[411] Anhang

Von der Alten Teutschen Poeterey könte man nicht nur eine Rede/ sondern ein grosses Buch schreiben/wann solche Arbeit heut zu Tag so hoch geachtet were/ als zu Käiser Maximilians, Christlöblichen Angedenckens/ Zeiten/ von welchem Beat. Rhenanus also schreibet: Solebat olim Maximilianus Cæsar proposita mercede suos provocare ad quærenda vel Diplomata vel Carmina, quæ ante quingentos, & quot excedit, annos essent conscripta, & qui monstravit vetustum Codicem, nunquá indonatus abivit: fuit enim Princeps libera lissimus. t.2.f.113. Goldast/der in Teutschen Sachen wolerfahrne und üm unsere Sprache wolverdiente Mann meldet Anfangs Constitutionum Imperialium, Tuiscon habe unter andern Satzungen gebotten: Man soll die dapfferen Thaten den Nachkommen zur Tugendfolge Gesangsweis verfassen. Nach Erschaffung der Welt 1910. daß solches geschehen/ bezeuget Tacitus de moribus German. Celebrant, sagt er/ carminibus antiquis (quod unum apud illos memoriæ & annalium genus est) Tuisconem, & filium ejus Mannum etc. Vnd an einem andern Ort (An. l.2c.88. n.5.) schreibt er/ daß Armins/der Teutschen Feldherrn Lob gesungen wordẽ noch zu seiner Zeit/ als er nemlich unter dem Keiser Tiberio in Teutschland ein Soldat gewesen. Der Barden gedenket Berosus der Eltesten Chaldæischen Scribenten einer. Sext. Pomp. Festus lit. B.n.15. Bardusgallicè Cantor appellatur, qui virorum fortium laudes canità gente Bardorum, de quibus Lucanus:


Plurima secuti fudistis carmina Bardi.


Am Marcellinus l. 15. sagt: Bardi fortia virorum illustrium facta, Heroicis versibus composita, cum dulcibus Lyræ modulis cantitârunt. Sie wurden also genennet von den Bärten/ welche sie länger als andere Leute zu tragen pflegen/ (Bart/ sagt Becanus, werde gesagt/ wie behart)oder von dem Wehrt die Wehrten oder Würdigen. Hiervon ist zu lesen Maibomius in Comment. de Bardovic. in notis f.4. Von den Druiden ist viel zu lesen bey Pomp. Mela. l.4. Cæsare [412] de bello Gall. l.6. Possidon. Laërt. l.1. Plin. l.6.c.3.Strabone l.4. Marsil. Ficin. lib. de Religione Christian. c.10. Cluver. Jornande, Althammero, Aventino, Lazio, Goropio, Becan. und andern. Diese sind Priester Dichter und zuzeiten auch Singer gewesen/ wie aus Lucano zu schliessen/ wann er sagt:


Vos quoq qui fortes animas belloq peremptas
Laudibus in longum, Vates, dimittitis ævum,
Sacrorum Druyda.

