376. Der Freischütz.

Mündlich.


In der Gegend von Hildesheim ist ein alter Förster gewesen, der hat, was er auch aufs Korn genommen, nie gefehlt. Nun hat er einen Burschen gehabt, der hat auch gern nie fehlende Schüße haben mögen, drum hat er den Alten gebeten, er möge es ihn lehren. Dazu hat sich der Förster bereit erklärt und hat ihm gesagt, wenn er das nächste mal zum Abendmahl gehe, solle er die Oblate nicht hinunterschlucken, sondern unbemerkt aus dem Munde nehmen und einstecken. So hat er denn auch gethan und als er aus der Kirche heimgekehrt ist, ist er mit dem Förster nach dem Walde gegangen, wo dieser die Oblate an einen Baumstamm genagelt und den Burschen geheißen hat, seine Flinten darauf anzulegen. Der nimmt die Büchse, aber wie er eben anlegt, sieht er unsern Herrn Christus am Baume stehen, sodaß ihm die Büchse fast aus der Hand fällt und er [339] nicht wieder hat schießen mögen. Doch der Alte hat ihn gescholten, er sei ein feiger, einfältiger Geselle, darum hat er noch einmal angelegt, hat losgedrückt, und die Oblate ist von der Kugel mitten durchbohrt worden und ganz blutig gewesen; seit der Zeit aber hat er nie wieder seines Ziels gefehlt.


Vgl. Müllenhoff, Nr. 552; Harrys, II, Nr. 16; Pröhle, Oberharzsagen, S. 95; Baader, Nr. 267; wer dreimal auf ein Kreuzbild schießt, kann alles treffen, Meier, Schwäbische Sagen, Nr. 325; wer drei Schüße nach der Sonne, dem lieben Gott und einem steinernen Bildstock thut und dabei zugleich mit einer besondern Wurzel versehen ist, wird ein Freischütz, Wolf, Heßische Sagen, Nr. 124-126. Eine andere Art, ein Freischütz zu werden, gibt Seidl in Wolf, Zeitschrift, II, 28, an; vgl. noch Simrock, Mythologie, S. 191; Leoprechting, S. 62. Die Vorstellung von Freischützen geht entschieden über die Erfindung des Schießpulvers hinaus, wie auch schon der ganz heidnische Schuß gegen die Sonne, der mehrfach vorkommt, zeigt; ich habe in der Hallischen allgemeinen Literaturzeitung (Juni 1846, S. 1075) den indischen çabdavedhî, der nur den Gegenstand zu nennen braucht, den er treffen will, verglichen; im Mahâbhârata macht Arjuna von dieser Kunst, welche der Dhanurveda lehrt, Gebrauch, indem er einen sich durch Zauber unsichtbar machenden Feind verwundet, Mahâbhârata, III, V. 15005. Ein Beispiel, das sich dem çabdavedhî (vedhî, Nominativ von vedhin, ist gleichen Stammes mit waid – altn. veidhi, Fang, Jagd) ganz gleichstellt, bietet Leoprechting, S. 61, wo ein Jäger hinterwärts aus dem Bauerhause schießt und damit die vorn unter den Hennen sich tummelnden Spatzen trifft.

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Zitationsvorschlag für dieses Objekt
TextGrid Repository (2012). Kuhn, Adalbert. Märchen und Sagen. Sagen, Gebräuche und Märchen aus Westfalen. Erster Theil. Sagen. 376. Der Freischütz. 376. Der Freischütz. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0003-BAAB-2