Therese Huber
Luise
Ein Beitrag zur Geschichte der Konvenienz

[3] Vorrede des Herausgebers

Daß Luisens Geschichte wahr, bei aller ihrer Alltäglichkeit schrecklich und traurig wahr ist, darf niemanden, der sie gelesen haben wird, wiederholt oder betheuert werden. Sie wäre ein elender Roman, sie ist eine sehr lehrreiche Geschichte. Es kann indessen dem Leser Noth thun, ehe er weiter geht, von zwei Dingen unterrichtet zu seyn: warum sie nämlich geschrieben? und warum sie herausgegeben wurde?

Die Erzählung ist, fast ohne Ausnahme, das Werk der Heldinn selbst, und entstand folgendermaßen. Ein sehr achtungswürdiger [3] Arzt, den sie über den fast hofnungslosen Zustand ihrer Gesundheit um Rath fragte, mochte durch seine lange Erfahrung belehrt worden seyn, daß bei gebildeteren empfänglicheren Menschen dem Körper nicht aufzuhelfen ist, wenn der Seele nicht zugleich auch freundlich die Hand geboten wird; und dazu glaubte er das Mittel gefunden zu haben, indem er ihr anrieth, die Geschichte ihrer Leiden und ihres Unglücks aufzuzeichnen. Da es ihrer Fantasie unmöglich war, sich von den schwarzen Bildern ihrer Vergangenheit zu trennen, so glaubte er solche wenigstens in gewisse Schranken bannen zu können, wenn sie mit dem Verstande zugleich angestrengt würde, aus ihren schwankenden Vorstellungen ein wirkliches und zusammenhängendes Ganzes zu bilden. Er glaubte vielleicht, daß Luise ihr Schicksal für [4] erträglicher, ihre Wunden für weniger unheilbar ansehen würde, wenn sie sich selbst eine ungeheuchelte Rechenschaft, von allem was sie betroffen hätte, ablegte. Das Mittel war gut berechnet, aber es schlug bei einem hartnäckigen Übel nicht an; und nachdem sie sich, mit allen Erinnerungen ihres unglücklichen Lebens, so vorschriftsmäßig als es ihrer schon zu tief verwundeten Seele möglich war, beschäftigt hatte, verzweifelte sie mehr als jemals, diesseits des Grabes noch Ruhe zu finden. Diese Arbeit grub vielmehr den Gedanken und die Erwartung des Todes tiefer in ihr Herz, und es ward endlich ihr einziges Ziel, in derselben ein Denkmal zu errichten, das denen, von welchen sie sich verlassen glaubt, sagen sollte, wie sie litt und warum sie starb; das ihren Freunden zurufen sollte: »Hier ruht sie!« und Fremden: [5] »Lasset die nicht einsam und hülflos verschmachten, die jetzt leiden wie sie einst litt!« Über Grabsteinen schwebt Friede und Verzeihung, die Stimme des Todes regt keine Leidenschaft mehr auf: Friede und Verzeihung erwartete also auch Luise, die sich für lebendig todt hielt, indem sie diese Blätter in die Hände eines Mannes lieferte, den sie nicht persönlich kannte, für welchen sie aber Vertrauen und Achtung genug hatte, um ihn zur Herausgabe derselben aufzufordern.

Es schien mir etwas Heiliges zu haben, den Wunsch einer so gränzenlos Unglücklichen nicht unerfüllt zu lassen. Ohne indessen von den in dieser Geschichte auftretenden Personen eine einzige zu kennen, ohne also im Stande zu seyn über sie zu urtheilen, habe ich doch die klare Überzeugung, daß man zwar Luisen alles was [6] ihr Unglück betrifft und beweiset, auf ihr Wort glauben, über vieles aber was das ihr gethane Unrecht anbelangt, sie nicht für die kompetenteste Richterinn annehmen kann. So geschah es, nachdem die Arme die schreckliche Epoche ihrer Verstandesverwirrung überstanden hatte, daß man auf die Meinung hin, ihre Vernunft sei nicht wieder hergestellt, manches gegen sie that, das während ihrer schwachen Genesung heftig genug auf sie wirkte, um Entschlüsse in ihr hervorzubringen, welche, so hell auch ihr eignes Bewußtseyn dabei war, die Personen von denen sie umgeben war, wiederum in ihren Vorurtheilen bestärken mußten. In diesem und manchem ähnlichen Fall ist es unläugbar, daß sie Unrechtlitt; aber zweifelhaft ist es, ob man ihr Unrechtthat? Und in einem solchen Labirinth trieb sie ihr grausames Schicksal [7] mit den Menschen, die sie zunächst angingen, unaufhörlich herum. Welche Scenen von Verzweiflung würden, zum Beispiel, die Geständnisse ihres Gemahls enthüllen, wenn dieser die Gewohnheit gehabt hätte, so über sich zu brüten wie seine unglückliche Frau? Sie brütete, litt, weinte: und er war schwerlich glücklicher, indem er nach seiner Art, nach der Stimmung seines Karakters fühlte, die ihn antrieb zu toben, oder sich auf jede Weise von der Veranlassung seines Unglücks zu zerstreuen, oder gar sich an ihr zu rächen; während Luise mit gleichem, wiewohl noch unvermeidlicherem Egoismus fortfuhr, nur von ihrem Kummer auszugehen, der doch, durch seinen Einfluß auf ihren Karakter, die nächste Ursache des Mißverhältnisses war. So behandelte und dachte sie die Menschen oft besser als sie waren; so erblickte [8] und fühlte sie die nämlichen Menschen eben so oft schlimmer als sie waren; so gab ihre Güte ihr nie diejenige Kraft, welche andre im Zügel gehalten, und sie darüber hinweggesetzt hätte, über ihre und andrer Handlungen und Motive peinlich zu grübeln; so stieß schwärmerische Kleinlichkeit in ihr, unaufhörlich gegen gewöhnlich menschliche und gesellschaftliche Kleinlichkeit in Andern!

Die oberflächlichsten psychologischen Kenntnisse sind hinreichend, um auf alle, von ihren Helden selbst verfaßten Biographien, gewisse allgemeine Vorsichtsregeln anzuwenden; und wenn eine Unglückliche, mit der Erzählung ihres Lebens, fast nur eine einzige lange Krankheitsgeschichte vorträgt, muß man allerdings noch eine besondre Rücksicht darauf nehmen: in wiefern ihre Vorstellungen, von Menschen und[9] Dingen, dem Einfluß ihres individuellen Zustandes nothwendig unterworfen seyn mußten. Wenn aber ein Arzt, der einen Fieberkranken besucht, und ihn mit Heftigkeit versichern hört, daß man ein eisernes Band um seine Schläfe gelegt habe, oder ihm boshafter Weise von Zeit zu Zeit die Kehle zudrücke: – wenn der erfahrne Art auch diese Aussagen nicht für Thatsachen annimmt, so wird er sich doch, eben so wenig, auf die verdrießliche Betheurung der Wärterinn, daß dieses alles Fieberwahn sey, schlechterdings verlassen; er wird vielmehr untersuchen, ob des Kranken Kopfzeug nicht zu fest um die Schläfe gebunden ist, er wird dafür sorgen, daß man ihm einige Kissen unterlege, um ihm den peinigenden Zufluß des Blutes nach dem Kopfe zu lindern. Eben so dürfen wir das wunde Gefühl einer [10] Leidenden, die uns erzählt was sie erduldete, nicht mit müßiger Weisheit verwerfen, indem wir sagen: »Bei diesen traurigen physischen Anlagen, nach diesen unglücklichen Zusällen, bei diesem zerrütteten Körper, bei diesem angegriffenen Geiste, konnte sie von dem, was ihr begegnete, nicht urtheilen!« sondern der Menschenfreund wird die Klagende verstehn, und indem er sie versteht, den vielleicht einzig möglichen Trost ihr gewähren; er wird seine Menschenkenntniß durch sie erweitert fühlen, hier helfen so weit er kann, – denn helfen kann man selbst Kranken, die man nicht zu heilen vermag, – und Keime ähnlichen Unglücks und ähnlicher Schuld, die in so manchem Menschenzirkel verborgen seyn mögen, vielleicht noch bei Zeiten auszurotten oder zu verbessern gelernt haben. Luise beklagt sich mit vollem Recht, verkannt, [11] und weil sie verkannt wurde, mißhandelt worden zu seyn: freilich verkannte auch sie alles, und so erschien für sie keine Rettung, aus der Verwirrung ihres Schicksals. Aber die sonst ganz gleich aufgehende Rechnung von Fehlern und Vorwürfen, zwischen ihr und den Menschen mit welchen sie lebte, würde deshalb vor einem höheren Richterstuhl nicht für abgeschlossen gelten: weil die Gesunden der Kranken, die Älteren der Jüngern, die Vernünftigen der Schwärmerinn, die Starken der Schwachen, die Männer dem Weibe, mehr schuldig waren, als diese jenen. So lange daher der Tod den unglücklichen Gläubiger nicht hinweggenommen hat, so lange sollte, und so lange kann an der Schuld abgetragen werden, die, trotz aller Umstände welche sie erklären, entschuldigen, [12] rechtfertigen, alsdann doch vielleicht etwas drückend gefühlt werden möchte.

Vielleicht ist es mir mit den bisher gegebnen Winken schon gelungen, den Nutzen vorzubereiten, welchen ich durch die Herausgabe von Luisens Geschichte zu stiften hofte und wünschte. Es sey mir indessen erlaubt, noch einen sehr allgemeinen Gesichtspunkt zu berühren, aus welchem, wie mich dünkt, die folgenden Blätter betrachtet werden können. Dieses ganze traurige, bald matte bald grelle Gemälde, ist nur ein einzelnes Blatt aus der unseligen Geschichte der Konvenienz. »Durchbrecht die Schranken der Konvenienz,« sagt man, »und Ihr seid unter lauter Räubern und Mördern!« Das heißt mit andern Worten: »Reißt die Larve herab, mit welcher wir unsre sittliche Herabwürdigung zu bedecken übereinkamen, [13] und ihr werdet uns sehen wie wir sind.« Das Elend, zu dessen Vertrauten Luise ihre Leser machen wird, rührte nicht von jener großen Naturnothwendigkeit her, aus deren eisernen Banden kein Sterblicher sich oder seine Brüder zu erlösen vermag: die ganze Unvermeidlichkeit desselben lag lediglich, in dem konventionellen Kreise, den die gute Gesellschaft um sich gezogen hat, und an dessen Schranken sich Einzelne den Kopf zerstoßen mögen, als kämpften sie gegen das Schicksal selbst. Wie viele hundert Familien stehen in ähnlichen Verhältnissen, in ähnlichen Verbindungen, haben, für das gleichgültige Publikum, einen ähnlichen Schein von Wohlstand und feinen Sitten, wie Luisens Haus: indessen sie ein ähnliches Gewühl von Schwächen und kämpfenden Leidenschaften verschließen, die, so lange sie nur leise unter sich gähren, nur hie und [14] da eine kleine Schlechtigkeit hervorbringen, das öffentliche Ansehen nicht schmälern, dessen man unter jenen Bedingungen genießt; wenn sie aber einmal, bei lebhafter organisirten oder sittlicheren Menschen, sich bis zur Raserei oder zum Verbrechen entzündet haben, einstimmige Proskription auf die Unglücklichen herabziehen, deren Beispiel aus den Gewohnheiten, in welchen man so sanft ruht, aufschrecken möchte! Denn um zu bessern straft die Konvenienz nie: sie straft unerbittlich, schnell, und ungehört, um die Quellen des Übels unaufgesucht, um das Heiligthum von Verderbniß unangetastet zu erhalten.

Wenn sich solche Verhältnisse, die man alsdann nicht für traurig, nicht für schrecklich, nicht für unsittlich, sondern für ärgerlich ansieht, in einer Familie zu offenbaren anfangen, so erstaunt man, so zischelt[15] man sich solche unter einander zu, und stellt die Sache dem waltenden Schicksal anheim: denn, außerdem daß sie ein Gegenstand der Gespräche am Theetisch ist, hat sie für niemanden Interesse. Ist es dann endlich, durch die diskrete Behandlung, unter das große Publikum gekommen, daß Mademoiselle N. sterblich in Herrn N. N. verliebt ist, daß aber ihre Eltern die Neigung mißbilligen, das es sehr lebhafte Auftritte gibt, daß Mademoiselle heute mit rothgeweinten Augen in diese oder jene Gesellschaft gekommen ist, oder daß sie wirklich den Verstand verloren hat, daß der Mann, den sie auf Überredung ihrer Familie genommen, sich nicht um sie bekümmert, daß man sie einer Wärterinn überläßt, die sie mit Ruthen peitscht, verhungern läßt, u.s.w. – so empfindet zwar die Familie, Unschuldige wie Schuldige, [16] eine gewisse nachtheilige Wirkung dieser Gerüchte in der öffentlichen Meinung, die zu versöhnen sie indessen ein unfehlbares, aber einziges Mittel hat, sobald sie das geschehene Übel wieder unter etwas äußeren Anstand zu vergraben weiß, wo es dann rettungslos austoben mag; dahingegen jeder mögliche Schritt, es zu verbessern, das allgemeine Skandal nur vermehren, und auch in der That, durch die Konvenienz, wesentlich unwirksam gemacht würde. Wenn einzelne feinere Seelen sich entsetzen, daß unter solchen Menschen solche Gräuel vorgehn, wenn sie gar dem Schein von Schwärmerei und Bizarrerie, von Don Quixottismus, genug trotzen um helfen zu wollen, so finden sie doch gar bald, daß dieser Schein nicht umsonst auf ihr Bestreben geworfen ist, daß er deswegen da ist, damit es ihnen unmöglich [17] sey, in solchen Dingen etwas gut zu machen. Und die kleinere Anzahl von vertrauten Freunden oder Angehörigen des Hauses, denen selbst das Publikum das Recht zugestehen würde, sich um die Angelegenheiten desselben zu bekümmern: – o wie wenig hätte die Konvenienz ihren Vortheil verstanden, wenn sie nicht auch deren Recht so beschränkt und verklausulirt hätte, daß es ihrer Herrschaft nicht gefährlich würde! Schwerlich wird ein unbefangener Leser der folgenden Geschichte sich entbrechen auszurufen: War denn kein Mensch barmherzig genug, um Luisen aus den Händen ihrer Henker zu erlösen? Hätte man der Mutter, welche mit alrer Zärtlichkeit für ihre Tochter sie ihrem Stolze aufgeopfert hatte, und von den Ruthen fühlloser Miethlinge zerreißen ließ, da ihr Zustand sie der Nachsicht, der Pflege die man keinem Säuglinge versagt, bedürftig machte, hätte man ihr nicht ihre Pflicht mit strengem Ernst vorhalten [18] sollen? Konnte denn kein einfaches vernünftiges Weib schon vorher, zur rechten Zeit, zu Luisen sagen: »Junge Frau, mit dieser romanhaften Zärtlichkeit, dieser Ebbe und Fluth von Gefühlen, fesselt man wohl einen jungen unbärtigen Liebhaber; aber sie beglückt keinen Ehemann, der nicht von Zeit zu Zeit Sonn- und Festtagskost, sondern in seinem Hause täglich seine behagliche physische und moralische Existenz sucht, und fordern darf?« Giebt es für diejenigen, die den platonischen Vertrag zwischen Luisen und ihrem Gemahl kannten, und ein Recht hatten drein zu sprechen, eine Entschuldigung, daß sie ihn jemals zugaben? Daß Blachfeld ihn einging, war so natürlich, daß er ein fühlloser Wilder gewesen wäre, wenn er es nicht gethan hätte; aber ein Thor, oder etwas, selbst nach platonischen Begriffen die das Verdienst doch wohl in der Überwindung setzen, höchst verdienstloses wäre er gewesen, wenn er nicht, indem er sein Wort [19] gab, sicher gerechnet hätte, daß Natur Liebe und Pflicht ihn vor Ablauf der Frist davon lossprechen würden. War aber die Veranlassung zu diesem Vertrag unwiderruflich in Luisens Karakter, vielleicht gar in ihren physischen Anlagen gegründet, so war die Ehe ihre Bestimmung nicht, und man mußte sie nicht verheirathen: war sie blos die Geburt überspannter Gefühle, verkehrter Begriffe von Liebe und Glück, oder falscher Besorgnisse wegen ihrer Gesundheit, so mußte das unerfahrne Mädchen eines Bessern belehrt werden, ehe ihr erlaubt wurde Pflichten zu übernehmen, die für sie um so schwerer und heiliger waren, als weder Neigung noch Vernunft, sondern Eitelkeit und Konvenienzen die Heirath schlossen; und also weder Kopf noch Herz, sondern der kahle dürre Buchstabe bürgerlicher Pflicht, über das Glück dieser Ehe zu wachen hatte. Das Ansehen, welches die gute Luise am meisten ehrte, mischte sich gerade hierin nicht: die [20] Stimme der Freundschaft, – Leidet die Konvenienz denn Freundschaft? Unter Jünglingen trifft man zuweilen noch eine Spur von dem Urbilde der Freundschaft, gegenseitiges Mittheilen, und Beistehen mit Geist Herz und Beutel: aber das reifere Alter, welches uns immer als das Ziel der Weisheit angerühmt wird, und welches die Konvenienz zum Grabe der schönen Menschlichkeit gemacht hat, trennt dieses Band. Ein vernünftiger Mann hat keine Freunde mehr, er hat Kollegen, er hat standesmäßigen Umgang, und wenn die Frau barmherzig ist, so darf er wohl gar Tisch- und Trinkgenossen haben, aber einen Freund? – welch ein Romanenbegriff! Wenn man Weib und Kinder hat, vergeht einem das schon von selbst. Weiberfreundschaften aber tragen nicht einmal eine Jugendblüthe; sie sind die Geburt des elterlichen Drucks, der Eitelkeit, der Gewohnheit, der leeren Empfindelei, öfters der Intriguensucht, und je größer der Ort, je höher der [21] Stand, je reifer das Alter, desto seelen- und herzloser werden sie. Wie würde das Tribunal der guten Gesellschaft sich empört haben, wenn ein wohlmeinendes Weib sich Luisens noch vor ihrer Heirath angenommen, und zu ihr gesagt hätte: »Prüfen Sie sich, und finden Sie sich stark genug, um Ihrer Mutter Mißfallen zu ertragen, finden Sie, daß es blos Vorurtheil und Hochmuth ist, was sich der Wahl Ihres Herzens entgegen setzt, so bleiben Sie bei dieser, beweisen Sie durch das Glück Ihrer Ehe, durch Ihre Verdienste als Weib, daß ihre Eltern irrten, zwingen Sie so Ihre gute Mutter, sich Ihres Glückes zu erfreuen; wo nicht, so müssen Sie doch immer mit Ernst und Kraft jedes Mittel erforschen und anwenden, um auch in diesem Verhältniß nicht unglücklich zu seyn; so dürfen Sie nichtleiden, und indem Sie sich für Ihre Mutter zu opfern wähnen, sie durch Märtirerthum für den Zwang, den sie Ihnen anthat, strafen!« Wehe der Kühnen, die eine solche Alternative [22] aufgestellt hätte! der Stab ward über sie gebrochen. Als nun aber Luise zu ihrer Heirath beredet war, hätte man ihr nicht auch dann noch richtigere Begriffe von der Autorität ihrer Mutter, von dem Einfluß ihrer übrigen Familie auf ihr eignes Thun, beibringen können? Hätte man sie nicht belehren können, daß sie als Gattin und Mutter ihrem Gemahl, dem Vater ihrer Kinder, aber in nichts, das ihre Ehe beträfe, ihrer Familie mehr angehörte? Hätte man ihr nicht den Muth geben können, das ehrwürdige Vorurtheil ihrer kindlichen Liebe mit der Fackel wahrer Sittlichkeit zu beleuchten? – Können! Als ob der Begrif, was Freunde thun können, nicht schon längst dem verzehrenden Hauche der Konvenienz hätte unterliegen müssen, um auch hier das Wort auf den Trümmern der Sache herrschen zu lassen!

»Aber was wollt Ihr? Es bleibt doch beim Alten! So laßt auch Ihr es dabei!« – Und wie alt ist denn das Alte? [23] Nein, es war nicht von jeher so, und es kann und wird nicht immer so bleiben. Man darf es denen, die das Gegentheil behaupten, kühn überlassen, es zu beweisen.

Zuverläßig giebt es unter den Leiden, welche diese Unglückliche betrafen, nicht ein einziges, das nicht abgewendet worden wäre, wenn der Kreis von Indolenz, von Rücksichten, von Furchtsamkeit, von allen Verneinungen aller Tugenden, den man unter dem Namen Konvenienz der gesellschaftlichen Menschheit als oberstes Gesetz aufgedrungen hat, sie nicht umschlossen hätte. Wenn also Ein Leser von Luisens Geschichte dadurch veranlaßt wird, Ein Mittel zu finden, um sich durch die Verschanzungen der Konvenienz durchzustehlen, und Eines ihrer zahllosen Übel zu verhüten, so ist die Herausgabe dieser Blätter gut gewesen.

[24]

[Luise]

[1] Luise war die Tochter eines Mannes, welcher in der Residenz des Fürsten von **, nicht weit von der Hauptstadt S .. s, eine ansehnliche Stelle bekleidete. Ihr Vater einer von den Menschen, welche die Natur nur selten hervorbringt. Wenig Bedürfnissen unterworfen, blieb er von Geitz und von Habsucht gleich entfernt; ausschließend mit den abstraktesten Wissenschaften beschäftigt, widmete er ihnen die ganze Zeit, die seine Amtspflichten ihm übrig ließen. Ohne Enthusiasmus, kalt aus Temperament, kannte er weder Eitelkeit noch Ehrgeitz; aber eben deswegen war er auch jedes gespannteren feinen Gefühls unfähig. Seine Tochter glich ihm zu ihrem Unglück nur zu wenig; sie betete ihren Vater an, ohne es ihm sagen zu dürfen; denn wenig mittheilend wie er war, bot er ihr keine Gelegenheit dazu; und [1] ungeachtet seiner tiefen Menschenkenntniß, blieb ihm das Herz seiner Tochter verborgen. Er wollte ihr Glück, verfehlte aber die Mittel. Aus Furcht vor der Ansteckung des Zeitalters, schloß er sie von allem Umgange mit andern jungen Leuten aus. Sein hohes Alter und eine schwache Gesundheit dienten ihm selbst zum Vorwande, keine Besuche anzunehmen; und obgleich der Geschmack seiner Frau in diesem Stücke sehr von dem seinigen abging, so war sie doch vernünftig genug, sich darin zu finden, und beschäftigte sich einzig und allein mit ihrer Wirthschaft. Auf diese Weise blieb Luisen keine andere Gesellschaft, als die Bücher Sammlung ihres Vaters, die sie ohne alle Wahl mit heissem Eifer durchlas. Bey einem von Natur zur Schwermuth geneigten Karakter, ergriff sie alles was ihre Melancholie nähren konnte. Youngs Nachtgedanken, Heloisens Brief an Abälard, Clarisse, Sethos, waren ihre Lieblingsschriften, und brachten bald ein Chaos in ihrem Kopfe hervor, aus welchem sich der einzige feste Begriff entspann, daß die Tugend in dieser [2] Welt auf kein Glück zu rechnen habe. Ihr Gefühl führte sie zur Frömmigkeit an: allein dieser heilige Trieb, welchen der Schöpfer zum Trost, und zur Erleuchtung in des Menschen Herz legte, ward ein Feuer für sie, das an ihrer Seele nagte, ohne sie zu erhellen. Da sie ohne einen andern Führer als die zarteste Gewissenscheu, verschiedene strenge Religions-Bücher gelesen hatte, ward sie von Reue gepeinigt, ehe ihre Seele die Schuld kannte; und die Ruhe der Unschuld war bei dem reinsten Herzen fern von ihr. Ihre Mutter, welche ihrem Hauswesen aus Geschmack und mit vollkommner Sachkenntniß vorstand, ließ sich von Luisen wenig dabey helfen, und der Vater, weit entfernt sie von ihrem Geschmack an den Wissenschaften abzubringen, hatte vielmehr seine Freude daran. Luise machte auch wirklich einige Fortschritte, die aber ihrer Gesundheit nachtheilig waren, und ihren angebornen Hang zur Schwermuth noch vermehrten. Auch glaubt sie, daß ein unglücklicher Fall, den sie in der damaligen Zeit that, den Grund zu ihrer nachherigen[3] schrecklichen Krankheit, und zu dem daraus erfolgten Elend ihres Lebens gelegt haben mag. Sie stürzte nämlich in ihrem funfzehnten Jahre rücklings zwei Treppen herunter in einen Keller, mit dem Kopf auf die Steine; ihr Vater war sehr um sie besorgt, und obwohl keine sichtbare Beschädigung zurückblieb, obwohl jene Krankheit erst zehn Jahre darauf entstand, so empfand sie seitdem doch immer, bei jeder anhaltenden Beschäftigung des Geistes, oder bei äusserlichen Erschütterungen, wie z.B. vom Fahren, Schmerzen, die den bei ihrem Falle ausgestandenen ähnlich waren.

Luisens Vater ward bald genöthiget, seines hohen Alters wegen, sein Amt aufzugeben; allein mit dem persönlichen Zutrauen seines gütigen Herrn beehrt, blieb er in dessen Nähe, und überließ sich nun einzig seinen Lieblingswissenschaften. Seinen sehr eingeschränkten häuslichen Umgang vermehrte damals ein Mann, der zu einer erledigten geistlichen Stelle berufen worden war, und dessen ganze Familie Luisen sehr interessiren mußte. Der Mann sowohl als [4] seine Gattinn zeichneten sich durch Geist und Kenntnisse aus, und beschäftigten sich mit der Erziehung von drey Kindern, an welchen Luise bald so zärtlich hieng, als hätte die Natur sie zu ihrer Mutter gemacht. Sich mit ihnen beschäftigen, ihre Spiele theilen, sie liebkosen, waren die süssesten Freuden dieser liebenden Seele, die endlich ihre rechte Bestimmung entdeckt hatte. Wenn sie sich mit den Kindern gefiel, so unterrichtete sie sich bey den Eltern, und versäumte keine Gelegenheit sie zu sehn. Ihr junges Herz war geschmeichelt, sich bei Menschen von so viel reiferem Alter, von so anerkanntem Verdienste, als Freundinn aufgenommen zu sehn. Diesem Reize widersteht man in der Jugend nicht; es war für sie die reinste, die entzückendste Empfindung, die aber nicht lange ungetrübt blieb: Luise sog unter diesem gastfreyen Dach ein langsames aber tödliches Gift ein. Das Glück dieser beyden Gatten stellte zum erstenmal, und unter einer mehr rührenden als wahren Gestalt, das Bild einer ehelichen Verbindung vor ihre Augen. Nach einer [5] sechsjährigen Ehe war der Mann noch immer der Liebhaber seiner Frau. Da weder Ehrgeiz noch Eigennutz dieses Band geknüpft hatten, so fanden die Ursachen seines Wohlgefallens an ihr immer noch statt: und überdem war er nicht, wie die meisten Männer, von seiner Gestalt und seinen Verdiensten, so vorzüglich diese auch waren, eingenommen; sondern gestand es ein, daß ein Mann, wie glänzend seine Eigenschaften auch seyn möchten, einem Weibe immer Dank schuldig sey, die oft mit nicht geringeren Talenten, ihr Leben kleinlichen Beschäftigungen widmet, seine Suppe kocht, für seine Wäsche, seine Kleidung sorgt, und ihm auf Kosten ihrer Gesundheit von Zeit zu Zeit den Genuß verschaft, ein Kind zu liebkosen, das er nur in den schönsten Augenblicken sieht, indeß die Mutter allein alle Sorgen, alle Last, alle Gefahren erträgt, die von ihrer Lage unzertrennlich sind. Diese Betrachtungen bewogen Luisens Freund, seine Frau mit noch mehr Achtsamkeit und Sorgfalt zu behandeln, wie er als Liebhaber gethan hatte; denn damals,[6] pflegte er zu sagen, hatte sie noch nichts für mich gethan, und konnte thun und lassen, was ihr gefiel; ich habe wirklich zu viel Eigenliebe, setzte er lachend hinzu, um sie den Verlust dieser Freyheit bedauern zu lassen. Diese Worte machten einen tiefen Eindruck auf Luisen: unwillkührlich wünschte sie, ihr Schicksal möchte dem ihrer Freundin gleichen; und die Unmöglichkeit, diesen Wunsch erfüllt zu sehn, brachte jene schmachtende Stimmung in ihr hervor, welche die Seele durch Unthätigkeit entnervt, und indem sie immer nach einem geliebten Hirngespinnst strebt, solche gegen alles wirkliche Gute was sie umgiebt, mit Widerwillen erfüllt.

Luise hatte nun das Alter erreicht, wo junge Leute ihrer Religion gewöhnlich die erste Kommunion empfangen. Ihr Freund ward ihr Lehrer und Beichtvater; er hatte eine vorzügliche Gabe zum Unterricht der Jugend. Außer der Kunst sich ganz nach ihrer Fassungskraft zu richten, besaß er die glückliche Gabe der hinreissendsten Überredung. Seine Schüler ehrten ihn wie das Ebenbild des Gottes. den er ihnen [7] predigte, und liebten ihn wie einen Vater. Näher als manche seiner Amtsgenossen mit den menschlichen Schwächen bekannt, bezeugte er ihnen mehr Theilnehmung. Man denke sich die erhabensten Tugenden der Religion von einem Manne vorgetragen, der selbst von ihrem wichtigen Einflusse auf unser Glück heilig überzeugt war, und dessen ganzes Leben diesen Wahrheiten zum Belege diente; man denke sich, sage ich, die Wirkung welche dieser lebendige Unterricht auf Luisens Herz haben mußte. Ihr war kein reines Glück beschieden. Indem ihre Mutter und ihre Brüder sie über den Enthusiasmus, mit welchem sie von ihrem Freunde sprach, aufzogen, versetzten sie ihrer Ruhe einen tödlichen Streich; sie wurde mißtrauisch gegen diese unschuldigste Leidenschaft, und der Frieden wich aus ihrer Secle. Ein kleiner Vorfall trug noch mehr dazu bey, sie in diesem unglücklichen Irrthume zu bestärken. Luise hatte ihren Freund in Pastell gemahlt: eines Tages zeigte sie dieses Bild einer ihrer Bekannten, einer Frau von vielem Geist, und der einzigen mit welcher ihr [8] Vater ihr gestattete umzugehn. Indem jemand aus der Gesellschaft die Bemerkung machte, wie Schade es sey, daß diese Art Mahlerey so schnell verlösche, näherte sich Madame E**, der sie das Gemählde zuerst gezeigt hatte, Luisens Ohr, und sagte: »Ich weiß nicht, ob die Zeit etwas über dieses Bild vermag; wäre ich aber Ihr Liebhaber, so würde ich es kaum hoffen.« Luise schlug erröthend die Augen nieder; dieser Moment ließ sie einen schrecklichen Blick in ihr Inneres werfen. Der Ruf ihres Vaters zog viele junge Leute in ihr Haus; manche von ihnen hatten Luisen mit schmeichelhafter Auszeichnung behandelt, sie war äusserst gleichgültig dagegen gewesen, und hatte sich bis jetzt dessen gerühmt; jetzt glaubte sie die Ursache davon errathen zu haben, und schauderte vor Schrecken zurück. Die finstersten Gedanken stürmten auf sie ein; sie durfte die Augen nicht mehr zu der Gattin ihres Lehrers aufschlagen; sie durfte seine Kinder nicht mehr liebkosen; wie Kain floh sie die Menschen, und hatte keine Ruhe mehr.

[9] Dem Anschein nach floß Luisens Leben wie ein Bach zwischen blühenden Ufern hin; aber ihre traurige Stimmung ungerechnet, hatte sie auch schon nagenden Kummer gekannt. Ihre Mutter, deren herrschender Hang Mitleid und Wohlthun war, hatte ein Weib aufgenommen, die mit dem falschesten Herzen alle Fehler einer niedrigen knechtischen Erziehung verband. Diese Person hatte sich in das Vertrauen der Madame N. einzuschleichen, und sich unentbehrlich zu machen gewußt, indem sie doch ihre Wohlthäterin von mehr als einer Seite betrog. Luise hatte das Alter erreicht, wo sie ihren Eltern die Augen hätte öffnen können, das Weib fürchtete und haßte sie also in gleichem Grade; sie fand es ihrem Interesse gemäß, Luisen das Vertrauen ihrer Mutter, das theuerste Gut welches sie besaß, zu entziehen. Sie dachte über ihre Handlungen nicht nach; und so unermüdet sie Luisen verfolgte, so fehlte es ihr doch an Verstand, um zu fühlen, wie satanisch ihr Betragen war. Gescheute Leute können manchmal bei dem Bösen das sie thun,[10] inne halten: Dummköpfe blicken nie hinter sich, um das Übel zu übersehen, das sie veranlassen. So böse dieses Weib war, so konnte sie doch keinen Armen, Nackten sehen, ohne ihm beyzustehen, oder ihn zu kleiden. Wenn sie Luisen in solchem Zustande gesehn hätte, würde sie ihr ihren letzten Rock gegeben haben; aber in einer Lage, die ihr weit eher Neid als Mitleid zu verdienen schien, glaubte sie ihr allen Kummer und Verdruß anthun zu können. Sie hatte sich durch ihre Talente, kleine Kinder zu pflegen, und der Wirthschaft vorzustehn, nun funfzehn Jahre in diesem Hause erhalten, und sie konnte Luisen um so mehr Kummer machen, als diese jetzt in das Alter trat, wo man zu furchtsam ist, sich zu beklagen, und zu wenig Erfahrung hat, um zu wissen, daß dem Bösen wie dem Guten ein Ziel gesetzt ist. In späteren Jahren hatte Luise die Genugthuung, ihre Mutter, durch das eigene Geständniß dieser Frau auf ihrem Todtbette, von ihrem Mißtrauen gegen sie zurückkommen zu sehen. Die Sterbende klagte sich ihrer Härte und Verfolgungssucht, als des [11] größten Verbrechens ihres Lebens an, und Luise genoß das Vergnügen, ihre Mutter zu besänftigen, welche im Begriff stand, ihr harte Vorwürfe zu machen. Aber was ist Kummer und Verfolgung, gegen den nagenden Zahn des Gewissens? Luise nahte sich jetzt dem Augenblicke, der sie in den Schooß der Kirche, in die Gemeinschaft der Gläubigen aufnehmen sollte: aber sie durchdrang nicht das Zutrauen eines zärtlich gehorsamen Kindes, sondern der Schrecken des Schuldigen, welcher sich der Gnade unwerth fühlt, die ihm sein Richter verheißt.

Wenige Zeit nach dieser feyerlichen Handlung, starb einer der vornehmsten Schullehrer an dem Orte wo Luise lebte. Da sich kein tüchtiger Mann zur Besetzung seiner Stelle in dem Ländchen fand, lud der Fürst einen Mann aus ** zu sich ein, der ihm von vielen sehr achtungswerthen Personen empfohlen war. Wenig große Herren haben so vielen Eifer für die Erziehung ihrer Unterthanen, als der Fürst von **. Er fand das gegenwärtige Geschlecht sehr weit zurück, und wollte daher für den Unterricht [12] des nächstfolgenden, besonders aber für die Milderung ihrer Sitten sorgen. In einem kleinen Orte erregt alles Aufmerksamkeit. Die Nachricht von der Ankunft eines neuen Schullehrers beschäftigte Jedermann. Die Dame, deren ich schon einmal erwähnt habe, las Luisen einen Brief dieses erwarteten Fremden an ihren Mann vor. Er war schön geschrieben. Luise brachte den Abend bei ihrem Freunde zu, und sprach mit Beyfall von diesem Briefe. »Meine Frau und ich, sagte dieser, haben oft bemerkt, daß in unserer Nähe kein Mann zu finden ist, der unsre liebenswürdige Luise verdient. Ich schmeichle mir fast, daß dieser Fremde eine Ausnahme machen wird.« Luise antwortete nicht, aber sie erröthete auch nicht. Der Gedanke an einen Gatten zwingt der Unschuld keine Röthe ab.

