[21] Deutsches Trinklied

Nach der Blumen schneller Flucht
Prangt die röthlich gelbe Frucht,
Und die laubbegrünten Reben
Schenken Freudenbecher ein.
Ach, es ist der Menschen Leben
Weh' und Weinen ohne Wein!
In dem kalten Nordenland
Ist berühmt das Pelzgewand.
Füchse, Marder, Bärenhäute,
Zobel, Luchs und Reihenthier, 1
Hitzen selber rauhe Leute,
Wie der Wein uns wärmet hier.
In dem heißen Südenland
Bringt der Sonnenstrahlen Brand
Pomeranzen, Oel, Granaten,
[22]
Pfeben 2 und Salat herfür,
Sie zu kühlen, wann sie braten:
Uns beliebt der Wein allhier.
Von der Donau bis zum Rhein
Träget jeder Hügel Wein,
Und viel Eichen, zu befassen
Solchen süßen Keltersaft.
Wer will dann die Deutschen hassen,
Wenn sie lieben diese Kraft?
Seht, wir folgen der Natur
Und betreten ihre Spur,
Wenn wir unsre kalten Mägen
Nach der sauern Arbeitzeit
Hitzen mit dem Winzersegen
In beschränkter Fröhlichkeit.

Fußnoten

1 D.h. Rennthier.

2 Pepo, eine Art Melone.

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Zitationsvorschlag für dieses Objekt
TextGrid Repository (2012). Harsdörffer, Georg Philipp. Gedichte. Gedichte. Deutsches Trinklied. Deutsches Trinklied. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0003-3484-B