wollte, daß ich den Tien verehrte, und die Tugend dem Laster vorzog, so verlohr ich auch diese Stelle: der Zongtu erniedrigte sich so weit, daß er in harten Ausdrücken wider mich schrieb, ob er wohl meine Schriften niemals gelesen hatte.
Ich kam nach Peking, und wurde in Staatsgeschäften gebraucht: es wurden Schriften mir anvertraut, die von der größten Wichtigkeit waren; ich mußte des Reiches Rechte zu den Inseln Liu Kiu vertheidigen, die Nipon in Anspruch genommen hatte. Nun, dachte ich, hab ich das Vertrauen meiner Obern erworben: aber meine Eitelkeit wurde sehr bald bestraft. Ich hatte Nipons Rechte nach allem meinem Vermögen entkräftet, und man rief, er ist ein Niponier.
Ich warf mich in den Schoos der Wissenschaften, und suchte bey ihnen meinen Trost; ich fand ihn, und erfreute mich über einen Schatz, der zu meinem Glücke zureichte, und den mir niemand [176] rauben konnte. Aber auch diese Zuflucht wurde mir abgeschnitten. Man setzte sich mit Nipon; die Höflinge, die für dieses Reich waren, verfolgten mich nunmehr, weil ich Taisings Rechte verfochten hatte, und ich empfand bey allen Gelegenheiten ihren Haß.
Der Tien, sagte ich endlich, spricht zu den Menschen durch keinen Mund eines Sterblichen. Der Herold seines Willens ist seine Verfügung; er befiehlt mir China zu meiden, dem ich auf keine Weise mich gefällig machen kan. Und wohin würde ich geflohen seyn, als zum grossen Muster der Weisheit und der Güte; denn Liewang, der ihm sein geliebtes Kind anvertrauet hat, verheelte mir seine Hochachtung für den Sohn seiner Wahl nicht.
Usong antwortete: bey den Sterblichen die Belohnung der Tugend suchen zu wollen, ist ein eiteles Verlangen: die Weisen eifern täglich über der Menschen Leidenschaften und über ihre Laster, und wie können sie sich verwundern, wenn sie erfahren, daß ihr Gemälde dem Urbilde ähnlich ist? Ich bin dem Oel-fu verpflichtet, der gehoft hat, Hülfe bey mir zu finden. Usong brauchte den Chinesen zu geheimen Bedenken: er übergab ihm Geschäfte zu entwickeln, die er niemand gern vertraute: [177] und weil der Kaiser diese Aufsätze selbst durchlas, so erkannte er einen brauchbaren Diener am Oel-fu, an dem man in China so viele widersprechende Laster gefunden hatte. Aber Usong hatte selber aus des Oel-fu Unglücken auf seine Tugenden geschlossen. Oel-fu war beständig seiner Ueberzeugung gefolget, und hatte dadurch wechselsweise die einen oder die andern beleidiget, die nicht das gemeine Beste, sondern ihre eigenen Absichten zu befördern suchten. Die Mächtigen lieben nur denjenigen, der allemal mit ihnen dahin sich umlenket, wohin ihr Vortheil führet.
Der Kaiser beschäftigte sich unermüdet mit der Wohlfahrt seines Reiches. Die weisen Männer, denen er die Arbeit aufgetragen hatte, waren mit der Uebersetzung der Gesetze Nuschirwans fertig geworden. Der Kaiser durchsah sie mit der größten Aufmerksamkeit, und suchte alle Worte so richtig zu bestimmen, daß sie niemals zweyerley Deutung haben könnten. Er sorgte, daß sie einfach wären, daß sie aus den allgemeinsten Fällen durch ordentliche Treppen auf die besondern herunter stiegen, daß sie mit einander in ein harmonisches Ganzes übereinstimmten, und daß sie viele Fälle entschieden, ohne dieselben einzeln zu nennen. Der Gesetzgeber muß alle einzelne Fälle sich vorstellen, und sein Gesetz so einrichten, daß es sie alle entscheidet, und über [178] dasjenige spricht, das allen Fällen gemein ist. Usong gab allen Gesetzen einen Hang zum Besten der Armen, der Waisen und des Unterthanen. Des Kaisers Zepter ist ein Schwerdt, sagte er; des Grossen Macht ist sein Schild; das Gesetz muß für die Wehrlosen sorgen. Er versah, daß niemand von diesen Gesetzen sollte ausgenommen seyn: die Priester, die Kriegsleute, des Kaisers eigenthümliche Landgüter und seine Vorrechte, waren eben den Gesetzen unterworfen, denen sich ein Bauer unterziehen mußte. Die Ordnung die Streitsachen zu entscheiden, war auf gewisse Tage eingeschränkt: sie bestund in wenigen Klagen und in kurzen Zwischenzeiten. Die Geschenke waren bey Strafe der Entehrung den Richtern untersagt. Der Kaiser fuhr fort, zwey Tage in der Woche dem obersten Gerichtshofe beyzuwohnen.
Kurz hernach gab Usong die Kriegsgesetze aus; sie bezogen sich blos auf die Geschäfte der Waffen, und auf die Kriegszucht: in andern Streitigkeiten und in allen Fehlern gegen die gemeine Sicherheit, setzte er die besoldeten Kriegsleute unter die gemeinen Richter. Die Obermacht der Krieger ist, zumal auch in den Morgenländern, zu groß, und würde unerträglich, wenn man Kriegsleute vor Kriegsleuten belangen müßte. Auf den Gehorsam gegen die Befehle, auf die Enthaltung von aller [179] Vergewältigung, auf die Standhaftigkeit in der Gefahr, wurde mit der größten Strengigkeit gehalten. Wenn der Feldherr selbst das Panier von Persien nicht zurück rief, so war ein Weichender des Todes schuldig: und das Zerstreuen von der Fahne wurde auch beym befohlenen Rückzuge mit dem Tode geahndet. Usong wußte, daß selbst die freyesten Völker in den Abendländern sich durch die Strenge ihrer Kriegszucht unüberwindlich gemacht hatten, und dasjenige, was allemal und ohne Schonen gestraft wird, endlich nicht mehr in den Gedanken der Menschen aufsteigt, und nicht mehr widerfährt 17.
Der Kaiser brachte es dahin, daß die Unterthanen 18 die Gegenwart der Kriegsvölker für ein Glück hielten, die sonst in andern Ländern fast so verderblich als die Feinde sind. Der persische [180] Kriegsmann konnte von seinem Solde reichlich leben, ein edler Stolz hielt ihn von allen Gewaltthaten ab. Er würde sich als entehrt angesehen haben, wenn er eine Frucht ohne Erlaubniß vom Baume abgerissen hätte. Laßt die Osmannen ihr eigenes Volk berauben, wir sind Persiens Beschützer.
Nuschirwani war nunmehr in ihrem zehnten Jahre. Usong befahl, daß sie eben die Auferziehung erhalten sollte, die für ihre jungen Brüder bestimmet war, wenn sie die zärteste Jugend würden überstanden haben. Sie wurde in der Geschichte, in den Gesetzen, in der Kenntniß des Landes, und der Früchte der Kunst und der Natur, in den Einrichtungen, wodurch die öffentliche Sicherheit, der Ueberfluß, und die Gerechtigkeit gesichert wird, und in allen Tugenden eines Fürsten unterwiesen. Die junge Kaisertochter hatte die Standhaftigkeit ihres Vaters, und eine Bildung, die eine Aehnlichkeit mit dem sanften Gemüthe der Liosua mäßigte. Ihrem Verstande war nichts zu schwer, und Usong sah mit entzückendem Vergnügen, daß, auf welchen Thron das Schicksal seine Tochter führte, sie für ihr Reich ein Geschenk des Himmels seyn würde.
[181] Er rüstete sich zu einer neuen Reise, und gieng mit seinem vertrauten Gefolge nach Persiens nordwestlichen Provinzen ab. Aller Orten ließ er sich die Bücher der Gerichte vorlegen, und selten fand er Ursache zu ändern. Er musterte sowohl die ordentlichen Kriegsvölker, als die gewaffnete Landmacht Persiens: beyde fand er, mit Ausnahme der Feuerrohre, geschickt und geübt. Er besah die Werkhäuser der Künste, und ließ sich von den Bergwerken, von den Stahlgruben in Masanderan, von den Türkissen des Berges Firuzkuh, und von andern Quellen des persischen Reichthums, die genaueste Nachricht ertheilen. Er erfreute sich über die vermehrten Maulbeerbäume, und über die neuen Gärten und Wiesen, die er in allen Provinzen antraf. Ueberall sah er neue Häuser, und in allen Städten den Schutt weggeräumt, den die ehemaligen Zerstörer verursacht hatten: und neue Gebäude stiegen aus den erödeten Plätzen auf. Von seiner Strengigkeit ließ er wenige und unvermeidliche Spuren, von seiner Gnade und Freygebigkeit unzählbare nach sich.