Bey der beständigen Furcht, von einer strafbaren Neigung sich bemeistern zu lassen, ergriff Luise eifrig jede Zerstreuung, ohngeachtet die Denkungsart ihres Vaters wenig Gelegenheit dazu darbot. Die beyden einzigen Häuser, [13] welche sie besuchen durfte, waren das der Madame E**, und die Familie ihres geistlichen Lehrers. Der ersten verdankte sie einen Theil ihrer Erziehung, und nach ihrer Mutter liebte sie niemanden mehr wie sie. In gewisser Rücksicht harmonirten ihre beyden Karaktere sogar besser: und Luise warf es sich oft vor, die Gesellschaft einer Fremden ihrer Mutter vorzuziehen. Ihr eignes Haus hatte wenig anziehendes für sie. Ihr Vater, der sich, ungeachtet seines hohen Alters, noch immer mit den abstraktesten Wissenschaften beschäftigte, sprach wenig, und hatte nach und nach der ganzen Familie diese Gewohnheit beygebracht. Luisens Brüder waren ihr so unähnlich, daß ihr Hang zur lärmenden Freude eben so die Gränzen überschritt, wie der Schwester Neigung zur Melancholie. Sie sah alle Dinge nur von der traurigen Seite, – die Brüder faßten nur die lächerlichen auf: und statt Luisen zu schonen, machten sie sich ein Fest daraus, sie unbarmherzig aufzuziehn. Diese Auftritte endigten auf Luisens Seite mit Thränen und Gewissensvorwürfen; [14] denn sie machte sich deren bey allen Veranlassungen: dessen ohngeachtet hatte sie die zärtlichste Liebe für ihre Brüder, und ein hartes Wort von ihnen that ihr weher, als alles was andere ihr sagen konnten. Die Brüder liebten sie auch, aber kannten sie nicht: und ohne sich die Mühe zu geben, einen Karakter zu erforschen, den sie für unerklärlich hielten, trieben sie ihren Scherz damit. Sie kannten das Leben nur von seiner lachenden Seite. Ihr Vater, der sie für die Welt bestimmte, wollte sie frühzeitig zur Unabhängigkeit gewöhnen, damit sie späterhin keinen Misbrauch davon machten. Sie liefen den ganzen Tag mit ihren Freunden umher. Ihre Mutter betete sie an, und diente ihnen oft bey dem Vater zum Dollmetscher, wenn sie nicht Muth hatten, ihre thörigten Einfälle selbst vorzutragen. Bey den glücklichsten natürlichen Anlagen machte ihnen das Lernen wenig Mühe, und füllte einen desto kleineren Theil ihrer Zeit. Der Rest derselben ward zu körperlichen Übungen angewandt. Es giengen ganze Tage hin, wo sie Luise nur aus ihrem Fenster sah, [15] wie sie ihre Pferde sattelten oder einspannten, und von einer unbestimmten Unruhe verzehrt, blickte sie dann sehnsuchtsvoll in die Gegend hin, wo sie ihrem Auge entschwanden. Es ist nicht genug, daß man die Mädchen in der Einsamkeit erzieht; man muß sie auch lehren, Gefallen daran zu finden: und zu diesem Endzweck muß man sie ohne Aufhören beschäftigen, durch alle möglichen häuslichen Freuden erheitern, und, durch die Wahl und Abwechselung ihrer Beschäftigungen, vor Überdruß schützen.

Bey so vielen Unannehmlichkeiten in ihrer häuslichen Lage war es sehr natürlich, daß Luise, bei ihrer Zurückkunft von ihrem Freunde, den Vortheilen nachdachte, welche sie bei einer Verbindung mit dem neuen Schullehrer finden könnte. Von der Zucht einer alten bößlaunigten Magd befreyt, einem eignen Hauswesen vorzustehen, diese Aussicht mußte einem thätigen Geiste schmeicheln. Sie sah sich schon an der Spitze ihrer kleinen Republik. Mit einiger Betriebsamkeit war es leicht, ihrem Manne alle Annehmlichkeiten des Lebens zu verschaffen, die [16] Kunst ihm zu gefallen sogar zu verfeinern, und dabey noch Nothleidenden zu helfen, Glückliche zu machen: Welch ein Glück für Luisen! Bald studirte sie mit ihrem Manne, bald besuchten sie beyde ihre Eltern, und die Frauenwürde hatte Luisen zu dem Range einer Freundin bey ihrem Vater, ihrer Mutter erhoben; sie liebkosete sie, sie führte ihnen ihre Kinder zu, und beyde genossen und theilten ihr Glück.

Mehrere Wochen verflossen unter diesen süßen Träumen. Eines Abends, wie der Geistliche und seine Frau bey Luisens Eltern speisten, meldete man den Besuch des eben angekommenen Schullehrers; er tritt ein, Luise steht auf um ihn zu begrüßen, blickt ihn an, – und ihr Traum verschwindet. Sie fand ein kaltes, abgemeßnes Wesen, unregelmäßige Züge; kurz, nichts was dem Bilde entsprach, das ihrer Fantasie vorgeschwebt hatte. Sie setzte sich wieder an ihren Platz, und wie sie ihn kaltblütiger beobachtete, fiel ihr Urtheil günstiger aus. Er hatte die Art von Welt, welche Männer nur durch Reisen erlangen, und die bis jetzt Luisen [17] noch ziemlich unbekannt war; eine lehrreiche Unterhaltung, die um so angenehmer wurde, wenn er mit Frauenzimmern sprach, weil er sie zu unterrichten wußte, ohne sie zu demüthigen. Der Abend verstrich Luisen wie ein Augenblick; und dieser Mann, den sie nur mit dem äußersten Widerwillen geheirathet hätte, schien ihr dennoch sehr liebenswürdig. Luise hatte an demselben Tage häuslichen Verdruß gehabt; ihre Augen waren von Weinen geschwollen; es war gar nicht zu verwundern, daß sie keinen Eindruck auf Herrn O. machte: er suchte daher eben so wenig ihr zu gefallen, sein übrigens sehr geistreiches Gesicht belebte sich nicht. Sie sahen sich nachmals wieder, sie wollte seine Aufmerksamkeit nicht anziehen; indessen war es in den Gesellschaften, wo sie zusammen kamen, natürlich, daß ihr mit einiger Auszeichnung begegnet wurde. Mehr that auch Herr O. nicht, aber er wußte diesen kleinen Bemühungen eine Wendung zu geben, welche sie, für ein Mädchen von Luisens zartem Gefühl, schmeichelhaft machte. Man hatte ihr oft angenehme Dinge [18] gesagt, aber nie waren sie so wohl angebracht, so geistreich gewesen. Er behandelte sie nicht wie ein hübsches Mädchen, sondern wie ein vernünftiges Wesen, dessen Unterhaltung man schätzt; ein Unterschied für welchen Luise ihm wohl Dank wußte. Eines Morgens, wie sie der Gattinn ihres Freundes einen Besuch abstatten wollte, fand sie diese mit ihrer ganzen Familie und Herrn O. im Begriff nach *** zu einer Madame R. zu fahren. Man schlug ihr vor, von der Gesellschaft zu seyn, worauf sie die Nothwendigkeit ihrer Eltern Erlaubniß zu erhalten einwendete. Herr O. eilte fort, und brachte diese Erlaubniß zurück. Solche Dienste sind von großer Würkung. Ein anderer hätte sich mit der faden Bemerkung begnügt, daß ihre Eltern sich freuen würden, sie in so guter Gesellschaft zu wissen, daß sie eine so liebenswürdige Tochter zu sehr schätzten, um ihr dieses Vergnügen zu versagen, und dergleichen. Man fuhr ab, indem Herr O., um die Frauenzimmer nicht im Wagen zu belästigen, zu Fuß voraus gieng. Man langt an, geht spatzieren, und [19] Herr O. bietet Luisen den Arm an. Das furchtsame Mädchen schlägt ihn aus. Er ist erstaunt, beleidigt, und giebt ihn einer andern, mit diesen Worten: »Ich hoffe, daß ich nicht noch eine Weigerung erfahren werde.« So läßt er Luisen zur Strafe ihrer Prüderie allein im Sande waten. Und er that ihr Unrecht: es war nicht Prüderie. Sie war die jüngste der Gesellschaft; sie war bescheiden, und fürchtete, sich in den Augen der übrigen Frauenzimmer lächerlich zu machen, wenn sie Herrn O. auf diese Weise in Beschlag nähme. Die Furcht ihn beleidigt zu haben, beunruhigte sie indessen. Sie fühlte daß es ihr an Welt fehlte; sie ahndete, wie kindisch sie in seinen Augen erscheinen müßte, wie sehr er ihr überlegen wäre. Als sie ihn vor sich hergehen sah, und den Anstand seiner Gestalt bemerkte, konnte sie nicht umhin, schmerzlich darüber nachzudenken. Er war wohl gebaut, und sehr groß: ein Vortheil der dem Weibe immer den Begriff giebt, Schutz und Vertheidigung bey so einem Manne zu finden. Herr O. war diesen Tag sehr munter; er wollte[20] sich geltend machen, und es gelang ihm. Nachmittags streifte man wieder umher. Luise nahm seinen Arm an; man verirrte sich, blieb lange unterwegs. Herrn O.'s Unterhaltung war unendlich abwechselnd, aber immer gleich interessant; seine Sprache war schön, seine Stimme wohlklingend und sanft; sie fand die schwache Seite von Luisens Herzen. Die Gewissensbisse wegen ihrer Neigung für ihren Freund verschwanden, sie fing an, Liebe von Freundschaft zu unterscheiden: aber sie ahndete nicht, daß diese neue Erkenntniß ihr die Ruhe des Lebens kosten würde. Ihr kam nun alles darauf an, zu wissen ob sie geliebt wäre. Es ist nicht bekannt, ob Herr O. dieses Nachforschen bemerkte, aber gewiß ist es, daß er nicht für gut hielt, ihr darüber einen Aufschluß zu geben. Luise hatte sich nie verstellen können: ihre Eltern wurden ihre Neigung bald gewahr. Sie stand der Familie nicht an. Der Vater setzte sich mit Strenge die Mutter mit Heftigkeit dagegen, die Brüder griffen sie mit dem bittersten Spott an. Das väterliche Haus wurde ihr zur Hölle. [21] Ihr furchtsames Gewissen verrieth sich jedesmal, wenn sie Herrn O. gesehen hatte, und es kam endlich so weit, daß sie nicht mehr über die Schwelle gehen durfte.

Bei der furchtsamen zärtlichen Liebe, welche Luise für ihre Mutter hatte, mußte es ihr unendlich weh thun, ihre Neigung in einem so hartnäckigen Streit mit den Wünschen der Madame N. zu finden. Sie las einmal im Tom Jones, und kam an die Stelle, wo Madame Miller zum erstenmal die Freude hat, ihre Tochter als Mistreß Nightingale zu begrüßen. Fielding schildert die Empfindung dieser zärtlichen Mutter, mit der ihm eignen unnachahmlichen Wahrheit, und in Luisen erwachte dabei die peinliche Erinnerung, daß ihre Mutter, außer allen ihren triftigeren Gründen gegen diese Verbindung, auch einen entschiednen Abscheu vor dem Namen des Mannes hatte, den Luisens Herz begünstigte. Sie stellte sich vor, wie ihrer Mutter die Freude, ihr Kind verheirathet zu sehen, schon durch diesen Umstand verbittert werden würde. Sie bat Gott kniend und mit [22] Thränen, ihr Gemüth von einem Gegenstande abzulenken, der ihrer Mutter unangenehm war; sie verbrannte einen Schattenriß des Mannes, den sie ohne sein Wissen besaß; und nahm sich ernstlicher wie jemals vor, den Absichten ihrer Eltern zu willfahren. Herr O. suchte sie nicht auf, sie sah ihn also nicht mehr, aber er wich nicht aus ihrem Gedächtnisse. Indessen that man Luisen Heirathsvorschläge, die weit über ihre Erwartung waren, und ihrer Mutter sehr gefielen: sie kamen von einem Manne, der Luisen nicht mißfallen konnte; aber sie liebte Herrn O., und würdigte den Vorschlag keiner Aufmerksamkeit. Der Mann bekleidete eine ansehnliche Stelle, deren Aufwand er durch die Gewißheit einer reichen Erbschaft bestreiten konnte. Luisens Mutter verzieh ihr diese Weigerung nie, und warf sie ihr, hinter dem Rücken des Vaters, oft als einen Beweiß ihrer romantischen Neigung für Herrn O. vor. Luise bereute sie indessen nicht. Bald hernach erhielt Herr O. einen auswärtigen Ruf: er reiste ab, und Luise hat seinen Verlust empfunden, [23] bis der Tod ihres Vaters, durch wirklichen Kummer, diesen eingebildeten verlöschte. Luise ward von ihrem Vater zärtlich geliebt, keine Heirath schien ihm vortheilhaft genug, und, so lange er lebte, versagte er sie allen Freyern. Die Mutter dachte anders: sie fürchtete so sehr, daß Luise wegen dessen was sie romantische Denkungsart nannte, in ihrer Wahl die Konvenienz beleidigen möchte, daß sie herzlich wünschte, sich dieser Sorge, durch eine schickliche Heirath, zu entledigen. Um ihrentwillen begünstigte Luise zuweilen Anträge, welche ihres Vaters Rath, und Herrn O.'s Andenken sie nachmals verwerfen machten. Das väterliche Haus mißfiel ihr indessen; und ob sie gleich nicht wagte sich es zu gestehen, wünschte sie sich doch aus demselben heraus. Die Familie brachte, seitdem der Vater sein Amt abgegeben hatte, acht Monathe des Jahres in einem kleinen Dorfe zu, dem kein Mann sich näherte, außer wenn Freunde von Luisens Brüdern hinkamen, und dann trieben sie unter einander Spiele, an denen Luise nicht theilnehmen [24] konnte, oder machten so weite Spatziergänge, daß es ihr unmöglich war ihnen zu folgen. Sie sah sie also nur bey Tische, wo sie sich zuweilen mit witzigen Einfällen und kleinen Neckereien belustigten; sobald aber die Unterhaltung lärmend ward, pflegte der Vater Stillschweigen zu gebieten. So traurig für Luisen diese Einsamkeit war, so schien sie es ihr doch nicht so sehr, als das Schicksal, einem Manne, den sie nicht schätzte, ihre Hand zu geben. Dieser Gedanke quälte sie um so mehr, als die Begriffe ihrer Mutter, in diesem Punkte, von den ihrigen sehr verschieden waren. Eines Tages, als diese traurigen Bilder sie beschäftigten, erhielt sie einen Brief von einem Manne, für den sie viel Hochachtung hatte. Sie wußte, daß ihre Eltern ihn ebenfalls außerordentlich schätzten: dieser Mann bat um ihre Hand. Er war nicht jung: aber anstatt darüber zu erschrecken, dankte Luise der Vorsehung mit glühendem Eifer, sie so wunderbar von ihrer Furcht erlöst zu haben. Triumphirend brachte sie ihrer Mutter diesen Brief; wurde aber sehr in [25] ihrer Erwartung getäuscht, als Madame N. ihr ungefähr dieselbe Antwort gab, die sie bey Gelegenheit des Herrn O. von ihr gehört hatte. »Aber, liebe Mutter,« rief die erstaunte Luise, »ehemals sagten Sie, wenn es dieser wäre, den du liebtest, so könnte ich es dir noch verzeihen.« – »Das kann seyn,« antwortete Madame N., »aber die Umstände sind verändert: du bist jetzt reicher, und deine Brüder würden es ausserdem nicht gern sehn.« Luise unterwarf sich noch einmal dem Willen ihrer Mutter, die über diese Nachgiebigkeit so gerührt ward, daß sie, auf den Rath der Ärzte, ihrem Manne den Vorschlag that, Luisen in ein Bad zu schicken, um die Hypochondrie, von welcher sie seit Herrn O.'s Abreise litt, zu heilen. Luisens Vater trennte sich ungern von ihr; er mochte sie nicht einmal gern einen ganzen Nachmittag außer dem Hause wissen: da aber ihre Mutter das Beispiel eines ihrer Brüder hatte, welcher dem L .. Bade seine Gesundheit verdankte, so foderte sie für Luisen die Erlaubniß dahin zu reisen. Indem sich ihre Eltern bemühten [26] eine Reisegesellschaft für sie zu finden, besuchte sie ein Verwandter ihres Vaters, der in B .. lebte. Er wollte im Frühjahr wieder dahin zurückkehren, und that einer Dame, deren Schwester in diesem Lande verheirathet war, den Vorschlag, ihn zu begleiten, um ihren Verwandten bey dieser Gelegenheit einen Besuch abzustatten. Man sprach in Gegenwart von Luisens Mutter über diesen Plan: und da der Arzt wenige Tage vorher gegen sie geäußert hatte, die Reise würde Luisen noch mehr Vortheil bringen als der Gebrauch des Bades, so überredete man sie, diese Gelegenheit für ihre Tochter zu benutzen. Das arme Mädchen hatte es nicht gewagt daran zu denken: sie nahm den Vorschlag mit Entzücken und Dank auf. Kaum war diese Reise beschlossen, so zeigte sich ein neuer Freyer für Luisen. Dieser hatte die Eigenschaften, welche Luisens Mutter an einem Schwiegersohn wünschte: allein sie konnte doch eine Reise nicht rückgängig machen, die auf ihre Veranlassung unternommen, und von den Ärzten als unentbehrlich für Luisens Wiederherstellung [27] angesehen wurde. Luise freute sich, ihrer Mutter die schmeichelhafte Aussicht einer Heirath nach ihren Wünschen zu geben: sie versicherte, wenn die Reise sie so weit herstellte, daß sie die Frau eines Mannes wie Blachfeld werden könnte, der nicht Vermögen genug hatte, um für eine kranke Frau zu sorgen, so wollte sie ernsthaft darauf denken. Die Mutter fürchtete immer, Luise möchte auf dieser Reise Herrn O. sehen, und wünschte herzlich, daß sie sich vor ihrer Abreise verloben möchte. Das junge Mädchen hatte eine unüberwindliche Abneigung vor diesem Schritte. Sie wollte bei dem Antritt ihrer Reise ungebunden seyn, und eine alte Tante bestärkte sie darinn, indem sie ihr sagte: »Liebes Kind, man muß die Welt nicht durchziehen, wenn man nicht frey wie ein Vogel ist.« Luisens Mutter hatte neben den edelsten Eigenschaften, neben dem reinsten Herzen, der mildthätigsten, mitleidigsten Denkart, einen Fehler, den man ihrem Geschlechte vorwirft: sie drehte sich beständig, auf tausenderley Weisen, immer um denselben Gedanken [28] herum. Wenn die Familie versammelt war, erklärte sie feyerlich, sie habe ihrem Manne versprochen, Luisen nicht zu zwingen, und ihre Wahl sey also frey; war sie mit ihrer Tochter allein, so wiederholte sie ihr unaufhörlich: »Wenn du keinen Widerwillen gegen ihn hast, solltest du ihm doch etwas sagen, das ihn wegen deiner Reise beruhigte, das ihn einigermaßen bände, damit man dir ihn nicht abspenstig macht.« – »Aber desto besser, liebe Mutter: wenn man ihn abspenstig machen kann, so ist es ja ein Zeichen, daß er auch nachher seinen Sinn ändern könnte; ich will frey seyn, es ist billig, daß er es auch bleibe.« Darauf beschuldigte die Mutter sie, daß sie noch Herrn O. zu begegnen, und seine Liebe zu gewinnen hoffe; machte ihr die grausamsten Vorwürfe; und sagte, sie möchte ihn nur heirathen, aber es würde ihrer Mutter das Leben kosten. Zu andern Zeiten schimpfte sie auf Luisens Freunde, und beschuldigte sie, an ihren romantischen Grillen, und ihrem Widerwillen gegen Blachfeld, Schuld zu seyn. Luise welche sich [29] der Unschuld ihrer Freunde bewußt war, grämte sich über diesen Verdacht, bestand aber bis zu ihrer Abreise unerschütterlich auf ihren Entschluß. Hierauf schrieb sie ihrer Mutter einen rührenden Brief, in welchem sie ihr ganzes Herz aufschloß, und fügte einen abgesonderten Zettel hinzu, worin sie Blachfeld ihre Hand versprach, und zugleich erklärte – (denn das hatte Madame N. zu Beruhigung ihres Gewissens verlangt,) daß sie nicht dazu gezwungen wäre.

Kaum war Luise in B .. angelangt, wo sie die Verwandten ihres Vaters kennen lernte, welcher zu einer ansehnlichen Familie dieses Landes gehörte, als ihr verschiedne vortheilhafte Vorschläge gethan wurden. Einer darunter war von einem Manne, den ihr Herz auszeichnete. Er war einziger Sohn, besaß ein artiges Vermögen, eine höchst intereßante Gestalt, und über alles dieses ein vortrefliches Herz, das durch häusliches Leiden gebildet war. Seine Jugend war so unglücklich wie Luisens frühere Jahre gewesen: und Unglück das man durch eigene Erfahrung kennt, flößt immer lebhafteres [30] Mitleid ein. Blachfeld hingegen war seinem väterlichen Hause immer fremd geblieben; von der Wiege an sein eigner Herr, ward sein Herz durch das Kriegs-Handwerk verhärtet; er kannte weder das Leiden einer fühlenden Seele, noch die Bande des häuslichen Lebens. Ein Freund machte Luisen darauf aufmerksam, und bat sie mit Eifer, sich nicht durch einen misverstandenen Heroismus unglücklich zu machen. Er stellte ihr vor, daß ein Mann, der wie Blachfeld sich an den Umgang einer Frau gewöhnt hatte, die als Gesellschafterin und Magd mit ihm lebte, sich nie würde in die Achtung finden können, die man einem Weibe von Luisens Erziehung schuldig wäre. Das Beyspiel des Herrn, sagte man ihr, wirkt auf die Bedienten: er wird Ihnen nie Ehrfurcht verschaffen, er wird Ihnen nie in seinem Hause den Platz anzuweisen wissen, der Ihnen gebührt. Es ward Luisen schwer, einen Entschluß zu fassen: aber war sie einmal dazu geschritten, so konnte sie die Furcht der höchsten Strafe nicht zurückbringen.

[31] Jene Versuchung ihr Wort zurückzunehmen, ward indessen, während ihres Aufenthalts in B .., durch die nahe Gegenwart des liebenswürdigen Mannes oft so stark, daß sie aller ihrer Festigkeit bedurfte, um seine Wünsche zurückzuweisen. Auf einem Spatziergange, den sie an einem schönen Sommerabende mit Herrn ** und einer Freundin machte, führte sie ihr Rückweg über einen Dorfkirchhof. Die Stille der Nacht, das zauberische Mondlicht, das die Schatten der schwarzen Kreuze längs auf dem grünen Rasen hinmahlte, oder auf den weißen Grabsteinen das zitternde Laub großer Lindenbäume abbildete, deren blühende Zweige die Luft mit dem süßesten Duft erfüllten, die Ruhe der Natur mit dem Schweigen des Todes vereint, ergriffen Luisens gefühlvolles Herz. Ihre Begleiterin äußerte eine kindische Furcht vor diesem schauerlichen Aufenthalt, und eilte nach Hause zu kommen; der junge Mann ging ihr nach, um sie zurückzuführen; und dieser Augenblick von Einsamkeit öfnete plötzlich Luisens Augen über die Gefahren, mit denen dieser Ort [32] und die Schwäche ihres Herzens sie jezt bedrohten. Sie erschrak über die Unvorsichtigkeit, nicht sogleich ihrer Freundin gefolgt zu seyn; sie fiel auf ihre Knie, und indem sie fest gelobte, künftig jede ähnliche Gefahr zu meiden, flehte sie den Himmel um Beistand, solche diesmal zu überstehen. Ueberraschung der Sinne war es nicht, was ihr reines Herz fürchtete; aber sie zitterte vor einem Augenblicke, wo die Liebenswürdigkeit des Mannes, der um sie warb, sie die Heiligkeit ihres Versprechens vergessen lassen möchte. Wenigstens hatte sie Blachfelden zu hoffen erlaubt, und das wäre genug gewesen, um selbst in den Armen der Liebe ihr Gewissen auf immer zu vergiften. Es war Herrn ** nicht gelungen, Luisens Freundin zurückzubringen, er kam allein wieder, und wie er Luisen in ihrer flehenden Stellung fand, kniete er neben ihr nieder. Sie verbarg ihm die Ursache ihrer Bewegung nicht. Was würden Sie thun, sagte sie mit Thränen, wenn ein Anderer Ihnen das Mädchen entrisse, auf welches Sie Ansprüche hätten, oder wenigstens zu haben glaubten? – [33] »Sie wollen meine Ehre in's Spiel ziehen, antwortete Herr ** indem er sogleich aufstand, und es soll Ihnen gelingen. Möchten Sie nur glücklich seyn! Aber bei Ihrer Art zu denken und zu fühlen, scheinen Ihnen die Umstände kein Glück zu versprechen.« – Wohlan, unterbrach ihn Luise; lieber will ich unglücklich seyn, als mein Glück auf Kosten eines Mannes erkaufen, der selbst gesagt hat, daß ihm bis jezt auf der Welt noch nichts gelungen ist. Sie haben Freiheit zu wählen, Sie sind jung, Sie können warten: wenn es wahr ist, was sie oft zu mir sagten, wenn ich Talente zur Erziehung habe, so verspreche ich Ihnen meine Tochter. – »Sie waren das einzige Weib, der ich mein Leben hätte weihen mögen; aber ich bin nicht überspannt: und da sich Ihr Gewissen nun einmal Ungeheuer schaft um sie hernach zu bekämpfen, so ziehe ich Ihre Ruhe der Befriedigung meiner Wünsche vor. Aber mit Ihrem Trost verschonen Sie mich, setzte er mit stolzem Lächeln hinzu; ich wollte Luise N. zur Gattin, nicht Blachfelds Tochter.«

[34] Sie hatte in B. noch mehrere Veranlassungen, ihre Standhaftigkeit zu zeigen. Sie liebte das Landleben; der Verwandte mit welchem sie reiste, führte sie auf ein sehr schönes Gut. dessen Eigenthümer er war, und versprach es auf sie zu übertragen, wenn sie seine Gattinn werden wollte. Ich bin nicht jung, sagte er, aber ich habe Grundsätze, Sie können sich auf die Unwandelbarkeit meiner Neigung verlassen, wenn auch Krankheit Ihre Züge entstellte; ja wäre es auch möglich, daß meine Liebe je aufhörte, so würde ich es doch immer für meine Pflicht halten, jedem Ihrer Wünsche zuvor zu kommen. »Das heißt, sagte Luise lachend, Sie wollten mich um Gotteswillen lieben.« – Dieser Scherz verwundete ein zartes uneigennütziges Herz, und Luise büßte hart dafür; denn Blachfeld ließ sie erfahren, wie glücklich sie gewesen wäre, wenn er, nachdem der Rausch der Leidenschaft verraucht war, sich hätte bewegen lassen, sie um Gotteswillen zu lieben. – Wir thun aber besser, den Faden der Geschichte wieder aufzunehmen, und [35] Luisen auf ihrer Rückkehr nach ihrer Heimath zu folgen.

Luise war nicht romanhaft; sie konnte sich aufopfern, aber über das, was ihr die Aufopferung kostete, sich täuschen, konnte sie nicht; sie erröthete auch nicht über ihren Schmerz, allein er führte sie nie so weit, eine schöne Handlung zu zu bereuen. Ihr Weg führte sie durch M*** Blachfelds Garnison. Hier soll ich also wohnen, sagte sie seufzend, indem sie das redende Bild einer traurigen Kriegszucht vor sich sah: leere Straßen, geschmückte Kasernen, deren Fenster mit den elenden Lumpen ihrer Bewohner behangen waren. Diese Mauern sollen mich also auf immer einschließen; in einer dieser menschenleeren Straßen soll ich ein ungesundes Haus bewohnen; ich, der es frey stand unter den reizendsten Wohnungen zu wählen: statt der auserlesensten Bibliothek, werde ich ein paar Tröster herumliegen haben, und statt des angenehmen Zirkels in dem Hause des Mannes, der mir den Nahmen seiner Schwiegertochter anbot, werde ich auf die Gesellschaft meines Gesindes eingeschränkt, [36] kein wichtigeres Geschäft haben, als meinem Mann ein Mittagsessen zu kochen, das er vielleicht mit Widerwillen verzehren wird. Unter diesen traurigen Betrachtungen hielt der Wagen vor dem Hause ihrer Freundin. Die Hofnung dieses Wiedersehens machte sie alles vergessen. Blachfeld reichte ihr beim Aussteigen mit allem Entzücken der Leidenschaft die Hand. Sie blickt auf ihn, sein Gesicht flammt, Luise schlägt die Augen nieder, und beschuldigt sich der Undankbarkeit. Sie wollte wenigstens ihre Schuld durch keine Heucheley vermehren; sie sagte ihm kein Wort, und eilte neben ihm vorbei in die Arme ihrer Freundin. Sie fand sie, und eben so ihre Schwester, im Begrif Mutter zu werden. Dieser Anblick konnte Luisens Muth nicht vermehren. Während ihres Aufenthalts bemerkte sie, wie schwer es einem Weibe in diesem Zustande wird, den wirthschaftlichen Geschäften vorzustehen, und der Gemahl ihrer Freundin war dennoch, in Vergleich mit Blachfeld, ein reicher Mann. Indem sich Madame E. über die Unbequemlichkeiten ihres Zustandes [37] beklagte, erwähnte sie auch der Sorgfalt ihres Mannes, seiner beständigen Rücksicht auf ihre Gesundheit, seines Eifers, alle Hülfe der Kunst, und alle Bequemlichkeiten des Lebens um sie her zu versammeln; sie rühmte, wie ihr sein Betragen seit sechs Jahren ein glückliches Leben verschaffe, und ihre Gesundheit erhalte. Luise, deren Gesundheit weit reizbarer war, als die ihrer Freundinn, sollte alles dessen beraubt seyn, und wie jene ihr versicherte, ihres Mannes Liebe würde ihr alles ersetzen, konnte sie sich nicht der Bemerkung enthalten, daß man nach sechs Jahren wohl der Liebe eines Gatten gewiß seyn könnte; dahingegen sechs Monate bei weitem nicht hinreichten, die Treue eines Liebhabers ausser Zweifel zu setzen. – »Aber welche ein Liebhaber! ein Mann, erwiederte die gute Frau, der seit sechs Monaten nur für Sie athmet, denkt und lebt; denn weder Ihre Abwesenheit, noch die Kälte Ihres gestrigen Empfanges, nichts kann ihn abschrecken; er schätzt sich bey der ungewissesten Aussicht glücklich, und ist mit allem was Sie sagen und thun zufrieden.« – Luise antwortete [38] mit Kopfschütteln: Das alles bürgt mir nicht für die Zukunft. Vielleicht wird er mich einstens meine jetzige Unentschlossenheit, selbst indem er sie rechtfertigt, schwer büßen lassen. Übrigens bin ich darüber mit Ihnen einig, daß die Gesellschaft dessen den man liebt, für die größten Opfer schadlos hält; aber so sehr ich Blachfeld hochschätze, so viel Ansprüche er auf meine Dankbarkeit hat, so liebe ich ihn doch nicht. – »Sie werden ihn einst lieben, antwortete Madame E. Haben Sie mir nicht selbst gesagt, daß Sie einen Mann, den Sie nicht liebten, von dessen Herzen Sie aber gewiß wären, einem andern, dessen Leidenschaft Sie erwiederten, vorziehen würden: und das, wie Sie sagten, weil Sie dessen, was Dankbarkeit auf Sie würkte, sicher wären; da Sie hingegen nicht wüßten, was sie über Andere vermögte. Blachfeld wird jetzt kommen; verkündigen Sie ihm Ihre Abneigung. Ich bin weit entfernt, diese Heirath wider Ihren Willen zu wünschen; aber mir wäre es unmöglich, selbst den Dolch in eines redlichen Mannes Brust zu drücken.« [39] Luise war dessen eben so wenig fähig. Der Mann ihrer Freundin gab ihr Gelegenheit mit Blachfeld allein zu sprechen. Sie erklärte ihm mit vieler Festigkeit, daß sie keine andre Empfindung für ihn hätte, als die Achtung welche sein Ruf verdiente; daß ihr Karakter es ihr unmöglich machte, einen Mann feines Standes glücklich zu machen: sie wiederholte alles was sie ihm über ihre Furcht, daß ihre Hypochondrie einst in völlige Verstandesverwirrung ausarten möchte, schon geschrieben hatte, und bat endlich sehr ernsthaft, er möchte seine weitern Bemühungen einstellen. Wie erstaunte Luise, als sie hörte, daß er schon in D., der Hauptstadt wo Luisens Mutter seit dem Tode ihres Mannes sich aufhielt, eine Wohnung gemiethet hätte, daß die ganze Stadt ihn als Luisens künftigen Gatten ansähe, und daß er von Luisens Mutter und Verwandten als ein Mitglied der Familie aufgenommen würde! Jetzt bereute es es Luise zum zweiten male, vor ihrer Abreise so wenig Festigkeit gezeigt zu haben. Es war nicht der Reichthum des Mannes, welcher ihr in B. [40] seine Hand anbot, was ihr jetzt leid that: es war das Land was ihr gefiel; es war nicht der Mann selbst, obschon er die Stimme einer ganzen Provinz für sich hatte, die ihn von seiner Kindheit an kannte. Blachfeld konnte nichts als das Urtheil einer Stadt aufweisen, die er erst seit einigen Jahren bewohnte, und selbst dieses lautete verschieden. Doch schreckte das Luisen nicht ab. Der redlichste Mann kann Feinde haben; und obschon jedermann ihm das Zeugniß sprach, daß er launig und jähzornig wäre, so ließ man stets seiner Rechtschaffenheit Gerechtigkeit wiederfahren. Diese Eigenschaft entzückte Luisen, und sie blieb taub gegen die Vorstellungen einiger Freunde, welche sie versicherten, daß Blachfeld eben so rauh als tapfer, und der Schonung unfähig wäre, welche eine Frau von Luisens Gemüthsart und Erziehung fordern dürfte. Luise, die ein für allemal mit Blachfeld ein Ende machen wollte, wiederholte ihm alle diese Beschuldigungen; er sagte wenig zu seiner Vertheidigung, und dieses ohne alle Übertreibung. Diese Mäßigung gefiel dem jungen [41] Mädchen; sie sah ihn blaß, zitternd, kaum fähig seine Thränen zurück zu halten, und doch blieb er männlich, das heißt, er erbettelte keine günstige Antwort, ob er gleich äußerte, wie sehr ihn das Gegentheil betrüben würde; er begnügte sich mit der Bitte, Luise möchte sich nicht übereilen, ihm alle Hofnung zu nehmen. Sie ward gerührt, und die Unterhaltung endigte hier.

