Die Frivolen

Die Zeit ist hin, wo vor den Banngewittern
Des Glaubens noch ein Bube mußte zittern.
Dahin sind auch die Tage, wo der Flug
Der Meisterkraft die Stümper niederschlug.
Der Geist hat auch sein gutes Recht verloren,
Sein altes Machtwort übers Volk der Toren.
Wie einen Lappen, aufgehängt im Winde,
Durchbohrt kein Kugelschuß auch dies Gesinde.
Sie flüchten, wenn der Ernst sie je befiel,
Ins Fleisch, in ihr verwesliches Asyl.
So durch und durch verdorben ist die Bande,
Daß sich der Blitz befleckt an ihrer Schande.
Der Bube läßt aufgären mit Gekreische
Der niedern Leidenschaften trübe Maische;
Was als ihr Heiligstes die Menschheit kennt,
Er wirfts in seinen Kübel als Ferment;
Wenn er die Blase schaut in seinem Schaume,
Scheint sie Weltkugel seinem Dünkeltraume.
Die Kunst ist eine derbe Magd geworden,
Verpöbelt in der Frone schlechter Horden.
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Sie schleppt das Holz, daß zündend sie bediene
Der Lüste lustig prasselnde Kamine.
Sie trägt den Eimer der verflachten Lumpen,
Mit Beifallstränenflut ihn voll zu pumpen.
Im Stalle waltet sie, den Freudenfesten
Der Taumelnden das Vieh heranzumästen.
Sie schreitet ihnen vor, aus ihren Wegen
Wie dürres Laub die Sitte fortzufegen.
Ich las einmal in einem fränkschen Blatte,
Daß eine Metze einen Liebsten hatte.
Der Liebste war ein armer, armer Ritter,
Dachlos, brotlos, kleidlos, es drückt' ihn bitter.
Denn, ach! er hatte nicht um sich geschlagen
Den Bettlermantel, den die Schwaben tragen,
Das Notgewändlein, das im Neckartal
Die Patria, Religion, Moral,
Drei alte Schneiderjungfern, zubereiten
Und dort den Bettlern um die Hüfte breiten.
Schon war der Arme fast in Not verkommen,
Da hat die Metze sein sich angenommen.
So manchem Jüngling war die Dirne schädlich,
Nur mit dem Einen meinte sie es redlich.
Was mit der Sünde sie gewann, der feilen,
Sie bracht es heim, es treu mit ihm zu teilen;
Behaglich nahm es an der faule Schuft,
Wie sie entehrt zueilte ihrer Gruft.
Und als ich von der Dirne las die Kunde,
Dacht ich der Kunst und wie sie geht zugrunde.
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Kein Bannesblitz kann solche Frevler schrecken,
Kein Geistesdonner sie zum Geiste wecken.
Für solcher Seelen schmähliche Umnachtung
Ist nur der Bann geblieben der Verachtung.

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Zitationsvorschlag für dieses Objekt
TextGrid Repository (2012). Lenau, Nikolaus. Gedichte. Gedichte. Sechstes Buch. Literarisches. Die Frivolen. Die Frivolen. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0003-E068-A