Non tu nunc hominum mores vides?
Dum dos sit, nullum vitium vitio vortitur.
Plautus
[733]Non tu nunc hominum mores vides?
Dum dos sit, nullum vitium vitio vortitur.
Plautus
[733]Personen.
Ach! Grillen, dazu wird man nimmermehr zu alt! und wie alt sind Sie denn? Wie lange ist es, daß ich Sie noch habe auf dem Arme herum tragen sehn? Wenn es 50, ein, zwei – – je nu – – etliche funfzig Jahr – – –
Ei nicht doch! nicht zu alt! gar nicht zu alt! 54 Jahr ist just recht für eine mannbare Jungfer – – – Wenn die Dingergen so jung heiraten, so werden auch die Kinder darnach – – –
Das stünde mir auch an. Ich, und das Säkulum, wir gehen mit einander. Darfst du dich etwan über mein Alter beschweren? Bin ich nicht noch – –
Wenn Sie mir nicht glauben wollen; mein Taufschein kann es ausweisen, daß ich erst auf Ostern fünfzig Jahr bin.
Was? Sie erst funfzig Jahr? Ich denke, wer weiß wie alt Sie sind. O! da ist ihre Zeit noch nicht verflossen. Sara war 90 Jahr alt. Und nach Ihrem Gesichte hätte ich Sie gewiß auch nicht für jünger – –
Wer sagt das? Ihr Gesichte hat noch seine Liebhaber. Würde denn sonst der Herr Capitaine von Schlag? – – –
Ja freilich, und zwar aus einer der ältesten Familien. Er steht bei dem König vortrefflich angeschrieben, der ihm auch in Gnaden seinen Abschied erteilt hat, weil er das Unglück hatte, im letzten Feldzuge, zu fernern Diensten, untüchtig gemacht zu werden.
Untüchtig? – – – Nein, ich besinne mich alleweile. Ich mag ihn nicht. Wenden Sie sich an eine andre. Ich kann nichts tun, als ihn bedauren.
Er mag aber keine andre, als Sie. Und verlangen Sie denn einen Mann, der stets zu Felde liegt? und der um Sie des Jahrs kaum zwei Nächte sein kann? Die abgedankten Offizier sind die besten Ehemänner; wenn sie ihren Mut nicht mehr an den Feinden beweisen können, so sind sie desto mannhafter gegen ihre – – – Doch ich komme zu weit in Text. Sie verstehen mich doch nicht. – – –
Oder Sie mich. Sage ich. Sie verstehens, so ist es nicht recht. Sage ich, Sie verstehens nicht, so ists wieder nicht recht. Ich sehe wohl, so alt Ihr Köpfchen ist, so eigensinnig ist es auch. Wollen Sie, oder wollen Sie nicht?
Du mußt, mein lieber Mann, ein wenig gelinder mit ihr verfahren. Du wirst es ja wohl noch an meinem Beispiele wissen, wie es einem Frauenzimmer ist, wenn man ihr das erstemal dergleichen Sachen vorsagt.
Daß Gott! Sie sind auch gar zu stürmisch[736] – – Kann man sich denn in solchen wichtigen Sachen gleich auf der Stelle entschließen?
Ja, ja. Man kann und muß. Gleich in der ersten Hitze. Wenn die verdammte Überlegung darzu kömmt, so ist es auf einmal aus. Gott sei Dank! die Überlegung ist mein Fehler nicht. Soll denn Ihr schönes Vermögen an lachende Erben kommen? In den Händen Ihres verschwendrischen Vetters wirds lange währen. Selbst Kinder gemacht, so weiß man doch, wem mans hinterläßt. Sie kommen durch die Heirat in ein altes adliches Geschlecht, Sie wissen nicht wie. Und wollen Sie denn in die Grube fahren, ohne das überirdische Vergnügen des Ehestands geschmeckt zu haben?
O! die sind bei der Lust, die er uns schafft, zu dulden. Und kömmt ein Paar zusammen, wie ich und mein lieber Mann, so wird man wenig davon zu sagen haben. Nicht wahr, mein allerliebstes Kind? Wie – –
Ja. Das ist wahr, mein Schätzchen, wir haben einander das Leben so süße gemacht, so anmutig – – Wir sind auch in unserer Nachbarschaft ein Muster einer glücklichen Ehe.
Wir wissen von keinem Zank noch Streit. Des einen Verlangen ist stets auch des andern Wille gewesen. Ja, mein englisches Weibchen – –
Warum auch nicht? Vom Jahr Christi, Anno 1724. Ich weiß es ganz eigentlich, ich habe es an meine Cabinettüre geschrieben.
Cabinet – – Cabinet – – Vortreffliches Cabinetstückchen. Ich sehe wohl, dein einziges Vergnügen ist, mir zu widersprechen.
O sachte! Du schreibst deine närrische Gemütsart auf meine Rechnung. Das Widersprechen eben ist dein Fehler, und zu meinem Unglücke nicht der einzige.
Heirate Sie ja nicht, liebe Jungfer. So sind die Männer alle; und der beste ist nicht des Teufels wert.
Dein Glück, daß du widerrufst! Von 1724 bis 1748 sollen nicht mehr als 24 Jahr sein! bist du närrisch?
Oder du? Zähle doch! 24 bis 34 sind zehn Jahr. 34 bis 44 sind zwanzig. 45. 46. 47. 48 sind vier Jahr; sind 24 Jahr.
Du gottloses Weib. Nur, daß du widersprechen willst. Laß mich einmal zählen. 24 bis 34 sind zehn, 34 bis 44 sind zwanzig Jahr. 45. 46. 47. 48 sind, sind – – halt, ich habe mich verzählt. 24 bis 34 sind zehn Jahr, 34 bis 44 sind auch zehn Jahr, das sind zwanzig Jahr. 45. 46. 47. 48 – – Je verflucht! – – Nu Jungfer Ohldin, entschließen Sie sich kurz. Was wollen Sie tun? damit ich nur von der verzweifelten Rechthaberin wegkomme.
Du böses Weib! du willst mir auch meinen Rekompenz zu Wasser machen. Jungfer Ohldin, erklärt! erklärt!
Ach! was wenn? Sie können die Bedingungen alle mit Freuden annehmen. Ich habe also Ihr Wort, und meinen Zweck erlangt! Gut. Wieder 50 Rtlr. erworben!