Luise wußte daß ihre Mutter keiner Kleidung gewogener war, als dem Anzuge der Bäuerinnen in der Gegend von B., aus welcher Luise zurückkam. Da sie mit Freuden alles ergriff, was sie in ihrer Mutter Augen liebenswürdig machte, so hatte sie sich eine vollständige Kleidung dieser Art machen lassen, um sie darin zu überraschen. Blachfeld bat um Erlaubniß, Zeuge dieser Zusammenkunft zu seyn. Da Luisens Brüder, welche ihr bis M..., Blachfelds Garnison und dem Wohnort ihrer Freundin, entgegen gekommen waren, diesen Tag bei ihm gespeist hatten, schien ihr eine abschlägige Antwort unanständig: sie fuhren also alle zusammen nach D., welches nur wenige Stunden entfernt [42] war. Der Beweis von Herzlichkeit, welchen Luise in der Ungeduld ihrer Brüder, ihr bis nach M... entgegen zu kommen, zu finden glaubte, die nahe Aussicht ihre Mutter wieder zu sehen, entzückten sie im höchsten Grade. Sie hatte keine lebhaftere Besorgniß, als die, nicht geliebt zu seyn; alles was dieser Furcht zu widersprechen schien, gab ihr die seligste Empfindung. Man ließ den Wagen einige Schritte vom Hause halten, damit die Mutter alle Freude der Überraschung genösse; sie erkannte Luisen nicht, und schien von ihrer Verkleidung, die ihr an ihrer Tochter auffiel, auf eine unangenehme Weise befremdet. Luise hatte ihren Anzug und ihre Rolle vergessen; sie stürzte zu ihrer Mutter Füßen, und war zu gerührt, um ein Wort hervorzubringen. Madame N. war sehr erfreut ihre Tochter wieder zu sehen, aber eine so heftige Rührung war ihr völlig unverständlich; sie rief unmuthig aus: »Immer dieselbe!« – Blachfeld hob Luisen auf, und rief: O, sie verliert nichts dabei, daß sie immer dieselbe bleibt; und wer sie versteht, muß sie anbeten! Luisen [43] schmeichelten diese Worte weniger, als ihrer Mutter Mißfallen ihr weh that, und sie eilte sich anders anzukleiden. Wie sie zurück kam, fand sie ihren ältesten Bruder, der ihr nicht hatte entgegen kommen können. An seinem Halse durfte sie das Gefühl das sie fast erstickte, auslassen, und sie weinte nicht allein; weit entfernt ihre Empfindung zu verspotten, drückte er sie schluchzend an sein Herz. Dieser Augenblick ausgewechselten Gefühls war der glücklichste in Luisens Leben. Das Wiedersehen einiger anderer Freunde gab ihr den folgenden Tag noch ein paar süße Momente, und der ganze Tag verfloß auf eine angenehme Art. Aber ihre Verwandten waren versammelt, und sie bemerkte sehr bald, daß Blachfeld unter allen diesen Menschen eine demüthigende Rolle spielte. Ein jeder schien von seiner Absicht unterrichtet zu seyn, und sich zu bemühen, ihn durch Achtungsbezeugungen dafür zu trösten, daß man so wenig Hofnung für ihn hegte. Luise sagte sich, daß sie ihn nicht hätte sollen nach D. kommen lassen, wäre sie würklich entschlossen gewesen, [44] ihm den Abschied zu geben: ob sie es gleich nicht zu verhindern gewußt hatte, so war es ihr doch nun auch unmöglich zurück zu treten; und so viel ward ihr wenigstens sehr klar, daß es sich für ihren künftigen Gatten nicht ziemte, vor den Augen ihrer ganzen Familie die Rolle des unglücklichen Liebhabers zu spielen. Sie war zu offen um Liebe vorzugeben, wo sie ihren Herzen fremd war; indem sie abrr öffentlich erklärte, daß sie ihn zu ihrem Gemahle wählte, sagte sie deutlich genug, daß sie ihn seinem ganzen Geschlechte vorzöge, und dieses war die einzige Möglichkeit, Blachfelden die Gesellschaft ihrer Familie angenehm zu machen. Das sicherste Mittel, seine Achtung und Dankbarkeit selbst alsdann noch zu fesseln. wenn seine Liebe verraucht seyn würde, schien sie darin zu finden, wenn sie seine Resignation, sich Jahre hindurch mit ungewisser Hofnung zu befriedigen, auch keinen Tag lang mißbrauchte. Sie erklärte ihm also noch denselben Abend, daß sie einen Entschluß gefaßt hätte. Anfangs verstand er sie nicht, und warf sich zu ihren Füßen, um den [45] Aufschub seines Endurtheils zu erbitten. Ein anderes Mädchen hätte vielleicht in der Unruhe ihres Liebhabers einen Genuß gefunden: Luise warf es sich vor, sie veranlaßt zu haben, und eilte sich ihm verständlich zu machen. Sie setzte nur die einzige Bedingung, daß er nach dem Ableben seines Vaters, seine Schwestern, im Falle sie dann noch ledig wären, nicht in sein Haus nehmen, sondern sich begnügen sollte, ihnen eine Pension zu geben. Luise hatte viele glückliche Ehen durch die Klatschereyen alter Jung fern stören sehen; und wenn ihr Herz sie gleich antrieb ihre Schwägerinnen bey sich aufzunehmen, sd verbot es ihr die Klugheit doch um so viel mehr, als die Denkart und Lebensweise dieser Frauenzimmer ihr gänzlich unbekannt war. Blachfeld versprach es unverzüglich, und setzte hinzu, daß seine Einwilligung gar kein Verdienst wäre, weil er, selbst wenn er sich nicht verheirathet hätte, nie Willens gewesen wäre, mit seinen Schwestern zu leben. Luise hatte nun einen Glücklichen gemacht; sie war aber weit entfernt es selbst zu seyn. Einen seligen [46] Augenblick hatte sie, indem sie ihrer Mutter Segen empfing; die Freude welche in ihren Augen blitzte, war wohl fähig ihr, für alles was sie gethan hatte, zu lohnen. Sie fürchtete unaufhörlich den redlichen Blachfeld zu betrügen. Nie glaubte sie ihm genug von den Thorheiten ihrer Jugend, von den Versuchungen erzählt zu haben, die sie auf ihrer Reise bekämpft hätte. Ihre Mutter mochte sie noch so sehr warnen, bey ihrem Bräutigam keinen Verdacht zu erregen, für welchen sie nach der Hochzeit hart würde büßen müßen; die Furcht vor Unglück schreckte ihr zaghaftes Gewissen nicht, sie zitterte blos strafbar zu seyn. Die ganze Nacht verfloß ihr in der grausamsten Unruhe; sie fürchtete, nicht im Stande zu seyn, den Mann, welchem sie ihre Hand versprach, zu beglücken: es war aber nicht mehr Zeit zurück zu treten, und im Augenblicke wo sie die Feder nahm, um ein neues Geständniß ihrer Irrthümer niederzuschreiben, eilte Blachfeld schon wieder zu ihr, um ihr aufs neue für das Glück, welches sie ihm gestern verheißen, zu danken. Er sagte gerührt, daß er[47] der elendeste Mensch seyn würde, wenn er je ihre Aufrichtigkeit mißbrauchte, oder ein Mädchen unglücklich machte, das sein ganzes Vertrauen in ihn setzte. »Fürchten Sie nicht, setzte er hinzu, daß die geheime Schwermuth, welche Sie sich vorwerfen, mein Glück zerstören werde. Ich werde unermüdet suchen sie zu zerstreuen, und gelingt es mir nicht, so will ich sie ertragen; denn ob Sie gleich in allen Ihren Briefen gesucht haben, mir diese Ihre Stimmung mit den schwärzesten Farben zu schildern, so kann sie mich nie so elend machen, wie ich es ohne Ihren Besitz wäre; selbst nicht so elend wie ich es war, ehe ich Sie kannte.«

Luise überließ sich dem Glücke, ihre Mutter und Brüder mit ihr zufrieden zu sehen, und hofte es lange zu genießen; als ihr ihre Mutter mit Thränen im Auge erklärte, wie sie sich genöthiget sähe ein Versprechen zurück zu nehmen, das sie Luisen bey ihrer Abreise nach B. gegeben hatte. Sie gab damals ihr Wort, ihren Schwiegersohn während der Zeit, die sein Regiment jährlich in der Hauptstadt zubrachte, in [48] ihr Haus zu nehmen. Jetzt sagte sie, diese Einrichtung fiele ihren Söhnen zur Last, die, da sie mehr in der Welt lebten, auch genöthigt wären mehr Gesellschaft in ihrem Hause zu sehen; bey ihrem Alter fürchte sie einen Zuwachs von Last und Sorgen; sie würde sich immer herzlich freuen, Luisen und ihre Kinder, wenn sie erst Mutter wäre, bey sich zu sehen, weil das ohne Unbequemlichkeit geschehen könnte; die Anwesenheit eines Mannes aber zöge zu viel Ungelegenheit nach sich, denn er forderte doch immer einen guten Tisch, ein eigenes Besuchzimmer, und dergleichen mehr: sie bot ihr endlich zwanzig Pistolen jährlich an, um sie für ein Versprechen zu entschädigen, das sie gegeben zu haben so sehr bereuete. Wie Luise ihre Mutter weinen sah, gab sie ihr dieses Versprechen sogleich zurück; aber ihr Herz war im Innersten verwundet. Es gab für sie keine Entschädigung für eine Aussicht, auf welche sie schon die reizendsten Luftschlösser gebaut hatte, und die Hofnung, nicht das ganze Jahr über in M. zu wohnen, hatte zu ihrem Entschlusse nicht wenig [49] beygetragen. Mit ihrem Mann in dem Zirkel ihrer Familie zu leben, neben den Vortheilen der Tochter vom Hause alle Vorrechte einer verheiratheten Frau zu genießen, ihren Mann in der frohen, liebenswürdigen Gesellschaft ihrer Brüder sich ausbilden, diese hingegen seine männlichen Tugenden zum Muster nehmen sehn – welch eine glückliche Zukunft! Luise ließ Blachfelds Verdiensten Gerechtigkeit wiederfahren; aber sie betete ihre Brüder an. Diese Liebe wurde bald auf eine arge Probe gestellt. Es war die Absicht ihres Vaters gewesen, daß man eine gewisse Summe zu ihrer Ausstattung von seinem Vermögen abziehen sollte. Er war es ihr gewissermaßen schuldig, weil er sie oft mit der Versicherung, daß sie nicht dabey zu kurz kommen sollte, an einer guten Heirath verhindert hatte; und sein Einkommen war auch wirklich mehr wie hinreichend, um die Aussteuer seiner Tochter zu bestreiten. Er hatte sieben Jahre lang damit seine Söhne, einen nach dem andern, auf der Universität erhalten, und dem ohngeachtet sein Kapital in dieser Zeit vermehrt. [50] Auf seinem Todtbette forderte er von seiner Frau und seinen Söhnen das Versprechen, seinen Willen in diesem Punkte nach seinem Tode zu befolgen; sie wären alle fünf seine Kinder, und so wäre es billig, für das eine so viel wie für das andere zu thun. Luise war damals von dieser Güte so gerührt, wie von der Großmuth ihrer Mutter und Brüder, welche diese Summe aus eignem Antriebe auf tausend Thaler bestimmten. Die Mutter, welche ihre Söhne zärtlich liebte, erzählte diese großmüthige That allen Kondolenz-Besuchen, und führte sie gegen ihre Tochter als einen Grund an, nie eine Heirath einzugehen, die ihren Brüdern zuwider seyn könnte; denn, sagte sie, sie haben immer erklärt, daß sie statt tausend Thalern gern doppelt so viel geben möchten, wenn sie gewiß werden könnten, daß ihre Schwester sich nicht durch ihre romanhaften Grillen verführen ließe, einen Gatten zu wählen, der ihnen Schande machte. Luisens Stolz empörte sich über diese Reden; es that ihr weh, daß ihre Mutter ihnen Gehör gab; sie war überzeugt, daß die wahre Seelengröße [51] nicht in geringen Auszeichnungen besteht, die eben so kleinlich wie nichtsbedeutend sind: allein die Liebe für ihre Brüder gewann bald wieder die Oderhand; sie bedachte ihre große Jugend, sie überredete sich, die Jahre würden ihnen eine vernünftigere, billigere Art zu denken beybringen; und ob sie wohl fühlte, daß sie dann nicht mehr jung genug seyn würde, um dabey zu gewinnen, so fühlte sie doch, ihre Liebe würde uneigennützig genug seyn, um sich auch dann dessen zu freuen. Sie war mit der Summe, welche ihr Vater bestimmt hatte, vollkommen zufrieden, und erkannte daher ihrer Brüder Großmuth, so wenig sie deren Bewegungsgrund billigte, mit allem Dank. Aus Liebe zu ihrer Mutter beschloß sie, sobald sich die Gelegenheit darböte, ihre Brüder durch eine, nach deren Meinung glückliche Heirath zu beruhigen. Es hat zu allen Zeiten und an allen Orten müßige Menschen gegeben, die ihr leeres Gehirn von Haus zu Haus schleppen, und es mit allen Armseligkeiten anfüllen, die ihnen aufstoßen. Ein solches Geschöpf machte sich, nach [52] der Erklärung von Luisens Heirath mit Blachselden, an ihre Brüder, um sie zu versichern, daß die Aussteuer der Töchter von jeher von ihrem Kapital abgezogen worden wäre, daß sie also Unrecht hätten, eine Ausnahme zu Gunsten ihrer Schwester zu machen. Diese Erinnerung hätte gleich nach des Vaters Tode, oder so lange Luise ihre Wahl noch nicht bestimmet hatte, keinen Eindruck gemacht: die Zeit hat aber einen mächtigen Einfluß. Luisens Brüder erinnerten sich nur sehr verworren an das, was ihnen ihr Vater gesagt hatte, und wie sehr sie selbst bemüht gewesen waren, ihre Schwester von einer ihnen mißfälligen Heirath abzuhalten, ob sie gleich dadurch in den Stand gesetzt worden wäre, ihrer Wohlthaten ganz zu entbehren. Sie wußten zwar, daß ihr erwählter Schwager arm war; sie wußten daß ihre Schwester, nichts zuzusetzen hatte; aber dieser Schwager konnte sein Glück machen, und sie dachten wenig darauf, daß er, sobald er es so weit gebracht hätte, seine Gattinn vernachläßigen konnte, die ihn, ohngeachtet seines geringen Vermögens gewählt [53] hatte, Sie waren selbst noch ohne Versorgung, sie mußten auf ihren Vortheil denken: kurz, sie fingen damit an, die Frage kaltblütig zu untersuchen, und endigten, ungeachtet der Sanftmuth, mit welcher ihre Schwester sich auf den letzten Willen ihres Vaters berief, mit dem für Luise zerreißenden Vorwurf, daß sie eigennützig handle. Luise war so weit davon entfernt, daß sie ihre Mutter beschworen hatte, ihr gar keine Aussteuer zu geben. Sie hing wenig an solchen Dingen, weil sie ihr zum Glück der Ehe sehr entbehrlich schienen, und sie wußte daß Blachfeld eben so wenig Werth damit verband; sie that also von Herzen gern darauf Verzicht: allein sie glaubte, ihre Pflichten gegen ihren künftigen Gemahl erlaubten ihr nicht, ohne sein Vorwissen eine Schrift zu unterzeichnen, in welcher sie eingestand, ihrer Familie tausend Thaler schuldig zu seyn, nachdem sie ihm doch gesagt hatte, daß ihre Ausstattung ein Geschenk ihres verstorbenen Vaters sey. Luisens Mutter hingegen, welcher die ganze Sache schon sehr weh that, wünschte wenigstens, daß Blachfeld [54] nicht davon unterrichtet seyn möchte. Wäsche und Betten, sagte sie ihr, sind in einer Wirthschaft unentbehrlich: was Hausgeräth anbetrift, ist das des Mannes Sache; und um ihn in den Stand zu setzen, diese Ausgabe zu bestreiten, nehme ich ihn während der sechs Monate bis zu eurer Hochzeit an meinen Tisch; damit er sich aber bey dem Einkaufe dieser Dinge, worauf er sich gewiß nicht versteht, nicht betrügen läßt, kann er dir nur das Geld dazu geben. Hiedurch sah sich Luise in einer neuen Verlegenheit: sie erkannte in dieser Einrichtung die Weisheit und Güte ihrer Mutter, allein aus falscher Scham wagte sie nie darüber mit Blachfelden zu sprechen, und mußte nun zu ihrem größten Leidwesen wahrnehmen, daß er, anstatt streng zu wirthschaften, oft für ein Frühstück oder eine Kollation im Wirthshause eine halbe Pistole verzehrte, da es ihm bey Luisens Mutter nichts gekostet hätte. Sie hatte ihn für sparsam gehalten, und in diestr Hinsicht alle Geschenke, die er ihr machen wollte, abgelehnt. Wie sie von ihrer Reise zurückkehrte, hatte Luise [55] die Gutherzigkeit, außer ihrem Antheil an den Reisekosten, auch noch die Hälfte des Antheils einer andern Person zu bezahlen: und da ihr in diesem Augenblicke die Ausgabe um so unerwarteter kam, als der Anschlag schon vorher gemacht worden war, und es jener Person frei gestanden hätte, die Reise nicht mitzumachen, über deren Kosten sie sich jetzt beklagte, so sah sie sich zum erstenmal in ihrem Leben in der Nothwendigkeit, Geld aufzunehmen. Der bloße Gedanke Schulden zu haben erschreckte sie, und sie stellte daher eine Anweisung auf die ganze Summe aus, die sie von ihrer Murter zu ihren Ausgaben erhielt, so daß sie drey Monate zubrachte, ohne einen Groschen in der Tasche zu haben. Sie hatte indessen zu viel seines Gefühl, um ihrem Liebhaber ihre Verlegenheit merken zu lassen, bis er ihr einst sagte, daß er vier Pistolen zu einem Sopha erspart hätte; sie bat ihn, das Geld zu etwas Nothwendigerem aufzuheben, weil man, genau betrachtet, recht gut ohne Sopha fertig würde, aber nicht ohne Stühle. Wie sehr erstaunte Luise, als ihr Bräutigam [56] ihr nach sechs Monaten erklärte, daß er, anstatt zu den vier Pistolen zuzulegen, sie sogar ausgegeben hätte! Wie sehr bereute sie es jetzt, den Rath ihrer Mutter nicht befolgt zu haben! Diese freute sich schon darauf, ihre einzige Tochter in ihrer neuen Wohnung einzurichten, und Luise hatte nicht das Herz ihr zu sagen, daß Blachfeld noch gar nichts dazu angeschaft hätte. Die gegenwärtige Verlegenheit war es nicht allein, was Luisen quälte; sie konnte nicht umhin, die natürliche Berechnung zu machen, daß ein Mann, der mit tausend Thalern nicht auskam, so lange er Wohnung, Bedienung und Tisch bey ihrer Mutter hatte, wenn er von derselben Pension Frau und Kinder ernähren sollte, noch weniger auskommen würde. Luise stellte ihm dieses mit vieler Sanftheit vor, und bat um einen Aufschub der Heirath, bis zu einer Vermehrung seiner Einnahme. Allein bey der ersten Erwähnung eines Aufschubs ward Blachfeld wüthend; er stieß sich mit dem Kopfe gegen die Mauer, und warf endlich Blut aus. Er war Luisen nicht mehr ganz gleichgültig; [57] und ob sie gleich vorher sah, daß sein Mangel an Ordnung, seine üble Wirthschaft, seine Unkunde in allen Geschäften, sie und ihre Kinder in die grausamste Verlegenheit setzen dürften, ärgerte sie sich doch über ihre gute Mutter, so oft sie die geringste Anmerkung darüber machte. Sie wünschte, daß man ihn für vollkommen halten, oder wenigstens nicht in ihrer Gegenwart von den Fehlern eines Mannes reden möchte, dem sie Ehrfurcht und Gehorsam zu versprechen im Begrif stand. Sie liebte seine Uneigennützigkeit, sein Nichtachten des Geldes; allein sie hätte es gern gesehen, daß er dadurch nicht in den Fall gekommen wäre, von weniger uneigennützigen Leuten mißbraucht zu werden. Ein Mensch, der ohne Vermögen zu besitzen, sich wie ein steinreicher Mann meublirt hatte, ward nach einigen Jahren seine Thorheit gewahr; seine Meublen, die nun aus der Mode gekommen waren, versprachen ihm wenig Entschädigung dafür, daß er sein halbes Vermögen hineingesteckt hatte, und er warf seine Augen auf Blachfelden, um einigermaßen wieder zu seinem Gelde zu kommen; [58] er lockte ihn in sein Haus, und erbot sich ihm, aus bloßer Freundschaft, alle seine alten Meublen um den Kaufpreiß zu überlassen. Blachfeld, der nie das väterliche Haus bewohnt hatte, sondern auf einer Schule erzogen, und sodann von einer Garnison in die andre versetzt, kein andres Bett als eine Pritsche, und kein andres Hausgeräth kannte, als einen hölzernen Tisch und einen Feldstuhl, bemerkte nicht, daß man ihm einen Handel vorschlug, bey welchem er sein baares Geld gegen geschmacklose Trödelwaaren austauschte, unter denen kein einziges taugliches, und in einer neuen Wirthschaft wirklich nothwendiges Stück befindlich war. Daß er Luisen versprochen hatte, in allem auf eine edle Einfalt zu sehen, die ihrem Geschmacke so wie ihrer Lage angemessen war, ward rein vergessen; und ohne sie zu Rathe zu ziehen, da er ihr doch tausendmal zugesagt hatte, ihr alle Hauseinrichtungen zu überlassen, indem er seine Unfähigkeit in diesen Geschäften eingestand, wurde der Handel, zwischen einem Schlaukopf und einem Menschen, der alle altväterische Arglosigkeit von des Landpfarrers[59] von Wakefield Sohne, Moses, besaß, bey einer Flasche Wein geschlossen. Der Verkäufer sah wohl voraus, daß die Braut über diesen verderblichen häßlichen Handel sehr unzufrieden seyn würde, und forderte also von Blachfelden sein Offizierswort, das er heilig zu halten den Ruf hatte, und Blachfeld gab es, ohne daran zu denken, daß er keinen Thaler zum Bezahlen hatte. Dieser Umstand machte dem Verkäufer wenig Sorgen; er war sicher, daß Luise alles bezahlen würde, so sehr es sie auch kränken möchte. Luise stellte ihrem Bräutigam vor, daß ein Augenblick, wo sie aus Mangel an dem Nothdürftigsten sich nicht verheirathen könnten, sehr wenig dazu gemacht wäre, um lauter überflüßiger Dinge willen Schulden zu machen: denn unter dem ganzen Ankaufe war kein rechtlicher Stuhl, kein Schrank, kein Tisch, außer Spiel- oder Marmortischen, da Luise einen bequemen Großvaterstuhl, einen großen Theetisch, ein Ruhebett für Kranke lieber wie alles dieses gehabt hätte. Alles was zur patriarchalischen Einfalt zurückführte war ihr Geschmack, und [60] diesen hatte sie auch bey ihrem Bräutigam zu finden gehoft. Blachfeld ward wüthend, warf seinen Hut auf den Boden, trat ihn mit Füßen, und beging tausend solche Dinge, welche Luisen überzeugten, daß man ihr in Ansehung seines Ungestüms die Wahrheit gesagt hatte. Nun war aber an kein Zurücktreten mehr zu denken, und außerdem war, neben allen seinen Fehlern, etwas Großes in seinem Karakter, das ihr gefiel. Luise versprach auf ihren Namen Geld zu borgen; denn Blachfeld hatte, wie alle Menschen ohne Vermögen, ungeachtet seiner allgemein anerkannten Redlichkeit, auch keinen Kredit.

Der Fürst, in dessen Diensten Luisens Vater stand, hatte diesem bey seinen Lebzeiten versprochen, für seiner Tochter Mitgift zu sorgen: dem zufolge schickte er ihr tausend Thaler, denen ein Brief an Blachfeld beygefügt war, in welchem er ihm sagte, daß er, ohne in die nähere Beschaffenheit seiner Lage einzugehen, diese Summe zu seiner Hochzeitseyer bestimmt hätte. Blachfeld verstand die gütige Meinung des Fürsten sehr wohl: und zu edel um ein Gut, das [61] ihm nicht beschieden war, an sich zu reißen, überließ er Luisen diese Summe zu ihrer Aussteuer, und behielt sich nur sechs Pistolen zu einem Kleide vor. Luise war von diesem Betragen so gerührt, daß sie die sechs Pistolen von ihrem, nach Abzahlung ihrer Schuld übrig gebliebenen Spargelde nahm, indem sie die tausend Thaler in einer öffentlichen Kasse niederlegen wollte, um bey vorfallenden Gelegenheiten einen Nothpfennig in Vorrath zu haben. Diese Freude sollte ihr aber nicht werden: denn am folgenden Morgen kam Blachfeld, und bat sie um die Hälfte der Summe, zur Lösung seines wegen der Meublen gegebenen Ehrenworts, und den Tag darauf forderte er die andre Hälfte, zum Ankaufe seines Feldgeräths, indem von Kriegszurüstungen die Rede wäre. In so einem Falle sorgt der Landesherr für das Feldgeräth: allein es war eine von Blachfelds Sonderbarkeiten, einen Abscheu gegen ausstehende Kapitalien zu haben; und indeß sich Luise das Nothwendige versagte, um das Geschenk ihres edeln Gönners nicht anzugreifen, gab Blachfeld auf allen Seiten aus, [62] um es los zu werden. Auf diese Weise sah sich also Luise, statt um tausend Thaler reicher zu seyn, um sechs Pistolen ärmer als sie war; und zu ihrer häuslichen Einrichtung blieb nichts übrig. Blachfeld nahm indessen zusehends ab, und betheuerte, daß er sich das Leben nehmen würde, wenn ihm Luise nicht vor seiner Abreise ihre Hand am Altar gäbe. Er schwor ihr, daß er nur diese Ceremonie, nur die Sicherheit, daß nichts sie ihm entreißen könnte, fordere; daß er von keinem seiner Rechte Gebrauch machen wollte, bis sie es ihm zugestände. Die Mutter, alle Freunde redeten ihr zu, ihrer Unentschlossenheit ein Ende zu machen, und Luise bestimmte endlich den Hochzeittag, doch erst nachdem sie von ihrem Bräutigam das feyerliche Versprechen erhalten hatte, daß sie ein Jahr lang nur als Freunde zusammen leben, und keinen vertrauteren Umgang haben wollten. Luise entdeckte ihrer Mutter dieses Geheimniß: denn als ein solches wollte Blachfeld natürlicher Weise einen Vertrag angesehen haben, der ein ausschließliches Eigenthum der Liebe war. Man beschloß, die Hochzeit auf [63] dem Gute der Mutter zu feyern, wo das junge Ehepaar auch, bis zu Blachfelds Abreise nach der Armee, bleiben sollte. Diese Einrichtung schlug wenigstens der Bräutigam vor, um Anstalten auszuweichen, denen sein Beutel gar nicht gewachsen war. Den Zustand seiner Finanzen hatte er aber um so weniger Lust seiner künftigen Schwiegermutter zu entdecken, als er, bey Gelegenheit der Schwierigkeiten, die sie seiner Bewerbung um ihre Tochter entgegen setzte, versichert hatte, er brauche kein Vermögen, und sey zu sehr Mann von Ehre, um eine Frau zu nehmen, ohne für ihren Unterhalt sorgen zu können. Seitdem er das Geschenk des gütigen Fürsten, auf das er Anfangs freywillig Verzicht that, in weniger als acht Tagen zu seinem Gebrauch verwandt hatte, fürchtete er sich mit seiner Schwiegermutter allein zu seyn, und brauchte Luisen zur Mittelsperson, so oft er ein Anliegen bey ihr hatte. Dieses Verfahren zog dem armen Mädchen manchen Verdruß zu. Eines Tages, kurz vor der anberaumten Hochzeitsfeyer, wie sich die Familie allein befand, machte die [64] Mutter die Bemerkung, daß es Schade sey, die schönen Frühlingstage nicht auf dem Gute zuzubringen; daß sie ihr auch gewiß nicht so ungenützt verfließen sollten, wenn nicht die Verbindlichkeit, Blachfelden in der Kost zu haben, im Wege stünde. Luise litt schmerzlich bey diesen Worten, und antwortete, sie sey bereit ihr dahin zu folgen, da Blachfeld um so weniger etwas dagegen haben könnte, als er nach der Hochzeit selbst dort zu wohnen gedächte, Die Mutter erwiederte: dies wäre eben die Ursache, warum sie auf das Vergnügen dort zu leben Verzicht thun müßte; ihr Garten sollte nicht von einem Trupp unnützer Reitknechte verwüstet werden; Blachfelds Abreise zur Armee sey nicht festgesetzt, und er könnte ihr den ganzen Sommer auf dem Halse liegen. Luisens Brüder stimmten den Gründen der Mutter bey, und bewiesen, daß die Einrichtung des Guts nicht erlaube, Fremde zu beherbergen, und daß ein Mann, der sich verheirathete, sein eigen Haus einrichten müsse, damit seine Schwäger die Freude haben könnten, zu sagen: Ich gehe zu [65] meiner Frau Schwester! In diesem allen war schon Bitterkeit genug für Luisen; allein die Mutter führte noch, in Gegenwart der jungen Leute, Blachfelds schonendes gütiges Versprechen gegen seine hypochondrische irrende Braut, als einen Bewegungsgrund für diese an, sich nach der Hochzeit von ihm zu trennen, und ihm nur von Zeit zu Zeit Besuche auf dem Gute zu verstatten. Luise fühlte das Unschickliche dieser Äußerung; sie fürchtete Blachfelds unbändige Hitze, die bey der Entdeckung dieses Auftritts nothwendig auflodern würde; es fiel ihr ein, daß sie, die bey der Wahl eines Gemahls sich dem Geschmacke ihrer Familie unterworfen hatte, keine bitterern Sorgen zu gewarten gehabt haben würde, wenn sie der Stimme ihres Herzens Gehör gegeben hätte, Die gute Mutter war in einer übeln Stimmung, und häufte alles Unangenehme auf das schwache Mädchen, das dem Unmuth endlich unterlag, und das Unglück hatte, der Mutter auf eine Weise zu antworten, die einem Kinde nie geziemt. Dieser traurige Auftritt ward der Gesundheit Beyder nachtheilig; [66] er durchdrang Luisens Hetz mit einer so nagenden Reue, daß sie Blachfelden in der nächsten Stunde von der Veranlassung des Streits unterrichtete, und erklärte, sie habe ihre theure Mutter aus Liebe zu ihm beleidigt; und um sich zu strafen, wolle sie sich auf immer von ihm trennen. Blachfeld erblaßte, wie er sie unerschütterlich sah, und betheuerte gegen ihren ältesten Bruder, daß er, wenn sie bey diesem Entschluß beharrte, den Dienst verlassen, und auf ewig aus seinem Vaterlande scheiden würde. Heinrich, dieser älteste Bruder, hatte vielen Einfluß auf seine Schwester, und gebrauchte ihn jetzt geschickt genug, um nach und nach ihre Gewissensbisse wegen des Fehltritts gegen ihre Mutter zu besänftigen, und Blachfelds Wiederaufnahme zu bewerkstelligen. Blachfeld schloß sie entzückt in seine Arme; und indem Thränen seine männlichen Wangen benetzten, rief er: »Geliebter Engel, was brauchst Du Geld und Gut! Ich will Dich auf meinen Armen über das Wasser und durch das Feuer tragen; meine Hände sollen Dich ernähren; ich will im Schweiße meines [67] Angesichts für Dich arbeiten, und werde glücklich seyn, wenn ich Dich nur mein nenne!« Luise war innigst gerührt, denn sie glaubte sich nun geliebt. Wie Madame N, diesen Auftritt durch ihren Sohn erfuhr, versprach sie, ihren Schwiegersohn mit offnen Armen aufzunehmen. Sie hatte, wie die meisten betagten Leute, die Grille gebeten seyn zu wollen. Blachfeld hätte ihr nachgeben sollen; sein Stolz hielt ihn aber davon ab, und doch ging dieser nämliche Stolz, aus einem sonderbaren Widerspruche, bey ihm nicht so weit, daß er sich zu einer weisen Wirthschaftlichkeit entschlossen hätte, die doch allein unabhängig macht. Er betrieb die Hochzeit mit dem größten Eifer, und bekümmerte sich dem ungeachtet um manche Dinge so wenig, daß Luise dem Hausgesinde ihrer Mutter, den Armen, dem Geistlichen u.s.w. in seinem Namen die üblichen Geschenke machen mußte; kurz, sie erkaufte sich ihren Mann, wie eine alte Kokette ihren Liebhaber erkauft; aber sie hielt Blachfelden jedes Preises werth. Wer ohne Fehler ist, kann keine hervorstehende Tugenden haben. Blachfelds [68] Denkungsart war edel, und er hatte keinen Schatten von Einbildung auf die Vorzüge seiner vornehmen Geburth: er war tapfer ohne Pralerey; er vernachläßigte zwar seine Geschäfte zu sehr, um großmüthig seyn zu können, indessen gab er Luisen einen schönen Beweis seiner uneigennützigen Denkungsart: sie gestand ihm nämlich, daß sie sich für eine ziemlich ansehnliche Summe verbürgt hätte, um eine Familie aus einer bedrängten Lage zu reißen, und weit entfernt sie zu tadeln, bezeugte er ihr seinen lebhaften Beyfall.

Blachfeld hatte gehört, daß es kein heilsameres Mittel gegen die Hypochondrie gäbe, als das Reisen, und schlug daher seiner Frau gleich nach der Heirath eine Reise in ein Bad, von da zu seinem Vater, und endlich nach Wien vor. Luise wandte ihm die Kosten eines solchen Unternehmens ein; er hatte aber die Delikatesse vorzuschützen, daß seine eigne Gesundheit es erfordere; und wie der Ausbruch des Kriegs diesen Plan vereitelte, bat er Luisen kniend, in das Bad zu gehen, weil er ohne ihr Vorwissen [69] einen berühmten Arzt zu Rathe gezogen habe, der dieses Mittel für Luisen als unentbehrlich ansähe. Er legte sogar vierzig Pistolen in dieser Absicht in die Hände seiner Schwiegermutter nieder; Luise gab sie ihm aber zu rück, und versicherte lächelnd, daß eine Frau, die nur um des Badens willen das Bad besuchte, dort wenig mehr als anderwärts ausgäbe. Luise bewies dieses bey ihrer Reise: denn sie wandte nur eine kleine Summe darauf, die sie aus ihrem Antheile von dem Verkaufspreise zurückgelaßnen Bibliothek ihres Vaters gelöset hatte.

