[11] Des Miranten an sein in die Fremmde Räiß-fertiges Flötlein Ermahnungs-Lehre

1.
Seh' hin nach fremmdem Land/
Hell-klingendes Buß-Flötlein/
Sey mir ein treues Böttlein/
An jeden Sünder-Stand;
Geh' hin mit meinem Gunst
Zur Welt/ die Sünden voll/
Und lehre sie die Kunst/
Wie man Buß würcken soll.
2.
Dein hallendes Gethön
Laß aller Orten hören/
Und dich gar nicht verstören
Das Momische 1 Gehön:
Nach grossen Höfen lauff
Zu der beglückten Schaar/
Spiel' ihnen kläglich auff
Ihr grosse Heyls-Gefahr.
3.
Trag' ihnen lieblich vor
Das Beyspiel der Clorinden/
Wie sie aus schwären Sünden
Geschwungen sich empor:
Sag ihnen/ daß die Freud
Der Welt sey Rosen-Art/
An wessen Dorn-Gestäud
Man sich verletze hart.
[12] 4.
Biß in die Seel hinein
Durchdringe ihre Ohren/
Auff daß sie nicht verlohren
Hingehn zur Höllen Pein;
Sag' ihnen/ daß die Buß
Ihr einigs Mittel sey/
Sich von dem Sünden-Ruß
Und Kaht zu machen frey.
5.
Zum Dantz/ und Freuden-Spiel
Laß dich bey Leib nicht dingen/
Weil in dem eitlen Springen
Offt wird gesündigt viel:
Wie manches reines Hertz
Hat gähling bey dem Dantz
(Wol sicher anderwerts)
Verlohren seinen Glantz.
6.
Das sey absönderlich/
Und erstlich dir gebotten/
Wann deiner man wird spotten/
Daß du nicht rächest dich:
Geselle dich auch nicht
Zu der Poeten-Schaar/
Auff daß dir kein Gedicht
Von ihnen wiederfahr'.
7.
Du weißst wohl/ daß du nur
Ein schlechtes Hirten-Flötlein/
(Und gar nicht ein Poetlein)
Einfältig von Natur/
Von einem Hirten her/
Wessen Poeterey
[13]
Nichts/ als ein Schaafs-Geplär/
Und wilde Wald-Schallmey.
8.
Laß' dich mit keinem ein
Mit in die Wett zu spielen/
Wilst du kein Unglück fühlen/
Und ohne Kummer seyn:
Gedenck' an Marsyas,
Was er durch solche That
Für Ungunst/ Spott und Haß
Haut-loß erlitten hat.
9.
Und solt' es glücken schon/
Must du doch nicht vergessen/
Als eigen dir zumessen
Den nur entlehnten Thon:
Du bist von schlechtem Holtz/
Und einem dürren Ast/
Darumb zu werden stoltz
Du keine Ursach hast.
10.
Du bist ja ein Gemächt/
Eines vast immer Krancken/
Als wessen Geists-Gedancken
Gar Sinn-loß/ schwach und schlecht;
Bist nur ein Mißgeburt/
Und armes Findel-Kind/
Drumb/ wann man dich anmurrt/
So geh' in dich geschwind.
11.
Geh' hin/ doch nicht allein/
GOTT wöll' mit seinem Segen
Auff allen Weg- und Stegen
Dein treuer Gläitsmann seyn:
[14]
Geh' hin mit gutem Glück/
Und halte dich sein wohl/
Kehr' aber nicht zurück/
Wie du geschieden/ hohl.
12.
Wann du wirst treffen an
Noch jemand von Bekandten/
Die gegen dem Miranten
Mit Neigung zugethan/
So melde meinen Gruß/
Und bitte sie für mich
Zu bätten/ auff daß ich
Mög würcken wahre Buß.

Fußnoten

1 Tadlerische.

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Zitationsvorschlag für dieses Objekt
TextGrid Repository (2012). Laurentius von Schnüffis. Gedichte. Mirantisches Flötlein. Ermahnungslehre. Ermahnungslehre. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0003-DB7B-B