[252] Das durch den Ehestand erlangte Paradieß der Freyheit/ der einem Hochzeit-Feste

Im Nahmen eines andern.

1.
Wenn auf den Ehestand des Pöbels Geyfer fällt/
Und dieses Heiligthum vor Sclaven-Wercke hält:
So hegt ein edler Geist nur Himmlische Gedancken/
Er sieht den Ursprung an/ der war im Paradieß/
Da noch der erste Mensch in grösten Freyheits-Schrancken/
Da noch der Unschulds-Wind durch Edens-Blätter bließ/
Und denckt: ein Lästerer nennt dieses Sclaven Poßen/
Das aus der Unschuld selbst und Freyheit ist entsproßen.
2.
Des höchsten Stifftung war zu erst der Ehestand;
Das erste Wunder macht den Heyland nur bekandt/
Da er zur Hochzeit ist/ da muß der Safft der Reben/
Den er aus Wasser schafft/ ein schönes Bildniß seyn:
Wie viele Süßigkeit ein solcher Stand kan geben.
Gott sprach: Es ist nicht gut/ auf daß der Mensch allein.
Will nun ein Thor annoch vor böß und sclavisch schelten/
Was vor so löblich muß dem gantzen Himmel gelten?
3.
Der zehnde hat vielleicht an so was nicht gedacht/
Da er den Ehestand verächtlich ausgelacht.
Man schertzt in Tag hinein: Auf Freyen folgt bereuen/
Die Freyheit wird verkaufft/ man lebt nicht wie zu vor/
Frey in Gesellschafft gehn/ darff man sich da nicht freuen;
Und was dergleichen mehr: Allein da denckt kein Thor:
Daß unser Ehe-Stand ein Paradieß Gerichte/
Wo alles ist erlaubt/ nur nicht verbotne Früchte.
[253] 4.
Und wer denn endlich will in voller Freyheit gehn/
Muß auf den Himmel nicht/ noch auf was ehrlichs sehn.
Denn auf der Welt ist nichts natürlichers als lieben/
Und nichts vergnügters ist/ als wie geliebt zu seyn.
Fühlt iederman den Trieb nun in die Brust geschrieben;
Und geht doch niemahls gern ein Ehe Bündniß ein:
Den wird der Wollust-Werck/ ja/ oder doch die Sünden
Von der Gedancken-Lust mit Sclaven-Feßeln binden.
5.
Gesellschafft/ welche schön/ macht unsre gröste Lust/
Verliebten aber bleibt die schönste nur bewust:
Denn welcher einsam lebt/ wird nach das Plato Lehre/
Ein halb-Gott/ oder auch ein halber Narr/ genennt.
Wer sich des ersten rühmt/ brennt voller Thorheits Ehre/
Wer ist nun/ der von sich das letzte gern bekennt?
Ist nun Gesellschafft schön/ und sich bey Freunden wißen/
Wer will den besten nicht im Ehe-Stande küßen?
6.
Spricht man: Es ist ein Band/ das sich nicht trennen läst:
Wohl! Ulmen schlingen sich auch um die Reben fest:
Drum wird ein Ehlich-Paar dem Weinstock gleich gebunden/
Der so mehr Süßigkeit und schönern Wachsthum kriegt/
Der/ wenn er sonder Band/ unbrauchbar wird befunden/
Gleich wie kein Schau-Gericht von Jungfern recht vergnügt.
Der Jungfern Freyheit ist: Allein zu Bette hincken/
Und Nectar, welchen sie nicht haben/ nicht zu trincken.
7.
Der Weinstock hat die Krafft/ daß/ wenn er völlig blüht/
Vor dem Geruch alsdann der Schlangen Menge flieht.
Und prangt der Ehe-Stand mit Paradieses Reben/
Wo süße Liebes-Kost uns unverbohten ist:
So kan die Wollust uns nicht Schlangen-Stiche geben.
Ja wenn der Jungfern Stand Gesetzes-Feßeln küßt:
[254]
So wird ein schönes Kind in ihren Ehe-Schrancken/
Freyherrin aller Lust/ Begierden und Gedancken 1
8.
So wie der Sonnen-Uhr der Schatten folgen muß/
So schön und einig ist der Ehe-Leute Schluß.
Will Erithea gern zum Mann ins Elend gehen/
Und will Sulpitia, die edle Römerin/
So bald ihr Mann verbannt/ sich nicht in Freyheit sehen/
Diß zeugt: Wie wunder-schön der Ehe-Gatten Sinn/
Wie Ehe-Liebe kan vergnügt in Wüsten lachen/
Und aus der Sclaverey der Freyheit Eden machen.
9.
So wie ein Palmen-Baum bey seines gleichen grünt/
Und zu des einem Wohl des andern Wachsthum dient:
So kan der Lebens-Baum im Paradieß der Ehe
Nicht ungepaaret stehn; der Himmel stimmt mit ein/
Daß ein getrautes Paar/ es sey im Wohl und Wehe/
So unzertrennlich wird als wie vergnüglich seyn:
Daß wie im Paradieß der Ehe-Stand getroffen/
Er Paradieses Lust und Freyheit auch zu hoffen.
10.
Hochwehrt- und edles Paar/ so wehlt Ihr durch ein Band
Der Freyheit Paradieß/ der Liebe süßen Stand/
Und last den Himmel euch die Sclaverey benehmen?
Das Schertzen ist erlaubt/ das Küßen steht euch frey.
Ihr dürft euch beyde nicht des Rosen-Lagers schämen/
Und selbst der Himmel reißt das Feigen-Blat entzwey/
Daß/ wie im Paradieß der ersten Menschen Hertzen/
Ihr mit Vergnügung mögt im Stand der Unschuld schertzen.
11.
Daß/ er/ Herr Bräutigam/ die Handelschafft versteht/
Ist/ weil er wunderschön in die Gesellschafft geht/
[255]
Weil selbst ein edles Kind mit ihm den Tausch getroffen/
Das tausend Tugenden vor seine Treue giebt/
Durch deren Lieblichkeit ein Paradieß ihm offen/
In das die Anmuth sich/ so wie er selbst/ verliebt.
Weil Freundschafft Lieb und Glück der Handel im Vergnügen/
Im Paradieses Meer bey ihm vor Ancker liegen.
12.
So viele Rosen nun das Paradieß gehegt;
So sehr die Unschuld erst im Menschen war geprägt;
Mit so viel Freyheit sie die Liebes-Frucht geschmecket;
Welch über irrdisch Glück im Paradieß bekandt/
Damit sey/ edles Paar/ stets euer Tisch gedecket/
Und so viel Seeligkeit küß euer Ehestand/
Daß/ wenn das Paradieß erst durch den Fall verschwindet/
Man es in eurer Lied und Tugend wieder findet.

Fußnoten

1 der reinen und ehelichen Liebe nur.

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Zitationsvorschlag für dieses Objekt
TextGrid Repository (2012). Hunold, Christian Friedrich. Gedichte. Academische Nebenstunden allerhand neuer Gedichte. Glückwünschungs-Gedichte. Das durch den Ehestand erlangte Paradieß. Das durch den Ehestand erlangte Paradieß. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0003-8689-B