7.

Mitschuldige, du, meines schönern Lebens,
Dir beicht' ich meines Herzens Kampf und Krieg:
Kein Groll, der uns geschieden, war vergebens,
Und jeder Friedensschluß war beider Sieg.
Aus allen Banden trotzigen Widerstrebens
Lösten zwei Seelen sich und sangen: »Flieg!«
Der andern zu, »Flieg mit mir, Auserwählte,
Aus jenem Kerker, der uns beide quälte!«
Befreierin laß uns die Ehe grüßen,
Der nächsten Wahlverwandtschaft innres Band,
Den Zwang nicht, der die Freiheit tritt mit Füßen
Und der mit feiger Heuchelei verwandt.
Kein Zucker kann den bittern Trank versüßen,
Kredenzt aus armer Formelheirat Hand,
Mag auch der Becher noch so gülden gleißen –
Befreierin soll uns die Ehe heißen.
[92]
Was lichter Traum war in den knospenjungen
Lenztagen sprossender Liebe – welch Gepoch
Der Herzen gab's, bis alles aufgesprungen
Und schwoll in Herrlichkeiten! ... weißt du noch?
Was uns aus Hochzeitsglocken frei erklungen –
Kein Wurm versteckt durch unsere Blüten kroch –
Das will sich nun mit sonniger Lüfte Walten
Zum Sein erfüllen und zur Frucht gestalten.

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Zitationsvorschlag für dieses Objekt
TextGrid Repository (2012). Henckell, Karl. Gedichte. Buch des Lebens. Neues Leben. 7. [Mitschuldige, du, meines schönern Lebens]. 7. [Mitschuldige, du, meines schönern Lebens]. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0003-51EE-E