[131] [135]4. Clorinda kommt in Erkanntnuß/ daß die zeitliche Straff Gottes/ Creutz/ und Leyden ein Zeichen seiner Liebe seye

Disciplina tua, Domine, correxit me in finem, Disciplina tua ipsa me docebit.

Psal. 17. v. 36.


Deine Straff hat mich zu dem End gezüchtiget/ und deine Züchtigung wird mich underweisen.


1.
Weil ich auff dem Wollusts-Weg
Meine Täg'
Ohne Sorg verzehret/
Hab' ich Heyl-vergessen mir
Selbst die Thür
Zu dem Heyl versperret/
Massen ich so Laster-geyl
Nach der Höll geloffen/
Daß von meinem Seelen-Heyl
Wenig mehr zu hoffen.
2.
Als nun Daphnis also mich
Liederlich
Sah' in Sünden leben/
[135]
Und nur nach der Eitelkeit
(Allbereit
Gott-vergessen) sterben/
Bracht ihm meine Heyls-Cefahr
Kümmerliche Sorgen;
Dann mein böses Leben war'
Ihm gar nicht verborgen.
3.
Klopffe derohalben offt 1
Unverhofft/
An bey meinem Hertzen/
Sagte mir/ ich solte nicht
Wider Pflicht
Seine Lieb verschertzen;
Aber sein Ermahnungs-Lehr
War' an mir verlohren/
Dann ich gab' ihm nur Gehör
Mit Ulysses-Ohren. 2
4.
Als er mich zu seiner Schmach
Also sah'
Allen Raht verachten/
Müßt' auff andre Mittel Er/
Weil ich schwer
Zu bekehren/ trachten;
Kame mit der Höllen-Straff
Ernstlich mich zu schröcken/
[136]
Von dem tieffen Sünden-Schlaff
Endlich auffzuwecken.
5.
Schickte mir in bester Ruh
Gähling zu
Schwäres Creutz/ und Leyden,
Mir den Weg zum Undergang
Mit Bezwang
Also abzuschneiden;
Dann weil ich im Glückes-Stand
Stäts verbeint geblieben/
Hat Er mich mit scharffer Hand
Zu dem Joch getrieben. 3
6.
O wohl ein gantz allerseits
Güldnes Creutz/
So die Sünder bessert
Welches des Gottlosen Aug
Mit der Laug
Wahrer Reu bewässert!
Unglück ist das beste Glück/ 4
Glück bringt nur verderben/
Wessen Gnaden-reiche Dück'
Heilig machen sterben.
7.
Reben/ die man Frühlings-Zeit
Fleißig schneidt/
Zwar anfänglich wäinen/
[137]
Aber/ wann der Herbst einbricht/
Sie gar nicht
Mehr betrübt erscheinen/
Dann sie zierlich auffgemutzt
Voll der Trauben hangen/
Hätte man sie nicht gestutzt/ 5
Wurden sie schlecht prangen.
8.
Wann dem Baum die geile Proß/
Zweig/ und Schoß
Man nicht wird benemmen/
Wird vor andern Bäumen er/
Früchten lähr/
Sich bald müssen schämen/
Muß demnach aus seiner Stätt
Auff den Scheiter-Wagen:
Wann man ihn gestümmlet hätt'/
Hätt' er Frucht getragen.
9.
Machen auch die Krieges-Leut
Gute Beut/
Die nicht scharff gefochten?
Keinem wird der Sieges-Krantz
Bey dem Dantz
Ohne Streit geflochten:
Durch die Wunden werden sehr
Ruchtbar die Soldaten/
Keiner kan zu grosser Ehr/
Sonder 6 Mühe gerahten.
[138] 10.
Will die Erde fruchtbar seyn/
Korn und Wein
Nach Erfordrung haben/
Muß sie ihr verwachsnes Hertz
Durch das Aertz
Lassen tieff durchgraben/
Durch des kalten Winters Wuht
Reiffen/ Schnee/ und Regen/ 7
Wird sie wiedrum frisch und gut:
Räuche bringt den Segen.
11.
Ob die Drucker dem Papier
Schon offt schier
Gar die Seel auspressen/
Kan es doch sein Ungemach
Keiner Rach/
Oder Zorn zumessen/
Massen es dardurch empfangt
Weißheit der Buchstaben/
Welches jederman verlangt
Stäts bey sich zu haben.
12.
Zierlich prangt die göldne Cron
Auff dem Thron
Mittelst vieler Streichen/
Alle Klopffer/ Schläg'/ und Schnitt'/
So sie litt'/
Ihr zur Zierde reichen/
[139]
Auff den Königs Häuptern macht
Sie das Leyden prangen/
Ohne welches solchen Pracht
Sie nicht wurd' erlangen.
13.
Niemal werden Flachs/ und Hampff
Ohne Kampff
Zarte Leinwat geben/
Müssen durch der Hächel Zähn
Mühlich gehn
Ohne widerstreben/
Endlich wird ein Hemmd daraus/
Oder zarter Kragen/
So aus einem schlechten Hauß
Wird nach Hof getragen.
14.
Rauche Stöck'/ und grobe Stein'
Werden fein
Nach erlittnen Wunden/ 8
Und nach gantz entwetztem Stahl
Manches mahl
Schöne Werck' befunden:
Was zuvor abscheulich wild
An Gestalt gewesen/
Durch das Hauen wird ein Bild
Schön/ und auserlesen.
15.
Also macht das Affter-Glück 9
Schöne Stück'
[140]
Aus den Menschen-Kindern/
Pflegt den Hoch- und Ubermuht
Durch die Ruht
Seiner Tück zu mindern:
Leyden schreckt die Sünder ab
Von gottlosem Leben:
Leyden macht die Welt schabab/
Und nach Tugend streben.
16.
Als Manaß' im Glückes-Stand
Sich befand'/
Hat er Gott verachtet/
Balaim den falschen Gott/
Gott zum Spott/
Fettes Vieh geschlachtet/
Als ihn aber hingeführt
Seine Feind' gefangen/
Ist er von der Reu berührt
In sich selbst gegangen.
17.
Auch Nabuchodonosor 10
Kurtz zuvor
Gott nicht wollt' erkennen/
Als darauff er aber bald
In dem Wald
Herumb müßte rennen/
Hat ihn endlich sein Unglück
Zu der Buß getrieben/
[141]
Sonsten wär' er weit zurück
Von dem Heyl geblieben.
18.
Wann der Artzt aus reiffem Raht
Zucker hat
Frucht-loß vorgeschrieben/
Muß durch bitters Aloë 11
Dann das Wehe
Werden abgetrieben;
Daphnis pflegt das Myrrhen-Oel
Häuffig zu ertheilen/
Wann die Sund-erkranckte Seel
Schwärlich mehr zu heilen.
19.
Wann die scharffe Straffes-Ruht
Dann so gut
Für die krancke Seelen/
Ey so komm' Samaritan
Bald heran
Mit den schärffsten Oelen/
Dopple deine Streich'/ und Schläg/
Oeffne/ schneid und brenne/ 12
Daß gesund ich werden mög'/
Und zur Höll nicht renne.
20.
Gern will mit dem Phœnix ich 13
[142]
Legen mich
Auff den Myrrhen-Hauffen/
Mit Abtödung meiner Sinn
Mit Gewinn
Neues Leben kauffen/
Daß alsdann/ wie er/ auch ich
Ewig möge leben/
Weil ich allem Creutz nun mich
Willig undergeben.

