[327] [333]Beantwortung eines empfangenen hochzeit-brieffes

Dir wünsch ich mehr gelück als Ceres garben zeiget/
Als Bachus trauben liest/ als Phöbus tage macht.
Und weil mein schlechter geist sich höher nicht versteiget/
Mehr als die Wiener post mir schreiben hat gebracht.
Ich schwere/ daß ich nichts von deiner hand erbrochen/
Das nicht/ wie mich bedeucht/ nach rosen hat geschmeckt;
Besonders dieser brieff/ den du vor wenig wochen
Mir zugeschickt/ war gantz mit ambra angesteckt:
Denn unter andern fand ich dieses auch geschrieben/
Das ich/ wie billig war/ mit freuden angeschaut.
Es war ein kurtzer satz: nach göttlichem belieben/
Ist mein geliebtes kind und tochter eine braut.
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Ein bisam-wort für mich! ietzt kenn ich meine pflichten/
Und was ich/ hoher freund/ dir mehr als schuldig bin.
Du forderst dieses auch/ ich soll ein braut-lied tichten/
Fürwar die beste krafft der poesie ist hin.
Der stern/ so mir zuvor die geister hat erwecket/
Scheint ietzund weit von mir/ mein feuer geht mir aus/
Es hat die alte glut ein kalter schnee bedecket/
Mein gantz Parnassus wird zu staub und ziegel-grauß.
Aus armuth muß ich nur bey diesem brieffe bleiben/
Der schlechter art und auch so niedrig ist wie ich.
Ich traue mir nicht mehr ein geistig lied zu schreiben/
Den sternen zuzugehn ist nun nicht mehr für mich.
Die edle Donau hegt ietzt tausend haupt-poeten/
Und mein geringer kram scheut dieser sonnen licht.
Die feld-trompete lacht der engen kinder flöthen/
Und ascherfarbe schickt sich zu dem purpur nicht.
Doch wahre freundschafft wiegt alleine das gemüthe/
Schaut gute meynung mehr als gute sylben an.
Ich kenne/ werther freund/ zu deutlich deine güte/
Die nur durch redligkeit vergnüget werden kan.
In dieser zuversicht entschütt ich geist und hertze/
Und lasse meine lust mit vollen strömen aus.
Ich sehe/ wie nunmehr des himmels freuden-kertze
Mit strahlen seiner gunst bestrahlt dein liebes hauß.
Was kan dir lieber seyn/ als diesen tag zu schauen/
Da du mit vaters hand der eh' geliebte frucht
Desselben redlichkeit wirst sollen anvertrauen/
Der sie durch reinen trieb der tugend hat gesucht?
Da du der tochter hand in dessen hand solt legen/
Der deinem kinde treu und ehre dir verspricht;
Der nichts so eiffrig sucht als deines mundes segen/
Und seinen geist auf dich als seinen Pharus richt.
Welch gärtner wird da wohl die thüre gantz verschliessen/
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Und läst die frucht allein die last der äste seyn?
Wer klug ist/ wird mit witz wohl zu eröffnen wissen/
Er stellt die süsse frucht getreuen händen ein.
Wer seine waare stets im krame will verwahren/
Und niemals in das licht und fremde hände stellt/
Erwirbt ihm endlich nichts/ als daß bey vielen jahren
Der waare alter glantz mit ihrem werth verfällt.
Was dienet uns ein schatz der stets verborgen lieget/
Mit dem der himmel schertzt/ den finsterniß verwacht/
Dem sich die einsamkeit nur an die seite füget/
Und keinem menschen nicht zu nutze wird gemacht?
Die perle so allein in ihrer muschel pranget/
Das gold so allezeit der berge därme drückt/
Hat niemahls einen ruhm in dieser welt erlanget
Und niemahls in der noth ein mattes hertz erquickt.
Was sind wir menschen doch/ wenn wir uns selbst verschlüssen?
Was ist ein geist/ der sich nur in sich selbst verzehrt?
Nur rosen so den stock zum sarge haben müssen/
Nur veilgen/ die der wind im stengel hat verheert.
Der menschen wegen seyn die menschen auch gebohren/
Und stetes einsam-seyn/ ist mehr als halber tod.
Wer nicht erkiesen kan/ und stirbt auch unerkohren/
Durch den bleibt unerfüllt das paradies-gebot.
Daraus ist nun dein witz/ geliebter freund/ zu schauen/
Daß du vermählen wilst diß angenehme pfand/
So dir des himmels gunst hat wollen anvertrauen/
Es bleibet doch dein kind/ obgleich in fremder hand.
Durch deinen seegen wird hier stets gelücke blühen/
Denn tugend-wurtzel welckt zu keinen zeiten nicht.
Es wird dein eydam sich zu aller zeit bemühen/
Daß thun und lassen sey nach deinem blick gericht.
Erquicke dich nunmehr/ verlaß die bleichen sorgen/
Nicht dencke was der rath/ was hof und kammer macht:
Denn diese sachen seyn vor einen andern morgen/
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Und heute wird von dir gewiß kein brieff erdacht.
Heut ist ein solcher tag/ der niemahls dir erschienen/
Du hast kein sonnen-licht noch dergestalt geschaut.
Es will die freudigkeit auf allen seiten dienen/
Und die ergötzlichkeit wacht um die junge braut.
Der Edenburger safft/ der schatz der besten reben/
Ersetze/ wo der lust an kräfften was gebricht.
Diß/ was das edle land des Rheines weiß zu geben/
Verlöscht/ wie uns bekandt/ die hochzeit-fackel nicht.
Nur frölich/ diese lust sey leitstern andrer freude/
Der himmel schaue dich mit mehrerm seegen an.
Es spinne seine hand ins künfft'ge solche seide/
So deiner tochter noch zur haube dienen kan.
Ich weiß/ die mutter wird mit tausend freuden-zähren
Die keusche tochter braut begleiten zu der ruh.
Was kan der mutter hand wohl kräfftigers gewähren/
Als wenn der tochter sie auch legt den seegen zu?
Mein freund/ geneuß forthin die früchte von dem seegen/
Und küsse mit der zeit auch deiner kinder kuß/
Wenn man den enckel dir wird in die armen legen.
Diß sey des hertzens wunsch/ und meines briefes schluß.

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Zitationsvorschlag für dieses Objekt
TextGrid Repository (2012). Hoffmannswaldau, Christian Hoffmann von. Gedichte. Gedichte aus Neukirchs Anthologie Bd. 2. Galante gedichte. Beantwortung eines empfangenen hochzeit-brieffes. Beantwortung eines empfangenen hochzeit-brieffes. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0003-6CF1-B