[252] [256]4. Clorinda/ ihren Himmlischen Daphnis, welcher in den Garten hinunter gestiegen/ suchende/ kommt in Erkanntnuß/ daß es kein irrdischer Wollusts-Garten/wo er die Gilgen sammle/ sondern die Seel eines keuschen Menschen sey

Dilectus meus descandit in hortum suum ad areolas aromatum, ut pascatur in hortis, & lilia colligat.

Cant. 6. v. 1.


Mein Geliebter ist hinab gegangen in seinen Garten zu den Wurtz-Gärtlein/ daß Er sich wäide in den Gärten/ und breche Rosen.


1.
Mein Liebster ist
Ohn mein Erwarten
Hinab in seinen Garten/
Eh' ich was von gewißt;
Nun kan ich höchst-beflissen
Ja nicht wissen/
In welchem ungefehr
Zu finden Er/
Dann weil der Gärten viel/
Ist ungewiß das Ziel.
2.
Wo soll ich hin
Den Weg dann nemmen?
Zu was Schluß mich bequemen?
[256]
Weil ich gantz weisloß bin;
Er ist auch nicht nach Hyblen, 1
Wegen üblen
Zugangs/ als welcher streng/
Mühsam und eng:
Das Immenkraut ist je
Nicht werth so grosser Mühe.
3.
Hymettus 2 auch/
Der manchen wäinen
Gemacht mit seinen Steinen/
Ist viel zu hart/ und rauch;
Er kan den Honig haben
Ohne Waben
Aus der Melissen Hand 3
Auff flachem Land:
Er selbst der Honig ist 4
Wer seinen Namen lißt.
4.
Cantaon 5 zwar
Ist worden ruchtbar/
Daß es beglückt/ und fruchtbar
Dreymal in einem Jahr/
Ziecht doch mit solchen Früchten
Auff mit nichten/
Wie Daphnis, welcher selb 6
[257]
(Zum Schnitt gantz gelb)
Ein solches Brot/ und Wein/
So nicht könnt' edler seyn.
5.
Er hat auch nicht
Nach des so zarten
Adonis 7 Blumen-Garten
Sein Hertz/ und Gang gericht/
Dann Er von Davids Stammen 8
Bestem Samen
Entsprossen eine Blum/
Als die den Ruhm
Von wegen edler Saat
Vor allen Blumen hat.
6.
Er geht nicht mehr
Allwo die Diebe warten
Auff der Susannen Ehr; 9
Wo man die keusche Gilgen
Will vertilgen;
Wo man die Rosen bricht/
Da bleibt er nicht;
Er pflegt nicht hinzugehn/
Wo welcke Blumen stehn.
7.
Ist Zweiffels ohn'
Auch nicht gegangen
[258]
Nach Garten/ die dort hangen 10
Erhöcht zu Babylon;
Er förcht/ sie möchten knallen/
Gar einfallen;
Wo man in Lüfften hangt/
Stoltziert/ und prangt
Mag seine Demuht nicht
Hinwenden ihr Gesicht.
8.
Er wird nicht gehn/
Glaub' ich/ desgleichen
Nach dem durchaus Gold-reichen
Feld der Hesperiden; 11
Wo sich der Geitz befindet/
Da verschwindet
Er stracks im Augenblick/
(Geitzhals erschrick')
Gott/ und Mammona 12 seynd
Zwey abgesagte Feind'.
9.
Die Flora kan
Kein Oertlein zeigen/
Ob alles schon ihr eigen/
Wo er zu treffen an:
Dann weil die Blumen welcken/
Und versälcken
Offt/ eh' die erste Nacht
Herzu sich macht/
[259]
So hält er solche Ding
Für sich viel zu gering.
10.
Obschon der Pfön
Sammt den Etesen 13
Den Garten der Farnesen 14
Zu Rom beblümet schön:
Und sich die Wunder-Affen
Dort vergaffen
An mancher Seltsamkeit
Insonderheit/
Weil dorten der Fürwitz
Bekommen seinen Sitz.
11.
So kan die Kunst
Verstorbner Händen/
Die gähling pflegt zu schänden
Ein' unverhoffte Brunst/
Den Daphnis nicht bewegen
Nach zu hegen:
Einfalt/ und Demuht kan
Ihn ziehen an:
Die Lieb Ihn stärcker hält/
Als alle Kunst der Welt.
12.
Ist Er vielleicht
Dahin gegangen/
Wo süsse Trauben hangen/
[260]
Die man dem Mett vergleicht?
Wo bey den Safft-Rubinen/
Gleich den Binnen/
Man sich in Wollust setzt/
Und stäts ergetzt?
Wo man ist immer naß/
Hat Daphnis keinen Spaß.
13.
Die Nüchterkeit
Ist bey den Keuschen/
Die Geilheit bey den Räuschen
Sammt der Vermessenheit; 15
Viel Wein/ und geile Weiber
Seynd die Räuber
Der Weißheit/ und Andacht: 16
Enthalten macht
Gottsförchtig/ klug/ und weiß/
Führt zu dem Paradeiß.
14.
Ist er dann hin
Vielleicht gegangen/
Wo man mit Spieß- und Stangen 17
Zum Tod geführet ihn?
Ach nein/ dann wo den Frommen
Wird genommen
Mit Unrecht Ehr/ und Gut
Sammt Schweiß/ und Blut/
[261]
Wo es geht Jüdisch her/
Da will nicht bleiben Er.
15.
Wo wird Er doch
Dann seyn zu finden?
Ach sagt es der Clorinden/
Die es verlangt so hoch!
Sagt mir mit wenig Worten/
An was Orten
Er anzutreffen sey?
Auff daß ich frey
Der Sorg- und Kummers-Qual
Ihn finden mög einmal.
16.
Nun merck' ich schier/
Wo Er seyn werde/
Nemlich bey seiner Herde/
Die gar nicht weit von hier: 18
Er pflegt auff wilden Heyden
Nicht zu weyden/
Will nur auff fettem Land/
Wo allerhand
Gewürtz/ und Blumen stehn/
Sich stäts zu weyden gehn. 19
17.
Wie man erfahrt/
Ihm doch vor allen
Die Lilien wohl gefallen/
[262]
Wann sie von guter Art/
Der wilden ist er aber
Kein Liebhaber/
So Gilgen nur allein
Seynd nach dem Schein/
Auswendig weiß wie Blust/
Inwendig voller Wust.
18.
Des Menschen Hertz
Ist sein Lustgarten/ 20
Wann es geblümt (von Arten
Der Tugend) wie der Mertz:
Da will Er seyn/ und bleiben/
Kurtzweil treiben/ 21
In solchen Garten will
Er in der Still
In hoch-erwünschter Ruh'
Die Täge bringen zu.
19.
Absonderlich
Wo die Gold-reine/
Nicht allenthalb gemeine/
Keuschheit befindet sich/
Da pflegt er sich zu weyden
Ohne scheiden;
Da sammlet er gantz rein
Die Gilgen ein:
[263]
Da ist sein Bett geblümt: 22
Wie er sich dessen rühmt.
20.
So will ich dann
Nun seyn beflissen/
Mit Lilien/ und Narcissen
Mein Hertz zu füllen an:
Ich will an Tugend grünen/
Zu verdienen/
Daß ich der Garten sey/
Allwo er frey
Ohn' alle Scheuh einkehr'
Zu scheiden nimmermehr'.