Ein Umstand, der sich noch aus ihrer Kindheit herschrieb, machte ihr diese Reise sehr wünschenswerth, und kann ihr einigermaßen zur Entschuldigung dienen, daß sie damals die Entschlossenheit nicht hatte, lieber ihren Mann in's Feld zu begleiten. Zur Entschuldigung: denn in ihren Augen rechtfertigt nichts die Selbstsucht, mit welcher sie ihre Gesundheit mehr in Erwägung zog, als ihre Pflichten gegen ihren Mann, und sie sieht alles Unglück, das daraus entstand, als eine wohlverdiente Strafe dieser [70] Selbstsucht an, die sie vorzüglich bewies, als sie Blachfelds nachherige, oft wiederholte Bitten, zu ihm in's Hauptquartier zu kommen, nicht erfüllte. – Luisens Mutter hatte mit vielen andern Müttern die Schwäche gemein, daß sie gern andrer junger Mädchen Talente, Fleiß, Ordnung, Geschmack im Anzuge, auf Kosten ihrer Tochter lobte. So hatte sie eines Tages von dem Kopfputze einer Gespielinn so bezaubert geschienen, daß sich Luise vornahm, ihrer Mutter zu Gefallen, solchen nachzuahmen, und, den folgenden Morgen, der nämlichen Kindermagd, deren böses Gemüth und trauriger Einfluß auf Madame N. zu Anfang dieser Geschichte erwähnt ist, anlag, ihr dabey zu helfen. Sie konnte nicht zurecht kommen, und Luise wollte nun allein fertig zu werden suchen. Die Magd fand sich beleidigt, daß das junge Mädchen sich für geschickter hielt als sie, und fing einen Streit darüber an, den sie nachher der Madame N. so falsch hinterbrachte, daß diese Luisen auf das härteste anfuhr. Luise unternahm sich zu rechtfertigen, und brachte dadurch ihre Mutter so auf, [71] daß sie mit einem Buche nach ihr warf, welches mit seiner ganzen Schwere auf die eine Seite ihrer Brust fiel, und eine Verhärtung zurück ließ, die sich niemals wieder verlor. Während der Zeit, daß Luise mit Blachfelden verlobt war, hatte ein Frauenzimmer aus ihrer Familie das Unglück, einen Krebs an der Brust zu bekommen, und zwar in so einem gefährlichen Grade, daß sie sich der grausamsten Operation unterwerfen mußte. Ihr Chirurgus sagte bei der Gelegenheit in Luisens Gegenwart, daß wenn diese Dame seinem Rathe gefolgt, und zu rechter Zeit nach dem ** Bade gegangen wäre, sie das Unglück vermieden haben würde. Diese Worte vermehrten Luisens Unruhe, die sie bis jetzt aus Schonung gegen ihre Mutter immer unterdrückt hatte, so sehr, daß sie Blachfelden einen Theil davon entdeckte, und sich fest vornahm, auf alle Fälle die erste Gelegenheit zu einer Reise nach dem Bade zu benutzen. Allein diese Reise hatte eine ganz andere Würkung, als man sich davon versprach; zum Theil war ein an sich sehr geringfügiger Vorfall daran Schuld, der sich [72] den Tag vor Luisens Abreise zutrug; zum Theil machte sie aus übertriebener Sparsamkeit den ziemlich langen Weg mit so großer Eile, daß ihre sehr zarte Gesundheit darunter leiden mußte. An jenem Tage vor ihrer Abreise war Luise in der Gesellschaft eines der geehrtesten und bekanntesten deutschrn Gelehrten nach *** gereist, um von einer vertrauten Freundinn Abschied zu nehmen. Bey dem Rückwege hatte der Kutscher die Unvorsichtigkeit, über ein gepflügtes Feld zu fahren, und ward von den Bauern angehalten. Luisens Begleiter stieg aus, um mit den Leuten zu sprechen; der Kutscher, welcher eine Menge Menschen um den Wagen versammelt sah, und sich vor den Folgen seiner Unvorsichtigkeit fürchtete, nahm diesen Augenblick wahr, um die Pferde anzutreiben und dem gaffenden Haufen aus den Augen zu kommen. Luise fühlte, wie beschwerlich es Herrn *** seyn würde, zu Fuß in die Stadt zu gehen; sie fühlte das Verdrießliche seiner Lage unter einem Haufen aufgebrachter Bauern, und rief umsonst dem Kutscher zu, still zu halten. Der Bediente war mit Herrn *** [73] zugleich abgestiegen, und Luisens Furcht ging so weit, daß sie sogar den Schlag öfnete, um aus dem Wagen zu springen; allein da durch gewann sie nichts, als daß einige betrunkene Bursche sich herbey machten, um hineinzusteigen. Endlich kamen sie in die Stadt; da der Lehnkutscher aber das Haus ihrer Mutter nicht wußte, fuhr er erst durch verschiedene Straßen um, und so langte sie endlich gegen Mitternacht ganz erschöpft an. Da ihre Mutter mit allem Gesinde auf dem Gute war, und Luise nur wegen des Besuchs bey ihrer Freundinn in die Stadt gewollt hatte, fand sie keinen Menschen im Hanse, der ihre sehr aufgestörte Reizbarkeit besänftigt hätte; ein unangenehmer Brief, den sie zufällig am folgenden Morgen erhielt, nährte ihren Verdruß bis zu der Ankunft auf ihrer Mutter Gut, wo sie ihre Familie schon von dem gestrigen Vorgange unterrichtet fand, und bittere Vorwürfe erhielt, daß sie sich und den Rang ihres Mannes, ihrer Freundinn zu Liebe so ausgesetzt hätte. Luisens Gemüth war von der Sache selbst und von ihrer Abreise so gedrückt, daß sie sich tief [74] betrübt auf den Weg machte. Die Umstände, unter welchen sie im Bade war, konnten ihren Mißmuth nicht zerstreuen; jeden Augenblick sprach man von der Aussicht auf eine nahe Schlacht, und Blachfeld hatte sich auf Luisens Dankbarkeit Ansprüche erworben, die ihn ihrem Herzen sehr theuer machten. Gleich nach der Trauung hatte sie einen Auftritt mit ihm, in welchem er, mit dem heftigsten Ungestüm, die Rückgabe seines schonenden Versprechens forderte; Luise bestand auf dessen Erfüllung, und es gelang ihr über seine zärtliche Ungeduld zu siegen. Seitdem hatte er heilig Wort gehalten, und sie rechnete ihm diese Entsagung für eine so großr Tugend an, daß ihre Einbildungskraft ihn in dem Lichte eines über sein Geschlecht erhabenen Wesens zu betrachten anfing. Sie war stolz darauf, seinen Namen zu tragen, und ihre Hypochondrie führte sie bald so weit, sich dessen für unwerth zu halten; sie schrieb ihm die offenherzigsten Bekenntnisse aller ihrer Fehler; er sprach ihr auf eine zärtliche Weise Muth ein, und es gelang ihm, was noch kein Mensch vermocht [75] hatte, das scheue Gewissen des armen Weibes zu beruhigen. Sie fühlte, was er für sie that; und wenn man sie fragte, wie lange sie verheirathet sey, antwortete sie aus Herzensgrund, daß es drey Monate wären, die ihr aber wie drey Tage vorkämen, weil sie noch nie so glücklich gewesen wäre, als seit dieser Zeit. Damals fand sich Luise eines Tages in einer Tanzgesellschaft, wo sie aber an der allgemeinen Belustigung nicht Theil nahm, weil sie sichs zum Verbrechen angerechnet hätte, zu tanzen, indeß das Leben ihres theuren Blachfelds stündlich in Gefahr schwebte. Um den Einladungen zu entgehen, setzte sie sich an den Pharaotisch, wo man ihr bald vorschlug, eine Pistole aufs Spiel zu setzen, Sie that es, und gewann anfangs; durch ihr Glück ermuntert, spielte sie weiter. Sie hatte an diesem Tage einen Brief von Blachfelden bekommen, in welchem er in sie drang, zu ihm in das Hauptquartier zu kommen; sie brauchte Geld zu dieser Reise, und beging die Kleinheit, zur Erreichung ihres Endzwecks das elendeste Mittel zu ergreifen. Das [76] Glück wandte sich, und sie verlor. Ein Freund ihres Vaters, welcher gegenwärtig war, errieth ihre Verlegenheit, und bot ihr mit einer Feinheit, die nur edeln Selen eigen ist, Geld an, indem er sagte: »Wir Männer haben zuweilen den Fehler, unsre Weiber in ihren Ausgaben zu kurz zu halten.« Luise versicherte erröthend, daß sie nichts bedürfte: daß ihr Gemahl sie überflüßig versorgte; allein sie fühlte ihre begangne Thorheit schmerzlich, und um so schmerzlicher, weil ein Mann, den sie immer ausgezeichnet geschätzt hatte, dem sie aber jetzt aus falscher Scham ihre unangenehme Lage verschwieg. Zeuge davon gewesen war. Unter diesen drückenden Umständen erhielt sie eine Nachricht, die sie völlig niederschlug Ihre Mutter meldete ihr, daß der liebste ihrer Brüder gefährlich krank sey. Sie würde davon zu jeder Zeit heftig erschüttert worden seyn; allein in diesem Augenblick trafen mehrere Umstände zusammen. um sie doppelt niederzuschlagen. Sie hatte, vor ihrer Abreise, wegen einer häuslichen Angelegenheit einen kleinen Zwist mit ihm gehabt; ihre Trennung [77] war um so kaltsinniger gewesen, da die Mutter Theil an dem Streite genommen hatte; und der Gedanke, diesen Bruder unversöhnt sterben zu sehen, quälte ihr sich selbst peinigendes Gewissen so heftig, daß sie den folgenden Tag krank ward. Sie hatte anfangs ein hitziges Fieber, das bald in eine völlige Verstandesverwirrung überging, aus welcher sie indessen durch die Freude über einen Brief ihres Gemahls auf einige Zeit zurück kam. Er schrieb ihr in einer Sprache, mit welcher er sich erst seit kurzem beschäftigte, und seine Frau freute sich über diesen neuen Beweis seiner Talente. Ihre Kammerfrau sah die lebhafte Würkung dieses Briefes, und unter dem Vorwande, daß sie ihr nachtheilig werden könnte, hatte sie die unselige Vorsicht, ihn Luisen mit Gewalt zu entreißen. Die Arme sank sogleich in ihren vorigen Zustand zurück, und so oft sie einen vernünftigen Augenblick hatte, forderte sie die Briefe ihres Mannes, benetzte sie mit ihren Thränen, und wollte sich nicht mehr von ihnen trennen. Sie machte alle, die sie umgaben, durch die Menge von [78] Briefen an Blachfelden die sie ihnen unaufhörlich in die Feder sagte, ungeduldig; in andern Augenblicken glaubte sie, er sey angekommen, und man verhehle ihr seine Gegenwart. Wenn sir dann sah, daß ihre Hofnung vergeblich gewesen war, bildete sie sich ein, er wäre todt: und man verbärge ihr diese Nachricht. Bald wollte sie zu ihrem Schwiegervater gebracht seyn, weil ihr Blachfeld in seinem letzten Briefe gemeldet hätte, es wäre Friede, und sie gebeten hätte, zu ihm zu kommen, um zusammen zu seinem Vater zu reisen. Sie hatte das Glück, bey einem sehr mitleidigen und menschlichen Arzte zu wohnen, der die Gefälligkeit hatte, in ihre Fantasien einzugehen, und bald die Rolle des Schwiegervaters zu spielen, bald einzugestehen, daß Blachfeld angekommen wäre, aber so ermüdet, daß er ihm anempfohlen hätte, sich zur Ruhe zu begeben. Er liebte Luisen wie sein Kind; und um ih Ruhe zu verschaffen, entfernte er oft ihre Kammerfrau, welche aus Verdruß über eine Krankheit, die sie an einem ihr mißfälligen Orte zurückhielt, ihrer armen Herrschaft [79] unaufhörlich widersprach, und durch den Sinn fuhr. Er wachte bey ihr abwechselnd mit seinen Kindern, welche ihr alle Morgen Früchte und frische Blumen aus einem Garten, von ihnen selbst bearbeitet, brachten. So heftig Luisens Schmerzen waren, so blieb ihr Gefühl für die Schönheiten der Natur immer gleich lebhaft: sie hatte aus einem ihrer Fenster eine reizende ländliche Aussicht, und genoß dieselbe, so oft es ihre Kräfte erlaubten, Die Kammerfrau fand ihre Freude daran, sie unaufhörlich von dem Fenster wegzuschaffen, und erbitterte dadurch den guten Arzt selbst so sehr, daß er ihr den Namen Xantippe beylegte. Der Zufall hatte eine Dame mit Luisen zugleich an diesen Ort geführt, die, ohne sie weiter zu kennen, ihr die großmüthigste, zärtlichste Theilnahme bezeigte; sie las ihr vor, tröstete, ermahnte sie; Luise sah sich von so gütigen Menschen umgeben, daß ihre zerrüttete Phanthsie sie endlich glauben machte, sie wäre im Himmel. Sie dachte sich von Engeln umgeben, hörte ihre Symphonien, sah ihre leichten Tänze, und ihre blendenden Gewänder, [80] und dankte Gott, sie zu diesem seligen Aufenthalt geführt zu haben, ohne daß sie den Kampf des Todes erst zu überstehen gehabt hätte; sie wünschte nur Blachfelden an diesem reinen Glücke Theil nehmen zu sehen. Ihr kam es vor, als führten sie acht geflügelte Rosse zum Himmel; sie durcheilte die brennenden Zonen; schon langte sie an den Pforten des Paradieses an, als man von ihr forderte, einen Freund zu vergessen, den sie auf Erden sehr geliebt hatte, dessen Begriffe über religiöse Gegenstände aber von den ihrigen abgingen; sie sollte seinen Namen in das Feuer werfen, sie zauderte, gehorchte aber doch; man zwang sie, noch verschiedenen andern Personen zu entsogen; ihre Namen waren schon von der Flamme verzehrt, als man ihr endlich zumuthete, auch ihren Mann zu verläugnen; sie verweigerte es mit Entschlossenheit. Ihr Vater drang in sie es zu thun; sie verwies ihn auf das Beyspiel seiner Schwester, die Blachfelden herzlich gewogen war. Ach, sagte der Vater, wenn du nicht, wie du dir schmeichelst, wirklich todt bist, so werden sie dich alle Religionen nach [81] einander annehmen lassen. Mag das seyn, rief die Schwester, sie wird mit ihm wiederkommen, oder diese Pforte bleibt ihr auf ewig verschlossen!

Blachfeld erhielt endlich Nachricht von der Krankheit seiner Frau, und die Geschenke des alten Beschützers von Luisens Vater, des gütigen Fürsten von ** setzten ihn in den Stand, seiner Frau zu Hülfe zu eilen. Er flog zu ihr; aber ach! er fand das Weib nicht, das er zu finden glaubte, Wenn die Hofnung, ihren Gatten zu empfangen, bey ihr wach war, kleidete sie sich täglich mit Sorgfalt; wenn sie aber in ihre traurige Sinnlosigkeit verfiel, blieb sie der Kammerfrau überlassen, die sie auf das äußerste vernachläßigte. In einem dieser unseligen Augenblicke kam Blachfeld an, und fand sie blaß, mit erloschnen Augen, ein abschreckendes Bild des Blödsinns. Er sah sie mit Abscheu an. Luise erkannte ihn, keine seiner Empfindungen entging ihr, und der Gram versetzte sie in einen Zustand von Dumpfheit, dem nur die Schmerzen des Fahrens unterwegs ein Ende machten. Blachfeld hatte sich bey der Wahl des Reisewagens [82] wenig vorgesehen; er hatte Luisens guten englischen Reisewagen verkauft, und eine Art Kariole dagegen eingehandelt, die auf der Achse stand. Luise hatte wütende Kopfschmerzen, jeder Stoß des Wagens entriß ihr einen lauten Schrey. Die Kammerfrau, welche stolz darauf war, im Hintergrunde des Wagens neben ihrem Herrn zu sitzen, beredete ihn, sie schrie in ihrer Raserey. Das arme Weib, welches auf Blachfelds Schooße saß, wußte nicht, wo sie ihren Kopf ruhen lassen sollte, der kein Küssen hatte, als die Stahlknöpfe von ihres Mannes Rock; und der Ausdruck seines Gesichte war bey jedem Blick, den er auf sie warf, so abschreckend, daß sie anfing sein Herz für eben so hart zu halten, wie das Metall, das ihre glühende Stirne verletzte. Schrecken und Angst warfen sie in den Zustand zurück, aus welchem sie der Schmerz kaum herausgerissen hatte. Sie ist überzeugt, daß sie damals geheilt worden wäre, wenn Blachfeld den Wagen, so wie sie flehte, einen Augenblick angehalten, und ihr einen Tropfen Milch oder Wasser gegeben hätte: Kranke[83] bedürfen auf Reisen mehr Erquickung wie Gesunde; aber leider! verließ sich Blachfeld auf das feile, selbstsüchtige Geschöpf, das Luisen bedienen sollte, und wenn der Wagen einen Augenblick anhielt, und Blachfeld in das Wirthshaus ging, verzehrte sie vor Luisens Augen alle Eßwaaren, die sich im im Wagen befanden, und schützte eine Verordnung des Arztes vor, ihr wegen ihrer Krankheit weder zu essen noch zu trinken zu geben. Luisens Raserey dauerte endlich ununterbrochen fort: sie glaubte zum Rädern verurtheilt zu seyn; jeder Pflug, den sie auf dem Felde erblickte, schien ihr ein Werkzeug ihrer Hinrichtung, und sie hielt den Postillion für den Henker. Blachfelds unglückliche Härte gegen ihren unendlichen Jammer kam ihr wie der Ausdruck verschloßner Verzweiflung vor; sie bildete sich ein, er sey ihr auf das Rad gefolgt, um sie zu retten; sie flehte ihn an, den Henker nicht länger aufzuhalten, und es nur zuzugeben, daß man sie unter das Rad legte, damit sie endlich der unleidlichen Schmerzen los würde. In andern Augenblicken überredete sie die Hitze, [84] welche ihr Inneres verzehrte, daß sie verurtheilt wäre, lebendig gebraten zu werden, und daß Blachfeld sie auf seinem Schooß hielte, um die Flamme von ihr abzuhalten: denn ihre Einbil, dungskraft schmückte ihn immer mit den schönsten Farben aus, und wenn er ihr mit wüthendem Blick sich ruhig zu halten befahl, schrieb sie seine Heftigkeit den Schmerzen zu, die er um ihrentwillen litt.

Sie langten endlich auf dem Gute ihrer Mutter an. Luisens Bewußtseyn kehrte zurück, aber ihre Kräfte waren erschöpft, und ihr Kopf war geschwächt. Sie freute sich, ihre Mutter, ihre Brüder zu sehen; aber sie begrif weder ihr unruhiges Wesen, noch den Eifer, ihr Gläser, Messer, Tassen, und alles, was sie zerbrechen, oder womit sie sich Schaden thun könnte, aus der Hand zu nehmen; noch mehr erschreckten sie die Zeichen und Winke, die man sich unter einander in ihrer Gegenwart gab. Wenn man wüßte, wie empfindlich man mit diesem Betragen die Einbildungskraft eines Kranken verletzt, wie man sein armes Gehirn mit [85] der Bemühung spannt, die Bedeutung dieses geheimnißvollen Wesens zu enträthseln, so würde man vorsichtiger seyn. Die Mutter, welche überzeugt war, daß Luisens Krankheit nur die Folge von langwierigem Kummer, und einer zu reizbaren, gekränkten Empfindlichkeit wäre, sagte ihr unaufhörlich: »Nun laß es gut seyn, liebes Kind, denke nicht mehr an die Vergangenheit!« und eben dadurch rief sie diese Vergangenheit jedesmal in Luisens geschwächtes Gedächtniß zurück, und vereitelte den einzigen Vortheil ihrer Krankheit, ältere Vorfälle zu vergessen. Ihr Geist war hell genug, um dieses zu fühlen; sie benutzte einen Augenblick, wo sie mit ihrem Manne allein war, um ihm knieend für alles, was er an ihr gethan hatte, zu danken, ihm ihre innigste Zuneigung zu versichern, und sie erbot sich, ihm in die Garnison zu folgen. Ach! sie hofte, diese Herzenserleichterung sollte sie glücklich machen; sie hofte darin den Lohn ihrer Leiden zu finden; sie wußte nicht, daß ihre traurige Krankheit die Liebe in seinem Herzen vertilgt hatte. Ihn beschäftigte nichts, [86] wie der verfehlte Feldzug, in welchem er sich auszuzeichnen gehoft hatte: und der so eben geschloßne Frieden war ihm schmerzlicher als alles andere. Und dieses war der Mann, der noch vor einigen Monaten seinen Kriegsgefährten selbst gestand, er nähme die Waffen zum erstenmal mit Widerwillen zur Hand, weil sie ihn von seinem Weibe trennten. Luisen war diese Veränderung neu; sie hatte ihr ganzes Zutrauen, alle ihre Hofnung in ihren Gatten gesetzt; sie hatte die Gelegenheit, diese Bitte vorzutragen, mit Sehnsucht erwartet. Oft war es ihr unbegreiflich vorgekommen, warum man sie bey dem glühenden Fieber, welches sie alle Nächte verzehrte. der Pflege ihrer Kammerfrau überließe, die selbst von Müdigkeit und Wachen erschöpft, sich durch harte und üble Laune an ihrer Herrschaft rächte. Oft wenn Luise aus Todesangst das Bette verlassen wollte, warf sie dieses Weib mit Gewalt darauf zurück, und verletzte ihren zarten Körper, der von Schmerzen so mitgenommen war, daß eine Falte im Bettuch oder Hemde ihn schon verwundete. Ohne Rücksicht [87] auf Leiden, bey deren Andenken Luise nach sechs Jahren noch schaudert, riß man sie von ihrem brennend heißen Lager, und zwang sie in eine trockne Badwanne zu steigen, der sich sogleich acht Höllengeister näherten, die ihr, so hoch wie sie die Arme aufheben konnten, das helle Wasser zu Eimern über den Kopf herunter schütteten. Diese Behandlung verursachte der Kranken so rasendes Kopfweh, daß sie dadurch den Verstand dadurch hätte verlieren müssen, wenn er nicht ohnehin längst zerrüttet gewesen wäre. Ein berühmter Arzt sollte, wie man ihr sagte, diese Kurart angegeben haben; aber die barbarische Weise, mit welcher man sich dabey benahm, war gewiß nicht in seiner Vorschrift begriffea. Wenn Luise in das Zimmer trat, wo man ihre Marter zubereitete, und nur um einen Augenblick Aufschub zu ihrer Erholung bat, riß man sie mit eigensinniger Gewalt fort, da sie freywillig sich gern zu allem bequemt hätte. Ihre schon zerrüttete Einbildungskraft zeigte ihr alle, die sie umgaben, als so viele Henkersknechte, die sie auf die Tortur strecken wollten. Umsonst [88] rief sie Blachfelden zu Hülfe; er war anderwärts beschäftiget, Plane zur Einnahme dieser oder jener Festung zu entwerfen, und verweilte mit keinem Gedanken bey den Leiden seiner Gattinn. Endlich rührten ihn ihre Thränen und Bitten, und er führte sie in seine Garnison. Nach solcher Pein des Körpers und der Seele genoß Luise nun der vollkommensten Ruhe. Freylich gränzte diese Ruhe einigermaßen an Stumpfsinn, aber Geduld und Sanftheit hätten ihr gewiß in kurzer Zeit ihre natürliche Stimmung wieder gegeben; ja sie hätten sie glücklicher gemacht, als sie je gewesen war. Oft hat sie seitdem gestanden, daß dieses der glücklichste Zeitpunkt ihres Lebens gewesen ist. Mit ihrem Gedächtniß zugleich war ihre Hypochondrie verschwunden; der Kreis trauriger Ideen, der ihr Gehirn seit so langer Zeit umschlossen hielt, und allen frohen Bildern den Eingang versagte, war zerrissen, sie erblickte nur den gegenwärtigen Augenblick, und genoß dessen in vollkommner Ruhe und Heiterkeit. Wenn sie mit Blachfelden in den schönen Gegenden der Garnisonsstadt [89] spatzieren ging, glaubte sie sich mit ihrem Gatten in die elysäischen Gefilde versetzt, und die Diskretion der wenigen Bekannten, die ihr begegneten, und vermieden sie anzureden, bestärkte sie in dieser Träumerey, indem Luise solche für die Schatten ihrer ehmaligen Freunde hielt. Zu Hause lasen Luise und Blachfeld die alte Geschichte, und von ihren ehemaligen quälenden Bildern erlöset, ergötzte sich Luise an dieser Beschäftigung. Bey der Beschreibung jedes vorzüglichen Helden. deutete sie zärtlich auf Blachfelden, der ihr das Urbild alles Vollkommenen war: und er schien diese schmeichelhafte Anwendung zu fühlen, und ein glückliches Vorzeichen von seines Weibes gänzlicher Herstellung darin zu finden. Noch eine kleine Geduld, und Luise wäre dem Leben zurückgegeben worden, und hätte ihr ganzes Daseyn einem Gatten geweiht, dem sie ihre Heilung zu verdanken gehabt hätte. Blachfelds Freunde zerstörten diese süße Aussicht. Sie riethen ihm, sich zu zerstreuen, sich vom Hause zu entfernen. Zerstreuen? ach wovon! von der heiligsten Pflicht, die ihm sein [90] Schwur. sein Weib nie zu verlassen, auferlegte, von der neuen Schöpfung, die seine Güte in dem zerstörten Gehirn eines Weibes hervor rief, das ihn, und nur ihn allein auf Erden zur Stütze hatte! Der Kriegsstand bringt die Unannehmlichkeit mit sich, daß, wer sich von zarter Jugend an demselben weiht, in Friedenszeiten keine Hülfsmittel zur Ausfüllung seiner Zeit hat. Nicht gewohnt, sich in seinem Zimmer zu beschäftigen, wird dem Offizier sein Haus zur Last, und jeder Vorwand umherzuschweifen, ist ihm willkommen. Blachfeld vergaß Luisens Lage und ihre Aufopferungen, und forderte, unter dem Vorwande der außerordentlichen Kosten, die ihm ihre Krankheit verursacht hätte, Luisens Mutter Geld ab. Dirse glaubte zwar durch Luisens Aussteuer für alle vorfallenden Bedürfnisse gesorgt zu haben; allein um einen Mann nicht aufzubringen, der ihrer Tochter Wohl und Wehe in Händen hatte, nahm sie eines von Luisens kleinen Kapitalien auf, bezahlte davon die Ärzte im Bade, und übermachte ihm den Rest. Sobald Blachfeld Geld hatte, machte er Vorbereitungen [91] zu einer Reise. Luise nahm es wahr, und bat ihn in den rührendsten Ausdrücken, sie nicht zu verlassen; sie stellte ihm vor, daß seine Gegenwart allein sie vor Mißhandlungen schützte. Sie war am ganzen Körper geschwollen: Verstopfungen in der Leber, durch welche sie die empfindlichsten Schmerzen litt, machten es ihr peinlich, irgend etwas fest um den Leib gebunden zu tragen. Ihre Kammerfrau schrieb diese Reizbarkeit ihrer Tollheit zu, und bestand unbarmherzig darauf, ihr die Röcke so fest, wie in ihren gesunden Tagen, zuzubinden; und wenn sich Luise mit Gewalt widersetzte, ging sie so weit, sie zu schlagen. Wie Luise diese Behandlung ihrem Manne klagte, gab das Mädchen vor, dies alles wären Vorspiegelungen ihres verrückten Gehirns. Blachfeld war ein treflicher Soldat, aber in allem, was das menschliche Herz betraf, ein völliger Fremdling, und er ließ sich von diesem Mädchen, die sein Vertrauen zu gewinnen gewußt hatte, völlig leiten. Seine leichtgläubige Schwäche riß ihn so sehr hin, daß er eines Tages, da sich die arme Luise in seine [92] Arme flüchtete, sie bey beyden Händen festhielt, und ihr unbarmherzige Backenstreiche gab. Kaum hatte er sich also übereilt, als er die Last seines Fehlers fühlte; und er gestand gegen einen seiner Freunde, daß diese Handlung ewig seine Seele drücken würde. »Ich habe mich,« sagte er, »schändlich betragen; ich habe alle Gesetze der Ehre und Menschlichkeit verletzt.« – Wie leicht wäre es ihm bey diesen Gesinnungen gewesen, seinen Fehler wieder gut zu machen, aber statt dessen vergrößerte er ihn noch; er machte sich davon, und schickte Luisen zu ihrer Mutter, der er zugleich in einem Briefe bittre Vorwürfe machte, welche diese trostlose Mutter weit mehr gegen ihr unglückliches Kind reizen, als sie zur Linderung ihres Elendes bewegen mußten.

Man hatte das Zimmer, das Luise in ihres Vaters Hause bewohnt hatte, an Fremde vermiethet. Luise, welche davon nicht unterrichtet war, eilte sogleich bey ihrer Ankunft dahin, weil sie sich erinnerte ein Bildniß ihres Vaters dort gelassen zä haben. Bey den Leuten, [93] welche Luisens Zimmer bewohnten, war an diesem Tage eine große Gesellschaft versammelt. Man stelle sich ein armes verrücktes schwaches Geschöpf vor, das aus seines Mannes Hause verstoßen, mit Gewalt in einen Wagen geschaft, von der Reise ermüdet, in ein wohlbekanntes Zimmer zu treten glaubt, und sich plötzlich von ein paar Dutzend fremden Gesichtern umgeben findet! Das Bildniß des Vaters war nicht mehr da; sie verlangte es von allen Umstehenden, und statt es ihr zu geben, oder ihr sanft die Ursache aller dieser Veränderungen zu erklären, riß man sie gewaltsam aus dem Zimmer. Umsonst verlangte sie ihre Mutter zu sehen, man sagte ihr, daß ihr diese beföhle zu Bett zu gehen, und führte sie in ein kleines Kämmerchen hinter der Küche, wo man sie einschloß, und ihr Zeit ließ, allein zu toben. Luisens Brüder waren jung, sie liebten die Freude: es mußte sie natürlich befremden, daß ihnen ihr Schwager einen so traurigen Anblick, den zu ertragen weit eher seine Pflicht war, als die ihrige, vor die Augen stellte. Die Mutter verbarg ihnen [94] also das unglückliche Weib; und da sie Luisens Kammerfrau nicht leiden konnte, gab sie ihr gleich anfangs ihren Abschied; aber die Kranke ward darum nur schlechter bedient, als jemals. Madame N. hatte seit Luisens Abwesenheit ihr Gesinde verändert, sie fand sich also von lauter unbekannten Leuten umgeben; auch die Zahl der Mägde war eingeschränkt, und da eine jede ihre angewiesene Arbeit hatte, war ihnen der Zuwachs von Mühe durch Luisens Wartung, zumal da bey ihrer Lage nicht viel Lohn dafür zu erwarten stand, wenig gelegen. Sie überredeten also die Mutter, daß sie von einem Manne bewacht werden müßte. Wäre Luise nicht von Sinnen gewesen, so hätte sie jetzt ihren Verstand verlieren müssen. Sie, die sich immer vor den Soldaten gescheut hatte, sah jetzt einen großen Unteroffizier, die Hetzpeitsche in der Hand, unaufhörlich neben ihrem Bette. Der Mensch war nicht böse, aber dumm; so oft Luise die Hände unter der Decke hervorzog, schlug er auf diese zu, bis sie endlich beträchtlich aufschwollen, weil er sich einbildete, die Bettwärme wäre zu [95] ihrer Genesung nothwendig. Die arme Luise, welche die Ursache dieser Behandlung gar nicht errathen konnte, wurde endlich durch den Instinkt gelehrt, ihre Hände zu verstecken. In manchen Augenblicken kehrte ihr Bewußtseyn völlig zurück, und dann war ihr Zustand wirklich verzweifelt. Bey einem leidenden, und von jeher an Bequemlichkeit gewöhnten, jetzt der Schonung so bedürfenden Körper, bey einem reizbaren, Liebe dürstenden, und nur durch Theilnahme und Liebe zu beruhigenden Herzen, sah sie, das Kind des Hauses, das sich nur einige Schritte von seiner Mutter entfernt, unter Einem Dache mit ihr wußte, sich allein, von ihr nie besucht, dem Mitleid des Gesindes überlassen, in eine elende Kammer eingesperrt, die einer Wachtstube glich. Ihrer Mutter Kammerfrau mochte ihr Zimmer gern für sich allein haben; die Köchinn führte also alle Leute, die mit ihr zu sprechen hatten, in das Behältniß, wo Luise lag. Sie wärmte sich da, wenn sie vom Markte kam, sie reinigte da das Gemüse, und trieb alle Küchengeschäfte in dieser Kammer. Die männlichen [96] Bedienten des Hauses, welche ihre Kammern unterm Dache hatten, fanden es sehr unbequem, jedesmal so oft die Herrschaft schellte die Treppen herunter zu steigen, und hielten sich daher gewöhnlich in dem nämlichen Behältniß auf, wo sie sich die Zeit mit Tobackrauchen und Zeitungs-Lesen vertrieben. Dieser letzte Umstand machte Luisen unendlich viel Vergnügen, denn sie hofte immer etwas von ihrem geliebten Blachfeld zu hören, weil es ihr gar nicht in den Sinn kam, daß eine andre Ursache als ein Feldzug ihn von ihr entfernt halten könnte. Was Luisen, außer der Ungewohnheit, Bediente um ihr Bette Tobackrauchen zu sehen, am meisten auffiel, war ein Weib, das mit der Pfeife im Munde unter ihnen saß, und von ihren gemachten Feldzügen sprach. Dieses Weib war im siebenjährigen Kriege Marketenderin gewesen, und behauptete eine geheime Kurart gegen die Tollheit zu besitzen. Madame N. hatte die Schwachheit, sich von ihr bethören zu lassen; sie dankte den Unteroffizier ab, und übergab Luisens Wartung diesem Weibe, welches [97] dem Trunke ergeben war, und nur um Brandwein zu kaufen, auf Geldverdienst ausging. Luise war nun in weit übleren Händen; den Soldaten hatte sie oft durch ihre Thränen entwafnet, aber dieses Weib war unerbittlich. So oft Luise sie trinken sah, zitterte sie; denn der Trunk machte sie boshaft, und sie prügelte dann auf Luisen zu, als hätte sie ein Stück Holz vor sich. Oft mußte die Unglückliche die dringendsten Bedürfnisse entbehren; nach einem Glase Wasser, zur Löschung ihres brennenden Durstes, oft umsonst flehen. Einst erbat sie eines von dem Bedienten ihres Bruders; er reichte ihr einen metallenen Becher, der so stark war, daß sie ihn in diesem Augenblicke, wo ihre Zähne durch einen Kinnladen-Krampf gesperrt wurden, nicht an den Mund setzen konnte. Der Mensch hielt ihr Zaudern für Eigensinn, und stieß das Gefäß so heftig gegen ihre Zähne, daß sie anfangs fürchtete, er habe sie ihr zerbrochen. Aber die Wärterinn bereitete Luisen weit bitterere Augenblicke. Von Krankheit und Mißhandlung ausgemergelt, sehnte sich die.[98] Kranke seit langer Zeit nach einem Bissen Fleisch. Die Mutter erfuhr es, und schickte ihr ein Stück Braten; sie griff gierig darnach, ward aber in demselben Augenblick von einem so wüthenden Kopfweh befallen, daß es ihr unmöglich fiel zu essen, und sie den Bedienten bat, den Teller auf den Ofen zu setzen. Kaum war er aus der Stube, so machte sich die Wärterin über den Braten, verzehrte ihn hohnlachend vor Luisens Augen, und diese mußte bis den folgenden Morgen fasten. Gegen den Mittag dieses Tages erhaschte sie endlich einen Augenblick, wo sie ohne Aufsicht war, und stahl sich bis zu ihrer Mutter. Sie fand solche allein. Seit langer Zeit in einen schmutzigen Winkel gesperrt, ward det arme verwirrte Sinn der Unglücklichen durch den Aufputz des schönen Zimmers verblendet, besonders freute sie sich über den Fußteppich, auf welchem sie sehr leise schritt; denn die lauten Tritte der Bedienten in ihrer Kammer, verursachten ihr unsägliche Leiden. Sie warf sich ihrer Mutter in die Arme, und bat auf die [99] rührendste Art um Erlaubniß, bey ihr zu bleiben, und vor den unzähligen Mißhandlungen in Ruhe gelassen zu werden. Ihre Blicke wandten sich immer ängstlich nach der Thüre, aus Furcht, daß ihr Henker sie auffinden möchte. Ihre Sprache war schnell und bänglich, wie die Reden eines Menschen, der einen kurzen Augenblick zu benutzen hat. Ihre Mutter schien sich vor ihrer Gegenwart zu fürchten. Eine Mutter, die sich vor ihrem unglücklichen flehenden Kinde fürchtet! In diesem Augenblicke trat die Wärterinn herein. Luise ahndete was jetzt geschehen würde, und suchte ihre Mutter durch Zeichen und bittende Winke vom Sprechen abzuhalten; es war aber umsonst. Die Mutter fragte sogleich: »Nicht wahr liebe Frau, es ist nicht gegründet, daß Sie Luisen schlägt?« Die Arme sah sich nun der Rache dieser Furie ausgesetzt, und in der Hofnung, ihre Brüder theilnehmend zu finden, bat sie inständigst um die Erlaubniß, mit der Familie zu Mittage zu essen. Die Mutter sah nicht ein, daß ihre Hastigkeit [100] nur aus Furcht entstand. Sie reichte ihr eine Apfelsine, mit einer Art wie man ein Kind beschwichtigen würde. Einem Geschöpfe, dessen zermarterter Körper fast unterliegt, das stehend um das Ende seiner Qual bittet, reicht man eine Apfelsine! Die Wärterinn verstand Luisens Absicht besser, und lächelte höhnisch über den Irthum ihrer Mutter, den sie sich wohl hütete zu berichtigen, da ihr das ihre Stelle würde gekostet haben. Man deckte drn Tisch; der Bediente brachte das Brod herein. Seit langer Zeit hatte Luise kein weißes Brod gesehen; sie fiel gierig darüber her, denn sie hatte seit vier und zwänzig Stunden nichts gegessen. Man sah dieses als ein neues Zeichen von Tollheit an, und da ihre Brüder, welche jetzt eintraten, sich über ihrer Schwester Anwesenheit im Speisezimmer sehr zu verwundern schienen, winkte man den Bedienten sie fortzuführen. Sie faltete ihre bittenden Hände, sie warf sich auf ihre Knie; es war alles umsonst: sie bewirkte nichts, als daß man gewaltsamer verfuhr, und einer der Bedienten sie an der Brust verwundete [101] Der gute Bursche, welcher ihren jüngsten Bruder bediente, hatte ihr immer die größte Menschlichkeit bezeigt. Er schien wirklich Empfindungen zu haben, die ihn über seinen Stand erhoben. Er bat sie bey dieser Gelegenheit wehmüthig um Verzeihung, daß er den Befehl seiner Herrschaft vollziehen müßte.

Denselben Tag noch schickte man Luisen auf das Gut. Ihre Mutter beredete sie zur Abreise, unter dem Vorwande, daß sie auf diese Art von ihrer Wärterinn befreyt seyn würde. Um diesen Preis wäre Luise nach Siberien gereist. Sie hatte niemals betrogen, ihr Zutrauen zu andern war also ungeschwächt, und sie setzte sich arglos zu der Köchin in den Wagen, der sie nach dem Gute führte. Zufriedenheit wirkt wohlthätig, wie alle selten gebrauchten heilsamen Mittel Kaum war Luise abgereist, so fand sich ihr Bewußtseyn wieder ein. Sie blickte mit Vergnügen auf die Gegend umher; der Weg war derselbe welcher nach M. führte. Sie bat die Köchin sie dahin zu bringen, denn sie erinnerte sich jetzt, daß sie dort gewohnt hatte, und[102] schmeichelte sich ihren Gemahl da zu finden. Ihre Begleiterin spiegelte ihr vor, daß er auf dem Gute wäre, und sie selbst nach M. führen würde. Luisens Ideen waren jetzt ganz hell: sie freute sich innigst ihn wieder zu sehen, und hofte ihn so zärtlich wie ehemals zu finden; er kömmt mir entgegen, sagte sie zu sich selbst, er liebt mich also noch. Ich habe schon gesagt, daß seit ihrer Verstandes-Verwirrung alle ihre hypochondrischen Zufälle aufgehört hatten. Sie fühlte sich glücklich, weil sie glaubte, nun wären alle Hindernisse gehoben, die sie bis jetzt verhindert hatten, die Pflichten ihres Standes zu erfüllen. Sie hatte in ihrer Mutter Hause bemerkt, welche Misbräuche daraus entstehen, wenn die Hausfrau durch Krankheit an der eignen Führung der Wirthschaft verhindert wird. Sie hatte tausend Betrügereien, tausend unnütze Ausgaben bemerkt, und nahm sich vor, wenn es ihre Kräfte erlaubten, ihres Mannes Haushaltung mit so strenger Ordnung zu führen, daß sie ihn in den Stand setzen könnte, einen unehelichen Sohn, den er vor seiner Heirath [103] gezeugt hatte, bey sich zu erziehen. Sie hatte in ihrem Herzen das Gelübde abgelegt, diesem Kinde eine zärtliche sorgsame Mutter zu seyn. Sie hielt dieses für Pflicht gegen eine Frau, deren Platz sie, wie ihr Gewissen ihr oft laut vorwarf, sich ungerecht angemaaßt hatte. Der bittre Gedanke hatte sie in allen ihren Leiden verfolgt, und diese als eine göttliche Strafe ansehen lassen. Sie glaubte strafbar zu seyn, indem sie gegen die Mutter dieses Kindes gehandelt hatte, wie sie nicht gewollt hätte, daß man gegen sie handelte. Selbst in ihren gesunden Tagen hatten sie Blachfelds Sophismen nie ganz beruhigen können; und wie er ihr in den ersten Zeiten ihrer Verbindung seinen Sohn vorstellte, umarmte sie ihn mit Thränen, bat ihn sie Mutter zu nennen, und beschwor Blachfelden ihn zu sich zu nehmen. Blachfeld gestand ihr, daß sie durch diese Bitte sein Glück krönte; allein der ausbrechende Krieg zerstörte Luisens Glück, und ihres Gatten gute Vorsätze.

