X. Der Löwe und die Mücke
Ein junger Held vom muntern Heere,
Das nur der Sonnenschein belebt,
Und das mit saugendem Gewehre
Nach Ruhm gestochner Beulen strebt,
Doch die man noch zum großen Glücke,
Durch zwei Paar Strümpfe hindern kann,
Der junge Held war eine Mücke.
Hört meines Helden Taten an!
Auf ihren Kreuz- und Ritterzügen
Fand sie, entfernt von ihrer Schar,
Im Schlummer einen Löwen liegen,
Der von der Jagd entkräftet war.
Seht, Schwestern, dort den Löwen schlafen,
Schrie sie die Schwestern gaukelnd an.
Jetzt will ich hin, und will ihn strafen.
Er soll mir bluten, der Tyrann!
Sie eilt, und mit verwegnem Sprunge
Setzt sie sich auf des Königs Schwanz.
Sie sticht, und flieht mit schnellem Schwunge,
[202]Stolz auf den sauern Lorbeerkranz.
Der Löwe will sich nicht bewegen?
Wie? ist er tot? Das heiß ich Wut!
Zu mördrisch war der Mücke Degen:
Doch sagt, ob er nicht Wunder tut?
»lch bin es, die den Wald befreiet,
Wo seine Mordsucht sonst getobt.
Seht, Schwestern, den der Tiger scheuet,
Der stirbt! Mein Stachel sei gelobt!«
Die Schwestern jauchzen, voll Vergnügen,
Um ihre laute Siegerin.
Wie? Löwen, Löwen zu besiegen!
Wie, Schwester, kam dir das in Sinn?
»Ja, Schwestern, wagen muß man! wagen!
Ich hätt' es selber nicht gedacht.
Auf! lasset uns mehr Feinde schlagen.
Der Anfang ist zu schön gemacht.«
Doch unter diesen Siegesliedern,
Da jede von Triumphen sprach,
Erwacht der matte Löwe wieder,
Und eilt erquickt dem Raube nach.