An einem einsamen Orte, auf dem Wege nach Masanderan, entfernte er sich mit Fleiß von seinem Gefolge, und ritt einer mit Stroh bedeckten Hütte zu, die vom Wege entfernt auf einem Hügel lag. Dieser Hügel war durch kleine leimerne Mauren in [182] Stuffen abgetheilt, und jede Höhe war mit den dazu sich schickenden Gewächsen bepflanzt. Den Kaiser befremdete der Anblick des Hügels in der Ferne, der Fleiß des Bewohners zog ihn an sich, es war eine Nachahmung der chinesischen Aemsigkeit. Ein uralter Greis saß unter seinen Enkeln, und gab ihnen seine Räthe bey der Arbeit, an welcher sie mit einem freudigen Eifer sich beschäftigten. Guter Alter, sagte Usong, wieviel sind deiner Jahre? Herr, ihrer sind viele, ich habe auf dem Felde, von dem du kömmst, Timurs Gezelt gespannt gesehen. Wie waren die ehemaligen Zeiten? wie gefallen dir die itzigen? Das Rohr, sagte der Alte, wird nicht ausgewurzelt, weil es sich beugt. Ich habe den Timur gesehen: er herrschte wie der Löwe, er griff nur den Raub an, der ihm widerstehen konnte, der Schwachen schonte er. Es folgten Fürsten, sie herrschten wie die Schakalen 19, sie zerrissen auch den, der nicht widerstund, der wie ein Todter alles leiden mußte. Nun dünkt mich, herrscht der Elephant, der von den Geschenken der Erde lebt, der niemand beraubet und dennoch groß ist. Timurs Kriegsleute nahmen uns die Lebensmittel: aber unter seinen Enkeln war die Unschuld unsrer Kinder vor ihrem Raube nicht sicher. Itzt sind die Kinder, das[183] Vieh, und die Früchte meines Schweises alle mein. Wenn Usong lebt, soll dieser ganze Hügel ein Garten, und diese Hütte ein Dorf werden, das meine Enkel einzig bevölkern. Der Greis war ein Mongal, der als ein Gefangener nach China geführt worden war, und daselbst den vollkommenern Bau der Erde gelernt hatte. Usong lächelte vergnügt, und hinterließ dem glücklichen Alten Zeichen seiner Güte. Der Tartar vernahm niemals, daß der Beherrscher von Persien unter seine demüthige Hütte abgetreten war.
Usong eilte nach Masanderan, um im Frühlinge diese Provinz durchzureisen, zu einer Zeit, da sie durch die vielen Bäche erfrischt zum Paradiese wird. Die Blumen, die Tulpen, die die Gärten der Osmannischen Herrscher zieren, die Hyacinthen, die Pracht der abendländischen Gärten, allen Schmuck der Erde giebt die Natur hier ungesäet und ungewartet hervor. Die Weinstöcke schlingen sich aus eigenem Triebe an die Bäume, sie kennen das Schneidemesser und die Hacke nicht, und tragen dennoch die edelsten Trauben, woraus man den besten der Weine preßt. Schattichte Wälder bekränzten die Hügel, wo sonst in Persien eine traurige Dürre herrscht. Usong fand die fruchtbare Provinz in der jugendlichen Pracht der schönsten Jahreszeit.
[184] Er nahm einen grossen Umweg, die Wüste zu vermeiden, die er mit Bedauren einen beträchtlichen Theil seines Reiches einnehmen sah 20: er gieng über Caswin, und mußte dennoch die beschwerlichsten Gebürge, durch die gefährlichsten Wege, übersteigen, ehe er nach Estrerabad kommen konnte. Er ließ daselbst einige Festungswerke aufführen, und erwählte einen Standort für eine genugsame Zahl Reuter, die sowohl die zur Unruh geneigten Hirkanier, als die benachbarten wilden Truchmannen in den Schranken halten sollten. Er rühmte den Fleiß der Bürger des blumichten Reschd, die mehr Mittel sich zu erwerben wußten, als ganze Provinzen. Er belobte in Gilan die Emsigkeit der wohlgebildeten Weiber, die in dieser fruchtbaren Landschaft einen grossen Theil der Landarbeit übernehmen. Er folgte dem caspischen Meere, und wandte sich weiter nach Westen; er befahl dem Abgesandten, den äusserst verdorbenen Sitten der Bergleute um Kuawer zu steuren, wo von undenklichen Zeiten her die häßlichsten Laster im Schwang giengen, und wo die Einwohner alles Gefühl der Schaam verlohren hatten. An den Schuldigsten wollte er ein Beyspiel seiner Abscheu [185] gezeigt, und die übrigen bedrohet wissen, daß sie gänzlich ausgerottet werden sollten, wenn sie fortführen ein Schandfleck Persiens zu seyn. Er verlegte auch dahin eine genugsame Macht streitbarer christlicher Georgier, die der Gerechtigkeit Hände stärken sollten. Er setzte über den berühmten Araxis, und besuchte Schirwan, und das den Lesgiern zu nah gelegene Schamachie.
Zu Baku hielt er sich auf, und glaubte, es würde keine zu niedrige Beschäftigung seyn, wenn er die Wunder der Schöpfung auf der Halbinsel Okesra betrachtete. Er fand ein Vergnügen an allen Seltenheiten der reichen Natur. Er besah die ewigen Feuer, die an vielen Stellen aus der Erde hervorbrechen; die Quellen des weissen Naphta, dessen Dunst Feuer fängt, und unauslöschlich fortbrennet; den brausenden See der beständig Bergöl in die Höhe stößt, und den Hügel Jugtopa, aus dessen Spitze ein fetter Leim unaufhörlich hervor dringt, und auch wohl in die Luft, wie ein steigendes Wasser, wütend aufsprudelt 21.
Das Ziel der Reise des Kaisers war das uralte Derbent. Usong empfieng daselbst die Abgeordneten der Lesgier, und diese streitbaren Bergvölker [186] begaben sich, durch die blosse Verehrung seiner Tugenden gerührt, unter den Schutz des Kaisers: wobey sie ihre niemals verlohrnen Freyheiten vorbehielten. Er ließ diese von dem grossen Alexander angelegte Stadt, als den nordlichen Schlüssel von Persien, befestigen, das Schloß in den besten Stand setzen, und einen Theil seiner kurdischen Völker dahin verlegen.
Wiederum über unwegsame und über die Wolken sich erhebende Gebürge kam der Kaiser nach dem in blumichten Wiesen erbauten Ardewil zurück, wo viele Ueberbleibsel alter Gräber der geheiligten Aliden sind, und wo die schönsten Schaafweiden von Persien liegen.
Der Kaiser traf bey seiner Zurückkunft seinen Freund Dschuneid an, der seinen ehrwürdigen Vater verlohren, und seine Trauer eben zu Ende gebracht hatte. Er stellte dem Kaiser seinen Sohn, den jungen Haider vor, das Ebenbild der schönen Emete'.
Aber eben damals fieng Usongs Glückseligkeit an abzunehmen. Das Verhängniß, das ihn aus der Gefangenschaft auf den Thron von Persien geleitet hatte, wollte nunmehr auch im Unglücke seine Standhaftigkeit prüfen, nachdem er den Glücksstand [187] so würdig ertragen hatte. Kurz nach seiner Zurückkunft brachen die abißinischen Blattern 22 mit einer Wuth in Schiras ein, die sie seit vielen Jahren nicht gezeigt hatten. Tausende der schönsten Frauen, und unzählbare Kinder wurden weggeraft. Endlich drang die mörderische Seuche in die Burg des Kaisers: Dschuneid und Rustan, seine zwey hoffnungsvolle Söhne, wurden angesteckt. Liosua schätzte die Gefahr ihres eigenen Lebens gering, man konnte die liebende Mutter von dem Lager ihrer Kinder nicht abhalten. Sie wartete ihnen in der eckelhaften Krankheit bis zu ihrem Tode ab, sie hauchte den giftigen Dunst der Fäulung, der aus dem ganzen Leibe der Sterblichen stieg, und wurde zwar nicht angesteckt, aber ihre Gesundheit litt dennoch dabey, und der zärtliche Bau ihres Lebens näherte sich merklich seiner Auflösung.
Usong sah bestürzt die Hoffnung des Reiches aus seinen Armen sinken, ihm blieb kein Erb übrig, als die edle Nuschirwani: er betrauerte seinen Verlust noch mehr wie ein Kaiser, der sein Volk liebte, als wie ein Vater, der die holdesten Kinder begräbt. Er fieng an zu befürchten, alle seine Arbeit möchte verlohren seyn, und sein Reich in [188] die alte Unordnung zurückfallen; er sah kein Mittel wider ein so grosses Uebel, als die Vermählung seiner Erbtochter.
Da er mit ihrer Hand den Zepter von Persien zu vergeben hatte, so sah er sorgfaltig sich um einen Fürsten um, der ihrer würdig wäre, und von dem er hoffen könnte, daß unter dem Zepter desselben das Glück seiner Völker gesichert seyn würde.
Er verwarf alle die Beherrscher eigener Reiche. Persien, das den Kaiser so aufrichtig liebte, sollte keine Provinz eines andern Landes werden, sollte nicht unter die gierigen Hände fremder Grossen kommen, die nicht seine Söhne wären, und die es als eine Beute ansehen würden.
Seine eigenen Blutsverwandten, die Tschengiden, schloß der rechtschaffene Herr ebenfalls aus. Die Nowianen seines Hofes hatten sein väterlich gegen sein Volk gesinntes Herz öfters betrübt: diese Mongalen hatten nicht gelernt, ihren Leidenschaften zu widerstehen, und konnten sich nicht unter das Joch der Gesetze beugen. Ihr rauher Sinn war des zärtlichen Gefühles unfähig, ohne welches ein Fürst kein Vater seines Volkes wird.
[189] Usongs Hofnung blieb auf dem jungen Haider stehen, einem Enkel des Ali, und des Ismaels, dessen Glauben mit dem Glauben der meisten Perser übereinstimmte, den die Hosseniden, und alle Geistlichen, als ein Geschenk des Himmels dem Volke anpreisen würden, den Usong durch seinen Unterricht und durch seine Anführung glaubte ausbilden zu können, und bey dessen sanftem Gemüthe, und reitzender Bildung, er hoffen durfte, daß Nuschirwani glücklich seyn würde.
