[149] Bei Rheinwein
1847
Aller Sonnenschein,
Der einen Sommer lang
Längs dem schönen Rhein
Sich um die Berge schlang,
Breitet heute aus dem Wein zumal
Seine Glorie durch den weiten Saal.
In dem Scheine steigt
Es auf wie Rebenhöhn;
Ob dem Zauber schweigt
Der Gläser hell Getön,
Und der selbstvergeßne Zecher lauscht,
Wie der Strom in seinen Ohren rauscht.
Und im Morgenschein
Durch die Gestade hin
Sieht den hellen Rhein
Er sich vorüberziehn,
Und ein Binsenkörbchen trägt die Flut,
Drin das Moseskind der Deutschen ruht.
Scharf am Felsenriff
Bricht sich der Morgenwind –
O gebrechlich Schiff,
O du verlaßnes Kind!
Keine Königstochter badet heut,
Die dir schützend ihre Hände beut!
Nur die Liebe wacht
Und folgt am Uferhang,
[150]Und ihr Auge lacht
Auf dich die Fahrt entlang,
Liebe, die das Heldenkind gebar,
Die der Freiheit reine Mutter war.
Bis die Zeit entfloh,
Wo du einst wiederkehrst
Und den Pharao
Vor Gott erbeben lehrst,
Wirst ein starker, kluger Moses sein –
O wie lang noch fließt der grüne Rhein?