6. Das Pferdeei.

Mündlich aus der Ukermark.


Es war mal ein Bauer, der hieß Hans, der ging in die Stadt zu Markte und als er da so herumschlenderte, sah er einen Händler sitzen, der hatte ein Paar große Kürbiße zu verkaufen; da fragte er ihn: »Bruder, was sind das für Dinger, die du da zu Markte gebracht? – Pferdeeier, antwortete der andre. – Ei du liebe Zeit, sagte Hans, Pferdeeier? die sind wohl sehr theuer? – Nun, bezahlen laßen sie sich schon noch; sieh mal hier das Rothbraune, das gibt einen prächtigen Fuchs und kostet nur zehn Thaler!« Das dünkte den Hans nicht allzuviel für einen schönen Fuchs und schnell borgte er das Geld und kehrte zu dem Händler zurück. Nun wollte er aber auch genau wißen, wie es ausgebrütet werde, und der andre sagte ihm, er müße es selbst ausbrüten und es daure volle vier Wochen; während dieser Zeit dürfe er ja nicht von demselben aufstehen, oder, müße er es ja einmal thun, so möge er's doch ja recht warm zudecken, und solle sich auch lieber die ganze Zeit über von seiner Frau füttern laßen, damit er auch eine recht hitzige Brut habe. Das prägte sich Hans alles ganz genau ein und eilte nun mit seinem Pferdeei nach Hause, wo er seiner Frau mit großer Freude erzählte, was er für einen schönen Handel gemacht, und gar nicht die Zeit erwarten konnte, bis sie ihm das Nest zurecht gemacht. Zu dem Ende legte sie sogleich ein Paar Bund Stroh im Stall zusammen, machte in der Mitte eine Vertiefung, in welche [330] sie das Ei legte, und nun setzte sich Hans drauf und seine Frau mußte ihn füttern, und noch ein Paar Bund Stroh um ihn schütten, damit er nur eine recht hitzige Brut hätte. Endlich als aber nun die vierte Woche zu Ende kam, da sprang er auf und horchte an dem Ei und klopfte dran, aber der Fuchs wollte sich noch nicht rühren. Da konnte er seine Ungeduld nicht länger zügeln, nahm das Ei und ging damit hinter's Haus, wo ein großer Stein lag, gegen den warf er es und da der Kürbiß innen schon ganz verfault war, so flogen die Stücke weit umher und eins davon fiel in ein kleines Gesträuch, in dem grade ein Fuchs lag und schlief, der sprang auf und lief eilig davon. Da glaubte Hans, es sei sein rothes Fohlen und rief immer »hiß! hiß!« und meinte, wenn's müde ist, wird's schon zurückkommen, aber es kam nicht und Hans ging endlich betrübt wieder in's Haus und nahm sich vor, wenn er wieder ein Pferdeei kaufe, hübsch im Stall zu bleiben, damit das Fohlen nicht entwischen könne.

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TextGrid Repository (2012). Kuhn, Adalbert. Märchen und Sagen. Norddeutsche Sagen, Märchen und Gebräuche. B. Märchen. 6. Das Pferdeei. 6. Das Pferdeei. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0003-BB5A-E