Er ließ zuerst die junge Fürstin von allen Provinzen zur Erbtochter von Persien annehmen. Es war kein Perser, der dem angebeteten Vater etwas hätte abschlagen können. Sie kannten ihn zu wohl, als daß ihnen ein Zweifel hätte übrig bleiben sollen; sobald Usong in seinem Ausschreiben versicherte, er wäre von der Fähigkeit und von der Tugend seiner Tochter so überzeugt, daß er, unbesorgt für das Glück seines Volkes, sie als seine Erbin vorschlüge. Er versprach zugleich; er würde bey ihrer Vermählung eine solche Wahl treffen, wie sie des Reiches Wohlfarth erfoderte. Er ließ bey allen Gerichtshöfen, und in allen den verschiedenen Abtheilungen der Rechte, des Kriegswesens, der Policey und Kammer, und der Religion sie als Erbfürstin des Reiches nächst seinem eigenen Namen den Büchern des Staates einverleiben.
[190] Er eröfnete hiernächst seine Gedanken, indem er sie innig umarmte, der noch immer traurenden Liosua, und bat sie, die Fürstin zu der beschlossenen Verehlichung zuzubereiten, auch es so einzurichten, daß Nuschirwani, ohne sich bloszusetzen, den edeln Anstand des jungen Aliden selber bemerken könnte.
Das letztere geschah, indem einige Ritterspiele in den innern Höfen der kaiserlichen Burg unter den Söhnen der Grossen veranstaltet wurden, die eben die Festsetzung der Erbfolge zum Vorwand hatten, wodurch Persien Usongs Tochter zu seiner Beherrscherin angenommen hatte.
Nuschirwani war in ihrem dreyzehnten Jahre, ihr Leib und ihr Verstand war weit besser ausgebildet, als es dieses Alter sonst verspricht. Sie hatte ein fühlendes Herz und lebhafte Empfindungen. An dem jungen Fürsten war nichts, das nicht liebenswürdig war, sein Alter übertraf das Alter der kaiserlichen Schönen um vier Jahre.
Die Kaiserin nahm die Zeit wahr, ihrer Tochter die grosse Veränderung zu eröfnen, die ihr erhabner Vater für sie beschlossen hatte. Nuschirwani, sagte die liebreiche Mutter, wäre würdig [191] und fähig selber Usongs Zepter zu tragen. Aber die Vorurtheile der Völker erfodern Nachsicht. Usong hat einen Fürsten ausersehen, der die Last der Regierung der Erbfürstin erleichtern soll; seine Wahl vereiniget alles, was Persien, und was das Herz seiner Tochter wünschen kan.
Nuschirwani erröthete, sie schwieg einige Augenblicke, warf sich vor ihrer vortreflichen Mutter auf die Knie, küßte ihre Hand, benetzte sie mit einigen Thränen, und bat sich, in einer Sache, von welcher ihr Schicksal, und das Glück von so vielen tausenden abhienge, einige Bedenkzeit aus.
Liosua hatte ein viel zu durchdringendes Auge, als daß sie diesen Aufschub für eine blosse Wirkung einer jungfräulichen Zurückhaltung hätte ansehen sollen; sie sah, daß etwas im Herzen der Erbfürstin herrschete, das sich wider dieses Band auflehnte.
Sie wollte doch diese Bedenkzeit der über die Kindheit längst erhabenen Fürstin nicht misgönnen. In acht Tagen wird Nuschirwani sich erklären; aber nimmermehr will ich von ihr hoffen, daß sie einen an dern Willen haben werde, als den Willen eines weisen und liebenden Vaters, der ihr Kaiser ist.
[192] Die acht Tage waren für die verlegene Fürstin allzugeschwind vorbey. Sie kniete nochmals vor ihrer liebreichen Mutter nieder. Meine Hand und mein Leben ist des Kaisers; wenn er verlangt, daß ich beyde ihm aufopfere, so bin ich zum Gehorsam bereit.
Und warum spricht Nuschirwani von ihrem Leben? Weil ich es nicht zu behalten hoffe, wenn ich meine Hand an den Haider vergeben muß.
Die Kaiserin kannte an ihrer Tochter eine Entschlossenheit, dadurch sie ihrem standhaften Vater gleich kam: Liosua verlangte zu wissen, was der Fürstin an dem jungen Haider mißfallen könnte.
Nuschirwani unterdrückte lang ihren geheimen Widerwillen, sie konnte aber der Liebe ihrer Mutter nicht widerstehen, und endlich gestund sie: wenn sie sich vermählen sollte, so würde sie ihrem Gemahl ihre ganze Liebe uneingeschränkt gewähren: sie erwarte aber eben auch ein ungetheiltes Herz von einem Gemahl: sie kenne die Freyheiten wohl, die in den Morgenländern der Gemahl sich heraus nehme: sie sey aber von Kindheit an gewohnt, den Kaiser niemand neben der sein ganzes Herz verdienenden Liosua lieben zu sehen: sie hätte [193] immer angemerkt, wie sehr das Glück der Kaiserin auf diesen so rühmlichen Vorzug sich gründete, und sie selbst würde ohne eben dieses Glück die elendeste Fürstin der Welt, und um so viel unglücklicher seyn, je zärtlicher ihre Empfindungen für ihren Gemahl seyn würden.
Sie hatte von einer ihrer Frauen von dem jungen Aliden sprechen gehört, noch eher als Haider sich hatte schmeicheln dörfen, um die Hand der edlen Nuschirwani zu werben. Sulime', hatte sie vernommen, eine Georgierin, deren Schönheit vollkommen, und deren Gemüth eben so anmuthig als ihre Bildung ist, besitzt Haiders Herz unumschränkt. Selbst in der Gesellschaft seines Vaters hat er sie mitgebracht, weil er ohne sie nicht leben kan. Ich denke meinen Gemahl zu lieben, fuhr die Erbfürstin fort: ohne diese Hofnung würde der Brautkranz mir schwerer als eiserne Fesseln seyn. Ich kan die Erwartung nicht vertragen, die eckelhafte Frau eines überdrüßigen Gemahls zu seyn, dessen Herz bey einer andern seyn würde, dieweil er mich zu umarmen sich zwänge. Eben so wenig kan ich es als ein erträgliches Schicksal ansehen, wenn ich meiner Rechte eingedenk, mich rächen, und die Feindin desjenigen seyn sollte, den man mir als das Werkzeug meines wahren Glückes vermählt hätte.
[194] Die Kaiserin war betreten, sie entließ die junge Fürstin. Man wird trachten, sagte sie mit freundlichem Ernste, daß der Nuschirwani Gehorsam nicht ihr Unglück werde: sie wird sich aber auch erinnern, daß Usongs Aussichten grösser sind, als daß sie den Bedenklichkeiten weichen sollten, die einer Fräulein vergönnt, aber für die Erbtochter von Persien zu jugendlich wären.
Liosua ließ den Kaiser glauben, Nuschirwani setzte dem Rathe ihrer Mutter Verzüge der Schamehaftigkeit entgegen, und schickte ihre Vertrauteste zur schönen Sulime': die Kaiserin verlangt die Zierde Arabiens zu sprechen, sagte die Abgeschickte, und ohne die erschrockene Schöne sprechen zu lassen; Sulime' kan von der bekannten Sanftmuth der Kaiserin nichts zu besorgen haben; aber die Unterredung ist unvermeidlich.
Die geliebte Sclavin mußte gehorchen; sie warf sich vor die Knie der Kaiserin: ich bin des Todes werth, weinte sie: soll die erkaufte Sulime' das Herz eines Fürsten der Erbtochter von Persien streitig machen? denn sie zweifelte an der Ursache nicht, um welche die Kaiserin sie hatte verfodern lassen.
[195] Die schöne Sulime', sagte die leutselige Kaiserin mit ihrer alles bezwingenden Anmuth, verbindet mich, indem sie mir ihr Herz eröfnet. Aber ich verdiene auch ihr Vertrauen. Höre mich, Geliebte des Haiders, höre mich, wie man eine liebende Mutter höret.
Sulime' wird nicht erwarten, daß Dschuneid seinem Stamme den Thron des Cyrus entziehen werde, damit sein Sohn eine junge Schöne ungetheilt lieben könne. Die Heyrath wird vor sich gehen; die Reitze der einnehmenden Sulime' werden ihr vielleicht eine Zeitlang das Herz des jungen Haiders versichern: aber was wird ihr Schicksal seyn? Ganz Persien wird die Zauberkraft ihrer Schönheit hassen, durch welche seine Erbtochter, die Tochter Usongs, unglücklich seyn wird. Dschuneid wird ernsthaft die väterliche Gewalt anwenden, einen Sohn von seiner Geliebten zu trennen: die ganze Welt wird wider Sulime', und niemand für sie seyn, als das Herz eines Jünglings. Wird dieses Herz den Folgen des Genusses, der vereinigten Gewalt der väterlichen, der ehlichen, und der freundschaftlichen Liebe widerstehen? Wenn es endlich so vielen verehrungswürdigen Rathgebern, und dem Wunsche aller Perser nachgiebt, was wird dann Sulime' werden, deren Herze die [196] Liebkosungen eines liebenswürdigen Fürsten zur Nothwendigkeit geworden sind?
Doch Sulime' hat eben so viel Verstand als Schönheit: sie wird einsehen, daß die Liebe eines Jünglings einige Jahre dauert, und daß ihr übriges Leben eine Wüste ohne Trost seyn wird. Sie wird dem allgemeinen Glücke eine Liebe aufopfern, die die blosse Flüchtigkeit der unbeständigen Jugend ohnedem so leicht auslöschen kan. Und Persien hat nichts an Ehr und an Glücke, das sie nicht zu erwarten habe, wenn sie das Hinderniß wegräumt, das der Ruhe des Reichs entgegen ist.