Gefangen waren Sie! So ein unvernünftiger Mann; wenn man ihm einen Finger gibt, nimmt er die ganze Hand!
Nehmen Sie mirs nicht übel. Sie suchen doch alle Gelegenheiten, sich mit Ihrem Manne zu zanken, vor. Das ist gar nicht hübsch.
Ach, ich sehe wohl, der Narr ist Ihnen auch in den Kopf gekommen. Sie denken wer weiß was für Zuckerlecken bei einem Manne ist. Das Unglück hat Sie so lange verschont – –
Die Neidische! Nu, so will mich doch der Himmel auch einmal erlösen. Ich zittre ganz vor Freuden. Ach wie sauer wurde mir das Ja. Gott sei Dank, daß es heraus ist!
Nu, einen Freier hat er Ihnen doch wohl nicht gebracht? Obgleich jetziger Zeit die Freier auch zu einer Art von Geldborgern geworden sind. Über dergleichen Sachen sind Sie weg. Es ist auch wahr, der Ehestand ist eine rechte Hölle – –
Nichts, als was Sie unzähligmal gesagt haben. Ach, daß mich doch niemand will in die Hölle holen! So lange hätte ich nimmermehr Gedult, als Sie. Und wenn Sie nicht bald darzu tun, so wirds zu spät.
Bloß deine dumme Spötterei könnte mich zu was bringen, was dir und meinem Vetter nicht lieb sein würde.
Kurz, ich heirate. Der Herr Capitaine von Schlag hat sich alleweile durch Herr Oronten bei mir antragen lassen. Ich habe ihm mein Jawort gegeben, und ich hoffe, die Sache soll heute noch richtig werden.
Unvergleichlicher Traum! Er muß Ihnen die vorige Nacht sehr anmutig gemacht haben. Wie legen Sie sich, wenn Sie so träumen wollen? Auf den Rücken? auf den Bauch? oder – – –
Narrenspossen bei Seite! Was ich gesagt, ist wahr. Und ich gehe itzo den Augenblick, meine Wechsel und Dokumente in Ordnung zu bringen.
O! allerliebste Post für ihren Vetter! Ob er denn in seiner Stube ist? Herr Lelio! Herr Lelio! Die Männersucht ist doch eine recht wesentliche Krankheit des Frauenzimmers. Es mag so jung, oder so alt sein als es will. Ach – – ich befinde mich in der Tat auch nicht gesund. Herr Lelio!
Was gibts? Ei, Mademoiselle Lisette! Ich dächte, mein Närrchen, du hättest dich können zu mir in meine Stube bemühen.
Ergebene Dienerin! Das hieße sich zu weit in des Feindes Länder wagen. Der Platz hier ist neutral. Hier kann ich Ihren Anfällen trotzen.
Schade, daß es niemand hört. Sonst würde ich Ihnen für gütige Rekommendation danken. Doch zur Sache! Ich habe Ihnen eine recht besondre neue Neuigkeit zu sagen.
Gut! daß du auf das Kapitel von Neuigkeiten kömmst. Ich habe dir auch was sehr Drolligtes daraus mitzuteilen.
Will heiraten. Das wollte ich dir auch sagen. Wo, Henker, hast du es schon her? Nur den Augenblick hat [741] mir es die Frau Oronte gesagt, die mir auch allen möglichen Beistand, es zu hintertreiben, versprach.
Aber was, Henker, werden meine Creditores darzu sagen? die mir mit 12 Prozent so christlich ausgeholfen, in Hoffnung, daß ich einst ihr Universalerbe werden würde.
Um die, die es schon sind, ist mir nicht sehr leid. Sondern um die, die es etwan noch werden sollten. Auf was werde ich die vertrösten können?
Nur auf nichts Gewissers, als Ihre Erbschaft; sonst laufen Sie Gefahr, daß Sie sie einmal bezahlen müssen.
Ich werde bald eine Erbschaft tun. Willst du mir so lange borgen, so nehme ich dir deinen ganzen Korb ab.
Ha! Ha! Sie kommen auf des Herren Capitains Sprünge. Der kaufte mir gewiß auch alle Tage ab, wenn ich nur bis nach seiner Heirat mit dem Gelde warten wollte. Aber, ihr Herren, so was frißt sich wohl gut, doch läßt sichs schwer bezahlen, wenn man es nicht mehr schmeckt.
[742]Nu, wissen Sie denn noch nicht genug? Der Capitaine, in der breiten Straße, drei Treppen hoch, hintenraus, in einer kleinen Stube mit zwei Fenstern.
Je, wie er heißt – – Er heißt – – warten Sie – – ich werde mich wohl besinnen. Sein Hund heißt Judas. Es ist so ein großer gelber Fleischerhund – – das weiß ich. Aber er – – er heißt – – von Prügel – – nein – von Stoß – – nein – ha ha – – Schlag, von Schlag. Der Herr Capitaine von Schlag.
Warum nicht? Auch seinen Bedienten habe die Ehre zu kennen. Denn der ist meiner Mutter Tochter Mann. Und wo ich mich nicht irre, so sind wir gar Schwäger.
O! Ich will schon sehen, daß ich mich anderwärts ohne das Aber unterbringe. Kurz er will unsre alte Jungfer heiraten.
Ha! ha! Steht Ihre Erbschaft auf Freiers Füßen? Gut, daß ich meine Makronen noch habe! Aber, was wolltest du mir sagen, Lisette? Er sieht, daß sie nascht. O! mein Blut, du wärst mir die Rechte! Kätz weg! Ich werde ankommen bei meiner Frau. Sie hat mir alle Stückgen zugezählt. Er setzt den Korb auf die andre Seite.
Narre, ich will kosten. Vielleicht kaufe ich was, wenn mirs schmeckt. Nu, höre nur. Mache dir doch einen Weg mit deinem Krame – – Sie geht auf die andre Seite. zu ihm.
Wärst du nur stehn geblieben, Lisette. Ich kann auf jenem Ohre so gut hören, als auf dem. Er setzt den Korb wieder auf die andre Seite. Nu, was soll ich denn bei ihm, er kauft mir ja nichts ab.
Auf eine gescheite Art? Zweifelst du daran? Der Henker, ich weiß solche schöne Übergänge – – zum Exempel – – er spräche: ich brauche nichts von deiner Ware, Peter. So würde ich etwan sagen – – Ja, was wollte ich sagen? – – Je nu, ich würde sagen: nichts? gar nichts? Behüte Sie Gott – – und ginge wieder meiner Wege.
