[168] Die Häfnet-Jungfrau

Vetter, wo simmer doch echterst? Bald glaubi, mer seige verirret,
's schlacht kei Uhr, me hört ke Guhl, es lütet ke Glocke;
wo me lost, und wo me luegt, se findt me ke Fußtritt.
Chömmet do das Wegli ab! Es isch mer, mer seige
nümme wit vom Häfnetbugg. Sust gruset's mer, wenni
drüber muß; jez wäri froh. Der Sunne no möcht es
schier gar Zehni si. Sel wär kei Fehler, mer chäme
alliwil no zitli gnug go Steine bis Mittag. –
Geltet, was hani gseit! Gottlob, do simmer am Häfnet,
und jez weißi Weg und Steg. Der hent doch au betet
hütte früeih, will's Gott, und hentich gwäschen und d'Hoor gstrehlt
mittem Richter? Mengmol müen au d'Finger der Dienst tue,
und der sehnt mer schier so us. Je, Vetter, i warnich!
Wemmer bim Brunne sin, me würdich wäschen und strehle.
's stoht im Wiesetal und in den einseme Matte
no ne Huus, me seit em numme 's Steinemer Schlößli.
's tuet de Hamberchslüten und 's tuet de Bure wo gfront hen,
bis es gstanden isch mit sine Stapflen am Giebel,
au kei Zahn meh weh. Doch liege sie rüeihig im Bode,
d'Häfnet-Jumpfere nit, wo vor undenkliche Zite
in dem Schlößli ghuset het mit Vater und Mutter.
's isch e Zwingherr gsi, und 's het des Frones kein End gha,
bald ufs Tribe, bald zum Bauen oder an Acker,
z'nacht zum Hüeten ins Feld, und het der Zwingherr und d'Zwingfrau
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nüt me gwüßt, isch d'Tochter cho, ne zimpferig Dingli,
mitteme Zuckergsicht und marzipanene Hälsli.
Bald het ein go Basel müeßen oder no witers,
Salbe hole, das und deis zum Wäschen und Strehle,
Schuh mit gstickte Blumen und chosperi goldeni Chappe
mit Chramanzlete drum und sideni Hentschen und Bendel.
Meinet der denn, sie wär emol go Steine in d'Chilche
uffem Bode gange mit ihre papierene Schuhne?
Örliger, bim Bluest, vom türste, wo me cha finde,
hen sie müeße spreite vom Schlößli bis füren an Steine
und durs Dorf an d'Chilchhoftür und übere Chilchhof,
und am Mentig wäschen. Am nöchste Samstig het alles
müeße sufer si, wie neu vom Weber und Walker.
's isch emol en alte Ma, 's heig niemes si Heimet
wüsse welle, neben an dem Örliger Fußweg
gstanden an der Chilchhoftüre. »Loset, i warnich,
Jümpferli«, heig er gseit, »'s isch mit dem Pläzli nit z'spasse.
Goht me so in d'Chilchen und über die grasige Gräber?
Wie heißt's in der Bibel? Der werdet's iemer nit wüsse:
›Erde sollst du werden, aus Erde bist du genommen.‹
Jumpferen, i förch, i förch!« – Druf seig er verschwunde.
Selmol uf Örligertuch in d'Chilche gangen und nümme!
Nei 's mueß Flanell her am nöchste Sunntig mit rote
Bendle rechts und links und unten und obe verbendlet.
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O, wie mengmol hen doch d'Lüt im Stille der Wunsch gha:
»Nähm di numme ne Ma im Elsis oder im Brisgau
oder wo der Pfeffer wachst! Es sott der jo gunnt si.«
Aber 's het sie niemes möge. D'Mutter isch gstorben
und der Vater au, sie liege nebenenander,
und 's chunnt zlezt e Gang, wo 's Töchterli füren in Chilchhof
au ke Flanell bruucht und eineweg d'Schühli nit wüst macht.
Hen sie nit im Totebaum vier Richter ins Grab treit?
's seig nit brieget worde. Ne Vaterunser hen frilig
alli betet, und gseit: »Gott geb der ewige Friede!«
Drum der Tod söhnt alles us, wenn's numme nit z'spot wär.
Aber der alt Ma seig eismols wieder am Chilchhof
gstanden und heig gseit mit schwere bidütseme Worte:
»Hesch nie das Pläzli birührt, se soll di das Pläzli nit tole.
Wo du ane ghörsch, weiß numme 's Geitligers Laubi.«
's isch so cho. Der ander Morge, women ins Feld goht,
stoht der Totebaum vorusse nebe der Chilchmuur.
Wer verbei isch, het en gseh, und 's heißt no, dernebe
's seige Grappe gnueg druf gsessen und heigen am Tuech pickt,
wie mes macht: wenn näumis isch, se lüegt me no mehr dra.
Je, me het's wieder probiert, me het sie no tiefer vergrabe,
an en andere Platz. 's het alles nit ghulfen und battet.
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Endli seit der Vogt: »Mer müen go 's Geitligers Laubi
froge, wo sie ane ghört.« Me rüstet e Wage,
wettet d'Stieren i und leit der Totebaum ufe.
»Laufet, wo der went!« Sie hen si nit zweimol lo heiße.
Uf und furt zum Häfnet-Bugg. Dört blibe si bhange,
z'allernöchst am Brunne (der wüßet's), womer vorbei sin.
In dem Brunne sizt sie. Doch stigt sie an sunnige Tage
mengmol usen ans Land, strehlt in de goldige Hoore,
und wenn näumer chunnt, wo selle Morge nit betet
oder d'Hoor nit gstrehlt, und wo si nit gwäschen und puzt het,
oder jungi Bäum verderbt und andere 's Holz stiehlt,
seit me, sie nehm en in d'Arm, und zieh nen aben in Brunne.
Vetter, i glaub sel nit. Me seit so wege de Chinde,
aß sie süferli werden und nieme näumis verderbe.
Vetter, wär es so gföhrli, bim Bluest, euch hätt sie in d'Arm gno,
wo mer nebenabe sin, und gwäschen im Brunne,
und au wieder gstrehlt emol. – Nei loset, was höri?
's lütet z'Steine Mittag. Bal simmer dussen im Freie.
D'Zit wird eim doch churz im Laufe, wemmen au näumis
mitenander z'rede weiß und näumis z'erzehle.
Seig's denn au nit wohr, es isch nit besser, wenn's wohr isch.
Sehnt der jez dört 's Schlößli mit sinen eckige Gieble?
Und das Dorf isch Steine. Do füre zieht si der Chilchweg.

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Zitationsvorschlag für dieses Objekt
TextGrid Repository (2012). Hebel, Johann Peter. Gedichte. Alemannische Gedichte. Die Häfnet-Jungfrau. Die Häfnet-Jungfrau. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0003-4497-8