Sulime' hörte bedächtlich zu; sie besann sich, doch nicht allzu lange; sie küßte ehrerbietig den Rock der Kaiserin. Was bin ich, sagte sie, daß ich mein Schicksal gegen das Schicksal von Persien abwegen soll? die Befehle der verehrungswürdigen Liosua werden meine Richtschnur seyn.
Die Kaiserin behielt sie im Harem, und gab ihr eine angesehene Stelle an ihrem Hofe. Die Gnade, womit sie die Georgierin überschüttete, sowohl als die Reitze der schönen Sulime', bewogen einen Grossen vom Hofe, um sie zu werben: sie wurde als eine Freundin der Kaiserin ausgestattet, [197] und ein dauerhaftes Glück war die Belohnung der Aufopferung einer jugendlichen Liebe.
Haider liebte seine Sulime' mit dem Feuer eines Jünglings und eines Arabers. Aber er durfte seine Regungen durch kein Zeichen gegen seinen Vater merken lassen, der das Glück der Aliden, die Ausbreitung des wahren Glaubens, und den Thron seines Sohnes mit einer lebhaften Entzückung sich vorstellte. Haider reichte ohne Widerstand seine Hand der schönen Nuschirwani, und sie machte auch keine Schwierigkeit mehr, den Gemahl anzunehmen, den Usongs Weisheit für sie ausersehen hatte.
Sie bemühte sich, das Herz des jungen Fürsten zu gewinnen, und sie beherrschte es sehr bald uneingeschränkt durch die vereinigten Reitze ihrer Züge, und ihres mit allen den Gaben des Witzes und der Wissenschaften gezierten Verstandes.
Noch einmal brach Usong auf, und durchreisete die östlichen Provinzen, und zumal auch das wichtige Kandahar. Er besah zuerst das wegen seiner Schönen berühmte Yezd, das wie eine fruchtbare Insel mitten in den Sandwüsten liegt. Es bereitet das kostbare Rosenöl, das ein schätzbares Geschenk morgenländischer Könige ist: und verfertigt [198] die reichsten Goldstücke. Usong kaufte eine beträchtliche Menge dieser theuren Stoffe, so wie er überall that, wo eine gemeinnützige Anstalt zu begünstigen war. Er durchreisete das einsame Segestan, und kam ins Gebürge nach Kandahar. Er empfing Besuche von den Afganischen Fürsten, die ihn freywillig für ihren Schutzherrn erkannten, doch daß sie unabhängig blieben. Der Kaiser wandte alle die Kräfte seiner angebohrnen Leutseligkeit an, und streute die Zeichen seiner Freygebigkeit häufig unter diese streitbare Barbaren aus. Er ließ aber nichts desto weniger Kandahar mit einem dreyfachen Umfange starker Mauern befestigen, die den ganzen Raum zwischen den Gebürgen einnahmen, und den Durchgang nach Indien vollkommen beherrschten: er hielt auch ein beständiges Lager von etlich tausend Georgiern zu Pferd in der Nähe der Festung: denn seine Weisheit durchdrang die Zeiten, und sah die Gefahr ein, die dem Reiche von diesen wilden Bergleuten bevorstund, wenn jemals der Zepter von Persien in schwächere Hände fallen sollte 23.
Indostan war damals in der größten Verwirrung, und es würde dem wohlbewafneten Persien ein leichtes gewesen seyn, einige Provinzen dieses [199] geschwächten Reiches an sich zu reissen. Aber Usong dachte beydes edler und weiser: er sah überhaupt den Krieg für eine Strafe Gottes, und für den Schauplatz unvermeidlicher Grausamkeiten an: nichts als die Nothwendigkeit konnte, nach des Kaisers Meynung, einen Fürsten entschuldigen, der so viel Elend unter die Menschen brächte. Er sah dabey Persien für nur allzuweitläuftig an, und die Gebürge machten gegen Osten eine natürliche Gränze aus, die nur ein blinder Ehrgeitz zu überschreiten anrathen könnte.
Die Zeit war nunmehr gekommen, da Usong den größten Unfall leiden sollte, der noch sein Leben betroffen hatte. Liosua war, seitdem sie nach Persien gekommen war, immer etwas schwächlich gewesen. Selbst zu Schiras war ihr die Luft zu rauh und zu bergicht. Schwere Entbindungen, und den Verlust ihres Vaters, und ihrer Söhne, hatten die zärtliche Verfassung ihrer Glieder noch tiefer angegriffen. Sie fühlte sich abnehmen, ohne eigentlich krank zu seyn: und sie sah den Tod als unvermeidlich an. Da sie die Liebe ihres Gemahls kannte, und die Beunruhigung seines rechtschaffenen Gemüthes für das Größte aller Uebel ansah, so verbarg sie, was sie fühlte, und ermunterte sich in seiner Gegenwart mit einer solchen Aufmerksamkeit, daß der Kaiser zwar seine Gemahlin abfallen [200] sah, aber es bald zufälligen Ursachen zuschrieb, und bald mit einer Besserung sich schmeichelte, die niemals erfolgen konnte.
Sie lag ihm nunmehr selbst an, die wichtige Provinz Khorossan zu besuchen, die ganz auf den nordöstlichen Gränzen lag, und die unruhigen Usbecken zu Nachbarn hatte, von deren Streifereyen sie niemals viele Jahre frey blieb. In eben die Zeit sollte die Niederkunft der Nuschirwani einfallen, und auch dieser ihrer Tochter wollte Liosua das traurige Schauspiel ihres Todes ersparen. Sie ließ sich nach Fagrabad in einen Lustgarten bringen, wo sie sich erholen würde, wie sie versicherte, und die zum Reisen allzuweit schon gekommene Erbfürstin blieb zu Schiras.
Der Kaiser kam nach Khorossan, er besah die grosse und fruchtbare Provinz, er bedauerte die weit ausgedehnten Sandflächen. Er besuchte zu Meschet das Grab des Imam Reza, eines der vornehmsten Aliden, und sah eine grosse Handelsstadt, fähig die Vermittlerin zwischen den Schätzen von Bockhara und von Indien, und den Früchten des Fleisses der Perser zu werden. Er kam nach Nisabur, in dessen Nähe die Türkisberge sind, und das wegen seiner Tapeten berühmte Herat. Verschiedene Usbeckische Fürsten besuchten ihn: er [201] empfieng sie mit allen Zeichen der Freundschaft, und kannte dabey die Unbeständigkeit dieses Volkes viel zu wohl, als daß er einiges Vertrauen auf sie hätte setzen sollen. Der Kaiser hatte Marschirhar wohl befestigt, etliche unersteigliche Schlösser erbaut, und Waffenplätze angelegt, wo ein beständiges Heer stehen sollte. Er war schon auf dem Rückwege nach Schiras, als er die erschrecklichste aller Zeitungen empfieng.
Liosua, ihrer Auflösung gewiß, behielt bey einem schmachtenden Leibe die heitere Stille ihres gesetzten Gemüthes. Sie ließ ihre Zimmer mit frischen Blumen auszieren, und wählte Kleider von hellern Farben. Alle Abende ließ sie einige von ihren Frauen in ihrem Schlafzimmer singen, und in verschiedener Musik in ihrer Gegenwart sich üben. Ihre Absicht war, vor dem ganzen Hofe den drohenden Zustand ihrer Gesundheit zu verbergen.
Sie brachte einen Tag mit Schreiben zu, und versiegelte die Briefe. Die Nacht darauf war sie so schwach, daß sie ihr Lager nicht mehr verlassen konnte. Sie behielt nur die vertrautesten unter ihren Frauen bey sich. Sieh nun, schöne Sulime', wozu die Tugend nützt, sieh mich ruhig von dem Throne, und von meinem Gemahle mich trennen, der mir theurer als alle Thronen ist.
[202] Du hast mir den Weg zum Leben und zum Tode gezeigt, weiser Liewang, ich fühle den Werth deiner Lehre. Empfange, o Tien, deine Tochter, die du mit Gnaden überschüttet hast. Beschütze die Nuschirwani, belohne das Gute, das du in meinen Usong selbst geleget hast. Sie sprach und starb im Lächeln. Das letzte Bild, das ihre Einbildung füllte, war Usong, so wie er der erste Gegenstand ihrer Liebe gewesen war.
Und nun war der grosse Unfall nicht mehr zu verbergen. Ein Läufer eilte dem Kaiser entgegen, und brachte ihm das kurze Schreiben, das die letzten Worte der holdseligen Liosua in sich hielt.
Wenn Usong dieses Siegel erbrechen wird, so wird Liosua nicht mehr auf Erden seyn. O erinnere dich, Größter der Sterblichen, des Guten, das du vom Tien empfangen hast. Zürne nicht über meinen Hinscheid. Die Erde ist die Schaubühne, worauf der oberste Herrscher die Menschen Proben vom Gebrauche seiner Gaben ablegen läßt. Niemals ist Usong minder groß am Willen, als an den erhabenen Eigenschaften gewesen, die ihm der Tien geschenket hat. Sey ferner, Theurester meiner Seele, auch in dieser schweren Tugend das Beyspiel der Sterblichen. Ertrage mit Gelassenheit die Leitung eines niemals irrenden Verfugers.[203] Schenke deiner Liosua eine getreue Zähre, und erscheine wiederum den unzählbaren deines Volkes zum Troste, mit der wahren Munterkeit eines sein Volk einzig liebenden Beherrschers. Die Thränen von den Augen der Bedrückten abwischen, ist der würdigste Trost eines Usongs.
