Hochzeitsgebräuche.

Nur der Landmann hat bei den Vorgängen des häuslichen Lebens noch besondre, charakteristische Gebräuche bewahrt, und deshalb können nur diese, nicht die meist inhaltlosen der Städter, hier eine Stelle finden.

Fast durchweg herrscht in der Mark die Sitte, die sogenannten großen Hochzeiten am Dienstage zu feiern, und nur hier und da finden sich Abweichungen davon; z.B. in Brodewin i.d.U.M., in Wassensdorf am Drömling finden sie Donnerstags, und an einigen Orten, [354] wenn ein Wittwer oder eine Wittwe wieder freien, Mittwochs statt. In Gegenden, wo die ehmals slavische Sitte den Vorrang behauptet zu haben scheint, ist Freitag der Tag der Hochzeitfeier, so bei den Hannöverschen Wenden, nördlich von Salzwedel, in der Prignitz in der Gegend von Lenzen bis Perleberg, in den Dörfern bei Havelberg, welche auf dem von Havel und Elbe gebildeten Delta liegen, Strodehne, Kuhlhausen u.s.w.

Mündlich.


Zu dem Feste werden die Gäste von dem Hochzeitbitter mit einem gereimten Spruch eingeladen, und am Montage vor der Hochzeit schickt der Bräutigam einen mit sechs Pferden bespannten Wagen, um die Braut zu holen. Am Dienstag Morgen wird dann ausgefahren und alles so eingerichtet, daß man um Mittag am Wohnorte des Bräutigams anlangt. Bei diesem Brautzuge sitzt die Braut auf einem Stuhle; auf der einen Seite sitzt die Bräutigamsjungfer, eine der nächsten Verwandten desselben, auf der andern die Brautjungfer mit den Lichtern, und die dritte mit dem aufgemachten Wocken, den man so mit Flachs bewickelt, daß die Braut für den folgenden Winter Vorrath hat. Nebst diesen steigen noch andre junge Bursche und Musikanten auf den Wagen. Der zweite Wagen ist nur mit vier Pferden bespannt, und auf diesem folgen die Verwandten der Braut. Dann folgt der Bettwagen und andre Wagen mit Gästen, und zuletzt die Ältern der Braut in einem nur zweispännigen Wagen. So gehts vorwärts, und man wirft unterweges Äpfel,[355] Nüsse, Kringeln u. dgl. aus, namentlich aber wird tüchtig geschossen. Die jungen Leute in den Dörfern versperren auch wohl den Weg durch eine Schnur, wobei sie sprechen:


Wir thun es der Braut zu Ehren,

Woll'n einmal sehen,

Ob sie uns ein Biergeld bescheren!


und erhalten dann von der Braut ein Trinkgeld. Ist die Braut an der Gränze der Feldmark des Bräutigams an gekommen, so fragt der Fuhrmann des letzten Wagens die Braut:


Ich frage die Junfer Braut,

Wer sie gefahren hat?

In N.N. (Dorf der Braut) stäubt der Sand,

In N.N. (Dorf der Bräutigams) ist gutes Waizenland.

Die Braut antwortet:

Mit Gott und gute Leut'

Fahr ich dahin bereit

Mit sechs Pferd' und Wagen.