Fußnoten

1 Sehe/ ich stehe bey der Thür/ und klopffe an. Apoc. 3. v. 20.

2 Vlysses hat seine Ohren mit Wax verstopfft.

3 Compelle intrare. Luc. 14. v. 24.

4 Plus, reor, hominibus adversam, quàm prosperam prodesse fortunam. Poët. de consol. Philo. c. 2. pros. 8.

5 Post gemitum botri. Nach Wäinen/ Wein.

6 ohne

7 Necessaria est pluria, glacies, ut vernans exurgat spica, S. Chrysost. hom. 3. ad Pop.

8 A vulnere forma. Nach den Wunden/ schön befunden.

9 Unglück.

10 Dan. 4.

11 Ein sehr bitteres/ doch heylsames Kraut/ und Wurtzel.

12 S. August. Hìc ure, hìc seca, dummodo in æternum parcas.

13 Ein Vogel/ welcher/ wann er als ist/ sich auff bitteres Gewürtz legt/ diß es von der Sonnen-Hitz angezündet/ und er darmit verbrennt wird/ aus wessen Aschen ein Würmlein/ aus dem Würmlein wiederum der zuvor geweßte Phœnix neu gebohren wird. Lact. Firmin. in Carm. De Phœnice.

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TextGrid Repository (2012). Laurentius von Schnüffis. Gedichte. Mirantisches Flötlein. Der Clorinden anderer Theil. [Weil ich auff dem Wollusts-Weg]. [Weil ich auff dem Wollusts-Weg]. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0003-DBA3-F