[41] Fredegunde

Blauäugig wie süditalienischer Himmel,
Schwarzhaarig wie dunkelste Mitternacht,
Geheimnisvoll wie das Sternengewimmel,
Rachsüchtig wie eine verlorene Schlacht.
Bezaubernd war dein ganzes Gebaren,
Unschuldig wie erster Frühlingsschein.
Klein, zierlich, ein Täubchen aus Taubenscharen,
Beruhigt dein Bild wie Elfenbein.
Schau ich hinein in deine Seele,
Sind Hochmut, Habgier und Herrschsucht drin;
Und deine unüberwindlichen Fehle
Übertrumpft dein furchtbarer Mördersinn.
Sag mir, du warst aus niedrigstem Stande,
Wie wurdest du Königin, Fredegund?
»Ich nahm König Hilprich leicht in Bande
Und schloß mit ihm den bräutlichen Bund.«
Sag mir, einst wuschest du dir die Locken,
Die fielen nach vorn dir übers Gesicht,
Da neckte dich einer, er kam wie auf Socken,
Es war der König, du merktest es nicht.
[42]
Und du riefst lachend durchs Haargewirre:
Landrich, was willst du schon, mein Herz?
Und sahst dich um, und wurdest wie irre:
Der König stand vor dir, verzerrt von Schmerz.
Der König? Der war ja zur Jagd geritten;
Wo kam denn der noch einmal her?
Er ist dann finster davon geschritten,
Und geht zur Jagd, sein Haupt hängt schwer.
Du ließest gleich deinen Liebsten kommen,
Landrich, den Kanzler, batst du zu dir,
Und sagtest entsetzt ihm, von Angst beklommen:
»Kehrt er zurück, spießt uns ein Stier.
Schnell, ich weiß schon, schon ists mir geworden:
Kommt der König zurück diese Nacht,
Wir lassen ihn, wenn er vom Pferd steigt, ermorden,
Dann sind wir sicher. Uns trifft kein Verdacht.«
Und so geschahs. Sag mir, Fredegunde,
Warum traf dein Beil König Sigibert?
Mit deinem lächelnden, süßen Munde
Hast du gleich drauf Rosen und Zymbeln begehrt.
[43]
Deine Tochter Rigunthe mußte suchen
In der geöffneten Truhe nach Schmuck,
Dann klapptest du ihr den Deckel beim Suchen
Auf den Hals mit wuchtigem Ruck und Druck.
Du hattest den Tod König Childberts erwogen,
Zwei Geistliche triebst du zum Henkergericht,
Und gabst ihnen Dolche, mit Gift überzogen,
Doch glückte ihnen der Anschlag nicht.
Nun Childbert dich angriff, nahmst du dein Söhnchen
Zu dir auf den Sattel, mitten im Heer.
Drauf und dran! und hieltest sein Krönchen,
Und warfst den Feind auf Niewiederkehr.
Als sie dich in Paris begraben
In der Kirche des alten heiligen Vinzenz,
Löschten nachts das Meßlicht die Flügel der Raben.
Aber später erlöste dich Papst Klemens.

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Zitationsvorschlag für dieses Objekt
TextGrid Repository (2012). Liliencron, Detlev von. Gedichte. Gute Nacht. Fredegunde. Fredegunde. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0003-EE1B-A