Ist man auf dem Hofe des Bräutigams angekommen, so nähert sich derselbe dem Wagen der Braut, diese schwingt sich über die Wagenleiter und er muß sie in seinen Armen, wo möglich ohne zu fallen, auffangen. In Wassensdorf am Drömling tritt dann der Brautvater zur Braut, trinkt ihr Bier in einem Glase zu, sie kostet und gießt den Rest über ihren Kopf weg. Nun müssen Bräutigam und Braut in der Altmark von einer aus allem Viehfutter bereiteten Suppe essen, denn sonst, glaubt man, gedeihe das Vieh nicht. Darauf [356] wird der Brautschmuck angelegt und nun gehts zur Kirche. Vorauf Musikanten, dann die Mädchen, dann Braut- und Bräutigamsjunfern mit brennenden Lichtern, die entweder auf einem mit Buchsbaum umwundenen Gestelle, oder auf jungen Tannen angebracht sind. Dann folgt die Braut, welche zwei Trauführer (Trauleiher genannt) aus den nächsten Verwandten leiten; diese sind mit seidenen am Rocke befestigten Tüchern geschmückt, welche die Junfern geben müssen. Der Schmuck der Braut besteht in dem Kranze, von dem eine große Masse seidener Bänder herabhängt; besonders müssen vier davon bis zur Erde herabreichen; an der Brust hat sie einen Rosmarinstrauß stecken, in der Tasche Dill und Salz, damit ihr der Böse nichts anhaben könne, sowie einen alten Gulden; in den Schuhen liegen Haare von allen Vieharten des Hofes, sonst gedeiht dasselbe nicht. Der Braut folgt der Bräutigam, ebenfalls zwischen zwei Trauführern; Brust und Hut hat er mit Rosmarin geschmückt, in die Schuhe hat er Körner von allen gebauten Kornarten gelegt, denn so kann er gewiß sein, daß er reichliche Ärnten haben wird. Den Beschluß des Zuges macht die übrige Hochzeitsgesellschaft mit Ausnahme der unverheirateten Männer. Jeder Gast trägt einen für eine Geldgabe von den Braut- und Bräutigamsjunfern erhaltenen Rosmarinstängel an der Brust. Ist man an der Kirche angekommen, so bleiben die unverheirateten Mädchen nebst den Musikanten draußen, ziehen zum Hofe zurück, holen die jungen Männer, und nun wird die Trauung vollzogen, bei welcher die Braut [357] den Bräutigam auf den Fuß zu treten sucht, damit er sie nicht in der Ehe prügle. Zuweilen finden sich unter den Anwesenden neidische Gegner des Bräutigams, die während der Zeit des Segenssprechens ein Erbschloß dreimal auf-und zuschließen, damit die Eheleute kinderlos bleiben sollen.

Nach beendigter Trauung gehts mit gewechselten Trauführern zurück ins Hochzeithaus; nun aber geht der Mann vorauf, und die junge Frau folgt. Wenn die Mahlzeit eingenommen ist, folgt der Brauttanz; jeder der geladenen Gäste hat mit der Braut in der Ordnung des Verwandtschaftsgrades den Ehrentanz zu thun; zuletzt erst tanzt der Bräutigam mit der Braut. Den Schluß des ersten Hochzeittages macht darauf der Brautlauf. Sämmtliche Anwesende begeben sich nach einem bestimmten Platz im Freien, der zum Laufen bequem ist. Zwei rüstige unverheiratete Männer nehmen die Braut zwischen sich; der Bräutigam giebt ihr einen Vorsprung, und es beginnt zwischen beiden ein Wettlauf. Am Ziele der Bahn stehn zwei oder mehr junge Frauen, die der neuen Genossin den Kranz abnehmen und ihr die Mütze aufsetzen. Holt der Bräutigam die Braut nicht ein, so darf er natürlich für Spott nicht sorgen.

Ist die Gesellschaft wieder im Hochzeithause versammelt, so schleichen Braut und Bräutigam in die Brautkammer. Kurze Zeit darauf zieht die ganze Gesellschaft mit Musik ebendahin; nach einer dortge brachten Nachtmusik, treten alle ein, um zu sehen, wie das Paar zusammenliegt. Trifft es sich, daß der Bräutigam [358] voran liegt, so wird er wandwärts gelegt. Mit diesem Act schließt der erste Tag.

Am zweiten Tage Morgens gehen die Gäste im Dorfe umher und nehmen die Wirtschaften in Augenschein. Nach Tische beginnt der Kampf um das alte Spinnrad. Die Brautjunfer hat nämlich ein altes mit Buchsbaum geschmücktes Spinnrad mit aufgemachtem Wocken, an dem noch einige Knocken Flachs und eine zweite Spule hangen, in einem nicht ganz nahe liegenden Hofe des Dorfes abgegeben. Dies unversehrt ins Hochzeithaus zu schaffen, ist Aufgabe der unverheirateten Bursche. Die ganze Hochzeitgesellschaft zieht deshalb zu dem Hofe, wo das alte Spinnrad steht. Hier wird getanzt, die Brautjunfer tritt mit dem Spinnrade in den Kreis der jungen Burschen, man verläßt das Haus und begiebt sich so zum Hochzeithause. Der Kreis wird, indem man fortwährend die Brautjunfer mit dem Rade umtanzt, so fest wie möglich geschlossen, denn die verheirateten Männer suchen ihn unaufhörlich zu stürmen, um das Rad ganz oder theilweis zu erobern. Je näher man dem Ziele, um so mehr strengt man die Kräfte an, und oft fallen derbe Schläge dabei. Es ist eine Schande für die Ehemänner, wenn das Spinnrad unversehrt bleibt, und deshalb nimmt jeder, sobald es erbeutet ist, seine Trophäe mit sich, und wer die größte hat, wird allgemein belobt.

