[264] [268]5. Clorinda die Schönheit ihres himmlischen Bräutigams betrachtende/ befindet/ daß alle Schönheiten dieser Welt nur Kaht gegen Ihme seyen

Dilectus meus candidus, & rubicundus, electus ex millibus.

Cant. 5. v. 10.


Mein Geliebter ist weiß/ und roht/ auserkohren unter viel Tausenden.


1.
Hinweg mit allem Pracht
Der menschlichen Schönheiten/
Weil all ihr Glantz
Nichts ist/ als eine Nacht
Von den Gebrechlichkeiten
Verfinstert gantz;
Wo Daphnis zeigt sein Angesicht/
Besteht so gar auch Phœbus 1 nicht.
2.
Vor seiner Schönheit muß
Der tolle Turnus 2 weichen/
Alexis 3 ist
Nur gegen ihm ein Ruß/
Der Tamyras 4 desgleichen
[268]
Nur Kaht/ und Mist:
Der schöne Käiser Friderich 5
Vor ihm muß weit verkriechen sich.
3.
Des Josephs Leibs-Gestalt/
Ein Wunder in Aegypten/ 6
So lieblich war'/
Daß ihne manigfalt
Die Heyden selbst auch liebten/
Und also zwar/
Daß er zur Unehr offt begrüßt
Gar mit der Flucht sich schützen müßt.
4.
Es ware Jonathas
Mit edlen Schönheit-Gaaben
Beglückt so zart/ 7
Daß ihn' ohn' Underlaß
Die Menschen wolten haben
In Gegenwart:
Als welcher in dem Schönheit-Streit
Die Weiber übertroffen weit. 8
5.
Es ist ja Absolon 9
Schier gar ein Gott gewesen
An Leibs-Gestalt/
Wann ihn Timanthes 10 schon/
[269]
Ein Künstler auserlesen/
Hatt' abgemahlt:
So hätt' er seine Schönheit doch
Nicht/ wie sie war'/ gebracht so hoch.
6.
Adam, das Meisterstück
Selbst eigner Händen Gottes/
War' also schön/
Daß Hyas 11 weit zuruck/
Als nur ein bleich- und todtes
Bild/ müßte stehn:
Wie solte Gott selbst haben nicht
Gemacht das schönste Angesicht?
7.
Doch waren diese all'
Nichts/ als farblose Schatten
Ohn allen Schein/
Die gegen dem Crystall
Ein solche Gleichheit hatten/
Wie Kisel-Stein;
Wie scheinend Holtz bey dunckler Nacht
Zu dem gantz vollen Sonnen-Pracht.
8.
Daphnis, des Höchsten Sohn/
Ist weit der Schönste under
Der Menschen Zahl/ 12
Ab welchem Sonn/ und Mond
[270]
Erstaunen gantz vor Wunder
Am Sternen-Saal;
Er ist das wahre Liecht allein/
So allen andern gibt den Schein.
9.
Er ist das Freuden-Licht/
Dem stäts die Flügel-Knaben 13
Seynd zugethan/
Als wessen Angesicht
Sie groß Verlangen haben
Zu schauen an: 14
In welchem auch insonderheit
Gegründet ihre Seligkeit.
10.
Mein Liebster roht/ und weiß
Hat mir mein Hertz verletzet
So/ daß auff ihn'
Ich nun mit höchstem Fleiß 15
All meine Lieb gesetzet
So lang ich bin/ 16
Er ist allein/ dem ich vermähl'
Auff ewig mein' verliebte Seel.
11.
Er ist viel weisser/ als
Der Schnee/ so erst gefallen
Zu Winters Zeit;
Es muß der Esther Hals/ 17
[271]
Gezieret mit Corallen/
Ihm weichen weit/
Dann er ist seines Vatters Glantz/ 18
Und Bildnuß/ so ihm ähnlich gantz.
12.
Weiß ist Er von Unschuld/
Weiß von der allerhöchsten
Leibs-Reinigkeit/
Bey welchem sich der Huld
Ein jeder kan getrösten/
Der allbereit
Schon ihm die Reinigkeit auffweißt/
Derselben oder sich befleißt.
13.
Roht ist Er von der Lieb/
So Er/ den Dritten wehend/ 19
Zum Vatter trägt/
Roht: wann er Kummer-trüb
Offt einer Seel nachgehend
Sie nichts erhägt.
Roht: weil er mit erhitztem Muht
Für uns vergossen all sein Blut.
14.
Er ist der schön geziert
In rohten Kleidern pranget 20
[272]
Von Bosra her/
Der sich im Läid verliert/
Wann man der Welt anhanget
Gantz Tugend-lähr;
Er ist der sich (vor Lieb gantz roht)
Für uns gegeben in den Tod.
15.
Drumb ist er auserwehlt 21
Vor allen Menschen-Kindern/
So je gelebt/:
Den man hoch billich hält/
Weil er weit von den Sündern
Von Gott erhebt;
Dann er/ von schöner Lieb erhitzt/
Nun zu des Vatters Rechten sitzt.
16.
Wer wolte ihn dann nicht
Vor aller Welt erwehlen/
Der also schön/
Daß auch die Sonn ihr Liecht
Vor ihme muß verhölen/
Und dunckel stehn?
Wer einen solchen Bräutigam 22
Nicht liebt/ verflucht er ist/ als Cham. 23
17.
Ich will der Chloris gern
Den Neleûs überlassen/
Mit ihm nur fort:
[273]
Die Phyllis heur/ und fern
Mag auff den Liebsten passen 24
Betrübt alldort.
Ich lasse gern Caßiope 25
Mit Cepheûs tretten in die Eh'.
18.
Nun fort mit euren schon
Verfaulten Staub/ und Aschen.
Liebt immer sie/
Umb einen Coridon, 26
Der sterblich/ werd' ich waschen
Die Wangen nie:
Daphnis mein eintzige Begierd 27
Auff ewig mich erfreuen wird.
19.
Wie muß man förchten nicht
Bey wahrer Lieb das Scheiden
Ohn' Underlaß
So/ daß offt schier zerbricht
Das Hertz/ indem stäts beyden
Die Augen naß:
Coresus, und Calirrhoë 28
Bezeigen uns des Scheidens-Weh'.
20.
So will dann lieben ich
Nichts/ was da ist zerstörlich
Auch übernacht/
Nichts: was nur schmertzlich mich
[274]
Betrübt/ und unauffhörlich
Erseufftzen macht:
Will lieben/ der mich ewig liebt/
Und durch kein Scheiden mehr betrüb'.