Narre, was hättest du denn also von der Heirat mit ihm geredet? Und nicht allein das sollst du tun, sondern du sollst auch sehen, wie du ihm unsre Jungfer aus dem Sinne bringst. Wir wollen dir auch deswegen die dazu gehörige Freiheit geben, ihr alle Schande und Laster nachzusagen, wenn es nur was hilft.
O, nein. Sie irren sich, Herr Lelio. In solchen Sachen habe ich was getan. Nur eine kleine Probe zu machen. Gesetzt, Sie wären der Herr Capitaine. Was, würde ich sagen, Sie wollen heiraten? wer hätte sich das sollen träumen [744] lassen? Sie, der sonst ein solcher Verächter des Ehestands – – zwar, nein, das wäre nichts. Es ist nicht wahr. Er hätte lange gern geheiratet. – – – Aber so – – Was? die alte Jungfer wollen Sie heiraten? – – Nu, nu es ist nicht übel, sie hat wacker viel Geld.
Ei, wie so? Hast du mich doch noch nicht probiert. Aber glaubst du, daß es was helfen würde, wenn ich sagte: das alte Affengesichte wollen Sie heiraten? Sie sieht ja aus, als wenn sie schon drei Jahr im Grabe gelegen hätte. Die wird Ihr hochadliches Geschlecht weit fortpflanzen. Und, im Vertrauen gesagt, man spricht gar, sie wäre eine Hexe. Ihr Reichtum, von dem man so viel Redens macht, sind lauter glühende Kohlen, die sie in großen Töpfen hinter der Kellertür stehn hat, und wobei ein großer schwarzer Hund Wache liegt. Einer mit feurigen Augen, mit sechs Reihen Zähne, mit einem dreifachen Schwanze – –
Ach, behüte uns Gott. Mit einem dreifachen – – Kerl! du machst einem mit deinen Reden zu fürchten, daß man des Todes sein könnte. Sie macht sich wieder über den Korb.
Ho! Ho! Und bei ihm würde das alles nichts helfen. Laß dich unbekümmert, würde er sagen. Ich will schon sehn, daß ich mich des Schatzes bemächtige. So gut ich in Schlesien oder Böhmen, wenn der Bauer sein bißgen Habseligkeit noch so tief vergraben hatte – –
Ich weiß, daß unsre Jungfer den Herrn von Schlag noch nie gesehen hat. Ich dächte, wenn du dich für ihn ausgäbst – – –
[745]Kommt fort, wir wollen die Sache an einem sichern Orte überlegen. Hier möchten wir überrascht werden.
Ende des ersten Aufzugs.
[746]Davon zu einer andern Zeit. Aber wie fest ihr schon das Heiraten im Kopfe stecken muß, das können Sie daraus sehn. Sie hat den Augenblick nach einem Schneider, nach einem Spitzenmanne, nach einer Aufsetzerin, und nach einem Poeten geschickt.
Als wenn eine Hochzeit ohne ein Carmen vor sich gehen könnte? Er soll es in seinem oder eines andern Namen machen. Und sie hat schon einen alten Gulden parat gelegt.
Dein Diener, Herr Lelio! Wie befindest du dich? Ist dir die gestrige Motion wohl bekommen? Hast du ausgeschlafen? Wirst du heute wieder in der Gesellschaft sein? Bist du heute noch nicht auf dem Kaffeehause gewesen? Wie schmeckte dir der Wein? Hatte sich Valer nicht eine artige Brunette ausgelesen?
Zum Henker, ich treffe euch schon wieder beisammen alleine an? Lelio! Lisette! daraus kann nichts [747] Gutes kommen. Aber was fehlt dir, Lelio? Du siehst mir ganz, ganz, ich weiß nicht wie, aus. Du brauchst eine Ermunterung. Komm mit. Ach, bei Gelegenheit, es ist gut, daß ich daran gedenke; weißt du, wer das Frauenzimmer war, das uns gestern im Garten begegnete? Gefiel sie dir nicht? Wollen wir nicht wieder dahin gehn? Vielleicht treffen wir sie.
Willst du mir nicht sagen, auf welche Frage ich dir zu erst antworten soll? oder soll ich lieber gar keine beantworten?
So? Sollte sich diese Wahrheit nicht etwas höflicher ausdrücken lassen? Sind eure Verrichtungen sehr dringend? Hast du mir nichts Neues zu erzählen, Herr Lelio?
So? Aber weißt du schon, daß unsre Freundin, Clarice, eine Braut ist? Gestern ist es richtig geworden.
Du fängst schon wieder von was anderm an. Kann ich doch nicht einmal die vier Worte vor dir aufbringen: Meine Muhme will heiraten?
Ha! ha! ha! Du beschwerst dich, daß ich so viel rede, und neulich war ich in einer Gesellschaft, wo man mir Schuld gab, ich rede zu wenig. Ha! ha! ha! Wenn redet man denn weder zu viel, noch zu wenig? Das ist lächerlich! ha! ha! ha! – – Aber wolltest du mir nicht was Neues sagen? Was war es denn?
Wenn Sie nur nicht so gar sehr mit sich selbst beschäftiget wären, so hätten Sies längst gehört. Seine Muhme will heiraten.
[748]Ist es schon gewiß? Lelio, du machst doch auch, daß ich auf die Hochzeit komme? Hat sie den Wein schon dazu gekauft? Ist er gut?
Wenn du als ein Freund an mir handeln wolltest, so würdest du mir lieber einen Rat geben, wie ich etwan diese unglückliche Heirat hintertreiben könnte.
O! dem ist bald abzuhelfen. Laß dir die Erbschaft voraus geben. Die Muhme mag alsdann machen, was sie will.
Herr Lelio! müssen wir nicht dumm sein. Es ist wahr. Das ist das beste Mittel; und wir sind nicht drauf gefallen! O es lebe ein hurtiger Verstand!
So? Wenigstens sollte ich denken, daß er doch den Stoff zu einem bessern geben könnte. Aber wo ist deine Muhme? Ich muß ihr notwendig zu der wohlgetroffenen Wahl Glück wünschen. Wen will sie nehmen?