Während der Zeit hat die Mutter der jungen Frau das mit Buchsbaum umwundene und ausgeschmückte Brautrad bereits auf den Tisch gestellt; das junge Ehepaar [359] setzt sich an den Tisch und erwartet den Brauthahn, oder wie es heißt »sitzt Brauthahn«. Zuerst tritt die Brautjunfer, die zuweilen noch von einem jungen Burschen unterstützt wird, mit dem neuen Spinnrade zum Bräutigam und sagt:


Ich bringe der Braut ein Rädelein,

Das ist von Holz und nicht von Lederlein,

Nicht von Eisen und nicht von Stahl,

Das wird der Braut gar wohl gefallen.

Eher soll die Braut nicht bei dem Bräutigam schlafen,

Ehe sie den Flachs nicht abgesponnen hat,

Eher soll der Brautigam nicht bei der Braut schlafen,

Ehe er das Garn nicht abgehaspelt hat;

Eher soll der Bräutigam die Braut nicht schlagen,

Ehe das Rädlein keine Rosen trägt;

Das Rädlein wird nimmer Rosen tragen,

Also darf der Bräutigam die Braut nicht schlagen!

Hand drauf gegeben

Dem Brautmädchen!


Nun wird dem jungen Paar das Hochzeitgeschenk verehrt, das in Gelde besteht, und in eine vor dem Paare stehende Schüssel gelegt wird. Nachher wird getanz, und dies ist dann auch nebst den solenneren Speisen und Getränken die Hauptfeier des dritten Tages. Beim Abschiede pflegt man dem Wirth, also dem Brautvater, ein klein Geschenk in die Hand zu stecken.

Fünfter Jahresbericht des altm. Vereins. S. 118-124.

Die Beschreibung bezieht sich besonders auf den Calbescheu Werder, findet aber auch an andern Orten in ähnlicher Weise, nur gewöhnlich nicht so vollständig, statt.


[360] Einige besondere Gebräuche kommen noch zu den eben angegebenen Grundzügen hinzu:

In der Gegend von Diesdorf ist es Sitte, daß, sobald der Bräutigam die Braut in seinen Armen aufgefangen hat, er sie ins Haus, und zwar zur großen Diele 1 tragen muß, wo er mit ihr dreimal den Kesselhaken umwandelt; dann soll sie die neue Heimat lieb gewinnen, sagt man, und wird nicht davon laufen. – Bei den Hannöverschen Wenden werden ein Paar Sprossen der Wagenleiter herausgenommen und die Braut wird nun auf dem Brautstuhle sitzend hindurchgezogen und so ins Haus getragen. Heiratet sich aber ein junger Mann in einen Hof hinein, d.h. heiratet er die Erbin eines Hofes, so muß er über die Wagenleiter springen; darauf werden die Pferde abgespannt und die Braut muß den Wagen in vollem Laufe vor dem Hause vorbeiziehen; thut sie das recht geschickt und ohne irgendwo anzustoßen, so wirds auch wenig Anstoß zwischen beiden in der Ehe geben.

