Ein Bild

Im Morgenwinde sah ich Blumen wanken
Und sah, wie sie den Thau der gold'nen Frühe,
Daß jede voller dufte, tiefer glühe,
Mit heißem Mund begierig in sich tranken.
Gesättigt sah ich bald die meisten schwanken,
Als glaubten sie, daß keine nun verblühe,
Die Rosen tranken fort mit süßer Mühe,
Bis ihre Kelche fast zur Erde sanken.
Die andern wiegten sich in Luftgefühlen,
Sie wollten eben lauten Spott erheben,
Da schoß die Sonne ihre Flammen-Pfeile.
Die Rosen löschten sie im Thau, dem kühlen,
Doch jenen drangen sie in Mark und Leben,
Man sah sie hingewelkt nach kurzer Weile.

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TextGrid Repository (2012). Hebbel, Friedrich. Gedichte. Gedichte (Ausgabe letzter Hand). Sonette. Ein Bild. Ein Bild. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0003-3AD5-9