Sie können sie selbst fragen. Ich höre jemanden kommen. Sie wird es ohne Zweifel sein. Kommen Sie, Herr Lelio, Peter möchte unsrer Anweisung nötig haben.
Das würde ich ohne dein Erinnern getan haben. Ich bin ein Meister in beißenden und feinen Satiren. Und wenn du willst, ich will es so toll machen, daß sie zerplatzen soll.
Mademoiselle, Jungfer Braut, Madam – – wie Teufel soll man Sie nennen? Ist es wahr, oder ist es nicht wahr, daß Sie heiraten wollen.
Ja. Es ist allerdings wahr. Wer kann wider sein Schicksal? Ich versichre Sie, Herr Clitander, es ist eine ganz besondre Vorsehung dabei gewesen. Ich hatte an nichts weniger, als an einen Mann, gedacht, und plötzlich – –
Sie können gewiß glauben, daß es mein Betrieb gar nicht gewesen ist. Die Heiraten werden im Himmel gestiftet, und wer wollte so gottlos sein, sich hier zu widersetzen?
Da haben Sie recht. Die ganze Stadt lacht zwar über Sie; aber das ist das Schicksal der Frommen. Kehren Sie sich nicht daran. Ein Mann ist doch ein ganz nützlicher Hausrat.
Ich weiß nicht, worüber die Stadt lachen sollte. Ist denn eine Heirat so was Lächerliches? die gottlose böse Stadt!
Sie tun der Stadt unrecht. Sie lacht nicht darüber, daß Sie heiraten, sondern, daß Sie nicht schon vor 30 Jahren geheiratet haben.
Aber doch schon ein ziemlich mannbares. Denn Ihr Geschlecht hat das Vorrecht, daß man ihm diese Benennung sehr lange läßt. Zum Henker, wenn ich in Sie verliebt wäre, würde ich Sie doch wohl noch itzo mein Kind heißen. Aber, Mademoiselle, das will ich ohne meinen Schaden gesagt haben. Glauben Sie nicht etwan, daß ich es bin.
[750]O der Verstand kömmt nicht vor den Jahren. Danken Sie es Ihren Runzeln, wenn er schon bei Ihnen sollte eingezogen sein.
Meinen Runzeln? Sagen Sie mir nur, durch was für ein Unglück ich heute in Ihre Hände komme? Meinen Runzeln? – – Ich soll Ihnen vielleicht mehr glauben, als meinem Spiegel? Ich bin gewiß die erste Braut, der man so eine niederträchtige Grobheit sagt!
Es würde sonst keine kleine Beschimpfung für mich sein, wenn ich nicht wüßte mit einer Braut umzugehen. Aber bei Ihnen hat es eine Ausnahme. Und ich wäre höchst strafbar, wenn ich Ihnen das geringste artige Wörtchen, die geringste galante Tändelei vorsagte. Doch ich will ein übriges an Ihnen tun. Wenn Sie mich auf Ihre Hochzeit bitten wollen, so verspreche ich Ihnen einige neue Tänze, etliche Dutzend verliebte Ausdrückungen, gegen Ihren Bräutigam, und unterschiedene neumodische zärtliche Blicke zu lehren. Denn in allen dreien können Sie nicht anders als sehr schlecht, beschlagen sein. Ich will Sie auch zum Überflusse mit einigen artigen Frauenzimmern, die meine guten Freundinnen sind, bekannt machen, von denen Sie das Gesellschaftliche gar bald lernen können.
Das mögen auch die Rechten sein, die sich mit Ihnen bekannt machen. Die müssen gewiß den Männern nachlaufen.
Je nun, die zehnte hat die Gabe nicht, so lange zu warten, wie Sie. Ein Mann geht seine Straße fort. Er stößt bei jedem Schritte an ein Frauenzimmer an, das er bekommen kann. Die sich von ihnen nun nicht ein wenig hervortut, die bleibt dahinten. Und so ist es Ihnen gegangen. Doch, mit der Moral beiseite. Ich will mich um Sie und Ihren Bräutigam verdient machen. Lassen Sie sehen, ob Sie ein Menuet tanzen können.
Zum Henker, Sie haben ja einen rechten artigen Fuß zum Tanzen. Er hebt ihr den Rock ein wenig in die Höh.
Was brauchen Sie für alte abgesetzte Wörter? Schämen ist nun schon über hundert Jahr nicht mehr im Gange. Frisch! Wir wollen nur erstlich stückweise gehen. Wie machen Sie das Kompliment?
Ich sehe wohl, ich muß mich an Ihre Tat, nicht an Ihre Worte kehren. Das Kompliment war nicht uneben. Aber, nehmen Sie doch den Rock ein wenig in die Höh. Ich kann ja nicht sehen, was da unten vorgeht.
Es ist wahr, der Rock ist mir ohnedem ein wenig zu lang. Ich muß wenigstens so viel lassen wegnehmen. Sie zieht ihn ein wenig in die Höh.
Der Teufel, was für ein Fuß! Schade, daß er nicht an einem jungen Körper ist! Machen Sie nun einmal ein Pas.
Mein Herr Clitander, ich muß es Ihnen gestehen. Das Tanzen ist mein Werk gar nicht, und mein Abscheu davor ist nicht geringe. Anstatt ein Paar natürliche und feste Schritte zu machen Sie geht ein Paar Schritte. ziert man sich, und macht ein unsinniges Pas. Sie macht wirklich ein Pas. Was für eine Torheit!
Aber, bei meiner Seele, die Torheit läßt Ihnen nicht schlecht. Und also können Sie schon tanzen. Und eben so viel, wie ich. O! da hats gute Sache. Sie können den Hochzeitabend schon mit herumspringen.
Das möchte wohl nicht geschehen, und der Herr Capitaine von Schlag wird das auch wohl nicht von mir verlangen.
Was haben Sie mit dem Hundsfott zu tun? Was [752] soll der Capitaine von Schlag? Bekomme ich den einmal unter meine Hände – – Ich will dich mit ehrlichen Leuten spielen lehren, und sie nicht bezahlen – –
Sachte! sachte! Sie wissen vielleicht noch nicht, daß eben der Herr Capitaine von Schlag mein Bräutigam ist.
Was? Die nackigte Maus? Ihr Bräutigam? Der Lumpenhund, ist mir nun schon seit drei Monaten 25 Stück Dukaten schuldig, die ich ihm auf dem Billard abgewonnen habe. Wie kommen Sie zu dem?
