XXVIII

Karl VIII., König von Frankreich, brach mit einem wohlbewaffneten, wohldisziplinierten Heer nach Italien auf, um seine Ansprüche auf den Thron von Neapel sicherzustellen. Der Papst erließ ein Sendschreiben gegen ihn.

Die Heere der italienischen Städte und Fürsten, zusammengewürfelte Haufen von Mietlingen und Landsknechten, zerstoben vor ihm wie Spreu.

Karl VIII. zog in Florenz ein. Und das Volk erinnerte sich, daß Fra Girolamo die Ankunft eines neuen Cyrus prophezeit habe. Klein, unansehnlich, rothaarig, krummnasig, bucklig, mit Triefaugen und einer fliehenden Stirn, einen Riesenkopf auf einem winzigen Leib, saß der König wie ein Jahrmarktsäffchen auf einem Apfelschimmel zusammengekauert.

Seine kurzen, dicken, spornlosen Beine hingen wie Uhrpendel links und rechts herunter. Er ritt, die Lanze an der Hüfte, durch ein Spalier erstaunter Florentiner Männer, Weiber und Kinder.

[133] Ein Kind, das von seinem Vater hochgehoben wurde, um besser sehen zu können, schrie in die Totenstille:

Das soll ein König sein?

Gelächter prasselte gegen die einmarschierenden Franzosen.

Aber die Italiener sollten bald merken, daß jene Mißgeburt in der Tat ein König war. –

Der Papst hatte sich gegen ihn erklärt. Das verdroß ihn.

Er ließ sich über die inneren Zustände von Florenz referieren, ließ an das Volk Weißbrot verteilen und bat Savonarola zu sich. Savonarola erschien.

Der König, gewohnt, im Gehen zu reden, zog Kreise und Spiralen um ihn.

Es sah aus, als führe der kleine, buntwämsige Mann um den großen schwarzen Mann einen modischen Tanz auf.

Ja – also gut – ja – ch – t – er hatte die Angewohnheit, seine Rede mit sinnlosen Konsonanten zu spicken – Ihr seid – Fra Girolamo – ungekrönter König – ch – t – dieser – dieser Republik – oder so –

Savonarola wehrte ab und wollte etwas erwidern,[134] aber der König trat ihm – versehentlich – auf den Fuß:

Ja – ch – t – was machen wir da – Seine Heiligkeit – soi-disant – ja – in Rom – ch – t – legt mir Schwierigkeiten in meinen Weg nach Neapel – bedroht mich – ja – ch – t – eventualiter – mit dem Bann – wollte – ja – soi-disant – Eure Meinung über den casus – ch – t – vernehmen –

Er war vor Fra Girolamo stehengeblieben und sah angestrengt nach oben.

Savonarolas Stirn hatte sich verfinstert:

Majestät sind über das Wesen und Unwesen dieses – dieses Teufels, der sich durch Simonie den Papstthron angeeignet, unterrichtet?

Der König wippte von einem Fuß zum andern:

Bin – bin –

Nun denn – Fra Girolamo atmete tief auf: Ihr habt die Macht, der Christenheit (und zugleich Euch) den größten Dienst zu erweisen – den größten Dienst, der ihr je hat erwiesen werden können –

Der König zappelte:

[135] Und – und?

Fra Girolamo sprach stark:

Setzen Sie, Majestät, wenn Sie in Rom einziehen, den Papst ab, berufen Sie ein allgemeines Konzil ein, das sein angemaßtes, durch Simonie erlangtes Pontifikat für ungültig erklärt, und Italien, Europa, die Welt wird Ihnen zujubeln als ihrem Befreier!

Der König nahm seine ruhelose Wanderung wieder auf.

Ja – also – soi-disant – ich danke Euch – werde alles erwägen – Erwägung gemäß handeln – ch – t – Ihr könnt gehen –

Fra Girolamo ging.

Als er draußen war, sprang der König wie ein Kind auf die Fensterbank und sah unten den schwarzen Mönch in der prallen Sonne über den Platz gehen.

Er klatschte amüsiert mehrmals in seine Hände und war ungewiß, ob er dem Mönch, ob er sich selbst applaudiere.

Ja – ch – t – dachte er, ich habe auch von einigen römischen Kardinälen, besonders von einem gewissen – ch – t – Giovanni Battista Orsini – Briefe bekommen – die [136] sich in – ch – t – ähnlicher Richtung bewegen wie dieser – dieser Mönch – ja – man muß alles erwägen – und – dann das Richtige tun – ch – t –


Fra Girolamo kniete in seiner Zelle vor dem Kruzifix.

Herr, Herr – ich danke dir für deine Gnade und deine herrliche Hilfe! O erleuchte das Hirn des Königs von Frankreich mit deiner ewigen Ampel! Der Tempel des Antichrists in Rom wankt – er wird stürzen – ich ahne es, weiß es aus deinen himmlischen Zeichen! O laß mich Simson sein, der die Säulen des Tempels stürzt!

Sein Antlitz verklärte sich:

Ich spüre ein großes Beben der Erde – der rote Teufel auf Sankt Petri Thron erbleicht kalkweiß – er fällt – er bricht zusammen – ich setze ihm den Fuß auf den Nacken –

Der annotierte Datenbestand der Digitalen Bibliothek inklusive Metadaten sowie davon einzeln zugängliche Teile sind eine Abwandlung des Datenbestandes von www.editura.de durch TextGrid und werden unter der Lizenz Creative Commons Namensnennung 3.0 Deutschland Lizenz (by-Nennung TextGrid, www.editura.de) veröffentlicht. Die Lizenz bezieht sich nicht auf die der Annotation zu Grunde liegenden allgemeinfreien Texte (Siehe auch Punkt 2 der Lizenzbestimmungen).

Lizenzvertrag

Eine vereinfachte Zusammenfassung des rechtsverbindlichen Lizenzvertrages in allgemeinverständlicher Sprache

Hinweise zur Lizenz und zur Digitalen Bibliothek


Holder of rights
TextGrid

Citation Suggestion for this Object
TextGrid Repository (2012). Klabund. Romane. Borgia. 28.. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0003-AC50-A