Usongs geübtes Herz widerstund dem unvorgesehenen Schlage nicht; er verschloß sich in sein Gezelt; er verbot jemanden vorzulassen, und blieb einen langen Tag und eine schreckliche Nacht in der Betrachtung seines Verlustes stumm. Er fühlte den Werth, den unersetzlichen Werth des Schatzes, den er verlohr, mit aller der Empfindlichkeit des zärtesten Gemüths: er sah in seinem Leben eine Wüste vor sich, wo nichts als Arbeit, ohne Belohnung, für ihn blieb, wo nach seinen bemühten Tagen er traurige und einsame Abende, zu erwarten hatte, und wo er die einzige Freundin missete, welcher er alles vertrauen konnte, und die unerschöpflich an Mitteln war, jede Sorge ihm zu versüssen.
Dschuneid, der den Kaiser begleitet hatte, fand in den ersten Tagen keinen Zutritt zu seinem Herzen. Usong sprach nicht, weinte nicht, und brütete mit Gefälligkeit seinen ewigen Kummer. Nuschirwani wäre vielleicht die einzige Trösterin [204] gewesen, die der liebende Vater angehört hätte: sie war aber entfernt, und man mußte auch vor ihr die traurige Zeitung verheelen.
Aus dem Schlummer des unthätigen Unmuths weckte ein Donnerschlag den Kaiser von Persien. Ein schneller Bote brachte von den westlichen Gränzen des Reichs die gewisse Nachricht, Machmud der zweyte habe, nachdem Morad den Thron noch einmal verlassen, Byzanz mit stürmender Hand erobert. Der letzte Nachfolger Constantins habe sein Leben für den sinkenden Thron der Griechen zugesetzt, und alle osmannische Länder erschallen vom Frohlocken des Sieges, vom Ruhme des jungen Kaisers zu Rom, und vom Gejauchze der Hofnung zur allgemeinen Herrschaft der Welt.
Usong mußte nun dem Kummer, den er liebte, und den er für eine Pflicht eines nicht unnatürlich verhärteten Herzens hielt, unumgänglich sich entschlagen: er sah, daß er an das Ruder treten mußte, da der fürchterlichste Sturm sich näherte. Er kam nicht nach Schiras zurück, wo man die Ueberbleibsel der vollkommensten der Frauen mit stiller Pracht beysetzte, er verfügte sich nach Tabris, und durcheilte noch einmal die westlichen Gränzen des Reiches. Er verstärkte die georgische Reuterey [205] mit neuen Anwerbungen, er setzte die Zahl der kurdischen Gränzvölker bis auf siebenzigtausend 24, er ließ das gegossene grobe Geschütz nach Wan und Irwan bringen; er befahl, daß man die jährliche Landmacht der sechszigtausend gewafneten Perser aufs doppelte erhöhen sollte. Durchs ganze Reich ließ er zu den Waffenübungen doppelte Tage nehmen, und bey den Waffenwerkstätten die Tage durch die Nächte verlängern. Er schickte eigene Abgeordnete nach Alkahirah, und ließ den schlummernden Fürsten der Zirkassen auffodern, die allgemeine Gefahr zu beherzigen, die den Aegyptiern so nah drohete. Vier Bottschafter giengen nach Venedig, und hatten eben denselben Auftrag. Er fand einen neuen, aber allzuschwachen Verbündeten am David, dem sogenannten Kaiser von Trapezunt.
Man mußte endlich auch der Fürstin den Hinscheid ihrer durchlauchtigsten Mutter gestehen, da sie unaufhörlich nach derselben fragte. Sie ertrug dieses Unglück mit wenigerer Standhaftigkeit als man gehoft hatte; gute Gemüther fühlen ihre eigenen Leiden minder, als die Leiden derer, die sie lieben. Nuschirwani konnte lange nicht zu ihrer Munterkeit wieder gelangen; Haider war abwesend, [206] ihr verehrungswürdiger Vater mit Sorgen und Gefahren umringt, und das im Abend drohende Ungewitter schien immer näher zu kommen.
Sobald sie sich erholt hatte, so bat sie den Kaiser ihr zu erlauben, ihm nach Tabris zu folgen. Sie fiel dem untröstbaren Vater zu Füssen. Nimm, gnädiger Herr, deiner Tochter Dienste gütig an, laß sie einen Theil des Verlustes ersetzen, den dir niemand würdig ersetzen wird. Der Kaiser liebte die junge Fürstin als ein Vater, und schätzte sie wegen ihren grossen Einsichten hoch; er gewöhnte sich wechselsweise die Abendtafel bey ihr zu halten, und Nuschirwani sammelte aus allen Ländern Nachrichten und Seltenheiten ein, womit sie den Kaiser einen Augenblick seinen Sorgen entziehen konnte. Der Hof blieb eine lange Zeit in Tabris.
Die völlige Bezwingung des griechischen Europa, und verschiedene schwere Feldzüge an die Donau, beschäftigten den feurigen Machmud noch einige Jahre, und Persien blieb in einer Ruhe, deren Süßigkeit doch durch die Erwartung eines unvermeidlichen Krieges verbittert wurde.
Die junge Erbin von Persien hatte Gelegenheit, vieles von den guten Eigenschaften der Fürstin Martha, der sogenannten Despoina, oder der [207] Kaisers Tochter von Trapezunt zu hören. Ihr Gemüth wäre mild und gütig, ihre Gestalt reizend und fein, ihre Züge auf griechisch schön 25. Die Unglücksfälle die sie befürchtete, hatten sie zu einer Demuth bewogen, die unter Fürstinnen selten zu hoffen war. Nuschirwani fiel auf ein Mittel, eine liebenswürdige Freundin für sich selber zu erlangen, dieselbe aus dem bevorstehenden Umsturze ihres Hauses zu erretten, und des Kaisers Gedanken in eine andere Stellung zu bringen. Die Großmüthige hofte auch, die Erbfolge von Persien zu versichern. Sie unternahm, die Fürstin von Trapezunt mit dem Kaiser zu vermählen.
Da sie einen täglichen Umgang mit ihm hatte, so bezeigte sie, wie sehr sie wünschte, daß die schweren Sorgen des Reiches durch das Vergnügen versüsset werden möchten, das eine treue Liebe einzig einem edlen Gemüthe versprechen kan. Sie gewann nach und nach den Kaiser: David erhielt den Antrag durch einen Gesandten. So tief Trapezunt gesunken war, so erinnerte sich doch David der Grösse Constantins, und legte dem anwerbenden Usong zum ersten Bedinge vor, daß die Fürstin bey dem christlichen Gottesdienste frey [208] bleiben sollte. Usong war nicht abergläubisch, er fand bey den Christen das Wesentliche aller Religionen, die Anbetung eines einzigen Gottes, der alles regieret, ein künftiges Leben, für die Guten eine ewige Belohnung, und eine der vollkommensten Gerechtigkeit Gottes angemessene Bestrafung der Lasterhaften.
Die wirklich liebenswürdige Despoina wurde dem Kaiser zugeführt, und durch den armenischen Patriarchen von Ekmiasin in den Zimmern der Nuschirwani getraut. Usong fand an ihr eine lenksame und tugendhafte Gemahlin: aber ihre Auferziehung hatte ihren Geist in engen Schranken gehalten: sie war den kleinen Feyerlichkeiten ergeben, die das Entbehrliche der Religion ausmachen, und ihr mangelten die Kenntnisse, die sie zum Umgange und zur Unterhaltung des alles übersehenden Usongs hätten auszieren sollen. Nuschirwani war ihre Freundin, und ersetzte, was zur Anmuth und der Lebhaftigkeit des Umganges der neuen Kaiserin mangelte. Martha hatte ihre noch in der kindischen Unschuld blühende Schwester Eudoxia mit sich an den persischen Hof gebracht.
[209] Nuschirwani kam, dieweil der Krieg mit den Osmannen wie aufgeschoben war, mit einem Fürsten nieder, und diese Begebenheit half des Kaisers Kummer besänftigen. Der Kaiser ließ den jungen Erbfürsten Ismael nennen, welches der Namen des Urhebers der Koreischiten, und des Stammvaters des Mohammeds und des Ali war. Er sah nunmehr die Thronfolge befestiget, und erfreute sich, daß hierdurch so vieles Uebel abgewandt wurde. Ein einziges Leben rettet in diesem Falle das Leben von Millionen, und wendet von ganzen Reichen die Zerrüttung ab.
Ein unglücklicher Zufall beschleunigte den Bruch mit den Osmannen. Machmud hatte die Sultane von Karamanien bekriegt, sie geschlagen, und sich ihrer Länder bemächtigt. Einer von ihnen, Pir Hamet, entfloh, und suchte Schutz beym großmüthigen Usong.
Der alles vor sich niederfallen zu sehen gewöhnte Machmud foderte durch einen Kriegsbedienten den unglücklichen Fürsten ab, und der trotzige Osmann ließ sich einige Drohworte entfallen.
Der siegreiche Usong fühlte die Unwürdigkeit dieser Begegnung: der Truchmen, sagte er gegen [210] seine Grossen, bleibt allemal ein Viehhirte, wie zu Timurs 26 Zeiten. Ihn verhöhnte, daß ein Fürst, dessen Voreltern vor zwey Jahrhunderten in den Gefilden von Turkestan von der Viehzucht gelebt hatten, und durch Untreu und Meineid auf den Fürstenthron gestiegen waren, dem Enkel des Tschengis trotzen sollte, dessen Ahnen sich in die Dunkelheit der ersten Zeiten der Welt verlohren. Aber Usong war ein Weiser, und liebte sein Volk. Er schickte einen Gesandten an den Machmud, und ließ ihm vorstellen, die Pforte des Kaisers der Perser sey die Zuflucht der Welt, und seine Ehre lasse ihm nicht zu, denjenigen zum Tode auszuliefern, der günstig genug von ihm gedacht hätte, Schutz bey ihm zu suchen. Der Kaiser erbot sich sonst zum Frieden, und zur Freundschaft, mit dem Sultane der Osmannen. Er bat, Machmud möchte Karamanien und Trapezunt verschonen, und kostbare Geschenke begleiteten die Bitte.