Diese Bilder erneuerten sich jetzt in Luisens Phantasie; sie glaubte nun genug gelitten zu [104] haben, um ihre Schuld zu büßen; sie beschäftigte sich aufs neue mit der Aussicht eines Glückes nach dem Wunsch ihres Herzens. Sie hofte ein Kind zu erziehen, die Dankbarkeit seiner Mutter, die Liebe ihres Gemahls dadurch zu erwerben. Der Wagen kam endlich an; und anstatt Blachfelden zu finden, ward sie von der Wärterinn empfangen, welche, gierig auf ihre Beute, eben so schnell wie der Wagen angelangt war. Man sperrte beide zusammen ein, und diese Furie, welche die Peitsche nie aus der Hand legte, verhinderte Luisen das Zimmer zu verlassen, aus Furcht, daß sie sich gegen die Bauren, bey denen sie sehr beliebt war, über sie beschweren möchte, Mit Peitschen-Hieben zwang sie Luisen zu Bette zu gehen, wenn sie lieber gewacht hätte; aufzustehen, wenn sie lieber liegen geblieben wäre. Mit Peitschenhieben nöthigte sie diese Furie, zu essen wenn sie keinen Hunger hatte, und ohne Durst zu trinken. Des Nachts mußte sie solche an ihrer Seite schnarchen hören, und zitterte dabey vor dem Anbruch des Tages, wo sie aus einer Brandweinflasche [105] neue Kräfte schöpfte, ihre Gefangne zu peinigen. Jeder Schluck den sie that, machte Luisen erstarren; denn so lange sie nüchtern war, schlug sie nicht. Der Abscheu, welchen Luise unverhohlen gegen sie zeigte, (denn sie hatte nie heucheln, nie sich verstellen gelernt, und verachtete jeden Kunstgriff,) brachte sie nur noch mehr gegen sie auf.

Oft versuchte Luise zu entwischen, aber der arme Vogel zerstieß sich nur den Kopf an den Eisen des Käfigs, ohne seine Freiheit zu finden. Kaum war sie eine Viertelstunde gegen M., wo sie Blachfeld in Garnison glaubte, gegangen, als man sie immer wieder einholte. Wie schlug ihr dann das Herz, wie verdoppelte sie ihre Eile! Aber die Furcht noch mehr wie die Schwäche lähmte ihre Füße so, daß sie bei jedem Schritte niederfiel. Sie konnte sich nie denken, daß eine andere Ursach als Krankheit oder Tod ihren Mann und alle ihre Freunde abhielte sie zu erlösen. Sie betete ganze Nächte lang auf den Knien für ihre Erhaltung, und zog sich durch diese bey ihrer Schwäche höchst peinliche [106] Stellung, einen solchen Geschwulst der Füße zu, daß es eines Morgens zweier Menschen bedurfte, um sie aufzuheben. Der Gedanke, ihren Mann endlich zu erreichen, gab ihr immer neuen Muth zu entfliehen; und einmal entwischte sie zu dem Pfarrer des Dorfs. Kaum war sie ins Haus getreten, als sie aus Müdigkeit und Mangel an Athem hinsank. Man nahm sie mit Güte auf, ließ sie am Ofen sitzen, pflegte sie, bot ihr warmes Bier an. Der Anblick einer versammelten Familie, die friedlich um ihren Ofen her saß, goß Ruhe in Luisens verödeten Geist; die Macht einer guten Behandlung war immer so wirksam in ihr gewesen, daß sie zu sich selbst kam. Sie bat sich auf diese einzige Nacht ein Bette aus, aber die armen Leute waren zu furchtsam, um ihre Bitte zu gewähren. Sie versprachen, sie zu Blachfelden in die Garnison zu bringen, und führten sie unter diesem Vorwande auf das Gut zurück. Luise mußsich für bezaubert halten, da sie, trotz alles ihres Bestrebens sich zu entfernen, trotz aller Versprechungen die ihr von allen Seiten gegeben [107] wurden, sich immer wieder in ihr Gefängniß zurückgeführt sah. Die Wärterinn, deren Bosheit sie zum Spielwerk diente, fragte sie endlich eines Tages, ob sie Lust hätte zu ihrer Mutter zu gehen? Luise nahm den Vorschlag freudig an: überzeugt, daß wenn es ihr gelänge, ihre Mutter nur noch einmal zu sprechen, sie gewiß nicht mehr von ihr verlassen werden würde. Wie sie in einen Wald kamen, durch welchen ihr Weg sie führte, blieb die Wärterinn stehen, und sagte lachend: »Nun wäre es Zeit wieder nach Hause zu gehen« Die Verzweiflung bemächtigte sich des armen Weibes. Entschlossen erklärte sie, daß sie eher sterben würde, als in ihr Gefängniß zurückkehren. Sie warf ihre Tyranninn zu Boden, und hätte sie in diesem Augenblicke umbringen können, wenn nicht der Gedanke an die Reue, welche sie dieser That wegen ewig verfolgen würde, sie abgehalten hätte. Das Weib überwältigte sie, und bald waren die Dornen und Sträuche um sie her von dem Blute gefärbt, das unter ihren Schlägen von Luisens Schultern floß. Sie mußte nun [108] den Rückweg antreten, auf welchem sie bei jedem Schritte vor Schwäche fast niedersank, als ihnen ein Metzger begegnete, der sie im Gehen unterstützte. Luise bot diesem Manne fünfhundert Thaler in Golde, wenn er sie aus den Händen der Wärterinn befreyen wollte; und sie hätte ihr Wort gehalten, wäre sie auch genöthiget gewesen, ihren Schmuck und ihre Kleider zu verkaufen: allein der Mensch war so einfältig, diese Gelegenheit unbenutzt zu lassen, und brachte sie ohne Umstände nach dem Gute zurück.

Hier nahm eine neue Qual ihren Anfang. Die Wärterinn sagte aus, Luise habe sie umbringen wollen, und rief drei andere Weiber zu Hülfe, welche sie mit Stricken banden, und nackend auszogen. Vor Schrecken verlor Luise den Verstand von neuem. Sie glaubte schwanger zu seyn, und sagte zu der einen von diesen drei Weibern, die Haushälterin auf dem Gute war: »Mein Mann wird euch strafen, wenn ihr auch mein Kind umbringt.« Unglücklicher Weise hatte sich dieses Weib in ihrer Jugend verführen lassen, und um ihren guten Ruf zu [109] erhalten, hatte sie ihre Schwangerschaft vorsätzlich hintertrieben: sie glaubte jetzt, bey dem Nachdruck welchen Luise auf diese Worte legte, daß sie von ihrer Geschichte unterrichtet wäre, und ihr böses Gewissen ließ sie einen Vorwurf darin finden. Nichts bringt schlechte Menschen mehr auf, als verdiente Vorwürfe. Dieses Mädchen, denn sie war eine alte Jungfer geworden, war außerdem im ganzen Dorfe für einen Teufel an Bosheit bekannt, und hatte also von dieser Seite keinen guten Namen zu verlieren. Sie zerriß Luisens nackten Leib mit Ruthenstreichen, so daß das Blut von allen Seiten herablief, und fuhr so lange mit dieser fürchterlichen Behandlung fort, bis ihr Schlachtopfer sinnlos niedersank. Man hielt sie für todt, und brachte sie voll Schrecken zu Bette, wo man ihre Wunden verband, deren Narben noch nach achtzehn Monaten sichtbar waren. Sechs Wochen darauf kam ein Freund von Luisens Brüdern auf das Gut, und diesem zeigte sie, so weit es die Sittsamkeit erlaubte, die Mahle ihrer erlittenen Mißhandlungen. Er [110] schauderte, und da er Luisen völlig bei Verstande fand, unterrichtere er ihre Mutter davon, die vor Freude über diese glückliche Nachricht weinte. Sobald Luise Kraft hatte die Feder zu halten, war ihr erstes Geschäft ihr Testament zu machen, in welchem sie diesem Freunde ihrer Brüder, der sie von ihren Henkern befreyt hatte, funfzehn hundert Thaler als ein geringes Zeichen ihrer innigsten Dankbarkeit zusicherte. Luise hatte sich nie viel aus dem Gelde gemacht, wie es selbst die Wahl ihres Gatten bewies; aber in ihrer Krankheit hatte sie den Werth desselben kennen gelernt. Denn wäre sie im Stande gewesen, ihre Wärterinn, die ihr oft welches abforderte, zu befriedigen, so hätte sie sich gewiß manche ruhige Stunde verschaft; allein Blachfeld hatte die Vorsicht gebraucht, sich vor seiner Abreise ihr Geld aushändigen zu lassen, und in der ganzen Zeit ihrer Krankheit, das heißt länger als ein Jahr, hatte er ihr nie einen Pfennig geschickt. Dieses kam ihr um so befremdlicher vor, als sie vor ihrer Abreise immer Geld in [111] Händen gehabt hatte; denn seit ihrer Volljäh rigkeit erhielt sie jährlich vierzig Pistolen zu ihren willkührlichen Ausgaben, und hatte nie einen übeln Gebrauch davon gemacht.

Man benachrichtigte Blachfelden von der Wiederherstellung seiner Frau. Er konnte sich nicht länger weigern mit ihr zu leben; aber seine Liebe war erloschen. Luise begab sich also nach M., wo ihr Mann gewöhnlich lebte, und erkannte bald in jedem kleinen Zuge die Veränderung seiner Gesinnungen. Blachfelds häusliche Einrichtung war durch die traurigen Umstände seines ehelichen Lebens, in dem letzten Jahre ziemlich wieder in den eingeschränkten und unbequemen Zustand seiner Junggesellenzeit gerathen. Er heizte nur ein Zimmer, und erklärte, daß er um seiner Frau willen kein zweytes heizen würde. Luise stellte ihm mit Sanftmuth vor, daß sie sich doch nicht in seiner Gegenwart, noch viel weniger vor seinen Bedienten und den vielen Offizieren, die ihn früh Morgens besuchten, ankleiden und aufstehen könnte. Er stampfte mit dem Fuße, und rief, er wäre nicht reich[112] genug, um eine doppelte Heizung zu bestreiten. Hätte er sein armes Weib noch geliebt wie ehemals, so würde er gefühlt haben, daß es in diesem Falle natürlicher gewesen wäre, seine Besuche im kalten Zimmer anzunehmen, und seiner kaum das Krankenlager verlassenden, schwächlichen Frau, das geheizte zu überlassen. Seit einem Jahre hatte nun Luise keinen ihrer alten Bekannten gesehen. Sie sehnte sich nach ihrer Freundinn in M.; da es aber regnete, bestellte sie einen Miethwagen, den Blachfeld zwar bezahlte, ihr aber zürnend vorwarf, daß es eine unnütze Ausgabe sey. Sie mochte entbehrlich seyn diese Ausgabe: war es aber nicht ihr erstes Vergnügen, nach einem Jahre des bittersten Leidens, das ein fühlendes, denkendes Wesen nur befallen kann?

Luisens Vernunft war geheilt, aber ihr Körper noch sehr schwach; sie vermißte ein Arzneymittel, welches sie bey ihrer Abreise von dem Gute vergessen hatte. Da sie aber keine Auskunft wußte, um es sich zu verschaffen, hätte sie es entbehrt, wenn nicht Blachfelds Bedienter, [113] voll Mitleid über den hinfälligen Zustand seiner Herrschaft, sich erboten hätte, nach dem Gute hinüber zu reiten, um es zu holen. Sie nahm dies mit Freuden an, und entschuldigte sich bey ihres Mannes Nachhausekunft, seinen Bedienten ohne sein Vorwissen fortgeschickt zu haben. Blachfeld war ungerecht genug, ihr harte Vorwürfe darüber zu machen, und setzte hinzu, daß er gern Herr in seinem Hause wäre. Wirklich er war es so sehr, daß Luise keine Magd hatte, und keine miethen durfte, da sie ihren Lohn nicht zu bestreiten wußte. Blachfeld hatte nur einen Bedienten, der bis zur Ankunft eines Nähemädchens, das ihre Mutter ihr endlich schickte, Luisens ganze Aufwartung war, Ihre Freunde hatten gleich Anfangs die Nothwendigkeit eingesehen, ihr eine Dienstmagd zu verschaffen; aber alle Mädchen die sich Blachfelden vorstellten, schickte er fort, unter dem Vorwande, daß seine Frau keine Magd gebrauche. Luise hätte sich gern alle Entbehrungen, sobald sie ihr Herz nicht angingen, gefallen lassen; aber sie war krank, und hatte keinen bequemen Stuhl, [114] um sich auszuruhen, kein Kanape, um zu liegen. Blachfelds eignes Zimmergeräth war nur nur zum Luxus und Glanze, keinesweges zur Bequemlichkeit eingerichtet, und alles was ihm Luise als Ausstattung zugebracht hatte, war während ihrer Krankheit verkauft worden. Das Essen wurde aus dem Speisehause geholt: allein da Luisens Gesundheit noch sehr hinfällig war, befand sie sich bey dieser Lebensart so schlecht, daß sie einst, als Blachfeld über die Theure des Speisewirthes klagte, ihn bat, ihr Geld zur Führung einer eignen Wirthschaft zu geben. Kaum hatte sie ausgeredet, so ließ er einen Wagen kommen und fuhr weg. Luisen war dieses Betragen von einem Manne, der so oft seine Ungeschicklichkeit in Haushaltungsgeschäften selbst eingestanden hatte, unbegreiflich: er hatte sie ehemals selbst gebeten, alle Ausgaben zu übernehmen, und hatte sich nur eine kleine Summe als Taschengeld vorbehalten. Diese Einrichtung war zwar durch die nichtswürdige Klatscherei einer unvorsichtigen Frau, welcher Luisens damaliges Ansehen bey ihrem Gemahl (denn diese [115] Ordnung fand vor ihrer Gemüthskrankheit statt) wahrscheinlich Neid eingeflößt hatte, bald zerstört worden: doch hatte ihr Blachfeld in den Dingen, die eine Frau besser verstehen muß, auch noch seitdem freye Hand gelassen. Das Nachdenken über sein jetziges Betragen hatte so wenig tröstliches für sein Weib, daß sie bald nach ihm auch ausging. Die Ungewohnheit der freyen Luft zog ihr aber so grausame Zahnschmerzen zu, daß sie zwey Nächte kein Auge schloß. Blachfeld fuhr an demselben Tage in Begleitung seines Bedienten nach D., und ließ sie mit dem Nähemädchen ganz allein. Diese, die in der Garnison eben so fremd wie Luise war, gab eine schlechte Krankenwärterinn ab, so daß es ihr auch erst nach zwey Tagen glückte, Luisen einen Chirurgus zu verschaffen.

Nach einigen Tagen kam Blachfeld zurück, und ihm nach trat ein Mädchen, geputzt wie eine Operntänzerinn herein, die er seiner Frau als Köchinn vorstellte. Luise erkannte sie sogleich wieder: denn sie hatte sich ihr vor ihrer Abreise von ihrer Mutter Gute angeboten; aber Luise [116] wollte sie damals, ohngeachtet der Vorstellungen ihres Mannes nicht annehmen, weil man ihr gesagt hatte, daß das Mädchen in einem schlechten Hause gelebt hätte. Blachfelds Betragen war Luisen nun leider zu deutlich. Sie hätte ihm seinen Geschmack an einem Mädchen das blühend und schön war, gern zu gute gehalten, da sein armes Weib ja krank und verkümmert aussah; aber er konnte das Mädchen anderswo unterbringen, nichts berechtigte ihn, seine Frau zu zwingen, daß sie ihre Nebenbuhlerinn in ihren Dienst nähme. Luise machte Gegenvorstellungen; statt einer bündigen Antwort half er sich, wie es immer geschieht wenn man eine schlechte Sache zu vertheidigen hat, mit falschen Ausflüchten; und obgleich er die Veranlassung zum Streit gegeben hatte, klagte er doch über den Widerspruchsgeist seiner Frau, und wünschte sich hundert Meilen weit hinweg. Luisens Gefühl war zu zart, um ihres Mannes Wohnung wider seinen Willen zu theilen: sie entschloß sich der Neuangekommenen ihren Platz zu überlassen, und bat Blachfeld sie zu ihrer [117] Mutter zu schicken, die sie nun in drei Monaten nichr gesehen hatte. Sie erhielt leicht seine Einwilligung zu ihrer Abreise, allein ihm lag zu viel daran, bey Luisens Mutter sowohl als bey ihren Brüdern vor ihrer Ankunft Gehör zu haben: er gab also dem Kutscher heimlich Befehl, sie nicht nach D, sondern nach dem Gute zu führen. Er selbst aber schrieb an die Familie, und suchte sie auf alle mögliche Weise zu überreden, seine Frau sey noch so wenig bey Sinnen wie vorher, und ihr Zustand mache es ihm unmöglich mit ihr zu leben. Er fand nur zu leicht Glauben, wie man sogleich sehen wird. Luise verließ, in der Ueberzeugung bald ihre Mutter zu umarmen, die Garnison, und man kann sich ihre Verzweiflung vorstellen, als der Kutscher auf dem Gute anhielt, und ihr ankündigte, daß sie hier zu bleiben hätte. Anfangs wollte sie durchaus nicht aussteigen. Der Ort wo sie die grausamsten Mißhandlungen erlitten hatte, war ihr zum Abscheu geworden; allein man brachte sie mit Gewalt aus dem Wagen, und ihre Familie, durch Blachfelds Berichte irre geleitet, [118] ließ sie acht Tage in einer Einsamkeit, die um so fürchterlicher war, als sie nicht wußte, ob man sie nicht auf ewig dazu verdammt hätte. Endlich kam ihr ältester Bruder um sie abzuholen; aber diese Erlösung geschah auf eine Art, die sie nur noch schmerzlicher betrüben mußte, weil sie aus allen seinen Reden merkte, daß man hartnäckig darauf bestand, sie für wahnsinnig zu halten. Er sagte ihr, die Bauren des Gutes hätten ihm endlich erlaubt sie fortzuführen, aber nur unter der Bedingung, daß man sie bei dem ersten Anzeichen von Tollheit wieder ihrer Obhut übergeben sollte. Von Leiden gedrückt, antwortete Luise nichts, und begnügte sich mit dem Glücke, aus ihrem Gefängnisse befreit zu werden. Den Tag nach ihrer Ankunft in die Stadt wollte Luise in die Kirche fahren: man verweigerte ihr die Pferde, unter dem Vorwande, daß sich jedermann über sie erschrecken würde. Umsonst versicherte sie, auf dem Gute Besuche gemacht und angenommen zu haben: ihres Mannes Brief hatte zu gut gewirkt, als daß man auf sie gehört hätte. Sie mußte endlich heimlich [119] entwischen, um dem Lenker ihres Schicksals für die ihr wiedergeschenkten größten Güter des Menschen, für Freyheit und Vernunft zu danken. Ihr ältester Bruder hatte sie sonst zärtlich geliebt; wie sie so elend krank vom Bade zurückkehrte, hatte er über ihr Leiden geweint; ja einmal kam er sogar mit seiner Violine an ihr Bett, um zu versuchen, ob vielleicht der Zauber der Musik ihren verwirrten Geist zurückriefe. Guter Mann, was hatte jetzt dein Herz gestählt? Konntest du ohne eigne Untersuchung, auf den Bericht eines Menschen hin, der seiner Frau in ihrer Krankheit nie so viel Güte als du bewiesen hatte, deine Schwester so lange Zeit mit dem hartnäckigsten Mißtrauen behandeln? Wußtest du nicht, daß dein kaltes Mitleid weit beleidigender als tröstend war?

Luise war jetzt in einer sehr traurigen Lage. Ihr Gemahl sagte sich von ihr los, und sie hatte doch um seinetwillen alle Vortheile verloren, die ihr das väterliche Haus sonst darbot. Alle Zimmer bey Madame N. waren besetzt: allein lieber als auf das Gut zurückzugehen, begnügte [120] sich Luise mit einer kleinen dunkeln Kammer, wo sie aus Mangel an Luft fast erstickte. Wie die Jahreszeit herankam, wo ihre Mutter auf das Gut mußte, um die persönliche Aufsicht über ihre Arbeiter zu führen, hatte Luise zwar mehr Platz; aber sie war ohne Magd zur Aufwartung, und um ihre Kränkung zu vollenden, traf es sich, daß der einzige Bediente eines ihrer Brüder, welcher ihr aus Mitleid das Essen aus der Garküche holte, in den ersten glücklichen Tagen ihrer Ehe bey Blachfelden gedient hatte, welcher ihn oft mit Stockschlägen mißhandelte, und endlich mit der Beschuldigung, ihn bestohlen zu haben, fortjagte. Luisens Bruder hatte ihn seitdem in seine Dienste genommen, und nach Art dieser armen Leute, deren Erziehung nicht dazu gemacht ist, ihr Gefühl zu berichtigen, ließ er sie nun ihres Mannes Härte entgelten, verweigerte ihr oft seine Dienste, und sie mußte es selbst mit anhören, daß er zu seinen Kameraden sagte: »Die Zeit ist vorbey, wo ihr Mann mein Herr war!« Mit Geld kann man alle Herzen gewinnen; [121] aber dieses Mittel stand nicht oft in Luisens Gewalt. denn sie hatte zur Bestreitung ihres ganzen Unterhalts nichts als das Taschengeld, welches ihr als Mädchen ausgesetzt worden war, und von ihrem Manne mit keinem Pfennige vermehrt wurde. Wenn die Winke, die man Luisen damals gab, daß er dieselbe Zeit, wo sie einsam fast gegen Mangel kämpfte, in Lustbarkeiten und Wohlleben hinbrächte, einigen Grund hatten, so mußte sein ehemals so edles Gefühl schon sehr ausgeartet seyn.

Das Betragen von Luisens älterem Bruder kann sehr tadelhaft scheinen: allein es entstand nur aus menschlicher Schwäche. Seine fortwährende Furcht vor einem neuen Anfall von Wahnsinn hielt ihn ab, mit seiner Schwester zu speisen, und lag ihm so am Herzen, daß er selbst, wenn er Damengesellschaft hatte, sie nie einlud. Er bewarb sich damals um ein sehr reizendes Frauenzimmer, und die Zerstreuung welche dieser Plan ihm gab, trug sehr dazu bey, seine Theilnahme an seiner Schwester zu schwächen, Außerdem glaubte er, daß eine Vereinigung [122] zwischen Luisen und ihrem Gatten um seines eigenen Glückes willen nothwendig sey, und hoffte durch Kränkungen und Vernachläßigung sie so weit zu bringen, daß sie endlich von selbst darnach verlangen sollte. Luise wat nicht verzärtelt: wenn sie aber ihren Bruder täglich in einer glänzenden Kutsche von zwey Lakaien begleitet ausfahren sah, indeß sie, deren arme schwache Beine sie kaum fortschleppten, zu Fuße ausgehen, oder bey dem schönsten Wetter eingesperrt bleiben mußte, stieg wohl Bitterkeit in ihrem Herzen auf. Sie konnte sich dann nicht enthalten zu denken: Würde ich mehr leiden müssen, wenn ich mich geweigert hätte, meine Neigung euren Vorurtheilen zu opfern? Indessen zürnte sie ihrem Bruder deswegen nicht: er hatte ihr ehemals zu viele Beweise seiner Zärtlichkeit, seines unbegränzten Zutrauens gegeben. Jetzt war er nur mit seiner Liebe zu sehr beschäftigt, um an sie zu denken. Aber Blachfeld, für den sie alles geopfert, für den sie Leben und Seligkeit gegeben hätte, – dieser schrieb ihr nicht einmal ein Wort. Zu ihr kommen konnte er nicht, [123] denn der Fürst hatte ihn mit einem Auftrage verschickt; aber zu schreiben hielt ihn nichts ab. Indessen hätten die Grundsätze, die er in dieser Zeit über Ehe und Freyheit der Neigungen äusserte, Luisen auf den Schlag der sie bedrohte, vorbereiten können. Menschen die ihn damals sich mit seinen Grundsätzen brüsten hörten, konnten kaum glauben, daß es derselbe Mann wäre, der sich so hartnäckig und mit so zahllosen Mitteln um die Hand einer Frau bemüht hatte, die er jetzt zu verstoßen wünschte.

Endlich erhielt sie einen Brief von ihm: aber Gott, welchen Brief! Er forderte sie zur Scheidung auf, und legte einen Zettel an ihre Mutter bey, den aber Luise nicht das Herz hatte abzugeben. Sie wußte, daß diese wohlmeinende Frau ihr höchstes Glück in diese Ehe gesetzt hatte; sie wußte, wie sehr sie durch den übeln Erfolg ihres Planes litt. Es war ihr unmöglich, ihr die Botschaft zu bringen, welche die völlige Vernichtung aller ihrer Hofnungen enthielt. Luise erfuhr jetzt, daß ihr Mann in D. angekommen war. Sie schlich von Wirthshaus zu Wirthshaus [124] um ihn aufzusuchen. Die Hitze erschöpfte sie bis zur Ohnmacht: sie sah sich genöthigt einen Miethswagen zu nehmen um ihre Nachforschungen fortzusetzen, und fand endlich den Gasthof, wo Blachfeld abgestiegen war. Er war ausgegangen. Sie ließ sich auf sein Zimmer führen, wo sie drey fürchterliche Stunden in einer Spannung zubrachte, die keine Feder beschreibt. Ihr Zustand wurde ihr endlich so unerträglich, daß sie ein Buch forderte, um sich zu zerstreuen: man gab ihr eine elende deutsche Übersetzung der neuen Heloise, und sie hatte sie in Händen, als Blachfeld hereintrat. Seine erste Bewegung war zu fliehen; sie hielt ihn aber zurück, und bat um Gehör. Das Buch fiel ihr aus der Hand; Blachfeld hob es auf, und da er den Titel erblickte, nahm er Gelegenheit ihr Verweise zu geben, indem er sagte: dieses Buch verdrehe allen jungen Leuten den Kopf, und habe den ihrigen auch verdreht. Er hatte vergessen, wie sehr er ihr ehemals anlag, dieses Werk mit ihr lesen zu dürfen. Luise hatte es unter ihres Vaters Aufsicht gelesen, [125] und neue Liebe für die Tugend, und Abscheu gegen das Laster daraus geschöpft. Was Blachfeld jetzt sagte, bewies Luisen nur, wie sehr er sich an ihr irrte; und es gab ihr zugleich Hofnung, ihn zurück zu bringen, weil alle seine Irthümer aus dieser Quelle fließen konnten. Sie hörte ihm also geduldig und mit Ergebung zu, und gab ihm in allen seinen Vorwürfen Recht. Er erlaubte ihr dagegen eine Magd zu miethen, und bat sie, zu ihrer Mutter auf das Gut zu gehen, von wo er sie selbst nach der Garnison abholen wollte; er dankte ihr sogar, den Brief an ihre Mutter zurückbehalten zu haben. Luise eilte seinen Wünschen nachzukommen, und ihrer Mutter die günstige Wendung ihrer Angelegenheiten mitzutheilen.

Blachfeld kehrte indeß nach M. zurück, wo er Zeit hatte, sein eben gegebenes Versprechen zu bereuen. Er sah daß seine Waffenbrüder, unter denen die meisten brave Hausväter waren, sich alle überflüssigen Ausgaben, alle unnützen Lustbarkeiten versagten, um für das Beste ihrer Familie zu sorgen. Diese Einschränkung [126] mißfiel ihm, zumal da er seit den achtzehn Monathen, wo ihm der Unterhalt seiner Frau gar nichts kostete, deren entwöhnt war, und seit seiner Reise noch mehr Geschmack an Zerstreuung bekommen hatte. Er schrieb dem zu Folge an seine Schwiegermutter, daß Luise seinen ersten Brief an sie aufgehalten, daß er sie seitdem zwar gesprochen hätte, aber durch ihre Vorwürfe nur noch mehr erbittert worden wäre. So kam Luise wieder unter die Aufsicht der Madame N., die jetzt durch alle diese Umstände gegen das arme Weib so aufgebracht war, daß sie ihrer Mutter Herz, ihre einzige letzte Stütze verlor. Umsonst betheuerte Luise ihre Unschuld: man war überzeugt, daß sie Blachfelden bei ihrer letzten Zusammenkunft seine Untreue vorgeworfen hätte, welches doch so falsch war, daß sich Blachfeld selbst gegen einen seiner Freunde rühmte, er hätte diese stolze Seele endlich gedemüthigt. War es nicht genug, ein harmloses Geschöpf aus dem Schooße des Überflusses zu reissen; durch tausend schöne Raisonnements, tausend wohl angebrachte Anmerkungen über die [127] Fehler anderer Ehemänner, sich endlich das Zutrauen des truglosen Herzens zu erwerben: mußte er sie noch, nachdem sie Annehmlichkeit des Lebens, Gesundheit, Vernunft und Glück geopfert hatte, endlich gar verstoßen? sie fühlen lassen, daß sie geringer als der letzte Knecht geachtet würde? Denn wenn dieser im Dienst erkrankt wäre, so hätte Blachfeld ihn verpflegt! Der Anblick des mütterlichen Kummers zerfleischte Luisens Herz. Sie wagte noch einen Versuch, und schrieb an Blachfeld. Seine Antwort bewies ihr, wie vergeblich alle Hofnung war: er fuhr fort seiner Schwiegermutter die bittersten Vorwürfe darüber zu machen, daß sie ihm nicht bey Zeiten entdeckt hätte, wie Luise einer Gemüthskrankheit ausgesetzt wäre, indem dieses Bewußtseyn ihn von aller weitern Bewerbung abgehalten haben würde. Und doch hatte ihm Luise über diesen Gegenstand alles gesagt, alles geschrieben, was die erfahrensten Ärzte ihm hätten sagen können. Sie hatte ihm die umständlichste Beschreibung ihrer Schwermuth gemacht: aber gewöhnt, sich von seinen Leidenschaften beherrschen zu lassen, hatte [128] er sie aus einem Anfall von Laune zu seinem Weibe gemacht, und nun machte er sie zu seinem Opfer. Endlich langte ein dritter Brief bey der Mutter an, worin Blachfeld fortfuhr ihre Tochter in einem gehässigen Lichte darzustellen, indem er um eine Zusammenkunft bat, und es zur Bedingung machte, (ein Beweis wie wenig er selbst seiner guten Sache traute) daß Luise nicht gegenwärtig seyn sollte. Madame N. hatte die Schwäche, sich dazu zu verstehen. Die Zusammenkunft fand statt, und Blachfeld legte die Bedingungen vor, unter welchen er seine Frau wieder aufnehmen wollte. Das unglückliche Weib sollte auf dem nämlichen Fuße in seinem Hause wohnen, den sich seine Maitressen hatten gefallen lassen. Wie Luise diesen demüthigenden Vorschlag erfuhr, stürzte sie ihrer Mutter zu Füßen, und gelobte, lieber wie Magd zu dienen, als um diesen Preis in ihres Mannes Hause zu leben. Blachfeld schwor sich für diese Weigerung zu rächen. Ein Abgrund von Abscheulichkeit öfnete sich nun vor Luisen. Blachfeld schleppte sie von Gerichtshof zu Gerichtshof; er [129] setzte sie den bittersten Kränkungen aus. Er las öffentlich ihre Briefe vor, die sie ihm in der Zeit geschrieben hatte, wo sie auf seine Redlichkeit als auf ihre unerschütterlichste Stütze vertrauend, ihm alle ihre geheimsten Gedanken, ja sogar die Träume, über welche sich ihr furchtsames Gewissen Vorwürfe machte, mitgetheilt hatte. Abscheu und Mitleid bemächtigten sich selbst der Richter, und machten sie zu ihren Vertheidigern. Endlich wurden Blachfeld und seine Frau gegen einander verhört. Blachfeld erblickte Luisen, und seine Thränen flossen. Sie sah seine Rührung, und alles war vergessen. Sie warf sich in seine Arme und versprach jeden Vorschlag einzugehen; und Blachfeld war großmüthig genug, Luisens Bedingungen jetzt anzunehmen, und feyerlich zu unterzeichnen. Luisens Ruhe wäre vielleicht in diesem Augenblick auf immer begründet worden, wenn die Einmischung eines dritten ihr nicht neuen Kummer zubereitet hätte. Blachfelds Sachwalter war ein Rabulist, den man beschuldigte, schon mehr als einen gütlichen Verein zwischen Eheleuten verhindert [130] zu haben. Dieses gelang ihm zwar nicht in Blachfelds Sache; allein er legte Luisen eine Schrift zur Unterzeichnung vor, die ganz zu Blachfelds Vortheil abgefaßt war. Luise gestand darin ein, daß sie ihren Mann durch unverträgliche Laune zu einer Trennung gezwungen hätte, und daß er, wenn die Dinge je wieder auf diesen Punkt kämen, von jeder Verbindlichkeit gegen sie freygesprochen seyn sollte. Luise fand diese Klausel höchst abgeschmackt Unter allen Klagen welche ihr Mann gegen sie geführt hatte, war Unverträglichkeit und üble Laune nicht mitbegriffen gewesen, und er hatte sogar mehrmals von ihr gesagt, daß sie von Eigensinn und Launen ganz frey wäre. Allein was konnte Luise in diesem Augenblick beschließen? Blachfeld hielt sie in seinen Armen, und bat sie zu unterschreiben, um diesen Wohnsitz der Chikane so schnell als möglich zu verlassen. Luisens Advokat sagte ihr ins Ohr: »Unterzeichnen Sie nur: es sind hier Zeugen genug gegenwärtig, welche im Fall der Noth beweisen können, daß Sie überredet wurden.« Luise unterschrieb endlich ihren [131] Namen, und der Friede war geschlossen. Allein wie ängstlich und unsicher war dieser Friede? wie abhängig von den Launen eines Mannes, dessen Härte und Wankelmuth sie nur zu deutlich kennen gelernt hatte? Ein Mittel wäre noch gewesen. ihre Unschuld und ihr Recht geltend zu machen. Es gab in jenen Lande einen Gerichtshof, dessen unbestechliche Unpartheilichkeit allen Tribunälen zum Muster dienen sollte; an diesen zu appelliren stand Luisen frey: allein ihre Mutter hing zu fest an dem hergebrachten Vorurtheil. Sie zitterte, den guten Ruf ihrer Tochter durch einen längeren Rechtsstreit leiden zu sehen, und ohne sie zu einer Aussöhnung zu überreden, beschwor sie Luisen, sich nicht bey einer höhern Instanz zu melden. Diese Bitten wirkten mächtiger als jeder andre Zwang, um ihre Aussöhnung zu Stande zu bringen, und ihre Mutter hatte von neuem Hofnung, daß die Ehe ihrer Tochter eine glücklichere Wendung nehmen würde.

Blachfeld hatte indessen einige Schulden gemacht. Um sie mit mehrerer Leichtigkeit bezahlen [132] zu können, verstand sich Madame N. dazu, ihre Tochter noch auf sechs Monate zu sich ins Haus zu nehmen, und Blachfeld ließ es dabey bewenden, ihr eine Kleinigkeit für Holz und Wohnung zu zahlen. Bald aber sah sich Luise mit einem neuen Rechtshandel bedroht. Die Bürgschaft welche sie, wie schon gemeldet worden ist, vor ihrer Heirath geleistet hatte, erforderte jetzt eine schleunige Zahlung; und um ihre Verlegenheit zu vermehren, äußerte ihre Mutter, wenn gleich mit vieler Sanftmuth, daß sie die Blachfelden vorgestreckte Summe zurück zu haben wünschte. Ihr blieb in dieser peinlichen Lage nur ein Mittel, das sie mit Zutrauen ergriff. Sie schrieb an den Fürsten, in dessen Diensten ihr Vater gestanden hatte, und erinnerte ihn an das Versprechen, das er ihrem Vater gegeben hatte, für seine Tochter, als das einzige seiner Kinder, deren Talente ihr nicht zum Broderwerb dienen könnten, vorzüglich zu sorgen; sie entdeckte ihm ihr jetziges Bedürfniß. Der gute Fürst schickte ihr die erforderliche Summe, und außerdem die Anweisung auf eine jährliche Pension von dreihundert [133] Thalern. Manches Weib hätte vielleicht diese Gelegenheit eifrig ergriffen, um sich von ihrem Manne unabhängig zu machen; aber Luisen war dieser Wunsch so fremd, daß sie unverzüglich eilte, Blachfelden zum unumschränkten Herrn der Pension zu machen, und sich nur das kleine Kapital vorbehielt, um ihre und Blachfelds Schulden zu bezahlen. Um den Eindruck dieses günstigen Vorfalls und ihrer Uneigennützigkeit bey Blachfelden auszulöschen, mußte sich ein unglückliches Mißverständniß in den Weg stellen. Luise hatte ihm kurz vorher einen zärtlichen Brief geschrieben, in welchem sie aber die Unvorsichtigkeit beging, ihn auf eine feine Art darüber aufzuziehen, daß er, wie man ihr versichert hatte, allenthalben behauptete, eine Stelle ausgeschlagen zu haben, die niemand den Einfall gehabt hatte ihm anzubieten. Dieser Scherz war bey dem Verhältnisse der beyden Eheleute gewiß so unschicklich, als gegen einen Mann überhaupt übel angebracht: allein Blachfelds ungestümer Verdruß strafte Luisen noch härter als sie es verdient hatte. Er schickte ihr die zerrissenen [134] Stücke ihres Briefes zu rück. Diese Härte verhinderte Luisen nicht, ihm den neuen Beweis der Gnade ihres Fürsten zum Opfer zu bringen. Es lag in ihrem Karakter, dann am sanftesten und nachgebendsten zu seyn, wenn das Glück ihr lächelte. Blachfeld hatte indeß gefühlt, daß Luisens übereilter Scherz keine so harte Strafe verdiente, und schrieb ihr einen zweiten Brief, in welchem er sie um Verzeihung bat, und ihr meldete, er würde selbst nach D. kommen, um die Aussöhnung zu versiegeln. Durch einen Zufall kam der Brief zu spät in Luisens Hände, so daß sie nicht mehr Zeit hatte vor Blachfelds Abreise darauf zu antworten. Blachfeld hielt also Luisens zweiten Brief, in welchem sie ihm das Geschenk des Fürsten meldete, für die Antwort auf sein reuiges Schreiben, und fand in ihrer Großmuth nun weiter gar kein Verdienst, sondern ward noch obendrein empfindlich, daß sie über seinen bevorstehenden Besuch keine Freude bezeugte. Luise erwartete ihn indessen mit Ungeduld, und ging ihm bey seiner Ankunft so eilig entgegen, daß sie strauchelte, und einen [135] Fall that, der, außer daß er sie schmerzlich verwundete, ihr die gefährlichsten Folgen hätte zuziehen können, da sie sich in dem Anfange einer Schwangerschaft befand. Blachfeld, zu ungestüm, um mit einer andern Idee als der des ihm vermeintlich gethanen Unrechts beschäftigt zu seyn, überhäufte sie mit Vorwürfen, und es kostete die größte Mühe, selbst über die Um stände durch welche sie ihre Pension erhalten hatte, ihn zufrieden zu stellen.

