45.
Der Gefangene

Der uns die Freiheit einst so kühn gelehret
Hört ihr ihn hinter jenem Gitter wohl,
Dran spottend noch des Glaubens rauh Symbol,
Manch eisern Kreuz, das ihm die Flucht verwehret?
Das also ist der Lohn, der ihm bescheret
Ward von dem angebeteten Idol?
Die Wangen blaß, die Augen trüb und hohl,
Die Augen, die er – nicht zum Himmel kehret.
Seit Jahren sah er keine Wolken schweben,
Seit Jahren kein Gestirn in blauer Ferne
Die goldne, taubeglänzte Schwinge heben.
Die Erde – ach! er ließ' sie euch so gerne;
Doch sprecht, ihr Herrn, wer hat euch Macht gegeben,
Die Hand zu legen auf des Himmels Sterne?

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Zitationsvorschlag für dieses Objekt
TextGrid Repository (2012). Herwegh, Georg. Gedichte. Lieder eines Lebendigen. Erster Teil. Sonette. 45. Der Gefangene. 45. Der Gefangene. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0003-5F1A-9