Freie Liebe
Das Kiefernreis am Lodenhut,
Im Mund den Maserstummel,
Ein fester Stock, ein leichter Mut,
Zielloser Heidebummel,
Sie stand an Heiligenbildes Knauf
Und hielt die Hände bettelnd auf –
Schön war sie wie die Sünde.
Ihr Haupt war bloß und nackt ihr Fuß,
Ihr Haar hing wild hernieder,
Frechschelmisch klang ihr Bettelgruß
Und lumpig war das Mieder,
Der dünne Rock ging kaum zum Knie,
So schöne Waden sah ich nie
In reingewaschenen Strümpfen.
Ich zog sie von der Straße fort,
Wo goldgelb blüht der Ginster,
Sie sprach kein albern Sprödewort
Und ward nicht kalt und finster;
Ihr Busen, braun wie Haselnuß,
Schwoll sehnend unter meinem Kuß
Und meinem Händekosen.
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Das war doch andre Liebeslust
Als zierliches Poussieren,
Heißfeuchte Seufzer, Brust an Brust,
Kein Zappeln und kein Zieren.
Wie Flammen hat ihr Kuß gebrannt,
Und all mein Geld flog hin wie Sand,
Wie Steppensand im Ostwind.
Durchs Abendrot ein Habichtsruf –
Da fuhr sie in die Höhe –
Kleinkinderschrei und Rossehuf –
Die Bande in der Nähe.
Sie lachte: immer ich dir gut!
Dann küßte sie mich bis aufs Blut
Und rannte nach dem Wagen.
Münster, Januar 1890