Die Antwort des durch das Glück verwöhnten Machmuds war rauh: er könne denjenigen nicht für seinen Freund ansehen, der seine Feinde beherbergete. Er rückte mit vieler Bitterkeit dem [211] Kaiser seinen Bund mit den ungläubigen Nazarenern vor, die auszurotten Usong dem Sultan billig behülflich seyn sollte. Er fuhr fort, Karamanien zu verwüsten, er bemächtigte sich des reichen Tocats, und die osmannischen Völker verschonten der angränzenden Kurden, und des Theiles von Armenien nicht, der unter Persien stund: der Pascha von Amasia rückte auch in die Lande des Kaisers von Trapezunt ein.
Eine grosse Gesandschaft kann indessen von Venedig. Der Botschafter schloß mit dem Kaiser einen engen Bund; er versprach im Namen seiner Herrschaft, die venetianische Flotte sollte sich auf den Küsten von Karamanien zeigen, die Seestädte angreifen, und den Sultan nöthigen, seine Macht zu theilen: es sollten auch diejenigen Kriegsnothwendigkeiten nach Persien geschickt werden, die dieses Reich selbst nicht erzeugte.
Der unbeständige Hof von Aegypten wollte sich durch keine Vorstellungen aufwecken lassen, und ließ sich nicht bewegen, der allgemeinen Gefahr zu steuren, eh daß sie unwiderstehbar würde: die nazarenischen Fürsten blieben auch bey ihrer Gewohnheit, die wichtigsten Angelegenheiten zu versäumen, und über kleinen Vergrösserungen die allgemeine Sicherheit von Europa zu verabsäumen.
[212] Usong sah die Schwierigkeiten und Gefahren dieses Krieges vor. Schon hatte Machmud seinen Sohn, den jungen Bajazid, mit einem alten und versuchten Feldherrn, und mit einem auserlesenen Heere, nach Karamanien abgeschickt. Er selbst folgte nach, und mit ihm die ganze Kriegsmacht, die in Europa gelegen war, und die den Kern seiner Heere ausmachte. Denn die Bosnier, die Bergleute, die zwischen Ungarn und Griechenland leben, die Epiroten, die Macedonier, sind, wie ihr Land und ihr Himmel, härter, als die Einwohner des mildern Asiens. Machmud brachte auch eine grosse Macht der im Feuer geübten Jenjitscheri, und ein zahlreiches grobes Geschütz mit sich. Seine Kriegsvölker hatten seit vielen Jahren keinen Frieden gekannt, und die Gefahr und die Mühseligkeiten waren ihnen zur Natur geworden: ihre beständigen Siege hatten ihnen auch den Muth erhöhet, sie sahen sich für unüberwindlich an, weil sie noch immer überwunden hatten. Machmud war auch bey aller der Härte seines Gemüthes, ein versuchter und kühner Feldherr, und sein Geist war durch die Wissenschaften viel aufgeklärter worden, als die ihm gehäßigen Abendländer eingestehen. Sein Ehrgeitz, und seine Liebe zum Kriege, waren freylich Fehler an ihm, die aber selber zum Siege führten.
[213] Der Kaiser von Persien hatte den Osmannen seine Kurden entgegen zu setzen, eine versuchte und abgehärtete Reuterey. Seine Georgier waren auch die besten Völker zu Pferd, die Asien kannte, aber sie waren nicht zahlreich. Die persische Landmacht hatte selten den Krieg gesehen, und Usong konnte von ihnen die Standhaftigkeit alter Kriegsleute nicht hoffen. Die größte Ungleichheit war in den Waffen. Zu Pferd, und mit dem Säbel in der Faust, hofte Usong die Oberhand zu behaupten, und ein Perser hielt sich für besser, als zwey Osmannen. Aber Persien hatte so wenig Fußvolk, daß der Kaiser nicht einsah, wie er der gedrungenen Phalanx der Jenjitscheri widerstehen würde: noch weniger konnte er diesen stolzen Siegern ein gleiches Feuer entgegen setzen, und bey dem groben Geschütze war weder die Zahl, noch die Uebung der Perser, den Osmannen zu vergleichen.
Nichts blieb dem weisen Usong übrig, als er selbst. Er versprach sich durch einen klugen Gebrauch seiner Kräfte, und durch die vollkommene Liebe seines Volkes, den Osmannen das Vorrücken, den Unterhalt, und den Krieg so sehr zu erschweren, daß sie in einer von der Hauptstadt ihres Reichs so entlegenen Landschaft nicht lang die unendlichen Unbequemlichkeiten würden aushalten können, die er ihnen zubereitete. Er kannte dabey [214] die Osmannen, die wütende Anfälle wagen, aber die Standhaftigkeit eines Feindes zu bezwingen leicht müde werden.
Der erste Feldzug geschah durch die leichte Reuterey, die er dem feurigen Pir Hamet mitgab, und die bald mit einer Menge Karamanier verstärkt wurde, die ihrem Fürsten frohlockend zufielen. Usong hatte den jungen Fürsten gewarht, er hatte sogar befohlen, keine Feldschlacht mit den Osmannen zu wagen. Pir Hamet war eine Zeitlang glücklich: das ganze Land war wider die Feinde, und keine Hand blieb, die sich nicht für ihren Fürsten wafnete. Er hatte bald ein zahlreiches Heer, und schlug verschiedene Schaaren der Osmannen. Der alte Achmet nahm bey Tocat eine vortheilhafte Stellung: er lagerte sich auf einem gelinden Hügel, der das Gefild übersah, und den er mit dem Geschütze fürchterlich bepflanzte. Unter ihm giengen bis in die Fläche abhangende Weinberge mit schmalen Strassen durchzogen: auch diese Zugänge besetzte er mit seinen Jenjitscheri. Hinter ihm lag das grosse Tocat, und versicherte seinen Rücken.
Pir Hamet war so blind, so voll jugendlicher Hofnung, daß er glaubte, auch in dieser Lage würden die Osmannen ihm nicht widerstehen. [215] Er griff wütend mit der Reuterey die Weinberge an. Ein Hagel von tödtlichem Bley regnete von der Höhe, und von jeder Mauer; die kühnsten blieben, die übrigen Karamanier flohen, und litten im Rückzuge noch sehr vieles von dem Donner des groben Geschützes. Der Unfall benahm den ungeübten Unterthanen des Pir Hamets den allzugeschwind gewachsenen Muth, sie zerstreuten sich. Ihr Fürst mußte sein Lager und seine Erblande verlassen, und floh mit den wenigen übriggebliebenen nach Tabris, wo ihn die Schaam so sehr niederschlug, daß er es nicht wagen wolle, vor dem Kaiser zu erscheinen.
So weislich Usong die Gefahr zu vermeiden hatte, so unerschrocken war er, wann sie ihn umringte. Er hieß den Pir Hamet an den Hof kommen, und sprach ihm Muth ein. Mein Freund, sagte der Kaiser, hat er fahren, daß die gerechte Sache auch die schwächere seyn kan; ich hoffe aber, er soll wiederum ein Zeuge seyn, daß das Glück sich durch die Geduld lenken läßt.
Usong drang in Karamanien ein; Bajazid und der alte Achmet waren triumphirend zum Machmud gestossen, und der feurige Vater freute sich, da er hoffen durfte, der Osmannen Ruhm würde [216] unter seinem Sohne nicht abnehmen. Ein andrer Feldherr, Morad 27, ein abgefallener Christ, aus dem kaiserlichen Geblüte der Paleologen, führte die Osmannen an. Ehrgeitz und Jugend hatten den ehemaligen Fürsten von Byzanz verleitet, seinen Glauben zu verlassen, und eben dieser Ehrgeitz machte ihn niederträchtig genug, dem Zerstörer seines Hauses zu dienen.
Der Kaiser von Persien befolgte seinen Entwurf: er theilte sein Heer, das in blosser Reuterey bestand, in viele Haufen. Alle Nächte gab er dem Haupte eines jeden Haufens seine Vorschrift, wohin er eilen, und wo er wieder zu andern Haufen stossen sollte. Die Perser waren aller Orten, und doch konnten die Osmannen sie nirgends antreffen. Usongs Reuter hieben alles nieder, was von dem Hauptheere sich entfernte. Wollte der Seraskier eine Zufuhr von Kriegsnothdurft an sich ziehen, so stiessen drey persische Haufen zusammen, übermannten die Bedeckung, erschlugen die Osmannen, und nahmen den Vorrath weg. Gieng Morad auf sie los, so zerstreute sich das persische Heer in mehrere Haufen, und die vortreflichen Pferde brachten sie sehr bald aus den Augen der Osmannen. Ein jeder Karamanier wurde ein [217] Ausspäher, kein Schritt der Feinde war den Persern unbekannt, dieweil Morad in einer beständigen Ungewißheit blieb.
Die Osmannen wurden täglich auf diese Weise abgemattet, und Morad, der den Tod eben so sicher zu Byzanz, als in den Flächen von Tocat, vor sich sah, faßte den verzweifelten Entschluß, an allen Orten, wo er ihn nur anträfe, den Kaiser anzugreifen.
