[11] Stammbaum

Mel. Einsam bin ich nicht alleine.


O des Schicksals böse Tücke,
O das böse Spiel der Zeit!
Einst wohl saßen wir im Glücke,
Jetzo sitzen wir im Leid.
Nur der Anblick meiner Felder,
Meiner Wiesen ist noch mein;
Längst verkauft sind meine Wälder,
Nur ein Baum blieb mir allein.
Wenn ich diesen Baum umklammre,
Heg' ich Hoffnung, schöpf' ich Muth;
Wenn ich vor ihm wein' und jammre,
Fühl' ich neue Lebensglut.
Nein, ich habe nicht vergebens
Meine Tage hingebracht!
Seht, da steht der Baum des Lebens
Und in voller Blüthenpracht!
[12]
Und die Menschheit wird beglücken
Das was ich hienieden that:
Denn mit diesen Blüthen schmücken
Wird sich mancher Hof und Staat.
O du Baum aus altem Samen,
Wie beruhigst du mein Herz!
Schon vor deinem stolzen Namen
Schwindet aller Gram und Schmerz.
Grünt, ihr jungen Sommerlatten,
Wachst in fröhlichem Gedeihn!
Und in meines Stammbaums Schatten
Schlaf' ich sanft und selig ein.

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TextGrid Repository (2012). Hoffmann von Fallersleben, August Heinrich. Gedichte. Unpolitische Lieder. Erster Theil. Erste Sitzung. Stammbaum. Stammbaum. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0003-71B3-1