Ankunft
15. Nov. 1901
Nun seid gegrüßt mir, Land und See und hoch am Berg du altes Nest,
Ihr Vignen, längst nicht mehr geschmückt mit rothem Herbstlaub wie zum Fest,
Olivenhalden, Lorbeerweg, du Bach, der wild zu Tale schießt,
Und ihr zumal am Seegestad, mein Haus und Garten, seid gegrüßt!
Ich find euch nach der Sommerglut noch frisch und grün am alten Fleck.
Die Erd' hat in Salò gebebt, ihr kamt davon mit bloßem Schreck,
Und dir, o mein Villino, wuchs inzwischen noch ein Flügel an,
So daß ich mich zum Winterschlaf in dir bequemer strecken kann.
Und diesen stört auch selten nur von draußen ein lebend'ger Klang,
Gedämpft ertönt das Glockenspiel zu mir herab vom Bergeshang,
Vom See nur eines Dampfers Pfiff, ein Eselchen schreit dann und wann,
Und alle Stücke kenn' ich längst, die drunten spielt der Orgelmann.
Und wenn am Haus die Glocke tönt, sie meldet lahme Bettler nur;
Ein Nachbar, der zu plaudern kommt, tritt selten ein in meinen Flur.
[399]Es lockt uns kein Konzert hinaus, ein Schauspiel bietet nur der See,
Und Langweil hüllt uns dichter ein, als hoch im Norden Eis und Schnee.
Ein hochverehrlicher Kurvorstand sorgt eifrig und gewissenhaft,
Daß ja nur keine Lustbarkeit den Wintergästen Fieber schafft,
Daß Keinem, der zu sterben kam, hier, wo ihm letzte Frist gewährt,
Der Abschied von der schönen Welt durch Lebensfreuden werd' erschwert.
Doch da's einmal nicht anders ist, so füg' ich mich gefaßt darein,
Die Welt zu meiden winterlang, um länger auf der Welt zu sein.
Und überdies – ein Winterschlaf hier unter Palmen – in der Tat,
Ich finde, daß trotz alledem er seine stillen Reize hat.
Sagt Hamlet doch: »Was uns im Schlaf für Träume kommen, ja, da liegt's!«
Wohl Manches, was mir hier geträumt, nicht mit dem Morgenrot verfliegt's.
Einstweilen sei's im Tagebuch hier zwanglos zu Papier gebracht,
Und somit, halb im Traume schon, wünsch' ich mir selber gute Nacht!