Luisens Mutter rieth ihr diesen Zeitpunkt zu benutzen, um ihren Mann zu bitten, daß er ihr zu ihrer künftigen Wirthschaft eine zweyte Magd, die ihr bevorstehendes Wochenbett unentbehrlich machte, halten möchte. Diese Forderung brachte Blachfelden von neuem auf; er behauptete, sie mache es wie alle Weiber, welche ihre Forderungen immer höher spannten, je mehr man ihnen zugestände. Ihm schien es, daß eine einzige Magd für die Küche und zur Pflege des Kindes völlig hinreichend wäre, und daß Luise übrigens wie andere Weiber für sich und ihren Mann nähen könnte. Und zu eben der Zeit [136] fand derselbe Mensch, daß ein Brdienter nicht mehr zu seiner Aufwartung und Besorgung der Pferde hinreichte! Luisen fiel in diesem Augenblicke ein Schleier von den Augen, sie sah wogegen sie sich bis jetzt verblendet hatte; sie sah deutlich, daß Blachfeld ein Egoist war. Schon ehemals, in den ersten Wochen ihrer Ehe, als er noch den Tisch bei seiner Schwiegermutter hatte, machte er es ihr einmal zum Vorwurf, daß sie nicht lieber eine Köchinn statt einer Kammerfrau hielte, weil diese sich weigerte früh morgens um drey Uhr aufzustehen, um ihrem Herrn den Kaffe zu machen. Blachfeld hatte damals, da er im Begriff stand zu der Armee zu gehen, nicht weniger als fünf Bediente, die jenen Dienst eben so gut verrichten konnten. Indeß warf er ihr vor, daß sie diese Magd besser, als alle ihre Bekannten die ihrigen, bezahlte, und wollte ihren Gründen, daß die ihrige dafür desto mehr arbeitete, und doch nicht für zwey äße, kein Gehör geben. Luise fing jetzt an zu fürchten, daß der Geiz, dieses alle Lebensfreuden zerstörende, und mit dem Alter immer wachsende [137] Laster, einigen Antheil an ihres Mannes Karakter hätte. Was kurz darauf erfolgte, bestätigte sie in dieser traurigen Ahndung. Der Fürst wurde durch nothwendige außerordentliche Ausgaben genöthigt, die Auszahlung von Luisens Pension auf einige Zeit zu suspendiren. Ungeachtet des Zustandes, in welchem sich Luise befand, hörte Blachfeld plötzlich auf sie zu besuchen, und fing von neuem an, seiner Schwiegermutter auf eine Art zu schreiben, die sie mit ihrer Tochter hätte entzweyen können, wenn sie seine Briefe des Lesens werth gehalten hätte. Sie hätte die Vorsicht aber noch weiter treiben, und ihrer Tochter auch nichts davon sagen sollen; allein ihr Verdruß erbitterte sie bey einer andern Gelegenheit so sehr, daß Luisen auch der süße Traum, in welchen sie sich damals wiegte, durch diese Entdeckung vergiftet wurde. Sie glaubte nemlich, daß Blachfeld bloß darum sie nicht mehr besuchte, und alles Verkehr mit ihr abgebrochen hätte, um ihren Entschluß mit ihm zu leben zu beschleunigen. Sie begab sich zu ihm, und ward übel empfangen; aber ihre Geduld, [138] ihr zärtlicher herzlicher Wunsch ihm zu gefallen, gewannen endlich sein Herz, und schenkten ihr den glücklichsten Zeitpunkt ihrer Ehe und ihres ganzen Lebens.

Er gestand ihr bey dieser neuen Versöhnung, daß ihre romanhafte Forderung bey der Feyer ihrer Hochzeit, nur als Freundinn, und nicht als Gattinn mit ihm zu leben, den ersten Keim von Bitterkeit in ihn gelegt hätte, der, so oft es ihm fehlgeschlagen, sie in ihrem Entschluß wankend zu machen, immer mehr gewachsen wäre. Luise fügte sich jetzt in ein Verhältniß, das Natur und Gesetze ehrwürdig machen, und ward durch ihres Gatten gänzliche Umschaffung dafür belohnt. Sein Haus ward bald sein beständiger und vorgezogener Aufenthalt; er trieb seine Sorgfalt für sein Weib so weit, daß er ihr alle Morgen bey ihrem Anzuge half. Von früh bis Abends las er ihr vor, oder beschäftigte sich mit dem Erziehungsplane für sein künftiges Kind. Er gestand damals, daß er Luisen, ungeachtet aller ihrer körperlichen Leiden, nie übellaunig noch mürrisch gesehen hätte. Sie war ausschließend mit [139] ihrer Pflicht beschäftigt, und ein Blick von Blachfelden der ihr Beyfall gab, lohnte sie überschwenglich.

Der Ausbruch eines Krieges zerstörte Luisens häusliches Glück. Blachfeld verließ sie, da sie auf dem Punkt stand, Mutter zu werden, ohne Hülfsmittel für die Bedürfnisse ihres Kindbetts; sie klagte nicht. Ihr Mann setzte ihr einen jährlichen Gehalt aus, auf den nemlichen Fuß wie seine andern verheiratheten Kriegskameraden; allein hier kam es auf eine außerordentliche Ausgabe an. Luise dachte darauf ihren Wagen zu verkaufen; da sie aber ihr Mann bat, ihn zu seiner Reise gebrauchen zu dürfen, fehlte ihr auch diese Auskunft. Er nahm endlich mit viel anscheinender Unruhe über ihren Zustand Abschied, und versprach ihre Mutter zu bitten, sie während ihres Kindbettes zu sich zu nehmen. Allein seine neue Laufbahn führte ihn bald auf so viel ehrgeizige Plane, daß seine Gefühle als Gatte und Vater schwiegen, und er die Bitte an Madame N. vergaß. Diese gute Frau hatte Luisen zu sich auf ihr Gut eingeladen; und als [140] ihre Tochter ihr in ihren Gesprächen ihre Furcht entdeckte, in der Garnisonstadt nieder zu kommen, wo der Krieg jetzt alle geschickten Wundärzte abgerufen hatte, war sie die erste ihr zu sagen, daß sie schon lange dieselbe Besorgniß gehabt hätte, und sehr wünschte, ihr während dieser Zeit Zimmer in ihrer Wohnung in D. einzuräumen. Allein in diesem Hause wohnten auch Luisens Brüder; und da sie fürchtete, daß die Anwesenheit einer Kranken ihnen bey ihrer Lebensart zur Last fallen möchte, wagte sie es nicht ihnen diesen Vorschlag zu thun. Sie gab daher Luisen den Rath, ihnen zu schreiben, ihnen ihre Besorgnisse wegen ihres Zustandes zu entdecken, und sie um ihre Fürsprache bey ihrer Mutter wegen einer Gunst zu bitten, welche diese gute Mutter selbst sehnlich zu gewähren wünschte. Luise hatte vor allen versteckten Planen und abgekarteten Anschlägen einen Abscheu; sie hatte außerdem Ursachen sich über diesen Gegenstand nicht weitläuftig gegen ihre Brüder auszulassen. Wie sehr wurde sie betroffen, als ihr, da es endlich zur Sprache [141] kam, ihre Brüder vorwarfen, durch ihre Zudringlichkeit ihrer Mutter diese Last aufzubürden, vor welcher sie sich bey ihrem Alter und ihrer Kränklichkeit so sehr scheute, daß sie ihre Einwilligung nie gegeben hätte, wenn es möglich gewesen wäre, ihren Forderungen auf eine andere Weise ein Ende zu machen. Es ward Luisen sehr schwer, sich so unverdient der Zudringlichkeit, der Selbstsucht zeihen zu lassen; aber um ihre Mutter nicht blos zu stellen, mußte sie es geduldig leiden und schweigen. Ihre Brüder riethen ihr, an Blachfelden zu schreiben, damit er ihr erlaubte, eine Wohnung in der Stadt zu miethen. Wenn ich, setzte einer von ihnen hinzu, auf dem Punkt stände Vater zu werden, würde ich wenigstens dafür sorgen, daß es meiner Frau nicht an der nöthigen Hülfe gebräche. Der Rath war gut; allein in Rücksicht auf Blachfelden sehr übel angebracht. Luise wußte, daß er während ihrer Gemüthskrankheit sich geweigert hatte eine Wohnung zu bezahlen, die ihre Mutter in D. bey einer sehr verdienstvollen Frau miethen wollte, deren gutes Herz [142] so sehr litt, als sie die unbarmherzige Art erfuhr, mit welcher man Luisen auf dem Gute begegnete, daß sie sich äußerte, sie gern für das Drittheil des geforderten Preises zu sich genommen zu haben, wenn sie das hätte voraussehen können. Nach dieser Erfahrung wagte es Luise nicht, ihrem Manne einen ähnlichen Vorschlag zu thun, sondern sie quälte sich einige Tage mit den ängstlichsten Besorgnissen. Ihre Unruhe wirkte so sichtbar auf sie, daß einige Freunde ihre Mutter davon benachrichtigten, welche darauf mit ihren Söhnen sprach, und es dahin brachte, daß sie Luisen einstimmig nach D. einluden. Innigst von der Güte ihrer Mutter und der Nachgiebigkeit ihrer Brüder gerührt, beschloß Luise nun keinen Gebrauch davon zu machen, und das frohe Leben dieser jungen Leute nicht durch ihr Krankenbett zu stören. Sie schob ihre Reise auf, verhehlte sogar den Anfang ihrer Schmerzen, und kam auf dem Gute der Mutter mit einer Tochter ins Kindbett. Es gehörte ein an Leiden und Vernachläßigung gewöhntes Geschöpf dazu, um alle Unannehmlichkeiten ih, [143] rer Lage zu ertragen. Ihr Bett war in D. zurecht gemacht; auf dem Gute hatte sie nichts als eine unbequeme Schlafbank, die in einem Zimmer stand, welches ihr in jeder Rücksicht verhaßt seyn mußte, da sie dort die qualvolle Epoche ihrer Gemüthskrankheit verlebt hatte. Dieses Zimmer befand sich zwischen dem Vorsaal und einer Vorrathskammer, in welcher alle Bedürfnisse des Haushalts aufbewahrt wurden, so daß es dem Hausgesinde jeden Augenblick zum Durchgang diente. Man trat ohne die geringste Vorsicht auf, daß der Fußboden zitterte; man warf die Thüren, daß Luise erschrocken aus jedem Schlummer auffuhr. Ihre Nerven, die von ihrer Krankheit her sehr geschwächt, und bey ihrer Niederkunfe um so mehr angegriffen waren, als sie sechs Stunden litt, ehe sie Hülfe begehrte, konnten sich unter diesen Umständen nicht erholen. Ihre Mutter, die es herzlich gut meynte, glaubte daß Luisens Schwäche aus Mangel an Nahrung entstünde, und zwang sie unaufhörlich Speise zu sich zu nehmen; allein jedesmal wenn Luise ihren Eckel überwand, und[144] um ihrer Mutter die Vorstellung, als faste sie aus Eigensinn, zu benehmen, etwas aß, ergriff sie ein so heftiges Erbrechen, daß ihre Kräfte vollends unterlagen.

Nie fühlte ein Weib so lebhaft wie Luise das Glück Mutter zu seyn; ihr liebenswürdiges Kind schien ihre Liebkosungen schon durch sein süßes Lächeln zu erwiedern. Sie drückte es an ihre Brust, mit dem brennenden Wunsche es daraus zu nähren: allein ein strenges Verbot ihrer Mutter verhinderte sie daran; sie sey zu schwach, hieß es. Grausames Vorurtheil! wo die Natur Kraft zu schaffen hat, fehlt ihr nie die Kraft zu ernähren. Luise hatte sich während ihrer ganzen Schwangerschaft geschont, um diese heilige Mutterpflicht zu erfüllen. Es war ihr gelungen einen Überfluß von Milch zu haben; sie war rein, gesund, – umsonst, man vertrieb sie mit Gewalt. Luise litt unsäglich, die Milch trat in das Blut, warf sich auf ihre Nerven, und verursachte ihr ein Fieber, das ihre Kräfte drey Monate lang verzehrte. Ihre Niederkunft war glücklich gewesen; man glaubte also für nichts [145] weiter sorgen zu dürfen, man beobachtete keine Art Schonung gegen sie. Einige Stunden nach ihrer Niederkunft las man ihr einen Brief ihres Bruders vor. Sie glaubt daß er Glückwünsche ruthalten wird: nein, er schreibt, daß er das Fieber hat, daß er nach seiner Mutter verlangt; er äußert Unzufriedenheit darüber, daß seiner Schwester Wochenbett alles aus seinem gewöhnlichen Gange bringt. Die Mutter weint, spricht von dem nahen Tode ihres geliebten Sohnes, und Luise bittet sie eifrig zu ihm zu eilen, und ihn mit eignen Händen zu pflegen. Sie reist ab, nimmt die Kammerfrau und Köchinn mit, und läßt Luisen mit der Wärterinn, welche den Haushalt versehen muß, und einer unerfahrnen Amme allein. Dieses verkehrte Geschöpf war über die Untreue ihres Liebhabers, der sie verführt hatte, in Verzweiflung; sie benetzte ihren Säugling unaufhörlich mit Thränen. Luise zitterte für ihr geliebtes Kind; sie beschwor die Amme, es in solchen Augenblicken von Gemüthsbewegung nicht an die Brust zu legen. Das Weib bestand eigensinnig darauf, und gerieth [146] in die heftigste Wuth. Luisens Angst und Unruhe stieg so hoch, daß sie in Gefahr stand, ihren Verstand aufs neue zu verlieren. Sie wußte daß es dem Kinde besser wäre, bey Milch und Wasser aufgezogen zu werden; aber aus Furcht vor ihrer guten Mutter, deren Vorurtheile über diesen Punkt sie kannte, wagte sie diese Veränderung nicht. Um ihr Kind zu retten, blieb Luisen kein anderes Mittel, als den Launen jenes Drachen nachzugeben; denn sobald die Amme ihrer Gewalt über Luisens furchtsame Mutterliebe sicher war, legte sie ihren Leidenschaften keinen Zügel mehr an. Von der einen Seite machte sie die Ungewohnheit einer müßigen, weichlichen Lebensart übermüthig; von der andern reizte sie die Mißhandlung ihres brutalen Liebhabers täglich zum Ärger, und diese Mißhandlung selbst schien sie doch täglich mehr an ihn zu fesseln. Um dieses unleidliche Geschöpf, dem Luise doch genöthigt war ihr Kind zu überlassen, durch einen ungewöhnlichen Lohn zu einer größeren Sorgfalt für ihren Säugling zu bewegen, schlug man Luisen vor, die einzige [147] Magd welche sie unterhielt, ein junges Mädchen, das ihr sehr ergeben, und von ihr selbst geliebt war, abzuschaffen. Es war grausam, von ihr zu fordern, daß sie das einzige Geschöpf, das ihr nicht fremd war, entfernen sollte; denn so sehr ihre Mutter sie liebte, konnte sie wegen der Krankheit ihres Sohnes nur wenig bey ihr seyn. So oft diese wohlmeynende Frau auch Luisens zu zartes Gefühl verwundete, und ihr besonders jetzt merken ließ, daß ihre Krankheit ihr zur Last fiele, war sie doch zu gütig, um nicht diesesmal ihrer Tochter Bitten nachzugeben. Sie erlaubte ihr die Magd zu behalten, obschon sie ihr persönlich zuwider war; wie denn Luise das Unglück überhaupt hatte, daß alle Menschen welche sie liebte, ihrer Mutter mißfielen: dies ging so weit, daß sogar Blachfeld nach dem Maaße wie er in Luisens Herzen Fortschritte machte, ihr unangenehm zu werden angefangen hatte.

Luise hätte alles Ungemach ihrer Lage mit Freuden ertragen, wenn Blachfeld ihr die mindeste Theilnahme bezeugt hätte; allein Luisens [148] Prophezeihung vor ihrer Heirath traf nun ein: das Geräusch der Waffen übertäubte sein Herz, die Vaterfreude war ihm überdem nicht neu, und dieses Gefühl, welches oft den wildesten Sinn bezähmt, glitt leicht an dem seinigen vorbei. Er schrieb seinem Weibe nicht einmal, um ihr für das Geschenk, welches sie ihm mit seinem Kinde gemacht hatte, zu danken. Eine kalte Antwort auf den Brief, den er bey dieser Gelegenheit von seiner Schwiegermutter bekam, enthielt diese Worte: »Ich bitte Sie, meine Frau meiner Liebe zu versichern.« Von allem was Blachfeld für Luisen hätte fühlen können, wäre ja Liebe die letzte Empfindung gewesen, die sie jetzt von ihm forderte; Theilnahme wünschte sie. Hätte er zum Beyspiel geschrieben: wie befindet sich Luise? hat diese Krisis eine gute Wirkung auf ihre Gesundheit gehabt? gewinnt die Freude Mutter zu seyn die Überhand über ihre gewöhnliche Schwermuth? Bedenken Sie, liebe Mutter, wie schädlich ihr jetzt jede Gemüthsbewegung wäre. Sie kennen die Reizbarkeit ihrer Nerven, ihr gar zu zartes Gefühl: ich beschwöee[149] Sie darauf Nücksicht zu nehmen, und meiner ewigen Dankbarkeit versichert zu seyn, u.s.w. Hätte er nur so geschrieben, Luise wäre zufrieden gewesen. Die drohenden Folgen von Luisens Kindbett, welche durch Vertreibung der Milch entstanden, hatte ihm Madame N., aus Furcht ihn zu beunruhigen, erst nach vorübergegangener Gefahr geschrieben. In seiner Antwort berührte er diesen Umstand mit keiner Silbe, aber er kam dafür auf die Vergangenheit zurück, und beklagte sich über die Beschwerlichkeiten, die er vorigen Winter durch die häufigen Reisen zwischen seiner Garnison und D. erlitten hätte. Er hatte also völlig vergessen, daß die ganze damalige Einrichtung mit seinem Beyfall und zu seinem Besten getroffen worden war. Luise blieb jenen Winter über bey ihrer Mutter, um ihn, da er den Tisch bey seinem General hatte, und also keiner eignen Wirthschaft bedurfte, die Abtragung seiner Schulden zu erleichtern. Wankelmuth und Laune schienen aber in seinem Betragen gegen seine Frau einmal die [150] Oberhand zu haben, und alle Bemühungen seinen Unmuth zu entwaffnen, blieben vergeblich.

Luise war, aus Anrathen der Ärzte, welche eine Ortsveränderung für das einzige Rettungsmittel bey der ihr nach ihrem Nervenfieber drohenden Auszehrung hielten, in die Stadt gezogen. Der Wunsch, ihres Mannes häusliche Umstände endlich durch die strengste Sparsamkeit völlig ins Reine zu bringen, vermochte sie aber, sobald ihre Gesundheit hergestellt war, der rauhen Jahreszeit zum Trotze, denn es war im Anfange des Winters, mit ihrem Kinde das Gut ihrer Mutter zu beziehen. Dieses Opfer war um so größer, als sie dort ohne allen Umgang war. Die Nachbarschaft bot ihr, so wie der Ort selbst, keine Gesellschaft dar, und ihre Mutter brachte den ganzen Winter in D. zu. Ihre Schwäche erlaubte ihr keine Spaziergänge zu Fuß, und Pferde zu miethen ließen die Gränzen nicht zu, die sie ihren Ausgaben vorgeschrieben hatte. Sie hatte das Vergnügen ihren Zweck zu erreichen, indem sie eine Summe abzahlte, welche Blachfeld aufgenommen hatte, um [151] sie in die Wittwenkasse einzukaufen. Diese Schuld schien ihr für einen Ehrenmann um so drückender, als sein Gläubiger die Großmuth so weit getrieben hatte, keine Interessen für dieses kleine Kapital nehmen zu wollen. Ihre Gesundheit litt durch ihre Lebensweise; die ununterbrochene Einsamkeit stürzte sie in ihre alte Schwermuth zurück. Aber sie wäre für alle ihre Mühe belohnt gewesen, wenn ihres Mannes Herz ihren heißen Willen ihm zu nutzen erkannt hätte.

Der Chef unter welchem Blachfeld diente, hatte die Großmuth, seinen Offizieren zu erlauben, daß sie ihre Frauen zu sich in die Winterquartiere kommen ließen. Blachfeld war der einzige der diese Erlaubniß nicht benutzte. Luisen wäre diese Zerstreuung doch nothwendiger gewesen, wie mancher andern. In der Zeit, wo sich Blachfeld um ihre Hand bewarb, hatte er ihr ein reizendes Bild von einem solchen Wiedersehen gemacht, und späterhin forderte er von ihr, daß sie den Umgang mit einer ihrer Bekanntinnen abbrechen sollte, weil diese Frau über die so weit getriebene Gefälligkeit der Offiziersweiber, [152] ihren Männern in die Winterquartiere zu folgen, gespottet hätte. Er hatte sich von Luisen bey seiner Abreise ausdrücklich versprechen lassen, ihn in jedem Falle zu besuchen, wenn auch keine andre Frau ihres Standes die Reise machte. Jezt schwieg er von dieser ehemals so gewünschten Zusammenkunft, und Luise hatte wenig Lust, ohne seine Einladung zu ihm zu reisen, so sehr ihre Mutter sie dazu ermunterte. Diese bot ihr an, ihr Kind bey sich zu behalten; allein Luise war eine zu zärtliche Mutter, um es aus ihren Händen zu geben, und die ersten Liebkosungen dieses geliebten Geschöpfes hatten zu viel Reiz für sie, um sie mit einem Manne zu theilen, dem Mutter und Kind gleichgültig schienen.

Eines Tages, an welchem wie gewöhnlich tausend traurige Bilder sie beschäftigten, empfing sie einen Brief von Blachfelden, in welchem er von seiner Sehnsucht nach dem Frieden sprach, und wie ihn darnach verlange, seinem Heerde wiedergegeben, in der Gesellschaft seiner Frau zu leben, die Liebkosungen seines Kindes, die [153] Freude wissenschaftlicher Beschäftigungen zu genießen. Luisens Herz richtete sich bey diesen Worten auf, wie eine welke Blume ihr Haupt erhebt, wenn der erquickende Thau sie badet. Sie gründete schon die lachendsten Hofnungen auf diese Gesinnungen, als die übelbedachte Dienstfertigkeit eines Freundes sie in noch bitterern Kummer zurückstieß. Er theilte ihr einen an ihn gerichteten Brief ihres Mannes von demselben Monatstage mit, welcher gerade das Widerspiel der Empfindungen enthielt, die er gegen sie äußerte. Er sprach mit Enthusiasmus von seinem blutigen Gewerbe, und zog seine ungebundene unstäte Lebensart den süßesien häuslichen Banden vor. Es war Luisens Schicksal, ihr Herz gerade dann von unangenehmen Gefühlen bestürmt zu sehen, wenn sie am wenigsten sie zu bekämpfen fähig war. In dem Augenblicke wo sie sich mit der heitersten Aussicht beschäftigt, wo das Bild ihres geliebten Mannes ihre ganze Seele einnimmt, spricht man ihr von einem Briefe, den man von ihm erhalten hat. Aus Verlangen, zu wissen wie er sich gegen andre [154] ausdrückt, aus Verlangen nach der Freude, noch einmal etwas von ihm zu lesen, fordert sie dessen Mittheilung, und findet darin das Grab ihres kurzen Glückes. Sie that sich die äußerste Gewalt an, um in Gegenwart eines Zeugen über ihre Gemüthsbewegung zu siegen, aber der Schmerz überwältigte sie; ein Strom von Thränen erleichterte ihr Herz. Viele Tage brachte sie in den tiefsten Kummer zu, bis endlich ein neuer Brief ihres Mannes ihr neue Hofnungen einflößte. Er schrieb ihr in den zärtlichsten Ausdrücken, daß er nicht mehr ohne sie zu leben vermöchte, und drang eifrig in sie, beym Schlusse des jetzt wieder angegangenen Feldzugs sogleich zu ihm zu eilen.

Luise vergaß alle ihre Leiden, sie überließ sich wieder blindlings der Aussicht einer froheren Zukunft, und die ganze Natur lebte vor ihren Blicken auf. Sie glaubte ihres Mannes Herz wieder zu besitzen: nun konnte sie wie ein anderes Geschöpf die Wohlthaten Gottes, die Freuden der Gesellschaft geniessen. Ihre Mutter, bey welcher sie seit kurzem wieder in der Stadt [155] wohnte, weinte vor Freuden, ihrer Tochter Augen nicht immer von Thränen benetzt, oder von Kummer erloschen zu sehen; ihre Brüder wünschten ihr Glück. Das ganze Haus theilte die Zufriedenheit, ein Geschöpf froh zu sehen, von welchem man wußte, wie wenig gute Stunden es genoß.

Blachfeld hatte Gelegenheit sich hervor zu thun. Sein Fürst, welcher jede Veranlassung Verdienste zu belohnen mit Eifer ergriff, gab ihm einen vorzüglichen Beweis seines Beyfalls. Er benachrichtigte seine Frau von seinem guten Glücke; schrieb aber dabey, daß dieses Geschenk sogleich für höchst nöthige Ausgaben aufgegangen wäre, und der Aufenthalt in den Winterquartieren so kostbar seyn würde, daß er sie bäte, ihre Wohnung in einer kleinen nur drey Meilen entfernten Stadt aufzuschlagen. Dieser Vorschlag war von Seiten eines Mannes, welcher den schädlichen Einfluß der Einsamkeit auf Luisens Gemüth kannte, nicht sehr zärtlich. Er hatte selbst vor ihrer Heirath oft gesagt, daß sie ihn auf allen seinen Reisen begleiten sollte, und [156] daß sein ganzes Bestreben dahin gehen würde, ihr nicht Zeit zu ihren schwermüthigen Gedanken zu lassen. Luise hatte keinen Verdacht, daß Blachfelds neuer Plan eine andere Ursache, als die Lage der Umstände und ökonomische Rücksichten haben könnte. Sie antwortete ihm ganz einfach, daß sie sich in der erwähnten Landstadt einrichten würde, weil ihr jeder Ort einerley wäre, sobald er sie ihm nur näher brächte.

Daß Luise in ihrem väterlichen Hause nicht mehr so viel galt, als bey Lebzeiten des Herrn N., hat schon mehrmals aus dem Laufe ihrer Geschichte abgenommen werden können. Die alte Bemerkung, daß da die Männer herrschen wo Weiber das Regiment führen, und eben so auch umgekehrt, läßt sich meistens auf den kleinen Zirkel einer Familie anwenden. So lange der Vater lebt, bemüht sich ein jeder der etwas bey ihm sucht, der Tochter zu gefallen; bleibt die Frau nach seinem Tode unverheirathet, so schmeichelt man ihren Söhnen, die nunmehr die aufgehende Sonne sind. Statt eines Herrn, herrschten deren jetzt mehrere in Luisens väterlichem [157] Hause; und obschon sie für Magd und Kind Wohnung brauchte, hatte doch der Bediente eines ihrer Brüder ein ihr gehöriges Zimmer in Besitz genommen; das zweyte war von einer Freundinn, die eben bey Luisen zum Besuch war, bewohnt; in dem dritten sehr kleinen, mußte sie sich mit Magd und Kind aufhalten. Bey der drückenden Hitze und der beständigen Wartung, die ihre Gesundheit erforderte, ward ihr diese Einrichtung höchst lästig. Luisens Mutter versprach ihr das Zimmer des Bedienten wieder einräumen zu lassen; allein da sich ihre Söhne widersetzten, schlug sie den Weg ein, den man gewöhnlich geht, wenn man sein Wort nicht zu halten gedenkt; sie erzürnte sich gegen die Person, der sie es gegeben hatte. Man ließ Luisen merken, daß man nicht so genau auf alles halten dürfte, wenn man nur aus Gefälligkeit in einem Hause aufgenommen wäre. Sie hatte sich mehrmals zu einem Kostgelde erboten: da aber ihre Mutter wußte, daß sie, durch die vor kurzem vorgenommene neue Meublirung von Blachfelds Wohnung in M., wieder in Schulden [158] gerathen war, so wollte sie nichts davon hören. Jetzt wiederholte sie ihren Brüdern ihr Anerbieten; sie antworteten ihr aber, daß ihre Mutter fürchtete, ihre Forderungen möchten durch diese Einrichtung noch höher steigen. Wie wenig kannte man Luisen! Als Kostgängerinn würde sie sich mit allem begnügt haben; als Kind vom Hause that es ihr wehe, so mancher Demüthigung ausgesetzt zu seyn. Das Hausgesinde kannte ihre eingeschränkten Umstände, und man schien ihr nur aus Mitleid aufzuwarten. Bey Tische, wo jeder ihrer Brüder, so wie ihre Mutter, einen eigenen Bedienten hatte, ward sie oft ganz übergangen, weil es ihr allein daran fehlte. Ihre Brüder, und Mutter meynten es selbst viel zu herzlich mit ihr, um diese Kränkungen zu bemerken, und Luise, welche erröthete sie darauf hinzuweisen, litt das alles stillschweigend. Derjenige von Luisens Brüdern, welcher in dieser Sache den meisten Eifer wider sie bewies, ward jedoch von Bewegungsgründen angeregt, die seiner Redlichkeit zum Ruhm gereichten: er war seiner Mutter Geschäftsmann; und [159] hätte es seinen persönlichen Vortheil betroffen, so wäre er gewiß weniger nachsichtslos gegen seine Schwester gewesen. Er nahm auch in dieser Zeit Gelegenheit, Luisen die Summe vorzuwerfen, welche ihr ehemals zur Entschädigung zugestanden worden war, als ihre Mutter Blachfelden an ihren Tisch zu nehmen abschlug. Dieser Vorwurf war äußerst ungerecht: die Heirath war der Wunsch der ganzen Familie gewesen, und ohne diesen Zuschuß hätte Blachfelds damalige Lage sie unmöglich gemacht. Ihr ältester Bruder, der viel Edelmuth im Karakter hatte, nahm sich seiner Schwester eifrig an, und sagte, daß man Menschen, die man in eine unangenehme Lage versetzt hätte, auch wieder heraushelfen müßte. Warum bringen es doch unsere Sitten mit sich, daß eine Tochter, durch ihre Verheirathung, dem väterlichen Hause ganz entfremdet wird, und alle Vortheile eines Kindes verliert? Luisens Brüder waren durch ihre Talente im Stande, ihr Brod zu verdienen, und hatten doch Tisch, Wohnung, Wäsche, Aufwartung bey ihrer Mutter vor wie nach, Luise war[160] durch ihre Heyrath in keinem Stücke versorgt, und schien doch das Gnadenbrodt bey ihrer Mutter zu essen. Der Vorwurf wegen ihres jährlichen Zuschusses kränkte Luisen zu tief, als daß sie nicht gesucht hätte, die Veranlassung dazu zu heben. Sie bat Blachfelden in einem ihrer Briefe um die Erlaubniß, auf diese Summe Verzicht thun zu dürfen, und versprach ihm, daß ihr Unterhalt ihm deswegen um nichts höher kommen sollte, indem der Aufenthalt in der kleinen Stadt, welche er ihr angewiesen hätte, wohlfeil genug seyn würde, um mit sehr wenigem auszukommen. Blachfelds Antwort war voll Ungestüm und Zorn: er befahl ihr, durchaus nicht eher abzureisen, als bis sie sich der ganzen Pension versichert hätte, da doch nie die Rede davon gewesen war, sie ihr mit Gewalt zu nehmen. Er schrieb: daß ihm jeder Ort wo sie lebte gleichgültig wäre, daß er ihr keinen vorgeschrieben hätte, und ihr nicht riethe, ihren Wohnplatz an einem ganz fremden Orte aufzuschlagen. Zu eben der Zeit hatte Luise das Unglück, um eine ziemlich ansehnliche Summe bestohlen [161] zu werden. Die wohlmeynende Mutter schrieb darüber an ihren Schwiegersohn, aus Furcht, daß er Luisen beschuldigen möchte, diesen Verlust durch ihre Nachläßigkeit verschuldet zu haben. Er wüthele in seiner Antwort gegen seine Frau, warf ihr vor, das letzte Geschenk des Fürsten, das er ihr auf ihre Bitte zur Bezahlung ihrer Bürgleistung gemacht, für sich allein behalten zu haben, und erinnerte sich nicht, daß er in Gegenwart der ganzen Familie jeden Antheil daran von sich abgelehnt hatte; und was noch mehr war, daß Luise es zum Theil zur Tilgung seiner eignen Schulden angewendet hatte. Um die Mutter welche, wie die meisten Mütter unter diesen Umständen, ihr Kind sehr ungern abreisen sah, völlig gegen Luisen aufzubringen, sprach er von dieser Reise in die Winterquartiere, wie von einem lächerlichen Einfall Luisens, dem er sich immer widersetzt hätte. Statt aller Antwort auf diese Beschuldigung, holte Luise drey aufeinander folgende Briefe ihres Mannes, in welchen er sie auf das dringendste und zärtlichste gebeten hatte, zu ihm zu [162] kommen. Mit thränenden Blicken frug sie, ob man ihr riethe, länger mit einem Manne zu leben, der nicht allein sich des größten Wankelmuthes schuldig machte, sondern, nachdem er sie zur Theilnehmerinn seiner bösen Tage gemacht hatte, jetzt, da das Glück ihm lächelte, ihr den Rücken wendete, und sie denen, von welchen ihr Schicksal abhing, noch verdächtig zu machen suchte. Ihr ältester Bruder ergriff, von Mitleid über ihr Unglück durchdrungen, ihre Hände, bat sie Muth zu fassen, tröstete sie, und flößte ihr Hofnung ein, daß ihre Gegenwart die Wolken in ihres Mannes Gemüth bald zerstreuen würde; und da er sich durch die verschiedenen Data der Briefe überzeugte, daß Blachfelds widersprechende Ansichten von Luisens Reise nur aus ökonomischen Ursachen entständen, schoß er ihr das nöthige Reisegeld vor.

Kurz darauf traf die Nachricht ein, daß Blachfeld nächstens zurück kommen würde. Er schrieb es seiner Frau mit einem solchen Ausdruck von böser Laune und Stolz, daß sie einen Augenblick in Versuchung gerieth, zu den Verwandten [163] ihres Vaters nach B. zu reisen, um einer Zusammenkunft auszuweichen, die ihr mit so vielem Kummer drohte. Ihre Mutter selbst hatte, in einem Ausbruche von Empfindlichkeit über Blachfelds Betragen, gesagt: bei so vielen Ursachen sich zu grämen, müßte Luise durch eine Reise sich zu zerstreuen suchen, und ihrem Manne so weit als immer möglich aus dem Wege gehen. Luise bat sie, ihr für ihre künftige Rechtfertigung diese Äußerung schriftlich zu geben. Madame N. that es, und gab ihr zwei Zettel, davon der erste die Erklärung enthielt, daß wenn ihr Mann ihr je so harte Briefe geschrieben, und sie überhaupt mit so wenig Schonung behandelt hätte, wie Blachfeld ihre Tochter behandelte, sie lieber wie Magd gedient, als länger mit ihm gelebt haben würde. In dem zweiten, gab sie ihren Beyfall und ihre Einwilligung zu Luisens Entschluß nach B. zu gehen, wenn Blachfeld sein Betragen gegen sie nicht änderte, Beide Papiere waren: »deine liebende Mutter« unterzeichnet. Die Familie verabredete außerdem, daß Luise das ihr vorgestreckte Reisegeld [164] nicht zurückzahlen, sondern einstweilen unterbringen sollte, um es auf den Fall, daß sie durch ihres Mannes Aufführung zu einer Trennung gezwungen würde, in Bereitschaft zu haben.