Herr Oronte, bei dem er im Hause wohnt, ist der Freiersmann gewesen. Und ich bitte, reden Sie ein wenig bescheidener von ihm.
Ei, was? Hören Sie, Mademoiselle, ich lege auf Ihre Person Arrest. Und der Teufel soll mich holen, wo er Sie eher ehlichen darf, bis ich mein Geld habe.
Ei ja. Wenn ich sein einziger Schuldmann wäre. Aber, ich will wenig sagen, es sind ihrer gewiß so viel, als ich, er und Sie Haare auf dem Kopfe haben.
Ich will itzo den Augenblick hingehen. Ich will ihm die Hölle so heiß machen. Er soll sich wohl unterstehen, ein ehrliches Frauenzimmer hinters Licht zu führen.
Sein Sie nicht so hitzig. Verziehen Sie. Ich bitte. Ich will selbst, wenn es nicht anders ist, die 25 Dukaten – – –
Lassen Sie mich. Eh der verfluchte Kerl Sie heiraten, und sich mit Ihrem Gelde breit machen soll – – eher – ja eher will ich selbst in einen sauren Apfel beißen, lieber will ich selbst die Mühe über mich nehmen, und Sie heiraten. Leben Sie wohl unterdessen.
[753]Ach daß Gott! wie geschieht mir! Müssen denn alle Vorschläge, die mir zum Heiraten getan werden, vergebens sein! Das ist nun schon über das zwölfte mal! Aber der Herr Capitaine soll doch so ein artiger Mann sein. – – Je was schadet es? wenn er auch was schuldig ist. Man kann das Geld doch nicht mit ins Grab nehmen – – Und wer weiß, ob es so arg ist, als es Clitander macht. Ach der liebe Herr Capitaine von Schlag! Es bleibt dabei, ich behalte ihn. Und ist es nicht einerlei, ob ich ihm, oder meinem lüderlichen Vetter, das Vermögen gebe? Er läßt michs vielleicht wieder genießen, aber mein Vetter – – –
Jungfer, hier bringe ich Ihnen zwei Leute, nach denen Sie geschickt haben. Der Herr Schneider, und der Herr Poete.
Willkommen Meister Schneider! Zum Schneider. Gedulden Sie sich einen Augenblick, mein lieber Herr Poete, ich will nur erstlich ihn abfertigen.
Was? mich einen Schneider zu heißen? Was denken Sie? Himmel, welcher Schimpf! Einen gekrönten Poeten für einen Schneider anzusehn?
Und was? Einen ehrlichen Bürger und Meister für einen Poeten anzusehn? Für so einen Müßiggänger? Halten Sie das für keine Injurie?
Warten Sie doch. Wer wird sich um ein Versehn gleich so ärgern. Sie sind beide ehrliche rechtschaffene Leute, die man nicht entbehren kann.
Einen Mann, der Tag und Nacht mit den göttlichen Musen umgeht, einen Schneider zu heißen? Das ist unerträglich! Lassen Sie mich fort. Geht ab.
Ein Mann, der wohl fürstliche Personen gekleidet hat, soll sich einen Poeten schimpfen lassen? Ich versteh meine Profession. Es wird mir niemand was Übels nachzusagen haben. Und ich will den Schimpf gewiß auch nicht leiden. Wir wollens schon sehen; wir wollens schon sehn.Geht ab.
Daß der Zorn einem Weisen nicht anstehet. Ich verzeihe Ihnen also Ihren Irrtum. Lernen Sie nur daraus, daß in manchem Menschen mehr steckt, als man ihm ansieht. Doch was befehlen Sie? Worinne kann Ihnen meine Geschicklichkeit dienen?
Ich habe mich mit Gott entschlossen, zu heiraten. Und weil ich gehört habe, daß Sie einen guten Vers machen sollen, und weil doch mein Bräutigam einer von Adel ist, und weil ich doch auch gern ein Hochzeitcarmen haben möchte, und weil ich nicht weiß, ob sonst jemand so höflich sein möchte – –
[755]Sapienti sat! Sie haben sich deutlich genug erklärt. Das übrige besorge ich. Ich werde Ihnen schon eins machen, daß Sie damit sollen zufrieden sein. Wollen Sie eines per Thesin et Hypothesin?
Wählen Sie. Wählen Sie. Mir gilt alles gleich. Nur will ich vorläufig erinnern, daß Sie für eines per Thesin et Hypothesin etwas mehr zu geben belieben werden. Die Zeiten sind teuer. Das Nachdenken ist auch aufgeschlagen, und – –
So wahr ich ein ehrlicher Poete bin, es soll mein Meisterstück werden. Soll es etwan von erbaulichem Inhalte sein?
O vortrefflich! In dem Schalkhaften eben besitze ich meine Stärke. Und dazu wird wohl am besten ein unschuldiges Quodlibet sein? Nicht?
Ja. Ja. Ein unschuldiges Quodlibet wird sich vortrefflich schicken. Zum Schlusse kann ich alsdann eine lebhafte Beschreibung des Bräutigams und der Braut mit anhängen. Zum Exempel den Bräutigam würde ich beschreiben, als einen wohlgewachsenen ansehnlichen Mann, dessen majestätischer Gang, dessen feurige und reizende Augen, dessen kaiserliche Nase, dessen vorteilhafte Bildung – –
O Lisette, was muß der Herr Capitaine für [756] ein allerliebster Mann sein! Haben Sie ihn schon gesehn, mein Herr Poete?
O, verzeihen Sie. Das hätte ich Ihnen gleich ansehen können. Es ist wahr, Sie sind ja noch in Ihrer blühenden Jugend.
Ohldin, Mademoiselle Ohldin, und Schlag, Herr von Schlag. O glückliche Namen! Die werden zu vortrefflichen Gedanken Anlaß geben! Ohldin, Schlag. Was werde ich nicht vor eine vortreffliche Allusion auf die Münzen von altem Schlage, machen können! Die alten Jungfern, werde ich sagen können, sind wie die Münzen von altem Schlage – –
Ach, mein lieber Mann, Sie denken sehr abgeschmackt. Alte Jungfern, alte Münzen. Ich verspreche mir nichts Besonders von Ihnen.
Gut, so lassen wir den Einfall weg, wenn er Ihnen nicht ansteht. Wenn verlangen Sie das Gedicht fertig zu sehn?
