9. Nachts

Die dunkle Nacht hüllt Berg und Thal,
Ringsum die tiefste Stille;
Die Sterne zittern allzumal
In ihrer Wolkenhülle;
Der Mond mit seinem rothen Schein
Blickt in den finstern Bach hinein,
Der sich durch Binsen windet.
Ich schreite in die Nacht hinaus,
Entgegen jenem Schimmer,
Der aus dem forstverlornen Haus
Sich stiehlt mit schwachem Flimmer.
Jetzt lischt's mit einmal aus, das Licht,
Ich seh' es, doch mich kümmert's nicht;
Je dunkler, um so besser.
Du glaubst, zum Liebchen schleich' ich mich?
Die könnt' ich näher haben:
[204]
Nach jenem Kirchhof weis' ich dich,
Dort liegt sie längst begraben.
Dieß aber ist das kleine Haus,
Da ging sie ehmals ein und aus
In seligen süßen Stunden.
Nun thut's mir wohl, den Weg zu geh'n,
Wo ich mich oft entzückte,
Das kleine Fenster anzuseh'n,
Wo ich sie sonst erblickte;
Die Bank zu grüßen, wo sie saß,
Den Busch, von dem sie Beeren las,
Die Blumen, die sie noch pflanzte.

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Zitationsvorschlag für dieses Objekt
TextGrid Repository (2012). Hebbel, Friedrich. Gedichte. Gedichte (Ausgabe letzter Hand). Vermischte Gedichte. Ein frühes Liebesleben. 9. Nachts. 9. Nachts. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0003-3D8C-6