Usong vernahm die Verlegenheit, und den Entschluß des Seraskiers, augenblicklich. Nun ist es Zeit zu schlagen, sagte er zu Pir Hamet. Er rief alle die getheilten Schaaren seines Heeres zusammen, in eine Fläche, die hinter seiner itzigen Stellung lag. Der Zurückzug des Kaisers vermehrte den Muth des abtrünnigen Feldherren: er drang mit aller Beschleunigung auf die weichenden Perser.
Da die Osmannen noch zwey Farsangen 28 weit von der Perser Hintertreffen waren, so ließ der Kaiser plötzlich den allgemeinen Befehl ergehen, ohne kriegerisches Spiel, und mit dem wenigsten Geräusche vorzurücken. Da er an Völkern nunmehr [218] überlegen war, so theilte er sie in drey Theile. Zwey Flügel umringten die Osmannen auf den Seiten, und Usong griff den Seraskier vor der Stirn an. Er befahl, seine Völker sollten, ausser der Macht des Feuergewehrs, sich in Ordnung stellen, und dann mit verhängtem Zügel, und mit dem Säbel in der Faust, auf allen drey Seiten einbrechen. Die Osmannen sahen ihren Untergang vor Augen, und den Tod auf allen Seiten an sie dringen. Sie riefen verzweifelnd, es ist das Schicksal 29, und verlohren allen Gebrauch ihrer Kräfte. Sie wurden im Augenblicke zertrennt, viele tausende niedergemacht, und die übrigen bis auf wenige Flüchtlinge gefangen, die am wenigsten verdient hatten, dem Tode zu entgehn. Morad sand den Tod minder fürchterlich, als den zornigen Anblick seines Herrn, er suchte ihn auf der Wahlstadt 30. Persien erkaufte den grossen Sieg mit so wenigem Blute, daß Usong sagen konnte, sein Triumph koste keine Thränen.
Er kam nach Tabris triumphirend zurück, nachdem sich fast ganz Karamanien in seine Arme [219] geworfen, und die osmannischen Besatzungen aus den meisten Städten verjagt hatte. Der Kaiser fand es der Weisheit angemessen, hier eine Pracht zu zeigen, die sonst weit unter seinem Gemüthe war. Der Perser Muth zu erhöhen, ließ er die Gefangenen mit ihren Waffen auf den unermeßlichen Platz zu Tabris einrücken; sie giengen in geschlossenen Gliedern, mit den Feuerröhren, zwischen zwey Reihen geharnischter persischer Reuter. Das gröbe Geschütz, die Fahnen, die Roßschweife, die Befehlstäbe, und alle Zeichen der kriegerischen Pracht folgeten den Gefangenen. Mitten auf dem Platze saß Usong auf einem erhabenen Sofa, das Panier von Persien flatterte über seinem Thronhimmel. Die Feldherren, die Fürsten der Mongalen, die Grossen aus Persien, umringten den Thron in den prächtigsten Kleidungen. Der junge Ismael stund selbst gewafnet neben seinem grossen Ahnherrn. Vor den Augen des Kaisers mußten die Gefangenen die Waffen ablegen, und wurden abgeführt, um in alle Provinzen vertheilt zu werden, auf daß alle Perser die Zeugnisse des Sieges vor ihren Augen haben möchten. Hierauf erschienen diejenigen Krieger vor dem Throne, deren Thaten in dem Feldzuge der Kaiser selbst angesehen, oder von denen ihm sonst angezeigt worden war, daß sie zu dem grossen Siege tapfere Werkzeuge gewesen wären. Sie erhielten von dem [220] Kaiser prächtige Geschenke, edle mit dem kostbarsten Zeuge behangene Pferde, Säbel die von Edelsteinen schimmerten, Fahnen die ihren Ruhm bis zu den Nachkommen aufbewahren sollten, Helme mit glänzenden Federbüschen, stählerne Rüstungen, Lorbeerzweige, in welchen kostbare Steine eingestochen waren.
Das grosse Tabris erschallte von einem Triumphgeschrey, das ganze Stunden dauerte: es lebe der neue Cyrus, der Herr der Welt, der Schatten Gottes.
Das Gerücht trug Usongs Ruhm bis in die entferntesten Gegenden. Die durch so viele Gebürge, und durch unermeßliche Wüsten von Persien abgesonderten Mongalen, jauchzten über das Glück eines Enkels des Tschengis. Indostan schickte ihm Gesandte, und in den Abendländern stieg die Hofnung auf, der Held sey gefunden, der dem Ehrgeitze der Osmannen Gränzen setzen würde.
Der folgende Feldzug war nicht so blutig, aber dennoch siegreich. Usong bemächtigte sich des übrigen Theiles von Karamanien, und erlegte etliche tausende in kleinen Treffen. Aber ihr [221] Feldherr hatte den strengsten Befehl vom Sultan 31, eine Schlacht zu vermeiden, und nahm auf den Bergen, womit dieses Land angefüllet ist, solche Stellungen, daß Usong es abermal unmöglich fand, mit seiner von Fußvolk entblößten Reuterey die Feinde anzugreifen.
Aber nun war die Donnerwolke, die sich langsam vom Abend her fortgewälzt hatte, endlich bis zur Gränze von Persien gekommen. Das grosse Heer des nach Rache lechzenden Machmuds war in Karamanien, unter des Sultans eigener Anführung, eingerückt: ein ungläublich grosser Zug von grobem Geschütze folgte dem Heere. Der Kern aller Osmannen, die Jenjitscheri, die europäischen Völker, rückten in fürchterlicher Menge an, die krimmischen und nogahischen Tataren schwebten auf den Flügeln des weit ausgedehnten Lagers, und versicherten seine Seiten. Alles was unter den Türken tapfer war, alle die versuchten Feldobersten Morads, kamen aus ihren Ruhplätzen, und drängten sich unter die Fahne des kriegerischen Sultans.
[222] Usong hatte alle Kräfte von Persien an sich gezogen, nur mußte er Tabris und das kaiserliche Haus zu bedecken, ein kleines Heer in dieser Stadt lassen. Was aber den Kaiser am meisten bekümmerte, war die Langsamkeit der venetianischen Hülfe. Die Republik hatte allerdings ihre Schiffmacht an die Küste von Cicilien geschickt, wo sie öftere Landungen that, und etliche Seeplätze einnahm; der Befehlshaber hatte auch zur Vorschrift, alles zu thun, was Usong ihm auftragen werde. Der Botschafter brachte viel güldenes und silbernes Geschirr zum Geschenke, wovon die Arbeit den Werth des Metalles übertraf 32; und hundert Büchsenmeister begleiteten das grobe Geschütz unter ihrem Hauptmanne Thomas von Imola. Er brachte einen Ueberfluß an dem Zugehöre zum Gebrauche dieser zu den Belagerungen fester Städte gegossenen Stücke. Es kamen auch zahlreiche Büchsenschmiede, und andere Künstler mit, deren Persien bedürftig war. Aber der Anführer der Venediger war zu langsam gewesen, und diese ganz wichtige Hülfe kam erst nach der blutigen Schlacht an, die Asiens Schicksal entscheiden sollte.
[223] Usong zog dem wütenden Machmud entgegen. Der ergrimmte Sultan ließ alles verbrennen, und verwüsten. Vor seinem Heere, sagten die Osmannen selber, war das Land ein Paradies, und hinter ihm eine rauchende Wüste. Er rückte bis zehn Tagreisen von Tabris vor, und drohete dieser grossen und blühenden Stadt, in welche Usong alle die Nothwendigkeiten verlegt hatte, die zur Unterhaltung eines grossen Heeres erfodert werden.
Gern hätte der kluge Kaiser eine Schlacht vermieden: seine Meynung war unveränderlich, die Osmannen in kleinen Treffen abzumatten, und ihnen die Lebensmittel abzuschneiden. Aber die größten Männer sind die Bescheidensten. Usong gab endlich dem Rathe des feurigen Haiders, des Pir Hamets, der unerschrockenen Nowianen, und der Grossen von Persien nach, die alle ihre Stimmen vereinigten, dem Kaiser vorzustellen, der Verlust von Tabris würde der Untergang von Persien seyn. Viele tausende getreuer Unterthanen würden jämmerlich ermordet werden, und die Mittel, den Krieg fortzuführen, würden verlohren gehen. Die Eiferer für des Ali Geschlecht entsetzten sich vor dem blossen Gedanken, die heiligen Gräber zu Ardewil möchten von den Sonniten entweiht werden. Mit der Reuterey könnte man [224] keine Zugänge verwehren, keine Stellungen nehmen, wohin die Jenjitscheri nicht eindringen könnten. Sie erinnerten den Kaiser an seine zahlreichen Siege, und baten ihn, an dem Muthe der Perser nicht zu zweifeln, davon der letzte sein Blut hingeben würde, ehe daß er Usongs Kriegsruhm würde bestecken lassen.
Der Kaiser gab nach, und rückte gegen den Feind, den er in der Gegend von Arzendgan antraf, in einer grossen Fläche unweit des Euphrats, wo sich die persische Reuterey ausbreiten konnte.
Machmud stand mitten in einem gevierten Treffen von fünfzigtausend Jenjitscheri, die um sich das grobe Geschütz hatten, das den Tod ganzer Tausende um sich schleuderte. Sie giengen in fünfzig Gliedern, eine unzertrennliche, fürchterliche Feuersäule. Auf den Flügeln waren die Spahi, und die krimischen Tataren, die ihr Kan anführte.
