An einen vornehmen Cavalier über die Gebuhrt eines Sohnes

Wenn unser Leib entschläfst/ soll unsre Seele wachen.
Wenn die Begierden ruhn/ ist offt der Geist bemüht.
Drum führte mich ein Traum auf sonderbahre Sachen.
[Wie man in Träumen doch ein Bild des künftgen sieht!]
Es brachte mich ein Zug/ der von den Sternen kommen/
An einen Meeres-Strand/ und gab der Seelen ein:
Daß Liebe von dem Meer viel gleiches angenommen/
Und daß mehr Schätze da als wie auf Erden seyn.
So gleich erblickte sie der Muscheln Menge liegen.
Sie rief: ihr Schalen schließt was herrliches in Euch.
Ihr seyd des Himmels-Schooß/ und seiner Kinder Wiegen.
Was komt euch Perlen doch auf dieser Erden gleich?
Der edlen Liebe Bild ist eine Perl zu nennen/
Die weil des Himmels Gunst sie beyde rein gezeugt.
Vor schön muß man die Perl/ dieweil sie rein erkennen.
Nur reine Lieb' ist schön/ unreine die betreugt.
Drauf kam/ so wie mich deucht ein Englisch Frauenzimmer/
Hub eine Muschel auf/ und hielt sie an den Brand/
Der von der Sonnen kommt: Es öffnet durch den Schimmer/
Durch ihren heissen Strahl/ sich ja diß Himmels-Pfand.
Du Muschel pflegest dich nicht eher aufzuschliessen/
Biß daß des Himmels Strahl auf dich entzündet schaut.
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Mich Perle/ sprach sie fort/ kan also nur geniessen
Die Sonne/ welcher mich der Himmel hat vertraut.
Und wie nur eine Perl die Muschel kan gebähren:
Denn mehr empfänget sie von Himmel niemahls nicht:
Kan ich dem Liebsten auch ein Kleinod nur gewähren/
In Liebe/ die ihm Wehrt/ und mir viel Lust verspricht.
Die Schöne hielte noch die Muschel in den Händen/
Die längst des Himmels Huld mit Morgen-Thau erqvickt/
Als/ da die Sonn' anfieng/ mehr Strahlen drauf zu senden/
Sie eine Perl daraus/ die wunderschön beglückt.
Ich kan die Schätzbarkeit mit Worten nicht beschreiben.
Der Himmel hat darzu so wie mich deucht gelacht/
Und hieß die Welt damit ein groß Ergetzen treiben.
Vor Freuden bin ich selbst darüber aufgewacht.
Fast war ich müßvergnügt/ daß dieser Traum verschwunden/
Da der beglückte Tag mir die Erklährung beut.
Ach Himmel! war mein Traum ein Bild so froher Stunden/
Da diß Hochadlich Hauß ein junger Sohn erfreut?
Nun wohl/ so edle Lieb' ist Perlen gleich zu schätzen/
Die kostbar/ keusch und schön und Himmels-Früchte trägt.
Der Himmel müß auf Sie so vielen Seegen setzen/
So viel das weite Meer an theuren Perlen hegt.

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Zitationsvorschlag für dieses Objekt
TextGrid Repository (2012). Hunold, Christian Friedrich. Gedichte. Academische Nebenstunden allerhand neuer Gedichte. Galante und Vermischte Gedichte. An einen vornehmen Cavalier über die Gebuhrt eines Sohnes. An einen vornehmen Cavalier über die Gebuhrt eines Sohnes. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0003-8817-8