Wo dieses Wort Druid/ Druthin/ Druden herkommet/ sind die Gelehrten nicht einerley Meinung/ etliche wollen es von den Griechischen δρῦς hernemen/und ziehen an/ daß Plin. l.16.c.44. schreibet/ daß sie jhren Götzendienst unter den Eichenbaumen verrichtet. Non assentior (sagt Causabonus,) Plinio conjicienti, Druidas vel Druydes à voce græca esse appellatos. Quin potius Strabonis prudentissimum Consilium sequor, negantis in appellationibus gentium Græcas etymologias esse quærendas, etc. Etliche wollen/ es komme dieses Wort von Drau/ treu/und Deut/ oder Duit/ Gott; und heisse einen Vertrauten/ oder Verlobten Gottes. Becman. f.318. Drithen oder Truthin ist Gott genennet worden/ nemlich der treue Gott/ der uns alles gutes thut. Bey Otfrido ist unterschiedlich zu lesen Druhtins Hauß/ für die Kirche/ Druhtins Scalk/ Gottes Knecht/ Truhtintige Tagdies dominica. Von diesem Wort ist auch noch übrig der Namen Drutenheim/ da sie vor alters gewohner/und Drud/ Drüdner ein Zauberer oder Hexenmeister: Dann nach dem Klodovin/ Clovis, oder Clodoveus der Franken König/ durch seine Gemahlin Klotilde (des Burgundischen Königs Hilperichs Tochter) nacherhaltenem Sieg wider die Türinger/ und andere Teutschen Völcker sich/ zu Rems/ mit dreytausend von den vornemsten Franken/ tauffen lassen/ (wie zu lesen bey Trithemio im Bogen H.) haben die ChristlichenPhilosophi nicht mehr Druiden/ sondern Witdoden wollen genennet seyen/ zum Unterscheid derer/ welche mit den Namen in der Heidenschaft beharret. Daher das Ehrenwort einen gantz widrigen Verstand bekommen/ als bey den Lateineren Magus, Sophista, Tyrannus etc. Weil nun diese Witdoden der Druiden[413] Amtsfolgere/ gelehrte und verständige Leute gewesen/sind sie wie zuvor in strittigen Sachen zu Grafen/ oder Richteren aufgeworffen worden: gestalt das Wort Graf (wie Paulus Diaconus l.5. Hist. Longob. wil) soviel ist als ein Schiedsmann oder Richter; daher Markgraf ein Richter der Markungen Judex limitum benamet worden: sol von der Ebreer רבג gebar/ superavit, prædominatus est, aliis virtute, potentia & autoritate superior fuit; vel à γηραιὸς seu γεραιὸς, i.e. Senex, canis venerabilis annis, Vir annis meritisq; gravis, sagt Helvigius in Origin. German. l.G.f.145. Man findet auch in den alten Schrifften Wittod/Witdod/ welches alles eins ist/ massen die Ebreer und Teutschen die Buchstaben/ so mit den Lippen ausgesprochen werden/ als b/ p/ w/ f/ v/ wie auch die Buchstaben/ welche zwischen den Zähnen/ als d/ t/ th/ sz/ausgeredet werden/ offtmals verwechseln/ wie dessen viel Exempel zu sehen in Nomenclatore, oder dem Wortregister Aventini, seinem Jahrbücheren (Annalibus) vorgefüget. So schreibt man Teutsch und Deutsch/ Tichten und Dichten/ Tantzen und Dantzen. Was also den Alten ist das T/ oder th gewesen/ ist uns heut zu Tag das D. Otfrod der Mönich schreibt


Thogan sier in warn
in manigern Zaln/

seine Degen waren in mancherley Zahlen/ verstehend seine Helden: eben wie םידרבג 1. Sam. 23. die Helden oder Starcken Davids. So sagt auch vorbelobter Goldast/ das Wort Held komme von Chelten, Celten, durch Wandlung deß T. in D. und Hinwegwerffung deß c. in dedic. Constitution. Imperial. ad Jacobum Regem Britan. Bodin. sagt: Celtæ Ebræis sunt Equites, c. ult. method. Hist. f.497. Strabo l.4. Celtæ in Galliâ, à sui æstimatione adepti hoc Nomen nimirum vom Gelten Jun. in Batav. c.22. von Witt hat Wittenberg den Namen/ weil es nechst Weissen Bergen liget: Witikind/ oder wetekind/ das Weise Kind; Wittib/ ein weises Weib/ wie die Frantzosen die Hebammen/ nach der übertrefflichkeit (καθ᾽ ἐξοχὴν,) nennen les sages femmes. Ist also aus witt/ wit/ weit worden wiß/ wis/ weis/ und aus Dod/ tod/ vod/ bod/ wod; auß witdod/ weiwod/ Weiivvoda, wie aus Gertraud/Geritruda, aus Ehrtraud/ Aritruda [414] bey Wasero in Mithritad. Es sind aber die Weiiwoden Richter/ Pfleger und Ambtleute bey den Ungern noch heut zu Tage. Winterturn in der Schweitz/ zu latein Vitodurum genannt/ bey Cluver. l.2. Antiq. Germ. f.19. n.30. soll von den Witdoden den Namẽ haben/ und von alters genennet wordẽ seyn/ der Witdoden Turn/ Schloß oder Statt/ wie Soloturn/ Solodurum, der Soldner Turn. Beatus Rhenanus hat in seinen Teutschen Händeln/ an vorbesagtem Ort/ eines solchen Witdoden Gesang/ welches er zu Freisingẽ in einem Kloster gefunden/ und/ wie er schreibt/ soll gemacht seyn worden 485. Jahre/ nach unsers Seligmachers Geburt/ als nemlich die Franken zu dem Christlichen Glauben kommen/ und das Evangelium in Teutsche Reimen zu übersetzen angefangen. Die Vorrede lautet von Wort zu wort also:


Nu vvil ich scriban unser Heil,
Evangeliano deil,
so Wir nu hiar bigunnon
In Frenkisga Zungen.
Hiar hores jozi guate,
Waz Gott imo gebiete.
thaz vvir imo hier sungen,
in Frenkisga Zungen.
Nu freuues sihes alle,
So vverso vvola vvolle,
Joh vver si hold in muate
Francono thute.
Nun will ich schreiben unser Heil/
Des Evangelions ein Theil/
so wir nun hier beginnen
in (oder mit) Fränkischer Zungen.
hier höret jetzt fleissig/
was Gott euch gebietet/
das wir euch hier singen
in Fränkischer Zungen.
Nun freuen sich alle/ oder jeder
der versen wol wil (der ein
Liebhaber der Poeterey ist/ )
ja/ wer jhnen hold seyn muß
auß Fränkischen (oder freyen) Muht.

Vnd bald hernach redet er also von den Teutschen:
si sint so sama kuani
selpso thio Romani.
Nu darf man thaz ouch redina
thaz Kriachi nith es vvidaron.
Sie sind so samtlich kühn/
wie die Römer selbsten:
Nun darf man das auch reden/
daß der Griech nicht darwider ist.

Nachdem aber unter Keiser Karln den Grossen das Christenthum zugenommen/ hat er solche Gedichte samlen lassen/ Avent. l. 4. [415] f.253.n.30. welche damals mit Lateinischen Buchstaben sehr undeutlich/ oder schwach und unverständig/ wie Stumpf in der Schweizer Chronica l.4.c.31. meldet/ geschrieben worden. Scudi in descript. Rhetiæ c.36. sagt: Antiqua. & prima Germanorum Scriptura jam vix potest intelligi, non quod lingua ipsa adeo sit mutata: Sed quod majores nostri, qui primùm linguam Germanicam scribere tentaverunt, ægrè & eum magnâ difficultate potuerint quasdam voces & perplexas syllabas literis comprehendere, quæ veram & genuinam exprimerent prolationem, pro cujusvis dialectu ut apud Græcos variantem. Duritiem hanc mollia Gallorum labia mitigare conantia paulatim ea ita corruperunt, ut vix ac ne vix quidem pro Teutonicis hodie recognosci possint, quæ verè talia ab initio fuerunt etc. Daß also kein Wunder ist/ wann man sich wegen der Rechtschreibung/ (Orthographia,) welche kein wesentliches Stuck der Sprache heist/ nicht vergleichen kan. Nach oftbesagtem Wort Witdod (Philosophus,) kan man sagen Wortdod (Philologus,) Witdodschaft (Philosophia) wie man sagt Wissenschaft/ Brüderschaft/ Gesellschaft und dergleichẽ: Wortdodschaft: (Philologia Aber dieser Wörter Angenemhaltung stehet bey künfftig beliebtem Gebrauch.

Zum Beschluß wollen wir hier anfügen die Keiserliche Rede Karls deß Grossen/ mit welchen er die jungen vom Adel in der Schulen angesprochẽ/ und zu lesen ist bey Goldast. Consil. Imperial. f.149. Vos, sagte er/ macti virtute estote filioli pientissimi, qui nostro imperio gnaviter desuncti estis. Vestra erunt Sacerdotia locupletissima. Ego vos in Aulam adsciscam; ex vobis Senatores cooptabo; vos in album Prætorum adlegam. At vos comatuli & delicatuli, freti opibus & splendore Parentum, Nostram Majestatem spernitis, dum otia, luxum, & inertiam bonis literis virtutibusq; præfertis. Jubeo, & Deum immortalem testor, nihil penitus vobis commodi, honoris, & ne obulus quidem ab Imperatore vestro expectandus. Faxim, ut omnibus mortalibus ludibrio vivatis.


Ende.

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Zitationsvorschlag für dieses Objekt
TextGrid Repository (2012). Klaj, Johann. Gedichte. Redeoratorien. Lobrede der Teutschen Poeterey. Anhang. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0003-AE7F-5