Ohngeachtet aller dieser Vorkehrungen unterließ Luise nichts, was solche unnütz machen, und ihren Hausfrieden gründen konnte. Blachfelds Wirthschaft war in der besten Ordnung. Er hatte seiner Frau seit drei Jahren erlaubt, sein überflüssiges und zweckloses Geräth zu verkaufen, uw den nothwendigen Hausrath dafür anzuschaffen. Dies war jetzt geschehen, und seine Wohnung in der Garnison völlig eingerichtet. Die wegen des Einkaufs in die Wittwenkasse gemachte Schuld, und eine andre von 84 Pistolen für einen Wagen, von welcher bey Blachfelds Abreise nichts bezahlt war, waren nun ganz abgetragen. Luise miethete eine artige Wohnung in der angenehmsten Gegend der Stadt, nahm eine Köchinn an, und richtete ihre Wirthschaft auf das sorgfältigste ein. Blachfeld hatte seiner Frau geschrieben, daß sein Wäschvorrath bey den zwei Feldzügen völlig [165] aufgebraucht wäre. Da er sich mit einiger Bitterkeit über diesen Mangel beklagte, glaubte Luise, daß ein ansehnliches Geschenk an Leinenzeug ihm, von ihrer Hand, willkommen seyn würde. Ihr Kredit war durch die zu wiederholtenmalen bezahlten Schulden ihres Mannes so festgestellt, daß die damalige Erschöpfung ihrer Kasse ihr dabei nicht im Wege stand, indem die Kaufleumit Vergnügen ihre Rechnungen aussenstehen ließen. Sie eilte die Leinwand einzukaufen; arbeitete halbe Nächte, stand des Morgens um vier Uhr auf, und trieb es so weit, daß ihre Gesundheit um so mehr angegriffen wurde, als in den wenigen Stunden die sie ihrer Ruhe gönnte, ihr Kind sie durch Weinen am Schlaf verhinderte. Mit aller ihrer Anstrengung konnte sie doch nicht allein fertig werden, sondern mußte einige Näherinnen zu Hülfe nehmen. Die Freude, Blachfelden wieder zu sehen, ihm sein Kind vorzustellen, erleichterte ihr jede Last. Sie erwartete ihn mit Unruhe, aber mit wieviel Zärtlichkeit war diese Unruhe vermischt! Wie der Tag seiner Ankunft herbeikam, ließ sie [166] an allen Stadtthoren fragen, ob er schon herein wäre. Er war schon längst da, aber wenig ungeduldig, seine Frau und sein Kind zu sehen, war er in einem Gasthofe abgestiegen, hatte sich angekleidet, und obgleich Luise seit drei Tagen eine Kollation bereit hielt, war er an einen dritten Ort gegangen um Thee zu trinken. Endlich erschien er bei Luisen. – – Möchte dieser Auftritt vor ihrem Gedächtniß, wie vor dem Blicke des Lesers, in tiefe Vergessenheit gehüllt werden können! Jener Blachfeld, dessen Tapferkeit durch Sittlichkeit erhöht wurde, war nicht mehr; mit Verachtung stieß er seine Frau zurück, die zärtlich in seine Arme flog. Seine Wohnung schien ihm zu ärmlich, zu eng, zu klein, und Luisen hatte er weiter nichts zu sagen, als daß er dem Fürsten auf vierzehn Tage nach ** folgen müßte, daß er nicht wüßte ob sie ihm dahin nachkommen könnte, und daß seine Geschäfte ihm ohnehin nicht erlaubten, um sie zu seyn. Wie? Nach anderthalb Jahren sollte dieser gütige Fürst fordern –? »Ja! er fordert, und ich gehe.« – Er verließ sie wirklich [167] ohne weitere Erklärung: so beleidigend, so hart, so kalt! Nach einer so langen Abwesenheit, beim ersten Wiedersehen, würdigte er die Mutter seines Kindes nicht einmal ihr zu sagen, warum er sie aus seinem Herzen verstieß. Luise konnte diese Ungewißheit nicht aushalten, sie konnte nicht auf die schwankende Äusserung hin, daß er sie abholen lassen würde, wenn es seine Geschäfte verstatteten, diese Qual ertragen, und beging endlich die Übereilung, mitten in der Nacht einen Wagen zu bestellen, um sich nach ** auf den Weg zu machen. Wie sehr wurde ihre peinliche Lage vermehrt, als ihr unterwegs der Kutscher zurief, daß ein Hofwagen mit sechs Pferden ihnen vorzufahren suchte! Sie bildete sich sogleich ein, daß es ihr Mann wäre, der so spät erst vom Schlosse abreiste, und bat, aus Furcht von ihm erkannt zu werden, den Kutscher auf das dringendste, seine Pferde anzutreiben. Der Wagen fuhr indessen doch vor, und ihr Herz klopfte von neuem, als sie in demselben die Frau eines andern Mannes, in den Diensten des Fürsten, erkannte, die ihrem Gemahl [168] nach ** folgte. Sie konnte sich nicht enthalten, das Loos dieser Frau mit dem ihrigen zu vergleichen: ihr Mann hatte sich nicht allein während des ganzen Feldzugs von ihr begleiten lassen, sondern kaum war er jezt zurückgekehrt, und durch seinen Dienst dem Fürsten zu folgen genöthigt, so ließ er sie mit allen ihren Kindern nach ** kommen. Unter diesen war ein bildschöner Knabe, bei dessen Anblicke Luisen der Gedanke einkam, ob ihr Kind seinem Vater nicht lieber seyn möchte, wenn es ein Knabe wäre. Zu so vielen unangenehmen Empfindungen kam noch Reue, über den thörichten Befehl den sie ihrem Kutscher gegeben hatte, vorzufahren, welcher ihr in den Augen jener Frau das Ansehen geben konnte, einen elenden Rangstreit gesucht zu haben. Sie kam endlich in dem ungestümsten Wetter nach **, schickte in alle Gasthöfe um Nachricht von ihrem Manne zu erhalten, und erfuhr, daß er erst den folgenden Tag erwartet würde. Nun fürchtete sie, er möchte von ihrer thörichten Fahrt gehört haben, und wollte um sie zu strafen erst so spät abreisen. Sie [169] fing unter einem Strom von Thränen einen Brief an ihn an, und betete zu Gott, Blachfeld möchte sich nicht weigern ihn zu lesen, als er selbst zu ihr in das Zimmer trat. Sie dankte der Vorsehung, und gelobte nie wieder zu verzweifeln, hörte auch die gerechten Vorwürfe, die Blachfeld ihr über ihre Reise machte, geduldig an. Nachdem er seinen Unwillen ausgelassen hatte, überreichte sie ihm ein kleines Geschenk das sie ihm bestimmt, und Verse die sie in seiner Abwesenheit auf ihn gemacht hatte. Er schien erfreut und überrascht, und rief wie unwillkührlich: »Es ist nicht möglich, geistvoller zu seyn!« »Mir ist es nicht gegeben, setzte er schmeichelnd hinzu, die Sprache der Götter zu reden; ich muß mich begnügen, Ihnen als Sterblicher zu danken.« Er umarmte sie zärtlich, und erbot sich, mit ihr zu Abend zu speisen. Sie wußte daß er im Wirthshause versprochen war, und zufrieden, sein Herz wieder gewonnen zu haben, wollte sie ihn der Gesellschaft seiner Freunde nicht berauben. Sie blieb mit ihrem Kinde allein, genoß der glücklichen Aussicht, die sich zu [170] eröffnen schien, und legte sich, der Vorsehung dankend, zum Schlummer nieder. Aber die selige Täuschung dauerte nicht lange: am andern Morgen erhielt das Gefolge Befehl, nach D. zurückzukehren, und dort glückte es bösen Geistern, die ihr unbekannt blieben, das Herz ihres Mannes wieder von ihr abzuwenden. Er blieb noch einige Tage im Gasthofe, so sorgfältig Luise ihm auch seine eigne Wohnung eingerichtet hatte, und das Vergnügen ihn zu sehen erlangte sie nur, indem sie, so wenig ihre Gesundheit es zuließ, alle Abende die Gesellschaften besuchte, in welchen sie ihn versprochen wußte. Von da brachte er sie nach Hause, hatte aber nicht einmal so viel Achtsamkeit für sie, bis vor ihre Thüre zu fahren, sondern ließ den Wagen an der Straßenecke halten, von wo aus sie sein Bedienter weiter brachte. Dieser Mensch war in der Stadt fremd, er verfehlte einmal bei schlechtem Wetter den Rinnstock, fiel mit ihr nieder, und außerdem daß ihr Anzug, den sie um Blachfelds Geschmack zu schmeicheln ganz weiß gewählt hatte, völlig verdorben [171] war, bekam ihrem ohnehin zerrütteten Körper der Schrecken und die Nässe so übel, daß sie den folgenden Tag krank ward. Blachfeld erkundigte sich nicht einmal nach ihrer Gesundheit, ohngeachtet er diesen Unfall eigentlich veranlaßt hatte, indem sie, wenn er sich nicht dazu erboten hätte, in dem Wagen ihrer Mutter nach Hause gefahren seyn würde.

Luisens Geduld und Sanftheit besiegten ihn doch endlich so weit, daß er seine Wohnung bezog. Gleich beim Eintritt deutete er Luisen an, daß er um vier Uhr frühstücken wollte. Sie stand um diese Zeit auf, bereitete Thee und Kaffe, und wie er um fünfe noch nicht erschienen war, ließ sie ihn wecken, um ihm zu melden, daß das Frühstück bereit wäre. Er antwortete daß er noch nicht frühstücken wollte, und schlief bis sieben fort, da er denn seiner Frau sagen ließ, das Frühstück auf sein Zimmer zu schicken; sie gehorchte, und er theilte sein Frühstück mit seinem Bedienten. Luise ließ sich noch einmal Kaffe machen, den sie einsam und traurig verzehrte.

[172] Seinen Geschmack im Essen suchte sie umsonst zu errathen; er war jezt eben so schwer zu befriedigen, als er ehedem einfach und genügsam gewesen war. Die Ausgaben in diesem Stück überstiegen bald ihre Mittel, und sie entschloß sich bei ihren Brüdern zu borgen, auf die Gefahr hin, nach seiner Abreise dann fasten zu müssen, um ihre Schulden zu bezahlen. Zum Lohn aller dieser Mühe, hörte sie ihren Mann bey Tische zu seinem Bedienten sagen: »Das Essen wäre gut für die Hunde: sollen wir sie nicht einladen?« – Dieser Bediente trug hauptsächlich dazu bei, ihre Lage kränkend zu machen: solche Leute äffen ihren Herren in ihren Äusserungen gern nach, und Blachfelds Unachtsamkeit gegen seine Frau hatte die Wirkung, daß auch dieser Mensch alle Ehrfurcht gegen sie aus den Augen setzte. Die auffallende Familiarität, in welcher Blachfeld mit ihm lebte, benahm Luisen den Muth, sich bey ihrem Manne über ihn zu beklagen: es kam bald so weit, daß er ihr die gewöhnlichsten Dienste versagte. So wollte er eines Morgens, da die Köchinn auf [173] dem Markte war, und Blachfeld Thee forderte, kein Feuer anmachen, was sich doch kein Kammerdiener zur Schande angerechnet hätte. Ein andermal gab ihm Luise einen Auftrag an eine Bekannte, er hatte keine Lust ihn auszurichten, aber er stellte sich als ob er es gethan hätte, und brachte, im Namen von Luisens Freundinn, eine höchst beleidigende Antwort zurück. Luise kannte sie zu gut um nicht zu zweifeln; sie sprach mit ihr davon, und erhielt die feierliche Versicherung daß der Bediente sich gar nicht in ihrem Hause hätte blicken lassen. Seitdem Blachfeld eine so entschiedne Verachtung gegen die Weiber äußerte, fand es sein Bedienter unter seiner Würde, auf den Wagen zu steigen, wenn Luise ausfuhr. Sie gerieth dadurch in die peinlichsten Verlegenheiten. Oft sah sie sich beim Ausgange aus dem Schauspielhause so verlassen, daß sie ganz fremde Leute um ihre Bedienten oder Wagen ansprechen mußte, um aus dem Haufen zu kommen. Einen Abend wartete sie lange, in der Hofnung endlich abgeholt zu werden, und schlug verschiednemale die Begleitung eines jungen [174] Mannes aus, der ihre Verlegenheit wahrnahm. Wie aber alle Logen leer, alle Lichter ausgelöscht waren, mußte sie sein Anerbieten annehmen, ohngeachtet sie ihn weiter nicht kannte, als daß sie seinen Namen, und er den ihrigen wußte. Aus Bedenklichkeit wollte sie nicht in seinen Wagen steigen, sondern ging, ohngeachtet es regnete, zu Fuß: ihr Begleiter war ein Fremder, er verfehlte den Weg, ohne daß sie ihn in ihrer Unruhe zurecht weisen konnte, und so irrte sie lange umher. Ein andermal hatten alle Damen schon die Logen verlassen, sie wartete noch gegen eine Stunde, die Finsterniß zwang sie endlich herauszugehen, und wie sie durch den Haufen allein dringen mußte, hielt man sie für ein zweideutiges Geschöpf. Glücklicherweise ward sie vom *** *** erkannt, dieser nannte sie einem andern Herrn, der ihr seinen Bedienten lieh, um einen Wagen zu holen. Wenn sie dann, von Angst und Kränkung ermattet, nach Hause kam, durfte sie ihrem Manne nicht einmal klagen: seine Thüre war vor ihr verschlossen; und fand sich einmal Gelegen heit, der Nachlässigkeit [175] des Bedienten zu erwähnen, so lächelte er darüber, und sagte, es wäre ein pfiffiger Bursche. Nur einmal zwang ihn ein Zufall, sich ihrer in diesem Stücke anzunehmen. Ein Kriegsgefährte ihres Mannes hatte sie einst, nach geendigtem Schauspiel, in einer ähnlichen Verlegenheit getroffen, und wie sie mitten auf der Treppe nach ihrem Bedienten suchte, sagte er: »Bei Gott! wenn das meiner Frau geschähe, wie wollte ich den Kerl zurechtweisen! Ihr Mann muß sich keinen Respekt zu verschaffen wissen.« – der Offizier brachte sie zu Hause, und da er ihren Mann über die schlechte Aufführung seines Bedienten aufzog, sah sich Blachfeld ehrenhalber genöthigt, diesen mit einer Ohrfeige abzustrafen, die er aber noch an demselben Abend mit einem Geschenke vergütete. Der Mensch weigerte sich endlich ganz ihr aufzuwarten, so daß sie ihre Mutter um einen Bedienten bitten mußte, so oft sie auszufahren hatte; und bey Tische mußte sie so viel wie möglich aller Bedienung entbehren.

Es giebt keinen nagendern Kummer als häuslichen; [176] da er außer den dabei zunächst interessirten Personen keine Zeugen hat, schließt er allen Trost von fremdem Mitleid aus; und wehe, wenn das Misverhältniß so weit gekommen ist, daß sich jenes einmischt; die Bitterkeit, die daraus entsteht, macht jede gründliche Versöhnung unmöglich! Luisens Gesundheit hielt so viel schmerzliche Auftritre nicht aus. An ihrem Namenstage, den ihre Mutter durch ein Familienfest feiern wollte, war Luise von dieser gütigen Aufmerksamkeit zwar um so gerührter, als auch ihr Mann die Gefälligkeit hatte, vom Hofe wegzubleiben, um an dem Feste theilzunehmen. Allein sie fand sich vor dem Abendessen sehr krank; sie zwang sich es zu verbergen, um Blachfelden nicht übellaunig zu machen, indem sie ihn genöthigt hätte, früher aus der Gesellschaft zu gehen, oder die Pferde den Weg zweimal zu machen gehabt hätten. Ihr ältester Bruder fühlte indessen ihren Puls, und rieth ihr, den Arzt kommen zu lassen. Es traf gerade die Zeit ein, wo man diesen gewöhnlich bezahlte, und ob sie gleich, um sich Verdruß zu ersparen, [177] diese Ausgabe übernommen hatte, so fehlte ihr doch jetzt an der nöthigen Summe eine Pistole, die sie ihren Mann bat ihr vorzuschießen. Aber Blachfeld behandelte sie sehr hart, und schmollte den ganzen folgenden Morgen, an welchem sich Luise die äußerste Gewalt anthat, um sich bis zu ihrer Mutter zu schleppen, bei der sie zum Mittagsessen eingeladen waren. Sie hatte oft und mit dem innigsten Wunsche, es gut zu machen, über die Ursachen ihres traurigen Verhältnisses nachgedacht. Eine ihrer würdigsten Verwandtinnen, die Schwester ihres verstorbenen Vaters, hatte ihr den Rath gegeben, ihren Mann durch Liebkosungen zu gewinnen, und dieses Mittel konnte von einem Weibe, das so gern geliebt hätte, mit herzlich gutem Willen befolgt werden. Sie hofte an diesem Tage, Blachfelds üble Laune würde vorübergehend seyn; und indem sie ihm mit zärtlichem Blick ihre Hand reichte, bot sie ihm ihre Wange zum Kusse dar. Wie traurig ward ihre Hofnung getäuscht, da er ihr diesen innigen Ausdruck ihres Gefühls als Falschheit und Künstelei auslegte! Was [178] mußte die Arme leiden, als sie, die keine größere Glückseligkeit kannte, als geliebt zu seyn, sich so mißverstanden, so zurückgestoßen sah! Ihr eignes Gefühl hatte sie freilich bis jezt darauf geführt, daß Zurückhaltung ihres Mannes Liebe verdoppeln würde; und wie nothwendig wäre es, ein unerfahrnes reines Mädchenherz über den Punkt zu belehren, wo ihre schwärmerische Delikatesse dem graderen, nicht vernünftelnden, sondern einfach begehrenden Gefühl eines Mannes nachgeben muß! Jezt war es zu spät: das häusliche Mißverständniß wurde immer unheilbarer, und die Banden ihrer Herzen zerrissen immer unwiederbringlicher.

Ein äußerst schmerzlicher Rheumatismus war die Folge dieser Unpäßlichkeit, er warf sich auf die Brust, und Luise mußte ein Blasenpflaster gebrauchen, dessen Wirkung bey der Reizbarkeit ihres Körpers sie unendlich leiden machte; sie bat Blachfelden bei ihr zu bleiben, er schützte aber Dienstpflichten vor. Bei seiner Rückkehr erzählte er lachend, daß er bei einer artigen Frau Kaffe getrunken, und wie die Theestunde [179] herangekommen wäre, zwar fortgewollt, aber sich so gut da befunden hätte, daß er bis spät Abends geblieben wäre. Luise hatte einen Jugendfreund gehabt, der vorzügliche Talente zum Vorlesen besaß; es war ihrer Mutter und ihr, bei ihren Krankheiten, oft eine Erleichterung gewesen, ihm zuzuhören. Blachfeld las indessen auch gern vor, und aus einer sehr verzeihlichen Schwachheit hatte er gegen Luisen geäußert, daß es ihm lieber seyn würde, jenen Mann nicht mehr zu sehen: sie machte sich eine Freude, ihm nachzugeben, und opferte den Umgang mit ihrem alten Bekannten, unter irgend einem Vorwande, auf. So oft aber Luise ihren Mann seitdem bat, ihr vorzulesen, stellte er sich beschäftigt, und es kam nie dazu. Er stellte sich so; denn als seine Frau einst gegen ihre Mutter ihn bedauerte, daß er so viel zu thun hätte, antwortete diese: »Immer ist das wenigstens nicht der Fall, wenn er dich verläßt; denn gestern, zum Beispiel, hat er den ganzen Tag bei uns zugebracht, und Abends – obgleich unter der beständigen Versicherung daß er sehr beschäftigt wäre, – in der [180] Karte gespielt. Jetzt da Luise an ihrer Brustkrankheit einsam darnieder lag, hörte sie ihn oft im benachbarten Zimmer laut lesen: sie bat ihn die Thür offen zu lassen, damit sie zuhören könnte; er schlug es ihr aber mit einer Härte ab, die von jedem Manne gegen jedes Weib, vorzüglich aber von einem Gatten gegen seine kranke Frau, unverzeihlich war.

Luise ward endlich geneigt, seinen Unmuth, und besonders seine Verweigerung den Arzt bezahlen zu helfen, einer dringenden Geldverlegenheit zuzuschreiben. Aber es ereignete sich bald ein Umstand, der ihr diesen Irrthum benahm. Blachfeld kam eines Abends, unter noch heftigerem Fluchen wie gewöhnlich, von der Maskerade nach Hause. Luise erkundigte sich nach der Veranlassung seines Verdrusses, und hörte, daß man ihm sechzig Pistolen aus der Tasche gestohlen hätte. Sie bot ihm ihren Schmuck an, um einen Verlust, der ihm so nahe zu gehen schien, einigermaaßen zu ersetzen; er sagte aber lachend: »Das wäre das geringste! er hätte über dreimal so viel in seiner Chatulle.« Der Widerwille [181] gegen sein Weib stieg endlich so hoch, daß er sein Zimmer ganz vor ihr verschloß, und sie dadurch nöthigte, in dem Kinderzimmer, dem einzigen das ihr übrig blieb, eingeschlossen zu bleiben, da zu schlafen, zu speisen, den ganzen Tag zuzubringen. Das Haus war nun ein Bild der traurigsten Zerrüttung. Die Bedienten, welche mit der ungestümsten Härte behandelt wurden, wären nie bey ihrem Herrn geblieben, wenn er ihnen nicht dafür die unthätigste und zügelloseste Lebensart verstattet hätte. Hauswäsche, Leinenzeug, Geräthe, alles wurde verschleppt, gestohlen, verdorben; und da Luise, durch ihren Mann selbst, ihres Ansehens als Hausfrau beraubt war, mußte sie allen diesen Unfug vor ihren Augen dulden. Sie verlor in sechs Wochen mehr Wäsche, als sie durch ein jahrlanges Bemühen und Arbeiten angeschafft hatte.

Je mehr sich Luise mit Sanftmuth, Ergebung und Geduld bewaffnete, je mehr Kränkungen sie verschluckte, je mehr Beleidigungen sie stillschweigend hingehen ließ, je tirannischer wurde Blachfelds Betragen. Sie konnte sich noch nicht [182] überreden, daß alle ihre Opfer vergeblich wären. Es war Karneval: die ganze Nacht wartete sie, durch das Geräusch der Wagen am Schlafe verhindert, und bei einem jeden der vorbeifuhr bildete sie sich ein, er brächte ihren Mann zurück. Wie schlug ihr Herz von banger Hofnung, wenn endlich einer vor der Thüre hielt, wenn sie den immer noch geliebten Mann zu Hause und in ihrer Nähe wußte! Eine Stunde wohl brachte sie dann in der süßen Erwartung zu, wenn er ausgekleidet wäre, wenn er seinen Bedienten fortgeschickt hätte, würde er ihr gute Nacht sagen: denn die Sorgfalt welche ihr Kind forderte, hatte ihr eine hinreichende Ursache geschienen, abgesondert zu schlafen, und sein Verdacht, als wäre dieses nur ein Vorwand, war eine der zahllosen Ungerechtigkeiten die sie erlitt. Dieser Gruß, dieser Beschluß des Tages, war das einzige Glück, nach welchem sie sich sehnte, und es ward ihr oft versagt. Traurig legte sie sich dann nieder, und hofte, daß es den nächsten Tag besser gehen würde. Kaum erschien dieser, so ging Blachfeld aus, kam nur um sich anzukleiden [183] nach Hause, und der Abend brachte die peinliche Spannung des vorigen Tages zurück. Es fehlte noch ein Tropfen in dem Kelche des Leidens, um ihn Luisen unerträglich zu machen; und diesen schüttete eine ihrer Freundinnen, vielleicht aus wohlmeinender Theilnahme, aber sicherlich sehr unvorsichtig und rücksichtslos, vollends hinein, indem sie eines Tages zu ihr sagte: man gäbe Blachfelden Schuld, ein Meister in der Verstellung zu seyn, und so wäre es ja leicht möglich, daß seine heftige Leidenschaft vor ihrer Ehe bloße Komödie gewesen sei. Diese Äußerung zerriß Luisens Herz. Also selbst die Erinnerung, vormals geliebt gewesen zu seyn, war eine Täuschung? also war alles ihr Bemühen vergeblich, und Blachfelds Herz war jedes zärtlichen Gefühls durchaus unfähig? Fast verzweifelnd, eilte sie diesen neuen Kummer in ihrer Mutter Busen auszuschütten. Die gute Frau hatte, bei ihrem Gram über Luisens unglückliche Ehe, nicht Unbefangenheit genug, ihr in diesem Augenblick Beruhigung zu geben. Sie antwortete vielmehr, von Bitterkeit hingerissen: [184] »Gewiß war seine heftige Leidenschaft nichts als Heuchelei! Ich wundre mich, daß du es nicht gewahr wurdest. Wie hätte er auch ein immer in Thränen schwimmendes, schwermüthiges Geschöpf, in diesem Grade lieben können? Und doch schien es, als betete er dich, selbst um deiner Fehler willen, an! Ich sah gleich, daß er es nicht aufrichtig meinte« – »Sie sahen es, Mutter? rief Luise außer sich. Sie sahen es, und gaben ihm Ihr Kind, und entreißen mir jezt alle Hofnung?« Zum zweitenmal in ihrem Leben vergaß die Unglückliche, was sie ihrer Mutter schuldig war, und überließ sich allem Ungestüm ihres Schmerzes. Hätte sie nachdenken können, wäre sie bei einem zu vergifteten Herzen einiger kalten Überlegung fähig gewesen, so hätte sie den Ungrund jener Bemerkung ihrer Freundinn selbst einsehen müssen. Blachfelds übrige Fehler schlossen die Falschheit gerade aus, wenigstens jedes zusammenhängende Gewebe von Falschheit. Ungestüm, launig, wankelmüthig wie er war, hätte er eine seinem Herzen fremde Rolle, wenn auch allenfalls übernehmen, doch sicherlich [185] nie ausspielen können. Wahrscheinlich hatte ihre Freundinn geglaubt, daß es die Artigkeit mit sich bringe, gegen eine Frau, die unglücklich mit ihrem Manne lebte, aufs Gerathewohl böses von ihm zu sprechen; und sie hatte nicht berechnen können, welchen Kummer sie Luisen bereitete.

Jezt oder niemals war es Zeit, ein Haus zu verlassen, wo sie weder mit Ehren noch zum Nutzen ihres verblendeten Gatten lebte, wo sie mit Gram und Demüthigungen überhäuft wurde. Blachfeld betrachtete es kaum als seine Schlafstelle. Seit einem unbedeutenden Vorfalle, bey welchem Luise nur seinen Willen zu erfüllen geglaubt hatte, speiste er im Wirthshause; den ganzen übrigen Tag brachte er auswärts, oder in seinem Zimmer eingeschlossen zu; und, wenn er in Gesellschaft ging, erkundigte er sich erst sorgfältig bey Luisens Magd, ob er auch nicht in Gefahr käme seine Frau zu treffen? In dem grausamsten Kampf über einen Entschluß, bei welchem, in ihrer doppelten Eigenschaft, als Mutter und als Gattinn, Natur, Sittlichkeit und Religion, bald für sie, bald für Blachfeld[186] stritten, ging sie einst in die Kirche, um Stärkung und Leitung von Gott zu erflehen. Man sang eben ein schönes Lied über das zukünftige Leben. Der Sturm ihrer Seele ward durch die Gedanken, die dieses Lied erregte, besänftigt, ihre Bitterkeit gegen Blachfeld verschwand, und machte einem innigwehmüthigen Gefühle der Nichtigkeit menschlicher Wünsche, Hofnungen und Plane Raum. Sie erinnerte sich, wie oft sie, auf ihren einsamen Spaziergängen, sich nach Blachfelds Zurückkunft gesehnt hatte, wie oft ihr seine freudige Theilnehmung bei den Fort schritten, bey der Entwickelung ihres Kindes gefehlt hatte, wie oft sie bey ihrer Lektüre gedacht hatte: möchte doch Blachfeld mit mir lesen! Ihre Wünsche waren erhört worden, er war zurückgekehrt: aber keine der Freuden, die sie sich versprach, hatte ihn begleitet. Unmöglich aber konnte sein Herz auf ewig ihr verschlossen seyn: vielleicht hatte sie nur den rechten Weg zu diesem Herzen noch nicht gefunden. – Sie beschloß, noch einen Versuch zu wagen, ihm noch einmal alle ihre Zärtlichkeit entgegen zu [187] tragen. Mit diesem Vorsatz eilte sie nach dem Gottesdienst in Blachfelds Zimmer. In der Meinung, daß es sein Bedienter wäre, verhinderte er sie nicht hereinzukommen. Sie ergriff seine Hand, aber unfähig zu sprechen, überströmten Thränen ihr Gesicht; Blachfeld sah sie fließen, und lächelte. Sie bemerkte dieses Lächeln wohl: es war nicht jene freundliche Weisheit, die tröstend über menschliche Schwäche lächelt; es war der zurückweisende Ausdruck eines verhärteten Herzens, das der Empfindung zu seinem Glücke nicht mehr bedarf, und sich freut sie in andern zu finden, die er darum mit desto besserem Erfolge quälen kann. Blachfeld genoß diese grausame Freude eine Weile lang in vollem Maaße, dann führte er, immer fortlachend, Luisen an die Thüre. »Was soll aber aus mir werden?« rief sie mit erstickter Stimme. – »Das ist meine geringste Sorge.« – »Haben Sie Mitleid mit mir!« – »Ich habe mir vorgenommen, mit niemanden Mitleid zu haben, da niemand es mit mir hat.« – Luise begriff jezt, daß er irgend einen verborgnen Verdruß haben müßte, und sie fühlte [188] von neuem, wie unzerreißbar die Kette von Schmerz und Fehltritten ist, sobald Eintracht und gutes Vernehmen einmal aus einer Ehe verbannt sind. Eine der traurigsten Folgen ist gewiß der Mangel an Mittheilung; beiden Theilen entgeht der Augenblick, wo die Umstände besondre Nachsicht gegen böse Laune oder Ungerechtigkeit erfordern: und dies unwillkührliche Versehen wird, von dem leidenden Theile, doch selbst als Ungerechtigkeit empfunden. Luise fuhr sanft fort: »Ich hoffe daß die Vorsehung Ihren Sinn ändern wird.« – Er unterbrach sie: »Ich habe ihrer nicht nöthig; sie hätte viel zu thun, wenn sie sich mir fühlbar machen sollte. In dieser Welt muß man die Menschen benutzen, aber sich an keinen binden. Ein andres Mittel, glücklich zu seyn, giebt es nicht« – So schloß sich diese Unterredung, auf welche Luise ihre letzte Hofnung gebaut hatte; so gelang ihre Bemühung ein Herz zu erweichen, von dessen Besitz ihre ganze Bestimmung zum Glück abhing! Sie sah nunmehr deutlich, daß Blachfeld einer Gattinn los zu seyn wünschte, [189] deren Leiden selbst ihm zu einem stillschweigenden Vorwurf gereichten, welcher ihm unerträglich zu werden anfing. Die Scheidung zu fordern fiel ihm jetzt indessen nicht ein, weil Luisens Mutter in einem Alter war, das ihm versprach, sie bald unter vortheilhafteren Bedingungen zu erhalten, als in den gegenwärtigen Umständen. Madame N. merkte ihm diesen Plan ab, und ob sie gleich äußerlich in gutem Vernehmen mit ihm stand, so war sie doch über sein Betragen gegen ihre Tochter so aufgebracht, daß sie diese insgeheim bat, darin zu willigen, daß sie ihre Kinder an seiner Stelle zu Erben einsetzte. Luise konnte aber der Hofnung, ihn zu gewinnen, noch nicht ganz entsagen, und wollte nicht, daß er im wahrscheinlichen Falle ihres früheren Todes, auf seine alten Tage, von seinen Kindern abhängen sollte: sie hätte freilich bey dieser Einrichtung nichts verloren, da ihr nach den Gesetzen der Niesbrauch des Vermögens zukam.

Ein Entschluß mußte indessen genommen werden. Blachfeld hatte in Dienstgeschäften eine [190] Reise zu machen, die aber von zu kurzer Dauer seyn sollte, um Luisen Hofnung zu geben, daß etwa Zeit und Entfernung sein Betragen mildern möchten. Diese Wirkung war nur von dem Alter, und der Abkühlung seiner Leidenschaften zu erwarten. Er wird sich zu mir wenden, sagte sie zu sich selbst, wenn die Welt ihn verlassen haben wird; ich will ihn auf einige Jahre von meiner Gegenwart befreien. Um alles Aufsehen zu vermeiden, sah sie kein besseres Mittel, als um die nämliche Zeit wie er abzureisen, und nicht erst seine Zurückkunft abzuwarten. Sie sprach mit ihrer Mutter davon, und diese gute Frau, zu theilnehmend um ihre Gründe nicht zu fühlen, sagte blos zu ihr: »Ich will mich deiner Abreise nicht widersetzen: ich weiß was ich dir auf diesen Fall schon versprochen habe, und weiß auch, aus dem Zeugniß deiner beiden Dienstmägde, daß dein Haus dir eine Hölle seyn muß; sie begreifen nicht, wie du so lange ausgedauert hast. Ich will dich also nicht zurückhalten: aber bedenke, daß ich während deiner Abwesenheit sterben könnte! Ich[191] kenne dich genug, um zu wissen, daß du trostlos seyn würdest.« – Mit dieser Vorstellung hatte sie Luisen schon öfters von ihrem Vorhaben abgebracht, und auch jetzt wäre es ihr gelungen, wenn Blachfeld nicht selbst geschienen hätte, die Ausführung desselben zu wünschen. Dies wußte sie von dem Kindermädchen, welches Mittel gefunden hatte, sein Vertrauen zu gewinnen. Er brachte in den Stunden, wo Luise bei ihrer Mutter war, manchen müßigen Augenblick in ihrem Zimmer zu, und vertrieb sich die Zeit damit, das Mädchen über ihre Herrschaft auszufragen. Sie mochte also wirklich besser als Luise wissen, wie Blachfeld über diesen Punkt dachte: außerdem hatte sie aber selbst einen Grund, Luisens Abreise zu wünschen, bei welcher sie einen unmittelbaren Vortheil zu finden hofte. Sie war sehr geschickt, und verdiente vieles Geld, zu ihrem ohnehin ansehnlichen Lohne, indem sie, mit Luisens Erlaubniß, für Leute außer dem Hause arbeitete. Sie berechnete sehr richtig, daß ihre Herrschaft, während Blachfelds Abwesenheit, auf das Land gehen würde, wo ihr außerordentlicher [192] Erwerb dann wegfallen müßte; wenn Luise hingegen verreiste und sie im Hause ließ, konnte sie mehr als jemals verdienen. Sie versicherte Luisen, daß sie ihren Mann durch einen längeren Aufschub ihres Vorsatzes immer mehr erbittern würde, und hinterbrachte ihr mehrere seiner Reden, die das Herz der unglücklichen Frau nur zu tief verwundeten, ohngeachtet sie gegen das Mädchen sich stellte als ob sie nicht daran glaubte.