Fußnoten

1 Hybla ein Blumen-Berg in Sicilia

2 Ein Blumen-Berg in Africa.

3 Metissa hat den Honig erfunden/ in ein Immlein verwandlet. Poët.

4 In ore mel mirificum. S. Bern. in suo lub.

5 Ein Stadt in Indien, Melchior Nuguez Soc. Iesu 1555.

6 Ich bin das lebendige Brot. Ioan. 6. v. 51. Mein Blut ist wahrhafstig ein Tranck. v. 56.

7 Adonis ein Wollust-liebender König in Cypren.

8 Isa. 11. v. 1. aus der Wurtzel Iesse.

9 Dan. 13.

10 Horti pensiles.

11 Ein Garten/ worinnen göldene Früchten waren,Poët.

12 Gott der Reichthumm. Matth. 6. v. 24.

13 Sanffte Blumen-Wind'.

14 Ein Welt-berühmter Garten/ deren Farnesischen Fürsten zu Rom.

15 Prov. 20. v. 1.

16 Eccles. 19. v. 2.

17 Gethsemani.

18 Vt pascatur in hortis.

19 Ad areolas aromatum, ut colligat lilut.

20 Præbe, fili mi, Cor tuum mihi. Prov. 23. v. 26.

21 Prov. 8. v. 31.

22 Lectulus noster floridus. Cant. 3. v. 15.

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TextGrid Repository (2012). Laurentius von Schnüffis. Gedichte. Mirantisches Flötlein. Der Clorinden dritter Theil. [Mein Liebster ist]. [Mein Liebster ist]. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0003-DB67-8