Fußnoten

1 Die Sonn.

2 Ein schöner Mann Virg. l. 6. Æneid.

3 Ein schöner Knab. Virg. Bucc. Ecl. 2.

4 Ein schöner Poët Völat lat. lib. 10. Antrop.

5 Hertzog von Oesterreich/ nachmalen Käyser. Cuspinianus. A.D.

6 Genes. 39. v. 6.

7 v. 12. ib.

8 2. Reg. 1. v. 26.

9 2. Reg. 54. v. 25.

10 Ein fürtrefflicher Mahler. Plin. 1. 35. c. 9.

11 Ein Sohn des Königs Atlantis, sehr schön von Gestalt.

12 Psal. 44. v. 3.

13 1. Pet. 1. v. 12.

14 D. Thom. 12. q. 3. a. 4.

15 Das ist in Ewigkeit.

16 Psal. 103. v. 33.

17 Esth. 2. v. 15.

18 Sap. 7. v. 26. Hebr. 1. v. 3. Hieron. Greg. Cassiod. Beda.

19 Den H. Geist.

20 Hieron. in Isa. 53. Greg. hic, & in Psal. 4. Pœnit. Isa. 63. v. 1.

21 Vor viel tausenden auserwehlt. Cant. 5. v. 10.

22 1. Cor. 16. v. 22.

23 Gen. 9. v. 2. 3.

24 Demophoon.

25 Alle verliebte Persohnen.

26 Liebhaber.

27 Oseæ 2. v. 19.

28 Haben sich beyde umbgebracht. Paus. in Achaicis.

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Zitationsvorschlag für dieses Objekt
TextGrid Repository (2012). Laurentius von Schnüffis. Gedichte. Mirantisches Flötlein. Der Clorinden dritter Theil. [Hinweg mit allem Pracht]. [Hinweg mit allem Pracht]. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0003-DB5F-B