Die Reise erforderte einen Vorschuß, den Luise jetzt nicht in Händen hatte. Blachfeld hatte ihr zwar vierzig Pistolen zu diesem Behufe versprochen, aber der Diebstahl, den er neulich erlitten hatte, diente ihm zum Vorwande sein Wort zurückzunehmen. Um indessen der Ausführung des Plans nicht im Wege zu seyn, bequemte er sich eine Schrift zu unterzeichnen, in welcher er sich dazu bekannte die Trennung gefordert zu haben, und um das Publikum davon zu überzeugen, sich verpflichtete, seiner Frau eine gewisse Summe zu ihrem standesmäßigen Unterhalte, und eine andre zur Ernährung ihres [193] Kindes auszusetzen. Luise überließ es ihm, diese Summen so niedrig zu bestimmen als er wollte; sie würde ihre Einrichtung darnach machen. Er betrug sich aber in diesem Punkte so anständig, daß Luise, deren Herz, bei dem geringsten Anschein von Delikatesse und Güte, sich mit neuen Hofnungen schmeichelte, ihm nochmals anbot zu bleiben. Allein seine Antwort verwundete sie wieder aufs Äußerste; er sagte ihr in Gegenwart seines Bedienten, daß ihre Anwesenheit ihm unerträglich wäre, war aber doch schonend genug, um sich einer fremden Sprache zu bedienen, indem er hinzusetzte: »ich bin auf glühenden Kohlen, so lange Sie hier sind.«

Mit der Ruhe, die ein gutes Gewissen giebt, bereitete sich also Luise zur Abreise. Vielleicht beleidigte diese Ruhe seine Eigenliebe, vielleicht ging sein Haß gegen sie so weit, daß er sie nicht allein unglücklich, sondern auch verzweifelnd sehen wollte. Er ergriff wenigstens das beste Mittel um diesen Zweck zu erreichen; er suchte sie mit ihrer Mutter zu entzweien. Gelang ihm dieses, so war ihre letzte Stütze dahin, so hatte sie ihren [194] einzigen Trost, mit dem Segen ihrer Mutter abzureisen, verloren. Er wußte, daß Madame N. Luisens Kind mit aller Zärtlichkeit einer Großmutter liebte, und sich mit dem größten Schmerz von demselben losriß. Er bot ihr an, es zurück zu behalten, und um Luisens Brüder zu gewinnen und zu überreden, daß in der Schrift, die er Luisen gegeben, von dem Kinde die Rede nicht sey, wollte er ihnen die Erziehung desselben anvertrauen. Als Hauptursache dieser Grausamkeit schützte er eine Besorgniß vor, daß Luisens Schwermuth auf das Kind Einfluß haben könnte. Er bevollmächtigte seine Schwäger, im Fall daß Luise sich widersetzen möchte, ihr das Kind sogar mit Gewalt zu entreissen. Gewalt gegen eine Mutter, die noch schwach war von ihren Leiden bey der Entbindung von eben diesem Kinde! Gewalt, um Bande zu zerreißen, an denen die Natur, so lange, so unbegreiflich arbeitet! Man sollte ein schwaches Weib mißhandeln, weil sie keine unnatürliche Mutter seyn wollte; man sollte sie für ihre Zärtlichkeit strafen! – Blachfeld schrieb seiner Frau ein Billet, [195] das ihr seinen Willen in Absicht auf das Kind bekannt machte, und verließ das Haus ehe es ihr übergeben wurde; er hatte den Muth nicht, Zeuge von der Wirkung seiner Grausamkeit zu seyn. Luise ward bey Eröffnung des Zettels von konvulsivischen Bewegungen ergriffen. Die Magd, die ihr die abscheuliche Botschaft überbrachte, sah sie an Gesicht und Händen blau werden, ja ihre Zunge wandelte sich in dieselbe Farbe, und konnte nur gebrochen die Worte stammeln: »Mein Kind! ach mein Kind!« – Es war in diesem Augenblicke schon in den Händen seiner Räuber: Luisens Mutter hatte es an dem nämlichen Morgen abholen lassen. Gewöhnlich vertraute es Luise außer dem Hause nie einer fremden Aufsicht, aber heute war sie mit dem Einpacken beschäftigt gewesen, und hatte es ihrer Mutter geschickt, der sie zugleich sagen ließ, daß sie den Mittag bey ihr speisen würde. Es regnete stark, Blachfelds Pferde durfte sie nicht zu brauchen wagen, und ihre ängstliche Ungeduld erlaubte ihr nicht, die Ankunft der zur Mittagsstunde bestellten Sänfte [196] abzuwarten. Sie eilte also, trotz des stürmischen Wetters, zu Fuß durch die Straßen, stürzte in das Zimmer ihrer Mutter, zu ihren Füßen, bat, flehte, sagte alles was ihr Zärtlichkeit und Angst eingaben um sie zu rühren, um ihr Kind wieder zu bekommen. Umsonst! Madame N. hörte nur die Stimme des Vorurtheils und ihrer eignen Wünsche, sie war taub gegen das Flehen ihrer Tochter. Endlich ließ sich Luise von der Verzweiflung hinreißen. »Um Ihnen zu gefallen, rief sie, habe ich mein Glück, alle meine liebsten Neigungen geopfert. Mein Kind soll kein neues Opfer werden!« – – Man fing an auf sie zu hören, sie bot jedes Unterpfand an, daß sie ihre Abreise in diesem Augenblick aufschieben würde, und eilte mit ihrem schwer erkämpften Schatze, mit ihrem Kinde im Arm, nach ihrer Wohnung zurück. Hier erwartete sie Blachfelds Zurückkunft, in einem Zustande, der nicht beschrieben werden kann. Welche Gedanken zerrissen ihr Gemüth! Von der einen Seite empfand sie die grimmigste Erbitterung, sich, ein Geschöpf das nie auf eines Menschen Schaden gesonnen hatte, [197] auf allen Schritten ihres Lebens, in allen ihren Gefühlen, mit dem eifrigsten Haß verfolgt zu finden: – von der andern zerfleischte Reue ihr Herz, daß sie sich abermals gegen ihre gute wohlmeinende Mutter vergangen, und am Tage vor einer Reise, die sie vielleicht auf ewig von ihr trennte, ihren Zorn auf sich geladen hatte. »Ewige Vorsicht! rief sie in der Angst ihres Herzens, du kanntest die Reinheit meiner Absicht; wie konntest du mich durch die Umstände zum Verbrechen hinreißen lassen?« Einige Augenblicke darauf schien es ihr, als hätte Gott diese quälende Reue sie erfahren lassen, um ihr eine größere zu ersparen, die sie sich durch ihre Abreise vorbereitet hätte. Sie wollte nun ihre Mutter nicht verlassen, sie wollte bleiben um wieder gut zu machen, was sie heute begangen hatte. Mit dieser Idee war sie beschäftigt, als Blachfeld ihr durch die Magd sagen ließ, daß sie das Kind auf ihrer Reise mitnehmen sollte. Luise glaubte nun, sich in ihrer Auslegung des göttlichen Willens geirrt zu haben, und hielt diese neue Willensänderung ihres Gemahls für [198] einen Wink der Vorsehung, bey ihrem ersten Vorsatz zu bleiben. Aber Blachfelds Betragen fühlte sie so tief, daß sie sich nicht enthalten konnte, nachher zu ihm zu sagen: »Sie haben die Ruhe meines Lebens unwiederbringlich zerstört, indem Sie mich in einen Zustand stürzten, wo die Verzweiflung mich gegen meine Mutter Worte ausstoßen machte, die ich mir nie verzeihen werde.« Blaß und mit zerstreutem Haar, mußte sie das Bild des bedauernswürdigsten Kummers seyn; und wäre in Blachfelds Herzen noch menschliches Gefühl gegen sie gewesen, so hätte er einsehen müssen, wie sehr ein einziges tröstendes Wort ihr nothgethan hätte. Statt dessen vergiftete er ihren Schmerz vollends, durch die kaltblütige Bemerkung, daß dieses ja nicht der erste Auftritt der Art wäre, den sie mit ihrer Mutter hätte. So sehr hatte die Zeit den Gesichtspunkt, aus welchem er Luisen betrachtete, verändert! Jetzt machte er ihr den Vorwurf, daß sie ihre Mutter schon eher beleidigt hätte; und ehemals, als er sechs Monate mitten unter ihrer Familie lebte, hatte er, – [199] nicht nur gegen Luisen, denn das hätte Liebhabersprache seyn können, – sondern gegen mehrere seiner Freunde geäußert, daß er Luisens Geduld im Ertragen des unaufhörlichsten, und dadurch unerträglichsten Widerspruchs, von Seiten ihrer Mutter bewunderte; daß er bey aller Festigkeit, deren er sich rühmen dürfte, nicht fähig seyn würde es ihr gleich zu thun. Er war noch weiter gegangen: er war auf Luisens unermüdete Achtsamkeit gegen ihre Brüder eifersüchtig gewesen. »Sie würden von mir nicht so viel dulden, sagte er, als Sie sich von Ihren Brüdern gefallen lassen!« und wie Luise ihm antwortete: Sie weinen jetzt mit mir, und werden mir vielleicht einst meinen jetzigen Kummer vorwerfen; erwiederte er: »Nein, ich werde nie so niedrig und schändlich seyn. Sie können gegen mich fehlen, aber ich kann nie Ihr Betragen gegen Ihre Familie vergessen, und daß Ihnen nie eine Klage über sie entfuhr. Ihre Mutter handelt nicht so, ob sie gleich weiß daß ihrer Tochter Schicksal in meinen Händen beruht, und ihre Reden Einfluß darauf haben könnten.« – – Damals [200] erschien ihm Luise als das Ziel seiner eigensinnigen Wünsche, und jede Erfüllung ihrer Pflicht zierte sie wie ein Verdienst: jetzt aber, verblüht durch Leiden und Krankheit, als Weib, als Mutter, für ihn nichts als eine lästige Fessel, gab ihm ihr Unglück selbst Stoff zum Vorwurf.

Doch es ist Zeit zu der letzten Epoche dieser traurigen Geschichte zu eilen. Als Madame N. erfuhr, daß Blachfeld Luisen sein Kind lassen wollte, versicherte sie ihrer Tochter, daß sie ihre Übereilung von ganzem Herzem vergäbe, und sie nur angelegentlich bäte, sich das Leben nicht durch unnütze Selbstanklagen zu verbittern. Luise brachte den Abend zu den Füßen ihrer Mutter zu: bald bat sie um ihre Verzeihung, bald dankte sie für ihre Güte, und erhielt von neuem ihre Einwilligung und ihren Segen zur Reise. Sie war von diesem Abend so gerührt, daß sie, auf dem Heimweg und bei ihrer Rückkunft, ernstlich darauf dachte, die Verzeihung ihrer Mutter völlig zu verdienen, indem sie ihren Reiseplan ein für allemal aufgäbe. Sie befahl daher, die Pferde, welche für den nächsten Morgen bestellt [201] waren, wieder abzubestellen. Jenes Mädchen, das erwähntermaßen bei Luisens Abreise seinen Vortheil fand, wiederholte ihr nunmehr alle Gründe, die sie bestimmen sollten, ihrem ersten Entschluß getreu zu bleiben. Luise hörte sie schweigend an, und schickte sie alsdann fort, in der Absicht, bei Blachfelden einen neuen Versuch zu wagen, der sie über ihr Thun oder Lassen beruhigte. Sie klopfte an sein Zimmer, und bat um die Erlaubniß mit ihm zu sprechen. Seine freundliche Antwort flößte ihr Hofnung ein, daß die Vorsehung ihr bei ihrem Vorhaben, das auf den tugendhaftesten Bewegungsgründen beruhte, behülflich seyn wollte. Überzeugt, daß Blachfeld nur durch die unbedingteste Unterwerfung zu gewinnen war, nahm sie alles auf sich, bat um seine Verzeihung, und fragte ihn, was sie hoffen dürfte, wenn alles Vergangne vergessen würde, und sie ihrer Reise entsagte? ob er ihr dann auch seinerseits erlaubte, ohne die Dazwischenkunft einer Dritten, deren Treue ihr verdächtig wäre, mit ihm zu sprechen? Blachfeld suchte sie von dem Ungrund ihres Verdachtes [202] auf das Mädchen zu überzeugen, und bat sie, nicht zu glauben, daß er ihre Abreise wünschte, um mit diesem Mädchen allein zu bleiben. »Sie würde nicht bleiben wollen, sagte Luise, sie ist ein rechtliches Mädchen.« Blachfeld fuhr fort, in dem artigsten Tone mit seiner Frau zu sprechen, und Luise legte sich hierauf mit dem Bewußtseyn nieder, den besten Weg eingeschlagen zu haben. Am folgenden Morgen wollte sie, aus Delikatesse, damit er nicht glauben möchte, daß sie sich auf die Rechte, welche die gestrige Versöhnung ihr gab, zu viel zu gute thäte, nicht sogleich in sein Zimmer gehen; aber diese Bedenklichkeit kam ihr theuer zu stehen. Blachfeld sprach mit dem Mädchen, und sey es aus Neugierde, um ihre Tugend zu prüfen, oder aus einem noch weniger edeln Bewegungsgrund, er sagte ihr von der Eifersucht ihrer Herrschaft, und daß ihr Ruf darunter leiden würde, wenn seine Frau von ihrer Reise abstände, indem diese allenthalben sagen würde, sie hätte sich nicht getrauen dürfen, ihr Mädchen mit ihrem Manne allein zu lassen. Das Mädchen eilte weinend [203] zu Luisen, beschuldigte sie, daß sie ihren guten Namen zu Grunde richtete, stellte ihr vor, daß sie außer diesem kein Gut, kein Mittel zu ihrem Fortkommen hätte. – »Und mein Mann, fragte Luise mit zitternder Stimme, mein Mann hat ihr gesagt, daß ich sie in Verdacht habe?« Das Mädchen bejahte es, und setzte noch so viele heftige aufbringende Dinge hinzu, daß Luise völlig außer Fassung, und in ihre ganze vorige Erbitterung zurückgeworfen, von neuem abzureisen beschloß. Sie wollte aber durchaus ihren Mann noch einmal sehen. Sie schleppte sich erschöpft in sein Zimmer, und flehte – um was? – daß er sie betrügen möchte! Er schlug ein lautes Gelächter auf: »Glauben Sie denn, Madame, daß ich mir ein Gewissen daraus machen würde, sobald das Mädchen es zufrieden wäre?« – »Ach Blachfeld, antwortete Luise, möchte sie doch Ihre Maitresse seyn, wenn ich mir nur noch schmeicheln könnte, Ihre Achtung zu besitzen! Nein, das ist es nicht: aber daß Sie die Schwäche Ihrer Gattinn verriethen, und an wen? an ihre Magd verriethen; daß [204] Sie dieses Mädchen zum offenen Streit mit dem Weibe das Ihren Namen trägt, mit der Mutter Ihres Kindes berechtigten; – das ist zu viel, meine Abreise ist beschlossen!«

Als Madame N. diesen Vorgang erfuhr, munterte sie selbst ihre Tochter auf, einen Ort zu verlassen, wo jeder Gegenstand ihren Kummer erneute. Sie umarmte Luisen, die sich nicht von ihr losreissen konnte, und immer wieder in ihre Arme zurückkehren wollte; sie drückte ihre Enkelin an ihr Herz. Das Kind sah erstaunt dem rührenden Auftritte zu. – »Warum blickt mich das Kind so an?« fragte Madame N. betroffen. »Weil es Sie weinen sieht, Mutter!« antwortete Luise schnell, um einer traurigen Ahndung auszuweichen, der sie mehr Gehör hätte geben sollen. Endlich verließ sie das Haus, die Stadt wo ihr Jugendglück verblüht, und ihr Daseyn vernichtet worden war, und trat zum zweitenmal den Weg nach ihres Vaters Geburtslande an.

Ihre Reise verschafte ihr das Vergnügen, Blachfelds Vater kennen zu lernen. Sie ward [205] mit Güte und Achtung in seinem Hause empfangen, und fand an ihm einen liebenswürdigen Greis, dem ein langer Umgang mit der großen Welt den feinen ehrerbietigen Ton gegen das weibliche Geschlecht gegeben hatte, durch welchen man dessen Beifall nie verfehlt. Luise hatte sich von ihrem Vater her gewöhnt, die Männer überhaupt zu ehren: die Achtung, die Aufmerksamkeit, die sie dem alten Blachfeld erwies, floß also aus ihrem Herzen, und ihre Liebkosungen hatten keinen eigennützigen Grund; denn sie hofte nichts von seinem Einfluß auf seinen Sohn. Durch die liebenswürdige Enkelin, die sie ihm zuführte, gewann sie vollends sein Herz. Im ersten Augenblick war die Zusammenkunft zwar etwas kalt, allein Luise erschien nicht als Verbrecherin, sie hatte nichts gethan das sie des Namens seiner Tochter unwürdig machte, und der alte Mann gab ihr bald mit voller Freude diesen Namen. Am folgenden Morgen sagte er ihr sehr verbindlich, daß er sich nicht entschliessen könnte, von ihr zu scheiden; und er schlug ihr vor, die Sinnesänderung ihres Mannes bei [206] ihm abzuwarten. »Ich bin gewiß, sagte er, daß meine Tochter in diesen Wunsch mit einstimmt.« Allerdings! stotterte Blachfelds Schwester, ward roth und umarmte Luisen. Allein dieser war auf den ersten Blick der Grund dieses Erröthens nicht entgangen: sie war eifersüchtig auf des guten Greises Zuneigung und Wunsch, seine Schwiegertochter bei sich zu behalten. Als er ferner darauf bestand, verschafte sie ihr sogar Gelegenheit, heimlich fortzureisen. Ohne diese Stimmung ihrer Schwägerin, welche bei Mädchen sehr natürlich ist, die, über die Jugendjahre hinaus, jüngere Weiber preisen höeen, würde Luise des alten Blachfelds gütigen Vorschlag mit Freuden angenommen haben. Seine stille ruhige Lebensart harmonirte mit ihrer gegenwärtigen Gemüthslage, und sie hätte Mittel gefunden, ihre Schwägerin für die etwanigen Kosten ihres Aufenthalts zu entschädigen. Sie beschäftigte sich einen Augenblick mit dem Projekt, in der Stadt wo ihr Schwiegervater lebte, eine Wohnung zu miethen, und ihre eigne Wirthschaft zu führen: wie sie aber ihre Schwägerin darüber [207] zu Rathe zog, schlug ihr diese eine benachbarte Stadt vor, um das Projekt auszuführen. Luise lächelte über diese ungeschickte Verschlagenheit, und antwortete höflich, ehe sie sich in einer ganz fremden Stadt niederließe, wollte sie lieber nach B. gehen, wo sie sich schmeicheln könnte, von Verwandten und Freunden aufgenommen zu werden. Man hätte denken sollen, daß es Luisen nur darauf ankäme, eine Stadt zu finden, da es ihr doch blos um eine freundschaftliche Seele zu thun war. Ihr Schwiegervater hatte eine solche, und mancher kleine Zug machte ihn Luisen sehr theuer. Da sie gewahr wurde, daß er im Grunde die zärtlichste Liebe für seinen Sohn hatte, packte sie ihr Reisepult aus, um ihm Blachfelds Brustbild zu zeigen, das sie bei sich hatte. Er dankte ihr, und bat um die Erlaubniß, es küssen zu dürfen. Luise fühlte die ganze Feinheit dieses Betragens. »Ich will mehr thun, antwortete sie, ich will Ihnen darin zuvorkommen.« Sie reichte ihm alsdann das Bild, und rief, indem sie sich in seine Arme warf: »Lieben Sie ihn; er verdient es durch den Ruf [208] seiner Tapferkeit, und mehr noch durch seine Zärtlichkeit für Sie.« – Er würde es nicht mehr verdienen, wenn er Ihnen sein Herz nicht wieder zuwendete, sagte der Alte gerührt. – »Nein, das kann nie mehr geschehen. Damit er Mitleid für mich empfände, müßte er wissen, was ich fünf Jahre hindurch um seinetwillen litt, und ihm das zu sagen, ist keines Menschen Vortheil noch Absicht. Ihr eignes Zeugniß würde unvollständig seyn, denn Sie kennen mich nicht.«

Blachfelds Schwester schüttete noch Öl ins Feuer, indem sie Luisen versicherte, daß ihres Bruders Gemüthsart nie dazu getaugt hätte: das Glück einer Frau zu machen; man würde daher auch lieber gesehen haben, wenn sich sein jüngerer Bruder statt seiner verheirathet hätte: und von ihm hätte man zu sagen gepflegt, er träte in die Fußtapfen seines Vaters, der zwei Weiber sehr unglücklich gemacht, und sich dessen in Gegenwart seiner Söhne öfters gerühmt hätte, worauf der ältere immer mit Freuden zu hören geschienen. – Nach ihrem Tode beweint [209] zu werden, war endlich aller Trost, den sich Luise versprechen konnte: denn sie erfuhr von einem Mitgliede der Familie, daß Blachfelds Mutter ein Engel an Duldung und Güte gewesen war, und daß ihr Tod den alten Blachfeld heftig genug angegriffen hatte, um ihn selbst lange auf das Krankenlager hinzustrecken.

Ehe Luise das Ziel erreichte, das sie fürs erste ihrer Reise gesteckt hatte, empfing sie die wohlthätigste Beruhigung durch einen sehr zärtlichen Brief ihrer Mutter. Das Schicksal schien ihr nunmehr überhaupt, nach so langen Leiden, einen Augenblick Frieden zu gönnen. Sie hatte alle Orte in B. vermieden, wo Menschen lebten, die sie vor ihrer Heirath gekannt hatte, um ihrem Manne nicht zu mißfallen, indem sie den Umgang mit ihnen erneuerte. Sie miethete sich in ein kleines Dorf ein, dessen stille heitre Lage ihrer Stimmung sehr zu Hülfe kam. Unter den vortrefflichen Menschen, die ihr hier den Zutritt in ihrem Zirkel verstatteten, hob sich ihr Geist nach und nach aus dem trüben Nebel empor, in dem er versenkt gewesen war; heitre [210] Bilder der Zukunft schwebten ihr vor: – ihre Mutter war die Gottheit, der sie ihr Leben weihte. Unaufhörlich beschäftigte sie ihr Bild; bald dachte sie sich ihre Rückkehr zu ihr, wie sie zu ihren Füßen stürzen, ihr Kind in ihre Arme führen, wie diese geliebte Mutter sich über die Fortschritte ihrer Enkelinn freuen würde. Dann schwärmte sie, wie sie, von Blachfeld ganz getrennt, mit ihrer Mutter auf dem Lande leben, die Abendstunden an ihrer Seite zubringen würde, nachdem sie sich den Tag über mit der Erziehung ihrer Tochter beschäftigt hätte. Bald stahl sich wieder Liebe und Zärtlichkeit gegen Blachfeld in ihre Brust: sie stellte sich vor, wie sie mit ihm versöhnt in M. leben würde, wie sie gemeinschaftlich über das Wohl ihres Kindes wachen, sich gegenseitig bemühen wollten, alle finstern Weissagungen ihres Schicksals zu Schanden zu machen; wie ihre Mutter sie dort besuchen, und sich ihres häuslichen Friedens erfreuen, und ihren Segen zwischen Kindern und Enkeln theilen würde. In ihrer kindischen Phantasie rief sie sich die Gerichte zurück, von denen ihre [211] Mutter am liebsten aß, und dachte darauf, sie ihr eines nach dem andern zuzubereiten, oder sie sann auf die Personen, die sie einladen wollte, um ihrer Mutter Gesellschaft zu leisten.

Ein zufälliger Umstand hatte sie in dem Gefühl, daß sie jedes Opfers, und jedes erlittne Unrecht zu vergessen fähig seyn würde, um ein solches Glück zu erreichen, vorzüglich bestärkt. Bei ihrer Ankunft in B., ehe sie noch den Ort ihres Aufenthalts bestimmt hatte, erhielt sie den Besuch eines Mannes, der ehemals in dem nämlichen Dienste wie Blachfeld gestanden hatte, und jetzt sein väterliches Erbtheil anbaute. Er erzählte ihr, wie glücklich er mit seiner Frau und seiner Mutter auf seinem Gute lebte, und lud sie ein, ihn dort zu besuchen, und wenn es ihr in seiner Familie gefiele, in Kost bei ihm zu treten. Ein stiller, einsamer, ländlicher Aufenthalt war gerade das Ziel von Luisens Wünschen: sie eilte also diesen Ort zu sehen, und fand ihn ganz nach ihrem Geschmack. Was sie aber am meisten dabei rührte, war das Bild, das ihr die gute alte Mutter von dem häuslichen [212] Glück der beiden Eheleute, seit des Mannes Abschied aus den Kriegsdiensten, entwarf. Von der ganzen Welt vergessen, und der ganzen Welt nicht bedürfend, schränkten sich ihre Freuden auf sich selbst und ihr zweijähriges Kind ein, um dessen Liebkosungen sie sich stritten. Die Darstellung dieses allein wünschenswerthen, und für sie auf ewig verlornen Genusses, erfüllte Luisens Herz mit Trauer. Sie erinnerte sich, daß ihr Blachfeld vor ihrer Heirath angeboten hatte, den Dienst zu verlassen, und mit ihr auf dem Lande zu leben. Sie hielt ihn damals für zu jung, um diesen Entschluß ohne Reue zu befolgen, sie setzte aus Klugheit dessen Ausführung auf einen späteren Zeitpunkt hinaus, und verscherzte ein so kostbares Glück dadurch auf immer. Der Besitzer dieses Gutes war auch jung, stark, in der Blüthe seiner Gesundheit, aber statt das geringste Mißfallen an seiner Lebensart zu äußern, unterhielt er Luisen von nichts als dem Reiz, den die beständige Gesellschaft seiner Frau für ihn hätte, und von der Annehmlichkeit der ländlichen Arbeiten. Seine [213] Frau war auf einige Tage zu ihren Eltern zum Besuch gegangen, und er wollte ihr den folgenden Tag entgegenreiten, um sie heimzuholen. Die alte Mutter sagte freundlich zu Luisen: »Wie sehr wünschte ich, daß Ihnen der Frieden bald ein Glück wiedergäbe, dessen Werth Sie so lebhaft fühlen!« Im nämlichen Augenblick da Luise von ihrem gütigen Wirthe Abschied nahm, empfing er einen Brief von seiner Frau: sie sah ihn vor Freude zittern. – Der Anblick so vieler Zärtlichkeit führte sie auf allzutraurige Vergleichungen, sie eilte zu ihrem Wagen, und sagte dem jungen Manne, daß sie wiederkommen würde, um mit seiner Frau weitere Abrede zu nehmen. Am andern Tage erfuhr sie, daß dieser Brief, der mit so vieler Freude empfangen zu werden schien, ein Scheidungsbrief gewesen war. Die Frau hatte darin erklärt, daß sie sich mit ihrem Kinde bei ihren Eltern aufhalten würde, und daß man sich umsonst bemühen würde, ihren Entschluß zu verändern. Jemand, der sehr gut unterrichtet zu seyn versicherte, schilderte ihren Gemahl zwar als einen rechtschaffnen, wohlmeinenden [214] Mann; aber, wurde hinzugesetzt, der Kriegsdienst hat ihn verdorben: die thätigen Mißhandlungen, mit welchen man da Untergebne züchtigen muß, geben eine nie abzuschleifende Rauhheit der Sitten. Unglücklicherweise vergaß er sich gegen seine Frau, in einem Augenblick von Zorn, bis zu einem ähnlichen Betragen: sobald der Zorn verraucht war, fiel er zu ihren Füßen, und that alles um seine Übereilung wieder gut zu machen. Sie, die einen festen Sinn hatte, stellte sich anfangs versöhnt; aber nach einigen Tagen verließ sie ihn, unter dem Vorwande eines Besuchs bei ihren Eltern, entschlossen ein Haus nicht wieder zu betreten, wo sie einerley Behandlung mit den Jagdhunden zu befürchten hatte.

Die ganze Gesellschaft, in welcher dies erzählt wurde, lobte die kluge Standhaftigkeit der Frau. Vor zehn Jahren hätte Luise eben so gehandelt; sie dachte damals, daß keine Pflicht es einer Frau geböte, sich mehr als einmal von ihrem Manne schlagen zu lassen. Erfahrung und Unglück hatten sie demüthiger, nachsichtiger gemacht: [215] sie fand den Entschluß der jungen Frau hart, und fühlte daß sie hätte verzeihen können. Diese kleine Begebenheit bestärkte sie in ihrem Wunsche, häuslichen Frieden um jeden Preis zu erkaufen. – Zu spät! Er war fortan um keinen Preis zu erkaufen! Ein schreckliches Erwachen aus allen diesen wohlthätigen Träumen stand ihr bevor: – sie erhielt die Nachricht von dem Tode ihrer angebeteten Mutter. Es war also der Rathschluß des Ewigen, daß Ruhe und Freude ihre Seele auf immer fliehen sollten. Mühselige Sehnsucht nach Glück sollte den Frühling ihres Lebens, und Reue, ohne einen Stral von Trost und Hofnung, dessen Überrest aufzehren. Jezt fühlte sie, daß sie eigentlich nie ein menschliches Geschöpf geliebt hatte, außer ihrer Mutter. Alles was sie je für andre empfunden hatte, verschwand vor ihrem Gedächtniß: alles Unrecht, das sie jemals gegen diese Mutter gehabt hatte, trat mit grellen Farben daraus hervor, und verfolgte sie mit unablässigen Vorwürfen. Sie erinnerte sich unzähliger Auftritte, bei denen sie sich eingebildet hatte, eine Märtirerin an [216] Geduld gegen die Laune oder den Widerspruch ihrer Mutter gewesen zu seyn; und jezt hätte sie alle Güter der Welt hingegeben, um nur einen Augenblick zu ihren Füßen liegen, nur ein Wort der Verzeihung von ihren Lippen vernehmen zu können. Die Natur war für sie mit einem Schleier umhüllt, denn ihre Mutter erfreute sich nicht mehr ihrer Schönheit. Umsonst begrüßte die Lerche den Morgen, umsonst goß sich der Nebel in wallenden Schleiern um das Haupt der waldigen Berggipfel, umsonst vergoldeten die Sonnenstralen das reiche Thal: – sie konnte dabei nur denken, das Auge, ihrer Mutter sey auf immer geschlossen, und werde nie dieser Freuden genießen. Alle Bequemlichkeiten des Lebens waren ihr zur Last: einmal sah sie einen schönen Reisewagen, den sie sich einen Augenblick wünschte, aber diesen Wunsch verleidete ihr plötzlich die Erinnerung an ihre Mutter, die den Wagen nie sehen würde. Jeder Gegenstand, der ihr die Gegenden, die Orte wo sie mit ihr gelebt hatte zurückrief, schärfte ihre Verzweiflung. Eine Hecke von wilden Rosen [217] erinnerte sie an einen Weg in der Nähe von dem Gute ihrer Mutter, – ach! aber dieser Weg, und kein Weg auf Erden, konnte sie mehr zu ihr führen, in ihre Arme führen! Sie hätte ihr eignes Leben, ja sie hätte ihr Kind darum gegeben, einen nur von den Augenblicken, die sie mit ihr zugebracht hatte, und deren sie so viele ungenuzt hatte verschwinden lassen, zurückzurufen. Einsam und wehmüthig sah sie die Entwickelung des Kindes, dessen Liebenswürdigkeit, dessen aufkeimenden Geist: – die, für welche dieser Anbllck so erfreulich gewesen wäre, war nicht mehr! Das arme Weib, hätte sich einen Vorwurf daraus gemacht, fortan irgend einen frohen Eindruck zu empfangen. Sie hatte von jeher die Botanik geliebt, und bei ihres Vaters Lebzeiten, selbst wider den Willen ihrer Mutter, sich mit dieser angenehmen Wissenschaft beschäftigt. Ihre Mutter hielt dafür, daß außer den weiblichen Arbeiten, Lesen und Schreiben die einzigen Kenntnisse wären, deren ein Mädchen bedürfte; und sie sah es sehr ungern, daß Luisens Vater ihr einen ansehnlichen Gartenfleck [218] auf dem Gute einräumte, den sie unter der Anleitung eines geschickten Botanikers mit seltnen Gewächsen anbaute. Jezt fand sie auf ihren einsamen Spaziergängen manche Blume wild wachsen, die sie in ihrem Garten mit Mühe gepflegt hatte; aber der Anblick durchbohrte jedesmal ihr Herz, sie verwünschte eine Neigung, die ihrer Mutter misfallen hatte, wie ein Verbrechen. Einmal befand sie sich in einer Gesellschaft an einem Spieltische; neben ihr saß eine junge Dame, die einen Stillstand benuzte um vom Spiel aufzustehen, indem sie mit einer liebenswürdigen Herzlichkeit sagte, sie müßte einen Augenblick ihre gute kranke Mutter besuchen. Diese Worte trafen Luisen mit der Gewalt eines blutigen Vorwurfs. Wie oft hatte sie ganze Abende in Gesellschaften verlebt, während daß ihre Mutter fern von ihr krank gelegen hatte! Sie gab sich alle Mühe, ihre Bewegung zu verbergen, aber die Thränen drängten sich unaufhaltsam in ihre Augen, und sie mußte die Gesellschaft verlassen. Ein andermal begegnete sie, auf der Treppe eines Wirthshauses, einer ältlichen [219] Dame, die von rheumatischen Zufällen gelähmt, von ihren zwei Mägden in ihren Wagen getragen wurde. Die zärtliche Sorgfalt der beiden Mägde, ihre Herrschaft bequem zu halten, ihre Aufmerksamkeit, sie von den Vorübergehenden nicht anstoßen zu lassen, durchbohrten Luisen das Herz. Miethlinge sah sie hier mit emsiger Liebe Pflichten ausüben, die sie gegen ihre Mutter versäumt hatte. Alles Zureden mitleidiger Freunde, alle Gründe ihrer kälteren Vernunft sind vergeblich: ihr Herz klagt sie an, die Mörderin ihrer Mutter zu seyn, und der Frieden der Seligen, wenn er ihr noch werden könnte, hätte keinen Reiz mehr für sie.

Unglückliche Luise! Als Tochter und als Gattinn gleich unglücklich! Wo soll sie einen Ruhepunkt finden für ihre umherschweifenden Gedanken, die umsonst einen Lichtstrahl suchen, um ihren Geist zu erhellen? Wohin sie kömmt, ist der blutige Krieg, welcher Blachfelds Leben täglich in Gefahr setzt, der Gegenstand des Gesprächs. Bald mit müßiger Neugier, bald mit wahrem Mitleid, heften die Menschen ihre Augen [220] auf sie, auf ihr Kind, die sie jeden Augenblick als Witwe, als Waise zu sehen glauben, und nur zu oft denken sie, gutherzig zudringlich, sie trösten zu müssen. O wie beneidet sie in solchen Fällen die Frau des letzten Soldaten in Blachfelds Haufen, deren Angst sich mit ihrem Gatten beschäftigt! Die verlöre Unterhalt, Liebe, Trost, und die Stütze ihrer Kinder, wenn eine feindliche Kugel den Treuen träfe: aber die wüßte auch, daß sein Weib, seine Kinder, der letzte Gedanke seines blutenden Gehirns gewesen wären. Mit Schamröthe hört Luise die Theilnehmung fremden Mitleids; ängstlich schlägt sie die Augen nieder, wenn man unbefangen nach ihrem Gemahl fragt. Sie weiß ja nicht wo er ist; er würdigt sie ja nicht, ihr anzudeuten wohin ihre Wünsche, ihre Gebete ihm folgen sollen; er würde fallen, ohne seinem Weibe, seinem Kinde seinen letzten Gedanken zu weihen; er würde mit tausend andern verscharrt werden, ehe das öffentliche Gerücht ihr zuriefe: »Luise, du hast keinen Gemahl, dein Kind hat keinen Vater mehr!« Wie oft zerreißt dieses Kind ihr müdes [221] Herz, durch die rührende Liebe, mit welcher es das Andenken eines Vaters bewahrt, den ihm Luise stets zu ehren gebietet! Erhält die Mutter einen gleichgültigen Brief, so ergreift ihn die Kleine, und wiederholt mit kindischer Leichtigkeit, was man sie einst wohlmeinend lehrte, indem sie den Brief küßt, an ihr kleines Herz drückt, und ruft: »Von Papa, von Papa!« Nein, Verwaiste, ohne die Hand des unerbittlichen Todes, durch die Härte deines Vaters und den Jammer deiner Mutter verwaist, – denn was ist sie dir, diese Mutter, die der Gram langsam aufzehrt? – nein, er ist nicht von ihm, der Brief! Er schreibt nicht, er denkt nicht an die, die zu besitzen er einst seine größte Glückseligkeit nannte! – Einmal hielt sich Luise zur Mittagszeit in einem Wirthshause auf, ein lahmgeschossener Soldat trat in das Zimmer, und bat um ein Almosen; das Kind erblickte ihn, reichte mit den beiden Armen nach ihm, und rief: »Papa, Papa!« Luise schauderte zusammen, sie erkannte ** Uniform, sie bemerkte wirklich die entfernte Ähnlichkeit, welche die Kleine irre führte. Gerührt ließ sie den alten Krieger neben sich sitzen, und an ihrem Mahle theilnehmen; ließ sich von ihm erzählen, wo er ihren [222] Mann gesehen, wo er gefochten. Das Kind verlangte auf des Soldaten Schooß, lehnte sich an ihn, und wollte nicht von ihm: die Ähnlichkeit hatte ihm alle Scheu vor dem Fremden benommen, die Natur wollte sich an diesem Scheinbilde ergötzen. Der Soldat küßte das Kind, und bedauerte Blachfelden, der diese Freude entbehrte; der so fern von einer zärtlichen Frau, von einem liebenswürdigen Kinde, sein gefährliches Handwerk triebe. Er bot Luisen an, sie zu ihm zu führen; er sagte, wo ihr Mann auch seyn möchte, sie könnte ihm ruhig folgen, er wollte sie sicher bis zu seinem Zelte geleiten. Einen Augenblick war Luise von diesem Gedanken ergriffen; sie fühlte sich versucht, zu ihm zu eilen, sich mit seinem Kinde in seine Arme zu werfen, ihm zuzurufen: Wir sind dein, mache mit uns was du willst! Aber bald verdrängte die Erinnerung an seine Grausamkeit diesen Entschluß. Hatte er sie nicht oft zurückgestoßen? nicht verhöhnt? dem Spotte, dem Muthwillen ihres eignen Gesindes preisgegeben? Er würde sie auch jetzt verläugnen; er würde es vor den Augen seiner Kriegsgefährten, vor der gaffenden Menge kund thun, daß die Bande der Natur ihn nicht fesseln, die Stimme des Mitleids ihn [223] nicht rührt. Diesen Augenblick würde Luise nicht überleben. Lieber wollte sie in unbekannter Einsamkeit, mit dem Bilde ihres Jammers vor ihren Augen, mit der Erziehung ihres Kindes beschäftigt, des Augenblicks harren wo der Tod oder Blachfelds Rückkehr ihre Leiden endigen würden. Ist es noch Hofnung, die in ihrem müden Herzen spricht, wenn sie wehmütig nach Gesundheit sich sehnt, und den Augenblick fürchtet, wo Blachfeld sich sagen müßte: »Die Zeit, ihr Unglück zu lindern, ist vorüber; der ich an meiner Seite Glück versprach, die mußte einsam in das Grab sinken, um den Frieden wiederzufinden, den ich ihr raubte?« Nein! Die schwarze Schwermuth, die ihren Geist umhüllt, die Glut, die langsam ihr Blut auftrocknet, scheint den Zeitpunkt nicht weit hinauszuschieben, wo jede freundliche Rettung zu spät kommt. Möge dann alle Zärtlichkeit, alle Nachsicht, alle Duldung, die Blachfeld seinem unglücklichen Weibe versagte, sich auf sein Kind vereinen, das sie, ihn zu lieben und zu ehren, erzieht!

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TextGrid Repository (2012). Huber, Therese. Romane. Luise. Luise. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0003-84DA-5