In einer Stunde? Ach bleiben Sie immer ein wenig länger. Ich besorge, es möchte sonst allzu schlecht werden.
Ja, wenn Sie erlauben wollen, so mache ich es gleich hier. Lassen Sie mich nur ein wenig in einem Zimmer alleine sein. Zu Hause lärmen mir Frau und Kinder die Ohren allzusehr voll.
[757]Eben die Corinna, die ich durch meine Lieder in meiner Jugend verewiget habe, eben die Corinna ist itzo mein Weib. Ich habe mir das Übel an den Hals gesungen, und gehöre also in der Tat mit unter diejenigen großen Dichter, die durch ihre Kunst unglücklich geworden sind. Das böse Weib! Sie liegt zwar zu Hause auf den Tod krank, aber sie liegt schon über acht Tage, und will sich noch nicht entschließen, zu sterben. Ach, meine lieben Jungfern, das ist gewiß, die Weiber sind zum Unglücke der ganzen Welt erschaffen! Ach das verdammte Geschlecht!
O verzeihen Sie! verzeihen Sie! Ich war in meiner Entzückung. Wo wollen Sie, daß ich mich hinbegeben soll? Nam Musae secessum scribentis et otia quaerunt.
Glaubst du nun bald, Lisette, daß es mein Ernst ist? Aber daß Gott! was wird mein Vetter dazu sprechen? Der reißt sich die Haare aus dem Kopfe, wenn er es hört.
So bald er hörte, daß Sie der Herr Capitaine von Schlag bekommen sollte, so faßte er sich. Der Herr Capitaine [758] von Schlag, sprach er, ist einer von meinen besten Freunden. Ich gönne es ihm. Und meiner Muhme kann ich es auch nicht verdenken; ich habe schon viel von ihr genossen – –
Was? das sagte mein Vetter? O der allerliebste Vetter! Komm, ich muß ihn gleich sprechen. Dafür soll er auf der Stelle einen Wechsel von 500 Rtlr. von mir haben.
Ende des zweiten Aufzugs.
[759]Du bist kein Narre. Ich glaube, es werden mehr Frauenzimmer von deinem Geschmacke sein. Und ich fürchte, ich fürchte, so sehr ich mich verstellt habe, deine Jungfer wird in das Wesentliche eines Mannes tiefer eindringen, und mich, trotz eurer List, behalten wollen.
Wenigstens wäre die Raserei von der Art bei alten Jungfern nichts Besonders, und nichts Neues. Machts klug, so viel sage ich euch, daß ihr mir sie nicht auf dem Halse laßt. Einen Teufel habe ich schon zu Hause. Wenn der andre dazu käme, so wäre meine Hölle fertig.
Sorge nicht. Lelio wird zwar tun, als wenn ihm diese Verbindung ganz lieb wäre, sie desto sicherer zu machen. Doch wenn du tust und redest, wie wir dir befohlen haben, und ich hier und da meine Beredsamkeit anwende, so müßte der Eheteufel lebendig in sie gefahren sein, wenn sie nicht einen rechten Abscheu vor dir bekommen sollte. Ich habe den Herrn von Schlag in deiner Person schon bei ihr angemeldet, und sie wird sich bald hier einfinden.
Aber Lisette, Lisette. Es geht mir gewaltig im Kopfe herum. Daß ich nur nicht zur andern Frau komme, wie jener zur Ohrfeige.
Ach! wenn du es nur arg genug machst. Laß einmal [760] sehen. Wie willst du deine Rolle spielen? Stelle dir einmal vor, ich wäre meine Jungfer – –
Der Schlingel hat mir schon vor einem halben Jahre Gebackens abgekauft, und ich habe noch keinen Pfennig dafür bekommen. Und was das Ärgste ist, er hat meinen Namen so gar in ein Gassenlied gebracht. Einen ehrlichen Gebackensherumträger in ein Gassenlied zu bringen? Laß mich! itzo habe ich den Schelm.
Du verderbst den ganzen Plunder. Tu ihm nichts, laß ihn gehn! Du kannst den Narren noch Zeit genug kriegen.
Kommen Sie! Kommen Sie! Ich bin fertig. Ich bin fertig. O! ein ganz wunderbar schönes Gedichte habe ich gemacht. Ich habe mich hier so zu sagen selbst übertroffen. Ich hätte nimmermehr geglaubt, daß ich so eine Gabe zu scherzen hätte. Sonst habe ich meine Stärke im Ernsthaften. Sonderlich die theologisch-polemisch-poetischen Sachen laufen mir gut von Händen. Sie haben doch wohl die erbauliche Komödie gelesen, die ich wider Edelmannen gemacht habe? O! das ist ein Stück, als schwerlich jemals auf das Theater wird gekommen sein. Doch wieder auf mein Carmen zu kommen. Hier ist es, [762] meine liebe Jungfer Ohldin. Sie können es nun drucken lassen, unter was für einem Namen Sie wollen.
Ganz gut. Ich muß es aber nur vorher dem Herrn von Schlag zeigen. Die Adlichen sind sehr ekel in dergleichen Sachen. Er möchte doch wohl hier und da was zu ändern finden.
Das steht Ihnen frei. Nur werden Sie so gütig sein, und beiderseits den Vers, den ich nicht ohne Ursache habe mit einfließen lassen, in Erwägung ziehn. Er ist allen christlichen Herzen zum Nachdenken geschrieben.
Ja, die Poeten sind sehr schamhaft. Sie sagen es nicht gern allzu deutsch, wo sie der Schuh drückt. Doch ich habe das gute Vertrauen, daß Ihre milde Großmut Ihrer Unwissenheit hierinnen schon abhelfen wird.
O, ich bitte, mein Herr, haben Sie die Gutheit für mich, und überheben Sie mich einer deutlichen Erklärung, die mir allzuviel Schamröte kosten würde. Er hält den Hut vors Gesichte.
Ach! es hat gar nichts zu bedeuten. Glauben Sie nicht, daß ich so eigennützig bin. Die Ehre, nichts als die Ehre, ist es, was ich durch meine Poesie suche. Denn unsre Arbeit kann uns so nicht bezahlt werden. Aber was dächten Sie, daß ich oft für so ein Carmen genommen habe?
Sonst haben die Herren Poeten in Gewohnheit, daß sie nehmen, was sie kriegen. Ich weiß nicht, wie Sies halten.
