[32] Der Aurikelnstrauß

1776.


Die ihr noch gestern an Sophiens Busen,
Diesem stolzesten aller Sitze, lieblich glühtet,
Und aus braunen Kelchen der süßen Düfte
Fülle entströmtet,
Blümchen, wie bloß, wie schlaff, geknickt, gesunken
Hängt ihr heute mir am bestäubten Arme,
Den mein süßes scheidendes Mädchen mit euch
Gestern bekränzte.
Blümchen, ihr welktet, und kein süßes Duften
Wird auf Silberstaub euch hinfort entschweben,
Noch zum Pflücken lächelnder Mädchen Hände
Ferner herbeiziehn.
[33]
Blümchen, ihr welkt, und kein junger Busen
Wird euch heben hinfort mit schweren Seufzern,
Noch der seufzersteigenden Brust ein trunkner
Jüngling euch rauben.
Klage, Sophie, um des jungen Maien
Frühgeborne, frühgestorbene Töchter!
Klag' um sie, und jeglicher Erdenschöne
Flüchtigen Schimmer.
Blumen verwelken. Und der Herbststurm störet
Ab die Blätter. Und Jugendblüthen mordet
Frost des Alters. Alles vergeht. Sophie,
Ach! auch die Treue?

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Zitationsvorschlag für dieses Objekt
TextGrid Repository (2012). Kosegarten, Gotthard Ludwig. Gedichte. Gedichte. Der Aurikelnstrauß. Der Aurikelnstrauß. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0003-B6D4-D