[141] Er bringt ihr ein Nacht-Musikgen

Ode Dactylo-Trochaica.


Titan schloß sein Wogen-Hauß/
Morfeus sät die Sterne auß/
die wie kleine göldne Flekken
gantz den Horizont bedekken.
Alles schläfft itzt nach Gebühr.
Drümb bey so bestellten Dingen
laß mich hihr für deiner Thür
dir ein Nacht-musicgen bringen.
Hesper geusst schon Silber dreyn
und man hört die Fröschgens schreyn.
O formosissima/
veni/ puella!
Prata mollissima
visita/ bella!
[142]
Luna nos invitat/
hic spatiari.
Cor meum palpitat/
eheu/ amari!
Itzt ist Alles wihder stumm/
Tellus dreht sich noch mahl um/
durch die ungemeine Stille
zahrt und zihrlich zirpt die Grille.
Weiß/ wo sich Diana wusch/
hipfft und plättschert die Fontehne
und auß jedem Rohsen-Pusch
haucht ein Zefir: Aramene!
Leise rauscht in deinen Traum
der ümbgläntzte Mandel-Baum.
O formosissima/
veni/ puella!
Prata mollissima
visita/ bella!
Luna nos invitat/
hic spatiari.
Cor meum palpitat/
eheu/ amari!
Itzt vom Indus biß zum Nil
geht ein süsses Bossen-Spihl.
Mit nur ungezihmbten Sachen
weiß man sich vergnügt zu machen.
[143]
Venus schleicht sich zum Adon
nakkend unter dikken Mirthen/
ümb den angenehmsten Lohn
ringen Hirtinnen mit Hirten.
Ach/ man bringt sich gantz und gar
in die eusserste Gefahr!
O formosissima/
veni/ puella!
Prata mollissima
visita/ bella!
Luna nos invitat/
hic spatiari.
Cor meum palpitat/
eheu/ amari!
Hercules/ der tummpe Tapps/
kricht itzt manch verlihbten Klapps.
Zwey ambrirte Zokker-Dinger
füllen ihm darfor die Finger.
Auch waß ich hihr nicht benannt/
weil mir solches nicht verläubt ist/
nimbt er gantz in seine Hand/
biß er fast darvon betäubt ist.
Drümb so kan man itzt allein
gantz ohnmüglich frölig seyn.
O formosissima/
veni/ puella!
[144]
Prata mollissima
visita/ bella!
Luna nos invitat/
hic spatiari.
Cor meum palpitat/
eheu/ amari!
Aramene/ wehrtes Licht/
hörstu mich noch ümmer nicht?
Merckstu nicht/ gelihbte Seele/
wie ich mich hihr for dir qwehle?
Eh mein Hoffnungs-Wacks zerrinnt/
schlinge ümb mich deine Ketten/
sonst so bün ich nicht gesinnt
dir mehr ins Gesicht zu tretten.
Laß mich nicht noch lenger stehn/
denn sonst muß ich schlaffen gehn.
O formosissima/
veni/ puella!
Prata mollissima
visita/ bella!
Luna nos invitat/
hic spatiari.
Cor meum palpitat/
eheu/ amari!

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Zitationsvorschlag für dieses Objekt
TextGrid Repository (2012). Holz, Arno. Gedichte. Dafnis. Er bringt ihr ein Nacht-Musikgen. Er bringt ihr ein Nacht-Musikgen. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0003-809F-D