Am Wege
Was blickst du so bittend und schüchtern mich an,
Du rosige, blühende Maid,
Gefällt dir der bleiche, weltfahrende Mann,
So komm' nur, ich rücke zur Seit!
Nein bleib – was ich sagte, es war nur ein Scherz,
Zu schade auch würd's um dich sein –
Bin ein wilder Gesell, hab' ein treuloses Herz
Und du bist so hold und so rein.
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Du willst es nicht glauben, du schüttelst dein Haupt
Und lächelst mir Glut in die Brust,
Ich habe schon mancher das Kränzchen geraubt,
Hab' niemals von Reue gewußt.
Was blickst du so schmachtend, ich bin nicht von Erz,
Hab' heißes, unchristliches Blut –
Bin ein wilder Gesell, hab' ein treuloses Herz
Und du bist so fromm und so gut.
Du blickst mir ins Auge so innig und warm,
Mein Puls jagt, hämmert so laut,
Ich küsse dir Lippen und Busen und Arm,
Du herzige, knospige Braut.
Was blickst du so schüchtern jetzt erdbodenwärts,
Zu spät ist's, mein Blut stürmisch rollt –
Bin ein wilder Gesell, hab' ein treuloses Herz,
Was weinst du? du hast's ja gewollt.
Münster 1887