331. Fräulein Marie von Jever.

Mündlich aus Jever.


Jedes Kind in Jever kennt Fräulein Marie; die war nämlich die Tochter des letzten Häuptlings von Jever, Namens Edo Winken, der ein tapferer aber zugleich grausamer Herr gewesen; denn man sagt von ihm, er habe einmal einen gefangenen Häuptling mit einem härenen Seile durchsägen laßen. Seine Tochter nun hat lange über das Land geherrscht und viel Gutes gethan; war aber auch eine heldenmüthige rüstige Frau, ging immer gepanzert, den Säbel an der Seite, und hat viele Kriege mit den benachbarten Häuptlingen geführt; zuletzt aber ist sie spurlos verschwunden und deshalb läutet man alle Abend in Jever und allen Kirchspielen des Landes, im Sommer um 9, im Winter um 10 Uhr mit den Glocken, und das soll geschehen, so lange bis sie wiederkommt. Andere erzählen, sie habe sich mit ihrem ganzen Hofstaate bei einer Belagerung von Jever in eine der Minen, deren sie viele angelegt, geflüchtet, und sei nicht wieder zum Vorschein gekommen; andere behaupten noch bestimmter, es sei die, welche nach Upjever, einem Gehölze bei der Stadt führte, gewesen, in welcher sie Zuflucht gesucht.

Der Ort Marienhausen, der etwa zwei Stunden von Jever liegt, hat auch von Fräulein Marie seinen Namen [294] und war ursprünglich ein festes Schloß, welches sie erbaut und mit Wällen und Gräben versehen; in der Franzosenzeit aber ist er verwüstet worden und nur ein hoher Thurm ist davon übrig geblieben; als man auch den abreißen wollen, hat man oben in der Kuppel desselben eine Schrift von Fräulein Marie vorgefunden, in der sie befiehlt, daß der Thurm für ewige Zeiten stehen bleiben solle; deshalb hat man ihn unangerührt gelaßen und so steht er noch bis diesen Tag.

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Zitationsvorschlag für dieses Objekt
TextGrid Repository (2012). Kuhn, Adalbert. Märchen und Sagen. Norddeutsche Sagen, Märchen und Gebräuche. A. Sagen. 331. Fräulein Marie von Jever. 331. Fräulein Marie von Jever. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0003-CBE3-F