Usong nahm mit den Kurden, und mit den auserlesensten Persern, seinen Stand gegen die Jenjitscheri, die übrige Reuterey vertheilte sich auf die Flügel. Er gab eben die Befehle, wie in der sieghaften Schlacht wider den Pascha Morad, er [225] rückte langsam fort, bis er die Entfernung erreicht hatte, wo das feindliche Geschütz anfieng tödtlich zu werden. Er hob die Augen gen Himmel, den er, wie es schien, um seinen Schutz anrief, und gab dann zum Feldgeschrey, Persiens Heil. Hiermit befahl er dem Reichspanier ihn nie zu verlassen, und rannte durch den Dampf des schmetternden Geschützes in den Feind.
Die beyden Flügel warfen die Reuterey der Türken und Tatarn im Augenblicke übern Haufen: sie fielen nach dem erhaltenen Befehl, den Osmannen in die Seite, nachdem sie einen genugsamen Haufen in voller Schlachtordnung hatten stehen lassen, die versicherten, daß die feindlichen Flügel sich nicht erholen konnten.
Den Säbel in der Faust zertrennten die Perser einige Glieder der Jenjitscheri. Aber diese geübten Kriegsleute wandten ihre Feuergewehre gegen alle Seiten, und alle Augenblicke fielen die herzhaftesten unter ihren Angreifern. Usong sah den Sultan im dicksten Haufen zu Pferde halten: ein mit Zobel verbrämter Mantel, und die drey Reigerbüsche machten ihn kenntlich. Sieben Roßschweife mit güldenen Knöpfen stunden neben ihm in die Höhe. Der Kaiser von Persien sah kein [226] Mittel zum Siege, als die Erlegung des Sultans: er drang gegen ihn mit allen den vereinigten Kräften des Muthes und einer halben Verzweiflung. Aber der tödtlichste Blitz schlug aller Orten ihm entgegen. Der Kern der Perser fiel, die meisten Fürsten aus dem Hause des Tschengis, Pir Hamet selbst, für dessen Sache dieses Blutbad entstanden war, wurden an der Seite des Kaisers getödtet. Dschuneid, der Freund des Kaisers, setzte das Leben für ihn zu 33. Endlich fuhr ein feindliches Bley auf die Brust des edlen Haiders, und zerschmetterte sein treues Herz neben dem Pferde des Kaisers. Usong sah den Fall, und suchte den Tod.
[227] Er würde ihn in wenigen Augenblicken gefunden haben. Scherin trug das Reichspanier von Persien. Der Getreue fiel dem Kaiser in den Zaum, und drehte sein Pferd um. Vergib deinem alten Diener, sagte er, aber Persien kan nach einer Niederlage sich erholen, nach Usongs Tode nicht: er befahl auf den beyden grossen Trommeln das Zeichen zum Abzug zu geben, ohne des Kaisers Antwort zu erwarten. Der Rückzug war so gefährlich, als der Anfall, noch mancher Held mußte unter dem Geschütze fallen; doch hieb sich der persische Säbel einen Weg durch die dicken Glieder der Jenjitscheri, und der Kaiser kam in Sicherheit.
Scherin warf sich zu seinen Füssen, und erkannte sich des Todes schuldig, weil er den Abzug anzubefehlen über sich genommen, und selbst dem Kaiser einigermassen Gewalt angethan hatte. Aber der dankbare Usong übersah die Umständlichkeiten, und drang in die innere Absicht des eifrigen Dieners, er umarmte ihn, und dankte ihm, daß er sich in einem Augenblicke besässen hätte, wo Haiders Tod den Kaiser aus aller Verfassung gebracht hatte.
Der Sultan unterstund sich nicht, die Feinde zu verfolgen: sein Fußvolk war unbedeckt, wenn [228] seine dicke Phalanx sich getrennt hätte, so war sein Untergang unvermeidlich. Er sah in geschlossenen Linien auf beyden Seiten einen Theil der Perser stehen: er schloß selbst seine zerbrochenen Glieder, ließ aus dem groben Geschütze ein allgemeines Feuer, als ein Siegeszeichen machen, und blieb in Schlachtordnung. Die Osmannen 34 hatten weit mehr Volk verlohren, als die Perser. Aber den grossen Usong vom Schlachtfelde getrieben zu haben, schien dem Machmud genug, seinen Namen zu verewigen.
Die Perser zogen sich, nach dem Entwurfe des Kaisers, in eine Stellung zurück, wo sie Wasser und Lebensmittel fanden. Seufzend mußte er so manchen Freund, so manche Stütze seines Reichs unbegraben lassen. Und wer wird meine Nuschirwani trösten, sagte er selber trostlos? Er kannte noch nicht ihre ganze Grösse.
Er vertheilte sein Heer auf beyde Flügel der Osmannen, und gab den vorigen Befehl, die Lebensmittel abzuschneiden, und die einzelnen Schaaren, die der Feind wegen des Futters ausschicken [229] schicken mußte, mit Vorsicht anzufallen. Denn das Schlachtfeld war ein dürrer Anger 35.
In drey Tagen hatte ein vom Scherin abgeschickter Bote die unglückliche Zeitung nach Tabris gebracht. Die grosse Stadt wallte, wie ein Meer im Sturme, von der Furcht fürs künftige, und vom Entsetzen über das vergangene. Nuschirwani hörte ohne Thränen alles das zertrümmernde, das in der Zeitung lag. Hier ist keine Zeit zum Weinen, sagte sie, und begab sich auf den weiten Meidan, auf einen zum Kriege ausgerüsteten Elephanten. Sie ließ durch die grossen Trommeln die Häupter der zu Tabris liegenden Völker versammeln, und zugleich die Vornehmsten der volkreichen Stadt zusammenfodern. Das Heil von Persien, sagte sie durch einen Herold, beruht auf dem Gebrauche dieses Augenblickes. In einer Stunde müssen die Kriegsvölker aufbrechen, zum Kaiser zu stossen: morgen möchte er von der Obermacht der Feinde erdrückt seyn. Und wer unter den Einwohnern des grossen Tabris sein Vaterland, und seine Kinder liebt, der wird mich begleiten: ohne neue Kräfte, womit der Kaiser die Feinde aufhalten kan, ist in wenigen Tagen [230] Tabris ein angezündeter Schutthaufen, worinn die Leichen seiner Bürger zu Asche werden.
Tabris griff zu den Waffen, zehntausend streitbare Männer, der Ausbund seiner tausenden, vereinigten sich mit der Kriegsmacht, und zogen augenblicklich gegen Arzendgan. Alle Greise, die Persien hatten befreyen helfen, griffen zur Lanze, und stellten sich vor die Gewafneten. Eilende Boten flogen voran, den Kaiser aufzusuchen, und ihm anzukündigen, daß die Verstärkung anrückte. Andere Boten beriefen auf flüchtigen Pferden Persiens Landmacht zusammen. Nuschirwani zog mitten unter den Kriegern aus, ihren Vater zu retten. Hat doch Ajeschah, sagte sie, in einer weit schlimmern Sache, auf einem Kameele die Schlagenden angefrischt 36.
Sie sorgte für die Gemahlin ihres edlen Vaters, und ließ sie, halb verschmachtend, mit einer genugsamen Bedeckung, auf das Schloß Karpurt 37 [231] bringen, dessen feste Lage es vor einem feindlichen Ueberfalle sicher stellte.
Machmund rückte langsam und zweifelhaft fort. Seine Reuterey war vernichtet, ein Theil seiner Jenjitscheri war unter den Säbeln der verzweifelnden Perser gefallen, er besorgte ohne Wasser und ohne Mundvorrath zu seyn, und sah in einiger Entfernung die persischen Heere ihn beobachten.
In wenigen Tagen vereinigte sich das neue Heer mit dem Kaiser, und alle Stunden kamen Verstärkungen an, die eine Wirkung der von der standhaften Nuschirwani ausgesandten Boten waren. Ganz Persien stund auf, ein einziger Wille herrschte in dem großmüthigen Volke; den Kaiser und des Vaterlandes Ehre retten, war der einzige Wunsch, gegen den die Liebe des Lebens verstummete.
Nuschirwani ließ sich ungesäumt zu ihrem erlauchten Vater bringen. Alles ist gerettet, da [232] Usong lebet, sagte sie, und eilte zu seinen Füssen. Der Kaiser sah keinen weiblichen Zug in ihrem Angesichte, keine Spur der Furcht oder der Niedergeschlagenheit, sie athmete nichts als Großmuth, und die Bestrebung das Reich zu retten, glänzte in ihren Angen. Usong umarmte sie aufs zärtlichste. Mit einer solchen Tochter, sagte er mit Wehmuth lächelnd, wer könnte Söhne wünschen!
Machmud hatte keine Hofnung mehr Tabris zu erobern, er mußte befürchten, seine ermüdeten Völker würden umringt, und ein Raub des Schwerdtes werden. Er zog sich langsam zurück, und kein Haus rauchte in Persien von den Fackeln des siegenden Heeres. Aber Machmud war grausam, er ließ die verwundeten und auf dem Schlachtfeld aufgehobenen Perser niedermetzeln, und wollte keine gemeine Rache ausüben, sondern ließ auf einen jeden Tag hundert dieser Unglücklichen ermorden 38. Er zog sich nach Karamanien, verwüstete was noch verschont geblieben war, und führte sein Heer gegen das schwache Trapezunt.
[233] David war ausser Stand dem Sieger zu widerstehen, er übergab sich dem Machmud, der ihm sein Leben versicherte. Aber dieser blutdürstige Sultan kannte die wahre Ehre und die Würde seines Wortes nicht, er ließ den ganzen kaiserlichen Stamm der Comnenen ausrotten.