[763]Freuen Sie sich, meine liebe Jungfer! Ihr werter Herr Bräutigam, der Herr Capitaine von Schlag, wird den Augenblick bei Ihnen sein. Er ist schon mit allen seinen Annehmlichkeiten auf der Treppe. Der gute Mann muß sie auf allen vieren herankriechen. Das hölzerne Bein, die zerlappte Montierung, der kriegerische Knebelbart, sind die deutlichsten Kennzeichen eines Helden, der sich es um sein Vaterland sehr viel hat kosten lassen. O wie beneidenswert sind Sie! In der Tat, Sie haben nicht umsonst gewartet. Was lange wird, wird gut.
Wie können Sie sich so an das Äußere stoßen? Mich sahen Sie auch für einen Schneider an. Und ich muß Ihnen die Lehre noch einmal geben: Es steckt oft mehr in einem Menschen, als man ihm ansieht.
Er seufzet schon recht herzlich nach Ihnen, und flucht, daß das Haus einfallen möchte, weil man ihm nicht entgegen kömmt.
Was, zum Teufel! Begegnet man einem Bräutigam hier so? Es kömmt mir ja weder Hund noch Katze entgegen. Für was zum Henker sieht man mich an? Weiß man auch, wer ich bin?
In einem fremden? Ich glaube man weiß noch nicht, daß ich den Augenblick Herr desselben werden kann? Mademoiselle, ich habe mir die Freiheit genommen, Ihnen die Ehre antragen zu lassen, meine Gemahlin zu werden. Sie müssen verruckt sein, wenn Sie nicht mit Händen und Füßen zugreifen wollten.
Erschrak ich nicht über den Kerl! Ich dachte, bei meiner Seelen, es wäre Peter. Wie doch die Menschen einander manchmal so gleich sehn.
Meine liebe Muhme, kehren Sie sich nicht an seine allzu natürlichen Ausdrückungen. Ein Kriegsmann ist dergleichen Reden gewohnt.
Das ist wahr. Ich bin noch nach der alten deutschen Art. Und die Frau, die ich nehmen will, muß nicht ein Haar anders sein. Sind Sie so?
Es ist Ihr Glück, daß sie nicht so ist; sonst würde sie Sie schon mit der artigsten Art zur Türe heraus gestoßen haben.
Was? Ich glaube. Sie treten ihm noch die Brücke. Herr Capitaine, Sie müssen doch närrisch im Kopfe sein, daß Sie glauben, meine Jungfer werde so einen tollen Ehekrüpel nehmen, wie Sie sind. Ich bin ein armes Mägdgen; aber, wenn Sie in Golde bis über die Ohren steckten, ich sähe Sie nicht über die Achsel an. Ha! ha! Was für eine reizende Figur! Einen Stelzfuß, einen Bart, vor dem man weder Nase noch Maul sehn kann – –
Hört doch, Plappermaul, nehme ich Euch, oder Eure Jungfer? Wenn ich der anstehe – – Und ich stehe ihr an – – ich weiß. Nicht – –
Aber – – Aber – – Aber. Wäre Sie schon meine Frau, [765] ich wollte Ihr das dumme Wort aus dem Maule bringen. Wie hoch ist Ihr Vermögen? Wenn es nicht noch dreimal so groß ist, als meine Schulden – –
Ihre Schulden, mein Herr Capitaine, würden vielleicht das kleinste Hindernis bei der Sache sein. Aber ich seh, daß meine Muhme durch Ihr Betragen –
Mein Freund, wenn Ihr was zu sagen habt, so macht es kurz. Gleich muß uns auch so ein Narr in unsern wichtigsten Traktaten stören.
Nein, nein. Verzeihen Sie, von dem Herrn von Schlag; daß er die Mademoiselle Ohldin in wenig Tagen heiraten werde.
Ich rede von dem Herrn Capitaine. Der Wechsel ist heute um, und es stünde bei mir, ihn in Verhaft nehmen zu lassen.
[766]Weil er mir aber gesagt, daß seine Jungfer Braut für ihn bezahlen wollte, so habe ich mich erkundigen wollen, ob die Mademoiselle Ohldin – –
Mein Herr Capitaine, ich weiß nicht wie Sie sich auf mein Wort so viele Rechnung im voraus haben machen können? Wenn Sie schuldig sind –
Ja, ja, ich bins mein Freund. Laß Er sich um die Bezahlung nicht bange sein. Ich will mich als ein ehrlicher Kerl bei Ihm abfinden.
O das heißt auch gar zu viel für einen andern auf sich zu nehmen. Nu, nu. Ich bin 900 Taler schuldig. Und nicht wahr, meine liebe Frau, du willst es bezahlen?
Und ich weiß nicht, ob Er uns nicht alle für Narren ansieht. Er spricht, der Herr Capitaine ist Ihm so und so viel schuldig; und wenn es der Herr Capitaine eingeständig ist, so will Er es wieder leugnen? Was soll das heißen?
Zum Henker! was geht Ihm das an. Wenn ich Ihn bezahlen will? Ich mag es sein oder nicht. Und kurz, ich bins. [767] So gewiß ich 900 Taler von Ihm geborgt habe, so gewiß will ich sie Ihm, mit Intressen, wieder geben.
Ohne Zweifel wird Er sich im Namen geirrt haben, mein lieber Mann. Ich glaube, es ist noch ein Capitaine dieses Namens hier – –
Ja, ja. Ganz recht. Es ist noch einer hier, der so heißt. Er ist meines ältern Vaters Bruder Tochtermann, und wir sind Geschwister Kinder mit einander.
Mein Freund, Er wird wohl tun, wenn er Seine Forderungen ein andermal vorbringt. Wenn der, den ich heiraten werde, ihm in der Tat was schuldig ist, so soll schon zu der Bezahlung Rat werden. Ich kann aber wohl sagen, ich weiß nicht, was ich hierbei denken soll?
Der verfluchte Kerl! Nu wie weit wären wir denn richtig, mein Schatz? Nu ja, bis aufs Vermögen. Vorher aber habe ich doch noch unterschiedene Punkte, die Sie mir notwendig eingehen müssen. Ich habe sie ohngefähr ein wenig aufgesetzt.Er zieht einen Zettel aus der Tasche. Erstlich verspricht die Braut, weil sie bürgerlichen Standes, und der Bräutigam, als der Hochwohlgeborne Herr, Herr Capitaine von Schlag, aus einem uralten adlichen Geschlechte entsprossen, ihrem künftigen Mann allezeit die gebührende Ehrfurcht zu leisten, und ihn nicht anders, als Ewr. Gnaden, zu benennen. Nu? Versprechen Sies?