Der schon mehrmals beschriebene Aufzug eines Reiters auf einem Schimmel, findet sich auch bei Hochzeiten, so namentlich in der Altmark zu Wassensdorf, Beetzendorf, Wadekath u.a.O. Am ersten Tage der Hochzeit, hier Donnerstag, erscheint derselbe, und zwar trägt der Reiter einen aus einem rothen Weiberrock bestehenden Mantel und einen großen breitkrämpigen Hut, [361] der in der Volkssprache die Bezeichnung »Puust de Lamp uut« hat. Der Reiter macht nun wunderbare Sprünge, einer der Gesellschaft stellt auch wohl den Schmied vor und sieht, ob die Hufe in gehöriger Ordnung sind, was das ungeduldige Thier natürlich nicht leiden will und dergleichen mehr. – In der Prignitz, in der Gegend von Lenzen, straft man diejenigen, welche sich, um einmal ein wenig zu ruhen, aus der Hochzeitgesellschaft entfernen, dadurch, daß man, sobald sie vermißt werden, sie aufsucht; darauf nehmen zwei der Gesellschaft einen zu dem Zweck bereit gehaltenen Baumstamm, schnallen einen Sattel darauf, nehmen ihn auf die Schulter, und der Schläfer muß ihn nun besteigen und wird so zur Gesellschaft rittlings zurückgeführt. – In der Grafschaft Ruppin erscheinen, während der Hochzeitzug sich nach der Kirche bewegt, die Feien (wie schon angegeben wurde, gewöhnlich verkleidete Männer), und suchen durch allerhand Possen den feierlichen Zug zu stören und seinen Ernst in Lachen zu verkehren.

Mündlich.


In der Gegend um Jüterbogk und den benachbarten Gegenden der Mark Brandenburg war es am Anfang des vorigen Jahrhunderts Sitte, daß man nach der Hochzeitfeier ein altes Wagenrad entweder vor dem Hause oder auf einem Hügel ansteckte, und die Hochzeitgesellschaft einen hochzeitlichen Tanz um dasselbe anstellte.

Zu Jüterbogk war es auch zu derselben Zeit in der Vorstadt Neumarkt Sitte, bei den sogenannten großen Hochzeiten auf dem dort gelegenen Tanzberge zum Klange [362] der in der Mitte aufgestellten Musik Tänze anzustellen. Aehnliche Sitte herrschte und gleiche Berge lagen damals in den nahe gelegenen Orten Fröden und Baruth.

Im vorigen Jahrhundert herrschte auch noch weit und breit in der Mark und in Sachsen der Gebrauch, daß die jungen Männer bei einer Hochzeit am zweiten Tage von einem bestimmten Punkte bis zum Hause der Braut einen Wettlauf anstellen mußten; der Sieger bekam von der Braut und den Brautjunfern drei große Brautstollen, und tanzte darauf mit ihnen, und zwar geschah es, wenn auch mitten im Witter, mit nackten Füßen.

Ekhard: scriptores rerum Jutrebocensium. Th. I. S. 58. 59. 74.


In der Stadt Gardelegen hatte man vor Alters bei Hochzeiten die Sitte, daß, wenn die Braut in des Bräutigams Kammer geführt war, derselbe sich in das Bette legen mußte. Darauf führte der Braut Vater oder der seine Stelle vertrat, die Braut herzu, zur rechten Hand des Bettes, legte sie hinein und sprach: Ich befehle euch meine Tochter, daß ihr bei ihr thut, wie Gott bei euer Seele. Der Bräutigam umbfassete sie. Nachmals richteten sie sich auf, es ward zu trinken gegeben, daß sie ein Paar Mal trunken; drauf stand der Bräutigam auf an seiner Seiten zur linken des Bettes, ging herüm zur rechten, und hieb die Braut heraus mit den Worten: Och kum her, du außerwehltes Minschenkind. Worauf sie sich beide an die Tische setzten, die in der [363] Kammer gedeckt waren, die Freunde von beiden Seiten setzten sich herzu und waren fröhlich.

Auf- und Abnehmen der löblichen Stadt Gardelegen etc. aufgesetzt von Christophoro Schultzen. Stendal 1668.

Fußnoten

1 Der Raum des Hauses, in dem sich die Ställe, die Kammern der Knechte und Mägde und der Heerd befinden.

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TextGrid Repository (2012). Kuhn, Adalbert. Märchen und Sagen. Märkische Sagen und Märchen. Gebräuche und Aberglauben. Hochzeitsgebräuche. Hochzeitsgebräuche. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0003-C02C-1