[225] 250. Die Quäste.
Mündlich.
Eines Ritters von Questenberg Töchterlein von fünf Jahren ging einmal in den Wald, sich Blumen zu pflücken, verirrte aber und kam immer tiefer und tiefer hinein, so daß es sich nicht wieder heimfinden konnte. Als es nun nicht zurückkehrte, bot der Ritter sieben Gemeinden der Umgegend auf, um es zu suchen, und da fand man endlich das Kind zwei Stunden oberhalb im Harz zu Roda bei einem Köhler, wo es gerade ein Kränzlein gewunden und auf einen Stecken gehängt hatte; so führte man es nun zum erfreuten Vater zurück. Der hat ihnen denn zum Dank eine Wiese von fast viertausend Morgen Größe geschenkt und festgesetzt, daß sie sich die größte Eiche im Forste aussuchen und daran alljährlich am dritten Pfingsttage gerade solche Quäste aufhängen sollten, wie die Kleine gewunden, und sie auch oben mit ebensolchem bunten Strauß schmücken. Das geschieht nun auch alle Jahr zur bestimmten Zeit und zwar vor Sonnenaufgang, aber nach und nach hat man nur alle sieben Jahr einen neuen Baum genommen und jetzt wird gar nur ein neuer geholt, wenn der alte umfällt; dieser neue Baum darf jedoch nicht herangefahren werden, sondern die Questenberger müßen ihn selbst auf den Schultern herbeitragen. Seit der Zeit hat übrigens der Ort, der früher eine Stadt gewesen und noch einen Roland hat, den Namen Questenberg bekommen, während er früher Finsterberg hieß. –
Die Gemeinde von Breitenbach, die auch mitgesucht hat, muß alle Jahr am dritten Pfingsttag vor der Sonne ein Brot und vier Käse an den Pastor in Questenberg liefern; kommen sie aber nicht zur rechten Zeit, so haben [226] die Questenberger das Recht, ihnen die beste Kuh aus der Heerde zu nehmen; diese muß aber dann dort auf der Weide geschlachtet und verzehrt werden.