Maimarkt

Heut ist Jahrmarkt. Von den Buden
Wehn knallrote Taschentücher,
Abgefeimte Schacherjuden
Recken ihre krummen Riecher
Geiermäßig mit Geschrei
In den lindengrünen Mai.
Emmenthaler Käseriesen,
Frischer Stiefel Lederduft ...
Staub beweißt die jungen Wiesen,
Krämerdunst verdickt die Luft.
Wachstuch in den grellsten Farben:
»Einen Franken für den Rest!«
Blumenhüte, Rüschen, Barben –
Bärbel, denk aufs Pfingstenfest!
Rudolf, Baroneß Vetsera,
Farbenblutdruckkatastrophen ...
Firuli und Firulera
Spielt die Orgel. Spitze Zofen
[32]
Mit den Kleinen fürnehm eilen,
Schrupperfeen gierig weilen.
Ein Student zieht durchs Getriebe
Mit der schwesterlichen Liebe.
Die hat immer was nach hinten,
Maiprinz Amor lädt die Flinten.
Aus des Busens Knopfsaum wedelt
Rotverführerisch ein Zipfel,
Da wird auch was eingefädelt,
Angebändelt, liebgemädelt ...
Wollust weht der Lindenwipfel.

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Zitationsvorschlag für dieses Objekt
TextGrid Repository (2012). Henckell, Karl. Gedichte. Buch des Lebens. Züricher Bilder. Maimarkt. Maimarkt. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0003-4FA0-F