[768]Sie sollen das verdammte Wort gegen mich nicht gebrauchen. Wer hat zu befehlen? Der Mann, oder das Weib? Ich, oder Sie?
Ach! Was wir nicht sind, können wir werden. Anderns verspricht die Braut, weil sie bürgerlichen Standes, und der Bräutigam, als der Hochwohlgeborne Herr, Herr Capitaine von Schlag, aus einem uralten adlichen Geschlechte entsprossen, ihm alle Gelder in Händen zu lassen, um damit nach Belieben zu schalten und zu walten. Nu? versprechen Sies?
Genug. Das andere mag ich nicht wissen. Ich bin vernünftigen Mannes genug. Drittens verspricht die Braut, weil sie bürgerlichen Standes, und der Bräutigam, als der Hochwohlgeborne Herr, Herr Capitaine von Schlag, aus einer uralten adlichen Familie entsprossen, die zwei Kinder, welche er außer der Ehe erzeugt – – Nun, von dem Punkte wollen wir ins geheim reden. Den braucht niemand sonst zu wissen, als Sie. Viertens verspricht die Braut, weil sie bürgerlichen Standes – – –
Verzeihen Sie, daß ich Ihnen in die Rede falle. Wollen Sie nicht so gütig sein, und sich von Ihrer zukünftigen wertesten Gemahlin das Carmen zeigen lassen, das ich auf Ihre, Gott gebe bald zu Stande kommende, Hochzeit verfertiget habe? Ich habe nicht wohl Zeit, länger zu verziehen – – und – –
Was ist das für ein Quark? Ich sehe es gleich aus dem Titel, daß es nichts nütze ist. Weiß Er denn nicht, daß ich Erb- Lehn- und Gerichtsherr, auf Nichtswitz, Betteldorf, Schuldhausen und Armingen gewesen bin? Das muß alles [769] mit darauf kommen. Auch daß ich 16 Jahr unter den Franzosen, 12 Jahr unter den Österreichern, 19 Jahr unter den Holländern, 17 Jahr unter den Engländern, und ohngefähr 22 Jahr unter den Sachsen gedient habe – – – O zum Henker! nun bin ich verloren – –
Sie kommen zu rechter Zeit, Herr Oronte! Ich weiß Ihnen bis itzo noch wenig Dank, daß Sie mir den Herrn von Schlag über den Hals geschickt.
Wie so, Mademoiselle, bin ich Ihnen schon verhaßt, ehe ich noch das Glück gehabt habe, mit Ihnen zu sprechen?
Sie? mein Herr? Sie treten ja den Augenblick erst, unbekannter Weise, in das Zimmer. Wie könnte ich mich über Sie zu beklagen haben? Nein, ich meine den Herrn Capitaine von Schlag.
Der Herr Capitaine von Schlag bin ich – – nicht. Sondern, – – Er nimmt den Bart und den Stelzfuß ab. sondern – –
Halten Sie, Herr Capitaine, es ist auf mein Anstiften geschehn. Sie machen mich durch Ihre Heirat unglücklich. Und können Sie mir es verdenken, daß ich alle Mittel angewandt habe, sie zu hintertreiben?
Das sollte mir leid sein, wenn ich Sie unglücklich machte. Nein, Lelio, wenn Sie mir in meinem Vorhaben nicht hinderlich sein wollen – –
Es ist wahr, Jungfer Ohldin, was werden Sie [771] sich an einen Menschen kehren, der Ihnen solche Streiche spielen kann.
Sind wir wieder versöhnt. Ein Paar rechtschaffene Eheleute müssen sich des Tags hundertmal zanken, und hundertmal wieder versöhnen.
Jungfer Muhme, ehe ich in Ihre Heirat willigen kann, eher biete ich Ihnen selbst meine Hand an. Denn ich glaube das nächste Recht auf Sie zu haben.
Ein Wort im Vertrauen. Warum wollen Sie mich nicht an ihrem Vermögen Anteil nehmen lassen? Ich glaube, es wird für uns beide genug sein. Als Mann bekäme ich es in die Hände. Und ich versichere Sie, Sie sollens von mir besser genießen als von ihr. Ja, ich verspreche Ihnen so gar, an das, was übrig bleibt, wenn sie stirbt, keinen Anspruch zu machen. Meine Schulden nötigen mich itzo, diesen Schritt zu tun, den ich sonst gewiß würde unterlassen haben. Widerstehen Sie mir nicht länger, so können wir als beständige Freunde leben.
O! Es war nichts. Der Herr Capitaine hat mir mein Unrecht vorgestellt, wenn ich Ihnen an Ihrem Glücke länger hinderlich sein wollte. Ich willige in alles.
O! Sie sind doch noch ein ehrliebender Mensch! Und ich versichre, daß Ihre Einwilligung nicht wenig dazu beigetragen, daß ich itzo, mit so vielem Vergnügen, dem Herrn Capitaine meine Hand darbiete.
Aber, Lisette, mit dir habe ich ein Wort noch zu reden. Wir sind geschiedene Leute. Du kannst hingehn, wo du hin willst. Denn ich weiß doch wohl, daß alle die Possen von dir herkommen, und daß du einzig und allein meinen Vetter verführst.
O! finde ich euch hier beisammen, meine Kinder? Mein lieber Capitaine, ich komme, dir zu deiner Heirat Glück zu wünschen. Ich habe dich aller Orten aufgesucht.
Nein. Nein. Sie werden mich nicht recht verstanden haben. Er hat sie jüngst von mir auf dem Billard gewonnen.
Nun so sind wir richtig. Sie, Jungfer Braut, werden sichs gefallen lassen, uns heute Abend einen kleinen [773] Schmaus zu geben, und wo möglich noch diese Woche Anstalt zur Hochzeit zu machen.
O das ist vortrefflich. Ich hätte nicht zu gelegnerer Zeit kommen können. Kommen Sie! Kommen Sie! Zum Schmause, Lelio! Zum Schmause, Herr von Schlag! Lelio führe die Frau Oronte! Ich führe deine Muhme!
Ende des Stücks.