[86] Das Sonntagskind

Das Leben hat dich reich beschert
Schon in der Kinderwindel,
Bist hochgeschätzt und hochgeehrt
Von jeglichem Gesindel,
Du Sonntagskind von Zufalls Gnade,
Für Arbeit bist du viel zu schade:
Wie schad', daß du nicht adelig,
Dann wärst du ganz untadelig!
Bist schön gewachsen von Gestalt
Und lieblich von Gebärden,
Du duftest wie ein Blumenwald,
Kannst hübscher gar nicht werden,
Dich macht nicht blaß des Lebens Schwere,
Kannst kaufen Weiber, Wein und Ehre:
Wie schad', daß du nicht adelig,
Dann wärst du ganz untadelig!
Du Idealmensch comme il faut,
Ich zähl' dich zu den Tieren,
Du bist so dumm wie Bohnenstroh,
Kröchst richtiger auf Vieren.
Dein Leben darfst du faul verlungern
Wenn hunderttausende verhungern:
Wie schad', daß du nicht adelig,
Dann wärst du ganz untadelig!

1885

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TextGrid Repository (2012). Löns, Hermann. Gedichte. Junglaub. Das Sonntagskind. Das Sonntagskind. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0004-229E-C